Original geschrieben von Dr. C. Kempe; DÄ Heft 5, Jg. 102, Feb. 2005, Seite B222
Wie soll sich Leistung wieder lohnen?
...Unsere werte Bundesregierung (auch die Opposition) hat sich seit nunmehr einem Jahrzehnt auf ihre Fahnen geschrieben, dass sich Leistung wieder lohnen müsse und wir alle den Gürtel enger zu schnallen haben, damit es wieder "aufwärts" gehe. Davon sehen wir in der Realität allerdings recht wenig. Außer, man nimmt einige Politiker beim Wort und eröffnet sich über einige lukrative Nebenjobs (siehe RWE etc.) zusätzliche Möglichkeiten, das BIP anzukurbeln. Dafür hat man aber als Normalarbeitnehmer im deutschen Klinikalltag weder die Möglichkeiten noch die Zeit. Ich möchte Ihnen in diesem Zusammenhang, werte Vorstandsmitglieder der BÄK, DKG und diverser Großunternehmen, eine kurze Rechenaufgabe vorstellen:
Investition:
- 6 Jahre Hochschulstudium
- 5 Jahre Facharztausbildung für Anästhesie
- 2 Jahre Subspezialisierung für Intensivmedizin
- zusätzliche Qualifikation auf internationaler Ebene: DEAA
- durchschnittliche Arbeitszeit: 280 bis 300 Stunden pro Monat; teilweise auch mehr, je nach Personallage
- selbstfinanzierte Fort- und Weiterbildung (ohne Sponsoring wie sonst bei Politikern üblich)
Ergebnis oder Dividende:
- circa 2800 bis 3000 Euro netto monatlich, was einem Stundenlohn von circa zehn Euro entspricht.
Ähnliches ist bei qualifizierten Fachschwestern, die ebenfalls eine fünfjährige Ausbildung durchlaufen haben, zu verzeichnen. Hier sind wir mit 3,25 Euro netto pro Stunde eines 24-Stunden-Dienstes schon in der realen Nähe der "lukrativen" 1-Euro-Jobs, die unsere Bundesregierung als Patentlösung unseres maroden Arbeitsmarktes anpreist. Jetzt frage ich Sie, wie dies mit dem eingangs erwähnten Slogan zusammenpasst - von der zunehmenden Selbstbedienungsmentalität unserer sogenannten Volksvertreter und Manager gar nicht zu reden. Wären Sie bereit, dafür Tag und Nacht für das Wohl Ihrer Klienten (in unserem Fall Patienten) zur Verfügung zu stehen? Ich glaube kaum. Auf der anderen Seite muss man sich auch noch in seiner von der eigenen Ständevertretung herausgegebenen Zeitschrift vormachen lassen, wie flexible und wirtschafltich doch privat geführte Klinikbetriebe sind (DÄ, Hefte 49/2004 und 50/2004) und wie gut sie doch an der Börse dotiert sind, sodaß sie als Vermögensanlage empfohlen werden. Ich bin wahrlich kein Vertreter einer sozialistischen Gleichmacherpolitik, aber empfinden Sie es nicht als unfair, wenn in derartigen Klinikkonzernen auf Kosten der Arbeitnehmer, die Familie und Gesundheit für ihren Beruf aufs Spiel setzen, Millionengehälter für Manager oder Vorstandsmitglieder gezahlt werden? Und dies hauptsächlich durch Lohndumping in Form so genannter "leistungsgerechter" Haustarife und infamer Umgehung bestehender gesetzlicher Regelungen (siehe Arbeitszeitgesetz) erreicht wird. Wie soll sich in solch einem Klima Leistung wieder lohnen?...