Zitat von
Hoppla-Daisy
So, und DA muss ich jetzt mal ordentlich dazwischen grätschen! Natürlich kann man versuchen, sich stress- bzw. dienstresistenter zu machen. Die vielbeschworene Achtsamkeit und damit verbundene Übungen sind mit Sicherheit adäquate Mittel, die zum Ziel führen können, um den Stresslevel etwas runter zu fahren und ggf. schneller in den häufig raren Schlaf während eines Dienstes zu kommen. Den Schlaf-Wach-Rhythmus selbst positiv zu beeinflussen, kann aus der Tatsache des schier unvorhergesehen Dienstes heraus schon nicht klappen. Man kann vorher und nachher für Schlaf und Entspannung sorgen, aber das gewiss nicht für währenddessen planen. Die Qualität des Schlafes kannst du auch nicht beeinflussen, zumal wenn du vorher richtig Action hattest. Da pinkelt dir dein Cortisol ordentlich ans Bein.
Was mir besonders sauer aufstößt, ist die Bemerkung von dir, dass man seine psychische Widerstandkraft so weit trainieren kann, sich selbst dazu motivieren kann, über Grenzen hinaus zu gehen, sich von seinem eigenen Zustand zu entkoppeln. DAS, mein lieber mbs, befördert dich geradewegs in einen Burnout mit Depression hinein, das kann ich dir versichern.
Been there, done that! Und was habe ich gelernt? Das großartige Zauberwort und Tool "Selbstfürsorge". Und auch, dass man nicht dauerhaft auf 100 oder gar 120 % gut funktionieren kann. 80 % deiner Leistungskraft müssen reichen, um dich dauerhaft gesund zu erhalten. Wer ständig 100 % gibt, gerät schnell nicht nur AN die Grenzen, sondern in Turbogeschwindigkeit darüber hinaus. Von keiner Maschine erwartet man 100 %, weil das den Verschleiss einer solchen vorantreiben würde, was betriebswirtschaftlich bedenklich wäre. Von 120 % brauchen wir in diesem Zusammenhang nicht zu sprechen. Dass es Kappes ist, immer über dem absoluten Limit (denn das sind schon 100 %!) zu arbeiten, steht glaube ich außer Frage. Arbeitet man zu 80 % seiner Leistungsfähigkeit, hat man noch Puffer nach oben für stressige Zeiten, um danach wieder auf normal runter zu fahren. Das kannst du nicht mit bereits geleisteten 100 %, geschweige denn mit 120 %. Wer allerdings das von dir so lapidar hingesagte Modell des Über-die-Grenzen-gehen favorisiert. Bitte.... kann man machen, sollte man aber nicht. Aus Gründen der Selbstfürsorge.
Selbstfürsorge beinhaltet übrigens auch Abgrenzen! Abgrenzen gegen von oben aufoktroyierten Stress durch Organisationsverschulden seitens des Arbeitgebers. Wenn dieser hinnimmt, dass wenige Kollegen viele Dienst schieben müssen, hat er schon das Grundprinzip der Mitarbeiterfürsorge nicht verstanden. Gegen den Stress IM Dienst kann man relativ wenig machen, das stimmt schon. Da muss man irgendwie klar kommen. Und da mögen Entspannungstechniken helfen. Aber eben nur situativ, und gewiss nicht auf Dauer.
Ich habe in den beiden Klinikaufenthalten, in die ich durch ständiges Geben von 100- 120 % (beruflich wie privat) geraten bin, nicht wenige Patienten aus dem medizinischen Bereich kennengelernt, die genau an dem gleichen Konzept gescheitert sind, das auch mir das Genick gebrochen hat: ständige Selbstüberforderung und fatales Ignorieren sämtlicher Alarmzeichen!