Das hab ich jetzt erst verstanden. Okay mache ich.
Ich hab mich glaube ich auch ein bisschen in dieser Rolle verheddert. Man hört nur oft von der krassen Arbeitsbelastung. Generell kann ich gut arbeiten und habe nur Angst, dass ich dann unglücklich bin, weil ich meine Zeit mit etwas verbringe, dass mich ästhetisch nicht anspricht. Ich kann sehr fleißig sein.
Ich hab mein Abi nachgeholt, das hatte ich mit 24 erst. Dann habe ich in dreieinhalb Jahren den Bachelor gemacht. Abinote war 1,0, Bachelornote 1,3. Ich denke schon, dass das leistungsmäßig i.O. wäre.
Ich finde das total schwierig, weil es am Ende eine Argumentation über Ästhetik und Interessen ist. Und das kann ja niemand für mich beantworten, ob ich mich fehl am Platz und unglücklicher fühle, weil ich kolonchirurgische Operationstechniken auswendiglernen muss oder weil ich am Ende in einer Karriere stecke, die mich niemals befreien kann von den Zwängen der Mittelschicht und der drohenden Durchschnittlichkeit. Ob ich unglücklicher bin, weil ich keine Zeit mehr habe, Jazzsaxofon zu lernen, einen Fotografieband zu veröffentlichen und neue Bekanntschaften auf Open-Airs zu machen, oder weil ich meine Zeit nie genutzt habe, um beruflich Positionen erreichen zu können, auf die ich sonst nur neidvoll blicke.
Ich sehe das zu sehr schwarz-weiß, glaube ich auch. Ich denke, im Nachhinein werde ich mit beidem leben können, nur das ich am Ende bei Medizin perspektivisch mit ein paar mehr Privilegien rausgehe. Die letzte Bedingung bleibt deshalb: Finde ich den menschlichen Körper und dessen Behandlung interessant genug, um mich damit jahrelang intensiv auseinanderzusetzen? Wenn ja, dann ist es logisch, jetzt noch Medizin zu machen, wenn nicht, dann nicht. Bei der Konklusion bin ich im letzten Beitrag schon angekommen. Dein Beitrag hat mich nun noch dazu gebracht, noch einmal die naiven Vorstellungen vor dem Studium mit der Realität danach abzugleichen. Ich vermute aber, es wird mich trotzdem nicht davon abbringen können. Mich fasziniert die Vielseitigkeit, und "nur" Psychotherapie anbieten zu können, das fände ich auf Dauer vielleicht zu ermüdend. Als Psychiater rotiere ich durch die Stationen, schreibe Gutachten, passe die Medikamente an, mache körperliche Untersuchungen usw. UND therapiere. Das ist doch viel cooler! Und ich kann am Ende, wenn ich möchte, auch einfach nur therapieren . Und dann sogar noch die Medikamente mit der Patient*in gleich mitplanen . Wenn ich will, könnte ich sogar selbständig augmentierte Psychotherapie anbieten! Und ich hätte zwei Uniabschlüsse. Und könnte ein ganz neues intellektuelles Feld beschreiten. Und bestimmt ist es dann auch einfacher, seine Gedanken im öffentlichen Diskurs zu platzieren. Hoffe ich.
Ich will am Ende nur nichts bereuen. Das Leben ist kurz. Ich hoffe sehr, ich schaffe es, nun eine Faszination für den Rest der (somatischen) Medizin ausreichend entfachen zu können. Alles Gute!