Eine unnötige Röntgenuntersuchung kann eine Körperverletzung darstellen und strafrechtlich geahndet werden:
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem Grundsatzurteil vom 3.12.97 -2 StR 397/97- (NJW 1998, Seite 833 ff.) entschieden, daß medizinisch nicht gerechtfertigte Röntgenuntersuchungen auch bei nicht nachweisbaren Körperschäden eine vorsätzliche Körperverletzung darstellen und strafrechtlich geahndet werden können.
Die Grundsatzentscheidung des BGH dürfte einmal weitreichende Konsequenzen für die Röntgendiagnostik haben. Zum anderen gelten die Grundsätze des Urteils selbstverständlich auch für alle anderen ohne Indikation vorgenommenen ärztlichen und nichtärztlichen Maßnahmen in entsprechender Weise.
Es kann daher den Gesundheitsberufen angeraten werden, sich mit dem Urteil der Karlsruher Richter vertraut zu machen und ihre Berufstätigkeit daran zu orientieren.
Nichtärztliches Personal ist auch in der Eigenschaft als Arbeitnerhmer/In nicht verpflichtet, an Maßnahmen teilzunehmen bzw. Anordnungen auszuführen, die mit den gesetzlichen Vorschriften nicht in Einklang stehen (vgl. insoweit das Recht auf Arbeitsverweigerung; u.a. § 8 Abs. 2 Bundes-Angestelltentarifvertrag - BAT -).
Der Sachverhalt der hier vorzustellende BGH-Entscheidung in Kürze: Es ging um einen Arzt (Orthopäden), der medizinisch nicht erforderliche oder nicht verwertbare Ultraschall -und Röntgenuntersuchungen durchgeführt und abgerechnet hatte. U.a. fertigte er bei einem Patienten innerhalb von 12 Jahren 140 Röntgenaufnahmen an, wobei in der Regel jeweils Aufnahmeserien durchgeführt wurden. Bei anderen Patienten unterließ er gebotene Schutzmaßnahmen. Der Arzt hatte zusätzlich nicht erbrachte Beratungsleistungen in Rechnung gestellt und einer Patientin gegen deren Willen Spritzen gesetzt. Das Landgericht (LG) Frankfurt a.M. verurteilte den Arzt vor allem wegen vorsätzlichen unerlaubten Freisetzen ionisierender Strahlen gemäß § 311d Strafgesetzbuch (StGB) sowie wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten. Das LG stellte dabei heraus, daß die medizinisch nicht indizierten Röntgenaufnahmen nicht als Körperverletzung nach §§ 223, 223a StGB bewertet werden können, da die verursachten "strahlenbedingten Mutationen sich im mikrobiologischen Bereich bewegen" würden und "im Hinblick auf den einzelnen Patienten nicht nachweisbar" seien. In der Revisionsverhandlung vor dem BGH konnte das Urteil des LG einer rechtlichen Überprüfung nicht standhalten. Hinsichtlich der Verurteilung des Arztes wegen Freisetzen ionisierender Strahlen kamen die Richter des BGH zu einer anderslautenden Entscheidung. Sie stellten fest, daß die Durchführung medizinisch nicht indizierter Röntgenaufnahmen mit einer technisch einwandfreien Röntgeneinrichtung nicht den Straftatbestand des § 311d StGB verwirkliche.
Allerdings könne dieses Vorgehen den Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung nach § 223a StGB erfüllen.
Eine medizinisch nicht indizierte Röntgenaufnahme kann jedoch den Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung nach § 223a StGB erfüllen! Unter Maßgabe dieses Hinweises hat der BGH die Sache zu einer neuen Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des LG zurückverwiesen; es müsse eine andere rechtliche Beurteilung der durchgeführten Röntgenbehandlungen erfolgen. Es stehe fest, daß durch ionisierende Strahlen vitale Strukturen des menschlichen Körpers beeinträchtigt werden. Dabei genüge auch eine geringe Dosis zur Herbeiführung von Langzeitschäden, die sich in Veränderungen des Erbgutes und der Entstehung von Tumoren zeige. Eine Schwellendosis existiere in diesem Bereich nicht, auch kleinste Dosen können diese Folgen bewirken. Allerdings seien für den Einzelfall Langzeitschäden nicht prognostizierbar, aber das Fehlen akuter Symptome schließe Schädigungen nicht aus, die statistisch vorhersagbar seien. Auch wenn im Einzelfall "strahlenbedingte Mutationen im mikrobiologischen Bereich nicht nachweisbar seien", stehe das einer Strafbarkeit nicht entgegen. Es müsse für die Beurteilung der Strafbarkeit der Handlung zunächst geklärt werden, wann eine Gesundheitsschädigung im Sinne von § 223 StGB vorliege. Dabei könne man, so die Richter, auf folgende Definition zurückgreifen:
Eine Gesundheitsschädigung im Sinne von § 223 StGB ist in jedem Hervorrufen oder Steigern eines vom Normalzustand der körperlichen Funktionen des Menschen nachteilig abweichenden Zustandes zu sehen, also in einem, wenn auch nur vorübergehenden, Herbeiführen einer pathologischen Verfassung, wobei die Beeinträchtigung nicht von Dauer zu sein bracht, sie muß aber andererseits auch über lediglich unerhebliche Beeinträchtigungen hinausgehen.
Quelle:
https://www.wernerschell.de/Rechtsal...tersuchung.php