Sachlicher Argumentation wird offenbar auch zu viel Bedeutung beigemessen.
Erstens:
Ja, es gibt Unterschiede in der Physiologie, der Enzymausstattung usw.
Aber die sind nicht alle so gravierend, dass man Erkenntnisse aus dem Tierversuch prinzipiell nie auf den Menschen übertragen könnte. Es gibt Einschränkungen, gar keine Frage, aber es ist durchaus gut möglich, aus der Wirkung einer Substanz beim Tier Vorhersagen bezüglich der Wirkung beim Menschen zu treffen.
Zweitens:
Thalidomid ist ein echtes Problem. Vorher ging man nämlich davon aus, dass Teratogenität im Tierversuch gleichbedeutend mit Teratogenität im Menschen wäre. Und dass das Fehlen von Teratogenität im Tierversuch auch bedeuten würde, dass die Substanz nicht teratogen beim Menschen wäre.
Wir wissen seit dem Contergan-Skandal, dass es eine "Artspezifität" der Teratogenität gibt. Während Thalidomid bei Mäusen und Ratten nicht teratogen ist, ist es sehr wohl teratogen beim Menschen. (Und laut wikipedia auch bei Weißen Neuseeländern, die sind aber als Tiermodell absolut ungebräuchlich.)
Also was machen?
Auf die Untersuchungen zur Reproduktionstoxizität will wohl niemand verzichten, eine Wiederholung des Contergan-Skandals kann man sich nicht ernsthaft wünschen.
Aber im Bereich Teratogenität gibt es, soweit ich weiß, einfach absolut keine Alternative zu Tierversuchen.
(Nebenbei, den - scheinbar ernst gemeinten - Vorschlag, Menschenversuche an "Mördern und Vergewaltigern" durchzuführen, nebst dem Hinweis, "leider" sei das wegen der Menschenrechte nicht möglich, finde ich ziemlich krank. Ehrlich.)
Es ist leider ganz simpel:
Man sollte versuchen, überall da, wo es möglich ist, auf Tierversuche zu verzichten, man sollte an Alternativen zu Tierversuchen forschen, aber es gibt Einsatzbereiche, wo (leider) Tierversuche absolut unverzichtbar sind, weil die entsprechende Fragestellung in vitro nicht zu beantworten ist.
Zellkulturen können nicht alles. Auch wenn die radikalen Fanatiker das gerne glauben wollen, niemand in der pharmazeutischen Wissenschaft macht Tierversuche, weil er Spaß daran hat, Tiere zu quälen.
Man macht Tierversuche, weil es Fragestellungen gibt, die vor dem Einsatz am Menschen beantwortet sein müssen, und die man nicht via Zellkultur oder Computersimulation beantworten kann, sondern nur am lebenden Organismus.
Das ist nicht schön, ich würde es auch begrüßen, wenn man auf Tierversuche komplett verzichten könnte. Aber die Wissenschaft ist eben noch nicht weit genug.