Ach wie gut haben wir es in Deutschland … ich hatte gerade einen längeren Plausch mit einer Studienfreundin, die als Resident in einem texanischen Krankenhaus arbeitet.
Die Entwicklung der USA hin zum "failed state" wird durch die Corona-Krise gerade massiv befeuert:
1. Eine Covid-19-Erkrankung ist teuer. Viele Krankenversicherungen haben einen detailliert aufgeschlüsselten Leistungskatalog, was versichert ist. Da Covid-19 eine neue Krankheit ist, sind selbst viele freiwillig krankenversicherte nicht abgedeckt. Das führt dazu, dass viele Patienten (auch mit anderen Krankheiten) aus Angst vor der Rechnung keine Klinik aufsuchen.
2. Die in deutschen Medien immer wieder gelesene Mär von überquellenden Intensivstationen stimmt ihrer Aussage nach nicht. Würden alle Patienten, die einer Behandlung bedürfen, tatsächlich behandelt werden, wären die Krankenhäuser tatsächlich voll. Aber zu dem genannten Problem der Versicherung kommt ein riesiges Allkoationsproblem. Verlegungen sind quasi nur von "County" (sozusagen Kreiskrankenhäuser) in übergeordnete Schwerpunktkliniken möglich, wenn das County aus medizinsichen Gründen die Versorgung nicht stemmen kann. Eine Verlegung von einem County in ein anderes bei Kapazitätsengpässen gibt es nicht. Viele Versicherungen schreiben zudem vor, dass Patienten nur in ein bestimmtes Krankenhaus dürfen, Rettungsdienste haben ebenfalls Verträge mit einzelnen Kliniken und dürfen nur in diese einliefern. Das führt dann Situationen, dass Klinik A fünf Polytraumen gleichzeitig bekommt und die gleich um die Ecke liegende Klinik B keines.
3. Schwarze und Latinos sind überdurchschnittlich von Covid-19 betroffen. Grund ist, dass viele von ihnen in einer finanziell und sozial prekären Situation leben und einen Verdienstausfall durch Quarantäne nicht wegstecken können - abgesehen vom Versicherungsproblem. Deshalb wird gearbeitet bis zum sprichwörtlichen Umfallen und Krankheitssymptome werden unterdrückt. Da besonders in der Altenpflege (sowohl in nursing homes als auch als domiciliary nurses) viele Hispanics (oft noch mit zweifelhaftem Aufenthaltsstatut, was die Hemmschwelle zum Arztbesuch noch einmal erhöht) arbeiten, gelten diese als Superspreader.
4. In den konservativen und verschwörungstheoretischen Medien findet gerade ein extremes Framing statt: Diese vom System eh schon benachteiligten Bevölkerungsgruppen sind Schuld an der Pandemie. In einem weißen Amerika wäre das Virus längst besiegt. Diese einfache Botschaft verfängt und wird ihrer Meinung nach dafür sorgen, dass Trump wiedergewählt wird. Im Notfall dadurch, dass alle Personen, die auch nur im Verdacht stehen, Biden wählen zu können, am Wahltag unter Zwangsquarantäne gestellt werden oder irgendeinen anderen Wahnsinn.
Also: Wer sich über die 10000 Schwurbel-Demonstranten aufregt - gerne! Aber immer dran denken: Bei uns haben sie wenigstens keine halbautomatischen Sturmgewehre zuhause.