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  1. #1
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    Hallo zusammen,

    ich bin mittlerweile etwa ein halbes Jahr lang als Assistenzarzt in der extrauniversitären Neurologie tätig und bin mir etwas unsicher darüber, was ich im Weiteren aus meinem Leben machen will.

    Ich bin nicht per se unzufrieden mit meiner derzeitigen Arbeitsstelle, da die Arbeitsbedingungen, das Gehalt und das Team passen. Trotzdem erwische ich mich immer wieder mit Zweifeln daran, ob entweder die Fachrichtung oder der Beruf wirklich das sind, was ich will. Versteht mich nicht falsch, das soll in keiner Weise anmaßend klingen, aber mir fehlt in meinem Arbeitsalltag einfach eine gewisse intellektuelle Komponente. Als Stationsarzt erfülle ich vor allem organisatorische Aufgaben und setze Patienten auf diagnostische und therapeutische Pfade nach dem Schema F. Das macht auch prinzipiell hin und wieder Spaß, weil es einen natürlich erfüllt, wenn man Patienten weiterhilft und/oder Pläne funktionieren. Aber weder stehen häufiger diffizilere differentialdiagnostische Überlegungen an, noch habe ich den Eindruck mich mit dem einzelnen Menschen als Mensch zu befassen. Vielmehr habe ich eher den Eindruck fachlich und intellektuell einzurosten und mich vom Patienten eher zu entfremden, da ich mich nun häufiger sogar dabei erlebe, Patienten- oder Angehörigengespräche als lästig zu empfinden, da sie mich in meinem Arbeitsfluss stören.

    Nun spiele ich in Gedanken mit verschiedenen Optionen, um vielleicht doch wieder intellektuelle Herausforderungen zu finden und/oder näher am Patienten zu arbeiten. Was mir einfällt wären (mit meinen oberflächlichen Gedanken bezüglich Vor- und Nachteilen dazu)
    A) Wechsel in eine universitäre Neurologie: SIcherlich ein intensiveres Lernen und interessantere Fälle und etwas Forschung, dafür schlechtere Arbeitsbedingungen.
    B) Wechsel in die Psychiatrie: Patientennäheres Arbeiten, vom Selbstverständnis her auch etwas intellektueller da ferner vom Somatischen.
    C) Wechsel in die medizinische Forschung: Mehr Denkarbeit, aber leider hat es mir die stumpfe Laborarbeit schon in meiner Doktorarbeit nicht gut gefallen.
    D) Wechsel in die Medizinethik: Habe einen Philosophieabschluss und mehrjährige Erfahrung als SHK in der Medizinethik, aber kann mich mit dem Gedanken als reiner Schreibtischtäter gar nichts mehr mit Patienten zu tun zu haben, auch nicht recht anfreunden.

    Hat jemand irgendwelche Meinungen, Empfehlungen oder weitere Vorschläge dazu? Wäre darüber sehr dankbar!



  2. #2
    Diamanten Mitglied
    Registriert seit
    04.08.2012
    Semester:
    5. WBJ Psychiatrie
    Beiträge
    10.640
    Meine Gedanken als an beiden Fächern interessierter, älterer Student kurz vor dem M2:

    Ich würde B machen. Denn A wird die Nachteile, die du jetzt siehst, wahrscheinlich nur noch weiter verstärken, C hat nichts mit Menschen zu tun und ist auch nicht wirklich intellektuell, sondern meist eher Fließbandarbeit, und D ist halt, wie du ja schon selbst erkannt hast, Schreibtischarbeit fernab vom Patienten.

    B hat auch einen weiteren großen Vorteil: Du kannst es völlig risikofrei "ausprobieren" da du ja für Neuro sowieso ein Fremdjahr in der Psychiatrie machen müsstest. Und könntest andersrum auch deine Zeit in der Neurologie für das Psychiatrie-Fremdjahr nutzen. Wäre also eine extrem effiziente Variante.

    Sehr intellektuell ist der Großteil der Arbeit in der Psychiatrie zwar IMHO auch nicht, aber "sich mit dem einzelnen Menschen als Mensch befassen" (ein, wie ich finde, wirklich sehr schöner Anspruch) kann man in einer guten Psychiatrie meinen bisherigen Erfahrungen zufolge viel eher als in einer guten Neurologie.

    Bin schon gespannt auf die Antworten derer, die bereits ärztlich tätig sind.

    Und noch ein Nachtrag: Ein guter Freund, der ähnlich "veranlagt" ist, es auch immer recht schade fand, dass man als Arzt eher Fließbandarbeiter als Denker ist und oft viel zu wenig Zeit für den Patienten hat, hat sich letzlich für die Onkologie entschieden und ist dort glücklich geworden. Er meint, dass er dort viel mehr Zeit hat, sich mit den Patienten auseinanderzusetzen als in den meisten anderen internistischen Fächern oder als in der Neurologie, findet die ständig neuen Therapien spannend, findet die Zusammenarbeit mit den Chirurgen, Radiologen, Strahlentherapeuten usw. in den Tumorboards spannend, hat (mangels gemeinsamer Innere-Dienste im Haus) auch genug Zeit für Familie und Hobbies, usw. Nur so als Idee.
    Geändert von davo (11.09.2018 um 22:58 Uhr)



  3. #3
    Diamanten Mitglied
    Registriert seit
    17.03.2006
    Beiträge
    3.731
    Ich seh es aus der Sicht eines Fachfremden: diffizile differentialdiagnostische Überlegungen gibt es wenn man die Basics mal kann. Ein Assistenzarzt im 1. Jahr wird z.B. keine neurologischen telemedizinischen Konsile machen. Natürlich nicht. Glaubt grad mal die Basics zu können und will oberste Liga spielen...
    Was dir klar sein sollte: wenn du mehr Verantwortung bekommst wird es auch spannender. Dafür musst du aber erstmal die Basics beherrschen.

    In vielen Kliniken die ich kenne läuft es so dass bei den Patienten die auf Station kommen die Behandlung eigentlich schon festgelegt ist. Irgendein "Entscheider" hat schon die differentialdiagnostischen Überlegungen angestellt und den weiteren Behandlungspfad festgelegt. Und dann brauchts halt den Stationsdepp der das umsetzt und sich um den Rest kümmert. Oder wie es bei uns immer heißt: es kann nicht nur Häuptlinge geben, es braucht auch Wasserträger.
    Also muss man irgendwann und irgendwie "an die Front" kommen. Und das passiert auch. Mit steigender Erfahrung steigt die Verantwortung und die Aufgaben. Und dadurch wird es spannender. Was glaubst du denn wie sehr es mich angekotzt hat zum hundertsten Mal die gleiche OP zu assistieren und sie noch nie selbst machen haben dürfen? Was glaubst du denn wie sehr meine Zweifel waren? Und man arbeitet und arbeitet und irgendwann wird es mehr was man machen darf und mehr Verantwortung und mehr eigene Entscheidungen etc. Inzwischen steh ich für meine Sachen selbst grad. Ich seh die Patienten in der Sprechstunde, stelle die OP-Indikation, kläre die Patienten auf und operiere sie. Und selbst operieren ist intellektuell herausfordernd genug...

    Was ist also dein Problem: dass du aktuell quasi dein Hirn ausschaltest und alles machst wie es das Schema F vorgibt das du präsentiert bekommst. Sie doch froh. Sei froh dass du klare Schemata bekommst. Sei froh dass man dich offensichtlich an die Hand nimmt. Die Schwierigkeiten kommen dann schon noch. Da kommt man im Laufe der Zeit hin. Und wenn du mal deinen Facharzt hast, dann lass dich halt nieder und mach nur noch Diagnostik. Routineaufgaben machen deine Arzthelferinnen etc.

    Und zum Thema Angehörigengespräche: die nerven mich teils auch. Wobei, es kommt drauf an. Wenn es um medizinische Sachen geht, wenn sich die Angehörigen Sorgen machen, wenn es Missverständnisse gibt die man ausräumen kann etc. dann finde ich Angehörigengespräche sinnvoll. Wenn es aber nur um unberechtigte Vorwürfe geht von Leuten die von nichts eine Ahnung haben oder um "wir wollen dass die Oma noch zwei Wochen länger in der Klinik bleibt weil wir jetzt erstmal in den Urlaub fahren und können uns nicht um sie kümmern und Kurzzeitpflege auch nicht zahlen" dann kotzen mich die Gespräche an. Ein gutes Patienten- oder Angehörigengespräch bringt einem wieder sehr viel und motiviert wieder.



  4. #4
    Registrierter Benutzer
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    Auch wenn es kein von dir gemachter Vorschlag ist: Pathologie an nem ausseruniversitaeren Institut. Zwar auch rel. viel zu tun mit hoher Arbeitsdichte und haeufig auch unbezahlten Ueberstunden. Dafuer keine Dienste und je nach Engagement Poolbeteiligung, so dass man zum Teil sogar mehr verdient als an der Klinik. Fachlich hochgradig vielseitig, wenn man sich drauf einlaesst (und nicht nur in der Kleinkramroutine versacken will). Intellektuell anspruchsvoll und praktisch nicht vollständig zu meistern (mein bisheriger Eindruck nach 5 Jahren). Wenn man will interessanter Austausch mit den Klinikern.



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