teaser bild
Seite 1 von 2 12 LetzteLetzte
Ergebnis 1 bis 5 von 8
Forensuche

Aktive Benutzer in diesem Thema

  1. #1
    Registrierter Benutzer
    Registriert seit
    17.08.2010
    Semester:
    auf der Zielgeraden
    Beiträge
    58
    Auch wenn ich immer wieder mit dem Ausfüllen von Totenscheinen beschäftigt bin, habe sich bei mir da jetzt zwei Fragen ergeben, die mir bisher, so der Zufall es will, noch nicht untergekommen sind.

    Auf den Totenscheinen gibt es ja im nicht-vertraulichen Teil ein Feld, in dem angekreuzt werden soll, ob der Patient an einer übertragbaren meldepflichtigen Erkrankung gelitten hat. Manche Bundesländer erläutern das noch mit Verweis auf Erreger nach §6 und §7 des IfSG. Kreuzt ihr dieses Feld auch dann immer an, wenn der Patient nur eine Aktendiagnose wie MRSA-Besiedlung oder chronische Hepatitis B hat, oder nur wenn zum Todeszeitpunkt eine akute floride Infektion vorgelegen hat? Meldet ihr dann alle diese Fälle ans Gesundheitsamt, auch wenn die Erkrankung gar nichts mit dem Tod zutun hatte (z.B. Todesursache Herzinfarkt, aber auch bekannt Hepatis-C positiv), oder nur, wenn der Patient an der meldepflichtigen Krankheit verstorben ist (z.B. COVID-Pneumonie bei bereits ambulant diagnostizierter und gemeldeter Infektion)? Oft gibt es dann ja noch ein Feld im nicht-vertraulichen Teil, in dem besondere Vorsichtsmaßnahmen im Umgang mit Leichnam genannt werden sollen. Darf hier bei der Erläuterung der Erreger genannt werden? Es macht ja für den Umgang mit der Leiche schon einen Unterschied ob es z.B. um eine MRSA-Besiedlung einer Wunde oder eine SARS-COV-2-Infektion geht.

    Man kommt ja bei der Todesfeststellung im Krankenhaus gelegentlich in die Situation, dass eine klare interne Ursache des Todes zu erkennen ist, allerdings in der Krankengeschichte ein äußeres Geschehen vorkommt, dass in seinem stabilen Endzustand eine gewisse Prädisposition für interne Erkrankungen hinterlassen hat. Konkret ging es um einen Fall, in dem eine ältere Patientin vor 15 Jahren einem Reitunfall hatte, seitdem wegen eines Wirbelsäulentraumas im Rollstuhl immobil war und dann (nach 15 Jahren) an einer Lungenembolie mit Infartpneumonie verstorben ist. Hier war sich selbst mein OA nicht sicher, ob nun eine natürliche Todesart vorliegt oder nicht. Ich meine mich an eine Rechtsmedizinvorlesung zu erinnern, in der ein Dozent meinte, dass eine kausaler Zusammenhang in solchen Fällen immer dann vorliegt, wenn nach äußerlicher Einwirkung noch kein Endzustand der daraus folgenden Erkrankung erreicht ist. Beispiel war damals ein verunfallter Motorradfahrer mit schwerem SHT, der später an einer Pneumonie verstirbt. Erleidet er die Pneumonie z.B. noch im Krankenhaus oder in der Reha (auch noch Monate nach dem Unfall), also im Rahmen der Rekonvaleszenz, ist die Todesart nicht-natürlich, da die mit dem Unfall beginnende Kausalität bis dahinen noch nicht geschlossen war. Hier müsste als Beginn der Kausalkette im Totenschein dann auch das SHT nach Verkehrsunfall angegeben werden. Wird selber Motorradfahrer nach Rehabilitation und Krankenhausaufenthalt letztlich heimbeatmet zuhause versorgt und erleidet nach Jahren stabilen Gesundheitszustandes eine Pneumonie, an der er verstirbt, wurde damals die Todesart vom Dozenten als natürlich bewertet, da die Kausalität des Unfalles mit Erreichen der Rekonvaleszenz (wenn auch auf niedrigerem Niveau als vorher) abgeschlossen sei. Im Internet habe ich jetzt aber wieder einen Artikel gefunden, in dem gesagt wird, dass Tod durch Pneumonie bei Apallikern nach Trauma immer nicht-natürlich sei, auch nach Jahrzehnten. Kann da jemand Licht ins Dunkle bringen?



  2. #2
    Diamanten Mitglied Avatar von Shizr
    Registriert seit
    18.03.2011
    Ort
    Münster
    Semester:
    -
    Beiträge
    1.086
    Zitat Zitat von ER-Student Beitrag anzeigen
    Ich meine mich an eine Rechtsmedizinvorlesung zu erinnern, in der ein Dozent meinte, dass eine kausaler Zusammenhang in solchen Fällen immer dann vorliegt, wenn nach äußerlicher Einwirkung noch kein Endzustand der daraus folgenden Erkrankung erreicht ist.
    Motorradunfall -> SHT -> Heimbeatmung -> Pneumonie -> Tod.
    Ein kausaler Zusammenhang mit dem Unfall liegt für mich zumindest nahe, daher nicht-natürlicher Tod mit allen entsprechenden Konsequenzen.


    Diese "Endzustands"-Theorie habe ich echt noch nie gehört, und sie erscheint mir auch zutiefst widersinnig.

    Beispiel 2: Eine 41-jährige Patientin stirbt 4 Jahre nach einem
    Narkosezwischenfall mit der Folge eines apallischen Syndroms an
    einer Pneumonie.
    Ia Pneumonie
    Ib Apallisches Syndrom, Bettlägerigkeit
    Ic Narkosezwischenfall
    Zugleich wäre in diesem Fall die Todesart als nichtnatürlich zu
    qualifizieren.
    Quelle: Madea: Praxis Rechtsmedizin. 2007, 2. Auflage, S. 25



  3. #3
    Diamanten Mitglied
    Registriert seit
    09.10.2002
    Ort
    Schwarzwald
    Beiträge
    1.794
    Für die Angehörigen hat es eine KOnsequenz bzgl. Auszahlung einer Versicherungersumme der Unfallversicherung. Bei natürlicher Tod steigt die Versicherung aus.



  4. #4
    Diamanten Mitglied Avatar von WackenDoc
    Registriert seit
    24.01.2009
    Semester:
    Bauschamane
    Beiträge
    16.362
    Die Frage ist quasi ob er auch ohne den Unfall an der Pneumonie verstorben wäre. Also ist er mit 90 Jahren 70 Jahre nach dem Unfall an einer Pneumonie verstorben, KÖNNTE es natürlich sein. Mit 40 und 5 Jahre nach dem Unfall eher nicht.
    Das musst du aber nicht am Totenbett entscheiden, sondern im Zweifel der Gutachter.
    Also im Zweifel Nicht-natürlich ankreuzen in dem Beispiel.

    Es gibt aber einen Grundsatz mit dem man auf der sicheren Seite ist:
    Wenn du "natürlich" ankreuzt, musst du dir sicher sein, dass er natürlich ist. Sobald die Möglichkeit! eines nicht-natürlichen besteht ist es nicht-natürlich oder unklar (die Kategorie gibt es in manchen Bundesländern).
    Du bekommst Ärger, wenn du falsch-natürlich ankreuzt, aber nicht, wenn es falsch-nicht-natürlich ist.

    Bei den Warnhinweisen genau das Formular beachten. Und mal schauen, ob es Fortbildungsveranstaltungen zum Thema gibt.
    This above all: to thine own self be true,
    And it must follow, as the night the day,
    Thou canst not then be false to any man.
    Hamlet, Act I, Scene 3



  5. #5
    Registrierter Benutzer
    Registriert seit
    17.08.2010
    Semester:
    auf der Zielgeraden
    Beiträge
    58
    Vielen lieben Dank für Eure Antworten. Da habe ich auf jeden Fall etwas dazu gelernt. Bisher bekam ich von meinen Oberärzten immer eingetrichtert, dass man einen natürlichen Tod bescheinigen soll, es sei denn es gäbe harte Hinweise auf Fremdeinwirkung. Gerade in der Geriatrie kann ich mich an keinen Fall erinnern, wo die Oberärzte nach einem Tod durch Pneumonie, auch bei langjährigen Apallikern, eine nicht-natürliche Todesart im Schein eingetragen haben wollten. Da werde ich in Zukunft auf jeden Fall deutlich mehr aufpassen und bei geringen Zweifeln bezogen auf mögliche lang zurückliegende Kausalitäten unklar oder nicht-natürlich ankreuzen.

    Was droht einem denn, wenn man sich bei der natürlichen Todesart mal geirrt hat? Bin mir gerade nach den Erkenntnissen aus diesem Thema ziemlich unsicher ob alle meine Kreuze bei natürlichem Tod dann wirklich korrekt waren, oder ob da doch mal Fälle dabei waren, wo ich eine zurückliegende Kausalität falsch bewertet habe.

    Hat jemand noch Erfahrungen zu dem Punkt mit den Infektionserkrankungen?

    Ich werde mich wirklich mal auf die Suche nach einem Leichenschaukurs machen.



Seite 1 von 2 12 LetzteLetzte

MEDI-LEARN bei Facebook