1. In welcher Weiterbildungsrichtung bist du tätig und in welchem Jahr deiner Weiterbildung befindest du dich?
Psychosomatik, 2. WBJ, Haus der Maximalversorgung
2. Wie sieht ein typischer Arbeitstag für dich aus: wann startest du, wie lange arbeitest du und mit welchen Dingen bist du regelmäßig beschäftigt?
8:15 Start mit kurzer Übergabe durch die Pflege. Befunde (Labore, Konsilberichte etc.) checken, Anordnungen, Blutabnahmen, Wundkontrolle bei den Selbstverletzungen und alle mögliche Stationsarbeit halt.
9:00 die Patienten sind mit Frühstücken fertig, also kann ich mit meinen Einzeltherapien (50 min) anfangen, zwischendurch steht die Gruppentherapie (90 min) auf dem Plan. Dazwischen kümmere ich mich um die Neuaufnahmen, halte Rücksprache mit den Hausärzten oder Konsiliaren. Dazwischen gibt es viele Team-Sitzungen, Supervisionen, auch mal Familiengespräche mit Patient und Partner und im Idealfall einer Pflegekraft z. B.
12:30 Mittagspause
13:00 geht's weiter mit Therapiegesprächen, viel Dokumentation, Stationsarbeit usw.
16:00 danach sollten wir keine Patiententermine mehr vergeben und haben Zeit für die Briefe
16:45 Feierabend, das Briefeschreiben und MDK-Anfragen beantworten kann darüber hinaus andauern
4. Wo liegen bei den unter Frage 2 behandelten Themen die Arbeitsschwerpunkte bei deinen Tätigkeiten?
Therapiegespräche/-gruppen, Dokumentation/Stationsarbeit, Team-Sitzungen/-Supervisionen
5. Was war das absolute Highlight deiner bisherigen Berufslaufbahn, da das du dich auch heute noch gerne und lebhaft erinnerst?
Da fällt mir nichts zu ein, es gibt in dem Sinne keine "Heilung" in der psychosomatischen Klinik, die Patienten werden bestenfalls im "stabilisierten Zustand und mit subjektiver Symptombesserung" entlassen. Ich finde aber Familien-/Paargespräche immer wieder spannend, weil die selten so verlaufen wie man plant.
6. Welche Erfahrungen und Tipps im Umgang mit dem Pflegepersonal kannst du weiter geben?
Die Pflege nimmt irgendwie nicht so gern Anordnungen entgegen, wie in der Inneren z. B., sondern diskutiert jede Anordnung gern ausführlich aus. Wenn man immer mal einen Kuchen mitbringt, schafft das eine gute Stimmung und man kriegt morgens mehr Infos übergeben
7. Wie geht man aus deiner Erfahrung geschickt mit den ärztlichen Kollegen aus dem Kreise der Assistenzärzte um? Welche Probleme können hier auftauchen?
Meistens gibt's nur 1 Arzt pro Station und eine Reihe Psychologen. Hilfreich ist es, die, die die Gruppentherapien leiten nach den Patienten zu fragen, die man selbst in der Einzeltherapie hat, das gilt auch für die Körpertherapeuten, Kunsttherapeuten usw. Bringt zusätzliche Infos und macht eine gute Stimmung im Team.
8. Chef- und Oberärzte als Vorgesetzte lassen sich leider nicht umgehen. Wie sind hier deine Erfahrungen im täglichen Umgang im positiven wie auch im negativen Sinne?
Ich hab manchmal das Gefühl, dass die ihr psychotherapeutisches Wissen und ihre viele Erfahrung auch einsetzen, um ihre Mitarbeiter geschickt zu manipulieren. In Gesprächen mit Kollegen haben da auch manche das Gefühl geäußert. Also Konflikte werden da nicht so direkt ausgetragen wie in der Inneren z. B., sondern da läuft mehr so zwischen den Zeilen.
9. Wie spielt sich konkret die Weiterbildung ab: arbeitest du einfach nur oder gibt es Unterricht durch Ober- und Chefärzte, um den Anforderungen der Weiterbildungsordnung gerecht zu werden? Führst du ein Nachweisheft zur Weiterbildung? Fühlst du dich gut betreut?
Der Facharzt heißt ja Psychosomatische Medizin und Psychotherapie und die ganze Psychotherapie-Ausbildung läuft über extra Institute in den Abendstunden und an Samstagen. Die muss man leider auch privat bezahlen, hab nur von ganz wenigen Kollegen gehört, dass die Kliniken da Zuschüsse für geben. Jede Woche gibt es theoretisch eine einstündige Abteilungsfortbildung, aber die externen Sachen sind wichtiger - auch für die Ärztekammer.
10. Was sind aus deiner Sicht die Vorteile deines Fachgebietes im Vergleich zu anderen Fachrichtungen? Und andersherum: wo liegen die Nachteile des Gebietes, die man in Kauf nehmen muss?
Vorteile:
Ich muss keine interventionellen Sachen machen, Blutabnahmen, Wundkontrolle oder mal eine Magensonde schieben sind das Maximum. Ich hab, wenn ich die Briefe zu Hause diktiere, in der Klinik pünktlich Feierabend.
Nachteile:
Wenn viele Traumapatienten da sind, finde ich das schon emotional belastend. Kann dann abends die Geschichten hinter mir lassen, aber die traurige oder aggressive Stimmung z. B. nehme ich dann ungewollt doch mit nach Hause. Die Psychotherapie-Ausbildung ist sehr teuer, allein die Einzelselbsterfahrungsstunden (bislang muss man 150 machen) kosten je nach Psychotherapeuten, den man findet, bis 125 Euro pro Stunde - und man muss sich vieles selbst organisieren, den Autogenes-Training-Kurs hier, die Einzelselbsterfahrung dort usw.
11. Wie beurteilst du die Chancen im Hinblick auf deine weitere Karriere nach der Facharztprüfung? Möchtest du eine Kliniklaufbahn anstreben oder dich niederlassen bzw. was hast du vor und wie sieht es dabei speziell für dein Fachgebiet aus?
Die meisten kaufen nach bestandener Facharztprüfung schnell eine KV-Zulassung und machen eine Ein-Mann-Praxis auf. Das klappt meistens innerhalb eines Jahres. Die, die an der Klinik bleiben, kriegen schnell Oberarztstellen angeboten, weil in jeder "Schicht" eine hohe Fluktuation ist.
12. Stress, Überstunden und lange bzw. häufige Dienste gehören leider immer noch zum Berufsalltag. Fühlst du dich häufig gestresst, machst du viele Überstunden oder schiebst häufig Dienste oder geht es bei dir eher locker zu? Wie gehst du persönlich mit Stress und derartigen Belastungen um?
Unsere Dienste sind Rufbereitschaften, die meistens ohne Anruf auskommen. An den Wochenenddiensten braucht man im Sommer oft nur 2 Stunden für die Visite und Dokumentation und macht danach wieder Rufbereitschaft. Im Herbst und vor allem im Dezember braucht man oft 4 Stunden für die Visite und Dokumentation, dazu kommen viele Krisengespräche und die medizinische Versorgung neu aufgetretener Infekte etc.
Stress gibt's eigentlich nur, wenn viel Krankheitsvertretungen anfallen und durch die emotionale Belastung, wenn viele Borderliner oder Traumapatienten da sind.
13. Auch die Familie darf nicht zu kurz kommen: findest du als Vater oder Mutter Betreuungsangebote für eigenen Nachwuchs oder sonstige Unterstützung für ärztliche Eltern im Berufsleben? Wenn ja, welche? Falls es keine gibt: was konkret könnte dir helfen?
Der Feierabend ist recht pünktlich, die Briefe kann man auch abends zu Hause diktieren, wenn die Kids schlafen. Die Dienste sind Bereitschaftsdienste, nur die Wochenendvisiten sind anwesenheitspflichtig, dauern aber nicht so lang. Vor allem bei den Psychologen gibt es viele, die in Teilzeit arbeiten und auch unter Ärzten ist das möglich.
14. Was möchtest du angehenden Assistenzärzten oder ärztlichen Kollegen als deine zwei wichtigsten Tipps mit auf den Weg geben?
Fangt so früh wie möglich mit der Psychotherapieausbildung an, die sieht weniger aus, als sie ist und lernt, euch emotional abzugrenzen.
15. Heute nochmals vor deine Berufswahl gestellt: würdest du noch einmal den Beruf des Arztes wählen?
Insgesamt schon!