Moin, moin!
Also, ich bin vor einiger Zeit auf eine ganz interessante Studie gestossen, die ich hier mal kurz vorstellen wollte. Vielleicht hat der eine oder andere ja auch Lust ab und zu mal interessante Studien vorzustellen, man hat ja nicht immer Zeit, sich durch die Fachliteratur zu kämpfen und vielleicht ist es ja auch für die anderen Berufsgruppen hier im Forum mal ganz interessant zu sehen, womit sich Pflegeforschung eigentlich beschäftigt. Vielleicht entwickelt sich ja eine neues Unterforum: "Neues aus der Pflegeforschung", oder so ähnlich...
Also, die Studie ist schon etwas älter, aber trotzdem noch ganz spannend, wie ich finde.
Quelle:Krause, Anders, Renteln-Kruse "Inkontinez als Risikofaktor für Dekubitus hält kritischer Überprüfung nicht stand", Pflege 2005; 18:299-303
Hier eine kurze Zusammenfassung:
Der einzige primäre pathogenetische Faktor für die Entstahung eines Dekubitus ist anhaltender Druck, dennoch wird die Inkontinez immer wieder als sekundärer Risikofaktor für Dekubitus genannt. Diskutiert wird hier die Mazeration der Haut durch die Nässe, oder die Urininkontinenz als Indikator für andere Risikofaktoren oder als Maß für Pflegebedürftigkeit ohne kausalen Zusammenhang zum Dekubitus. Problematisch ist hierbei die fehlende wissenschaftliche Evidenz, da es keine kontrollierten oder randomatisierten Studien zu diesem Thema gibt. In der Studie wurden die Daten von 200 Patienten in einer Fall - Kontroll - Studie untersucht, um dem Zusammenhang von Dekubitus und Inkontinez nachzugehen.
In der Studienpopulation mit 200 Patienten mit Dekubitus, bwz einem hohen Dekubitusrisiko waren insgesamt 97,5% der Patienten inkontinent. Die Erhebung fand retrospektiv, nach dem Tode statt und wurde im Rahmen von Aktenrecherchen und Befragungen durchgeführt. Aus 11 412 Leichenschauen wurden schliesslich 100 Fälle mit höhergradigem Dekubitus und 100 passende Kontrollen ohne höhergradigem Dekubitus rekrutiert. Die Fragestellung war: Führt die Intensität der Urininkontinenz oder die Art der Inkontinenzversorgung zu unterschiedlichen Ergebnissen im Fall - Kontroll - Vergleich? Welche Rückschlüsse lassen sich für den kausalen Zusammenhang zwischen Unrininkontinenz und Dekubitus ziehen? Zur Beantwortung wurden verschiedene Dichotome gebildet, um die Stabilität einzelner Ergebnisse zu überprüfen. Die Überprüfung erfolgte univarant entweder mit dem McNemar Test bei gepaarten Stichproben oder mit dem Chi - Quadrat Test, wenn keine gepaarten Stichproben vorlagen.
Ergebnisse: Im ersten Schritt wurde überprüft, ob der Einfluss der Nässe abbildbar ist. Es wurde angenommen, dass bei regelhafter Versorgung mit Kathetern kein Urin in Kontakt mit der Haut kommt, bei der Verwendung von Vorlagen komplette Trockenheit aber nicht gewährleistet werden kann. Verglichen wurden die mit kathetern versorgten trockenen Patienten mit den mit vorlagenversorgen feuchten Patienten. Es zeigte sich ein signifikanter Unterschiede (p= 0,003, McNemar Test), der allerdings unerwartet war:
Die mit Kathetern versorgen trockenen Patienten sind häufiger in der Dekubitusgruppe zu finden, zu erwarten war aber, dass sich dort mehr feuchte Patienten finden. Auch für die Beschränkung der Analyse auf die Fälle mit einem Dekubitus über dem Os sacrum, bzw. in der Glutealregion, wo also Urin unmittelbar einwirkt, ergab sich kein statistischer Zusammenhang. In einem zweiten Schritt wurde der Einfluss der Inkontinezgrade untersucht. Dazu wurden die kontineten und die teilkontinenten mit den permament inkontinenten verglichen, auch hier ist kein signifikanter Zusammenhang feststelltbar. Die Nässe - Theorie konnte hier also nicht nachgewiesen werden.
Das parallele Auftreten von Dekubitus und Inkontinenz ist also vermutlich eine Scheinkorrelation. Ein kausaler Zusamenhang zwischen Inkontinenz konnte hier nicht nachgewiesen werden.
Soweit diese Studien. Ich finde das Ergebnis sehr spannend. Sicherlich muss man dies durch weitere Studien überprüfen, aber es lassen sich dennoch einige Folgen für die pflegerische Praxis ableiten: Muss z.B. die Bradenskala modifiziert werden?
Auch die Begründung, wir legen einen DK, um das Risiko eines Dekubitus zu senken fällt nun weg.
Insgesamt eine sehr spannende Studie, die meines Erachtens einmal mehr zeigt, wie sehr wir die Pflegeforschung für die tägliche Praxis brauchen.
Gruß Nufragnich