Wie die meisten sicher festgestellt haben ist das Cannabisproblem wieder in aller Munde. Selbstverständlich bemüht man sich wie gewohnt um eine sachliche Berichterstattung und vermeidet bewußt eine alamierende und tendenziöse Darstellung. Ob bei Rtl oder im Spiegel, regelmäßig wird dabei auf die Bremer Cannabisrattenstudie hingewiesen, die schwerste Hirnschäden durch Cannabiskonsum in der Pubertät bewiesen haben will. Grund genug sich das mal näher anzuschauen und etwas nachzurechnen:
Eine Zusammenfassung der Studie findet man im renommierten Magazin Nature:
http://www.nature.com/cgi-taf/DynaPa.../1300225a.html
Um die Legitimität einer Übertragung der Erkenntnisse auf den menschlichen Organismus besser nachvollziehen zu können, habe ich eine kleine Rechnung angestellt.
Berechnungsgrundlage:
1] Die Ratten in der Studie bekamen in ihrer Pupertät 20 Injektionen des synthetischen Cannabinoids WIN 55,212-2 (WIN) (1.2 mg/kg).
2] Die Rattenpupertät dauert etwa 1 Monat. Die Tiere standen also mehr als 60% ihrer Pupertät unter Drogen.
3] WIN 55,212-2 ist ein synthetisches Cannabinoid, das nicht in der Cannabispflanze vorkommt und etwa 4-fach stärker ist als delta9-THC.
"WIN-2 showing a potency more than four times that of delta9-THC."
http://www.jneurosci.org/cgi/content...act/20/23/8932
4] Die mittlere biologische Verfügbarkeit von THC in inhaliertem Cannabisrauch beträgt knapp 20%.
"Rauchen: Die Bioverfügbarkeit liegt bei durchschnittlich 19%."
http://www.psychoring.de/Sucht-Cannabis.htm
Bei intraperitonealer Injektion 100% (?)
5] Angenommen wird ein THC-Gehalt im Cannabis von 10%.
6] Der Cannabisgehalt eines Joints beträgt etwa 100-260mg.
"But in Europe, where a reefer cigarette typically contains only 100-260 mg of cannabis."
http://www.emcdda.eu.int/index.cfm?f...languageISO=EN
Für die Rechnung nehmen wir mal großzügig 250mg Cannabis pro Joint (=Tabak-Cannabis-Mischung) an.
6] Wir rechnen für einen jungen Menschen von etwa 60kg Körpergewicht.
Rechnung:
1.2 mg/kg x 60kg (Körpergewicht) = 72mg WIN-2 pro Einzeldosis intraperitoneal (1+7)
72mg WIN-2 intraperitoneal entsprechen 4 x 72mg = 288mg delta9-THC pro Einzeldosis intraperitoneal . (3)
288mg THC intraperitoneal entsprechen 288mg x 5 = 1440mg THC inhalativ pro Einzeldosis. (4)
1440mg THC entprechen 1440mg x 10 = 14,4g Cannabis pro Einzeldosis (5)
14,4g Cannabis entsprechen 14,4g Cannabis : 0,25g Cannabis/Joint = 57,6 Joints pro Einzeldosis. (6)
Ergebnis: Wenn ein etwa 60kg schwerer Jugendlicher an über 60% der Tage seiner Pupertät (2) jeweils 57 Joints raucht, dann sind die Ergebnisse mit gutem Gewissen übertragbar.
Ich nehme an, daß diese Fälle sehr selten sind.
Der Spiegel hat übrigens sehr sauber recherschiert, schreibt er doch:
"Bremer Forscher spritzten jugendlichen und erwachsenen Ratten täglich den Wirkstoff THC, etwa so viel, wie ein Joint enthält."
Quelle: Ein Joint für die große Pause", S. 70 ff, Spiegel, 28.06.2004
Den Spiegel hab ich damit zum letzten Mal gelesen.
PS: Falls Ihr (Denk)Fehler meinerseits findet, dann sagt es bitte.
Und falls es jemand genau weiß: Wie hoch ist die biologische Verfügbarkeit lipophiler Substanzen bei peritonealer Applikation? Tatsächlich 100%?