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Aktive Benutzer in diesem Thema

  1. #1
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    Ich bin sehr interessiert zu erfahren, was junge Menschen dazu motiviert, Medizin zu studieren. Ich selber bin grade mit dem Studium fertig geworden und habe es damals angefangen, da ich ein gutes Abitur hatte und keinerlei einseitige Interessen, die man in einem konkreten Job hätte anwenden können (d.h. ich war sehr gut in Sprachen, Naturwissenschaften und Mathe und habe mich eigtl. für alles interessiert). Außerdem hatten mir sehr viele Leute mein Leben lang eingetrichtert, was ich doch für ein guter Arzt werden würde. Auch hatte ich keinerlei wirkliche Vorstellung davon, was Ingenieure oder Physiker eigentlich den ganzen Tag machen und bildete mir ein, die Dankbarkeit und Menschlichkeit, die man im Arztberuf erfährt bzw. praktiziert, seien etwas ganz Besonderes und eine Quelle nie versiegenden Glücks. Ein weiterer Punkt war sicherlich, dass ich keine Lust hatte während des Studiums zu networken und mich um prestigeträchtige Praktika zu kümmern, sondern plante, mich im Anschluss ans Studium möglichst unkompliziert in ein gemachtes Nest aus gutem Gehalt und gesellschaftlicher Anerkennung zu setzen. Ich habe gleich nach dem Abi angefangen und das Ding auch in Regelstudienzeit durchgezogen. Während meines dritten Studienjahres hatte ich viel mit Mathematikern und Ingenieuren zu tun und merkte nach und nach, um wie viele Größenordnungen komplexer und IQ-lastiger der Stoff war, mit dem sie sich Tag für Tag auseinandersetzten und bekam dadurch einen neuen Blickwinkel auf mein eigenes Studium. Hier ein paar der desillusionierenden Gedanken, die mich seit geraumer Zeit täglich heimsuchen und die man als potenzieller zukünftiger Medizinstudent evtl. in Betracht ziehen sollte:
    1. Außer vllt. der Doktorarbeit kaum individuelle Gestaltungsmöglichkeiten innerhalb des Studiums. D.h. es werden hier standardisierte Lehrpläne durchgezogen, Interessen abseits der Medizin (z.B. Mathe, Technik, BWL, Schreiben) kann man, wenn man nicht grade nebenbei zusätzliche universitäre Kurse belegen will, aus akademischer / professioneller Sicht knicken. Fertige Mediziner ohne klinische Erfahrung bedienen eine sehr enge Nische (Versorgung von Kranken) und sind abseits der Klinik für den Arbeitsmarkt weitestgehend uninteressant. Die Arbeitgeber wissen nämlich:
    2. Als Mediziner lernt man (in der Uni) nur eines: Fakten. Am Ende kann man zwar einfache klinische Fälle analysieren und eine Diagnose stellen bzw. Wirkmechanismen von Medikamenten herbeten, jedoch fehlt quasi jegliche Schulung des Abstraktionsvermögens sowie weitestgehend des analytischen Denkens. Sobald man beginnt, sich mit der Komplexität mathematischer Modelle oder Software auseinanderzusetzen, merkt man, dass die Ansprüche an das Denkvermögen, die an Studenten der Medizin gestellt werden (und später auch größtenteils die Ärzte) durch einen relativ unkompliziertes Computerprogramm bedient werden könnten. Brainpower bzw. Durchdringung von Komplexität ist in diesem Studium und Beruf völlig nebensächlich (oder wie ein Herzchirurg einst zu mir meinte: "Jeder Idiot kann Arzt werden, es gibt aber auch Berufe, für die man intelligent sein muss."). Intellektuell ist das Studium wirklich sehr frustrierend, es bestand bei mir aus vielfachem halb abwesenden Lesen und anschließendem Ausspucken der Fakten in lächerlichen MC-Klausuren.
    3. Menschlich gesehen ist der Job ganz ok, jedoch ist man in der Pflege viel näher an den Patienten. Auch ist es ein wenig frustrierend, wie viele (dumme) Menschen quasi selbst Schuld sind an ihrem Gesundheitszustand. Jedoch glaube ich nicht, dass man als Arzt in irgendeinem Maße etwas "Wichtigeres" oder "Menschlicheres" tut als in anderen Jobs. Man ist ein Leistungsträger in einem extrem rigiden, sehr stark durch Lobby und Big Business (Versicherungen, Pharma) beeinflussten System. Individueller Handlungsspielraum liegt fast bei null (Leitlinien!). Man klappert seine Patienten ab und bemüht sich, den privaten die möglichst teuren Prozeduren anzudrehen und ansonsten den Patientendurchsatz so hoch wie möglich zu halten, oft auch auf Kosten der Patientengesundheit. Ein Lehrer oder Hochschulprofessor trägt da imho eine ganz andere menschliche Verantwortung.
    4. Militärisch amutende Hierarchien im Krankenhaus, schlechtes Verhältnis zur Pflege, Nachtarbeit.
    5. Eine Titelpolitik, deren Lächerlichkeit ihresgleichen sucht. Eine medizinische Doktorarbeit ist vergleichbar mit einer etwas anspruchstvolleren Bachelorarbeit (ich spreche aus Erfahrung), in der Klinik werden irgendwelchen fortgeschrittenen Metzgern, die den ganzen Tag im OP verbringen, Habilitationen hinterhergeschmissen für Arbeit, die andere geleistet haben. Wer fleißig "forscht", darf sich dann irgendwann Professor schimpfen und hat gute Aussichten auf eine Chefposition. Mit medizinischer Expertise hat dies oftmals überhaupt nichts zu tun, eher mit einem guten Sinn für Opportunismus. Wenn alles gut läuft, darf ich mich mit Mitte 26 "Doktor der Medizin" nennen. Das ist wirklich ein schlechter Witz und dient vermutlich hauptsächlich der Täuschung des Pöbels, da Ärzte ohne Titel ja zu nichts taugen.
    6. Viele Medizinstudenten (und auch fertige Mediziner) sind charakterlose Streber und Fachidioten und glauben tatsächlich, Medizin sei eine sehr anspruchsvolle Disziplin. (Gibt es in sämtlichen anderen Fächern sicherlich auch). Es ist schon frappierend, wie viele Prozesse beispielsweise im Krankenhaus man mit ein bisschen mehr Verständnis für komplexe Systeme und ein wenig mehr Mut zur Innovation und Abschaffung rigider, völlig veralteter Vorgaben um Einiges beschleunigen könnte.


    Wenn man wirklich etwas "bewegen" oder "ändern" möchte bzw. nach echten intellektuellen Herausforderungen und Neuerungen sucht, die vielleicht der Menschheit etwas bringen könnten, sollte man sich die Sache mit dem Medizinstudium zwei Mal überlegen. Man wird hier zu einem kleinen, fleißigen, unkreativen Arbeitstier herangezüchtet, dass nach sechs Jahren staatlich authorisiert über zu erbringende Leistungen aus dem Katalog der Versicherer entscheiden darf, mehr nicht.
    Sicherlich werden Menschen, die für Großes bestimmt sind auch irgendwann Großes tun, es gibt jedoch bestimmt einfachere Wege zu diesem Ziel als das ach so heldenhafte Medizinertum. Bevor Ihr anfangt es zu studieren, geht bitte sicher, dass Ihr es auch wirklich wollt und ob euch eure (vermutlich bei vielen weit über dem Durchschnitt liegenden) kognitiven Fähigkeiten nicht zu schade dafür sind.



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  2. #2
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    Vielleicht sollte doch die Voraussetzung zu einem Studium eine Ausbildung sein. Dann gäbe es nicht dieses Problem , fremd von der Arbeitswelt zu sein und gleich eine Führungsposition zu übernehmen



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  3. #3
    the day after
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    Ich bin immer wieder hellauf begeistert, wie frische Absolventen ohne jegliche Berufserfahrung als Arzt oder in irgendeinem anderen Beruf so genau Bescheid wissen - hört sich auch hier nur nachgeplapperten Studentenwissen an.

    Wenn dir der Ingenieur soviel erstrebenswerter erscheint, weil ja so viel mehr Gestaltungsfreiheit etc angesagt ist - studiere es doch als Zweitstudium. Und kognitiv sind die ja auch alle soviel geforderter ... sehe ich im Freundeskreis immer wieder



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  4. #4
    Registrierter Benutzer
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    Zitat Zitat von Solara Beitrag anzeigen
    Ich bin immer wieder hellauf begeistert, wie frische Absolventen ohne jegliche Berufserfahrung als Arzt oder in irgendeinem anderen Beruf so genau Bescheid wissen - hört sich auch hier nur nachgeplapperten Studentenwissen an.

    Wenn dir der Ingenieur soviel erstrebenswerter erscheint, weil ja so viel mehr Gestaltungsfreiheit etc angesagt ist - studiere es doch als Zweitstudium. Und kognitiv sind die ja auch alle soviel geforderter ... sehe ich im Freundeskreis immer wieder
    Ist vermutlich ein Missverständnis. Ich bin mir schon sehr im Klaren darüber, dass die meisten wirklichen Jobs aus rein intellektueller bzw. kreativer Sicht nicht sonderlich anspruchsvoll sind. Es geht ja bei den meisten im Endeffekt um irgendeine monotone Geldscheffelei, da ist der Arztjob aufgrund des Menschenkontakts vermutlich noch einer der abwechslungsreicheren Jobs. Vielmehr ging es mir um das Skillset, welches im Studium selbst vermittelt wird. Und das ist bei einem Medizinstudium (ein dickes Buch im Kopf abspeichern und einigermaßen eine Vene punktieren) nicht mit dem intellektuellen Anspruch anderer Fächer vergleichbar. Kannst ja mal versuchen, ein HöMa-Skript wie ein Medizin-Skript zu lesen, viel Erfolg dabei. Dementsprechend wird man auch vom Arbeitsmarkt eingestuft.
    Und ja, ich beginne demnächst ein Zweitstudium der Informatik und suche nach Teilzeitjobs, um mir dieses Vorhaben zu finanzieren. Der Haken: Auf dem Brainpower-Arbeitsmarkt gibt es für Ärzte ohne Berufserfahrung fast keine Jobs, schon gar nicht in Teilzeit. Daher dieser leichte bittere Beigeschmack in meinen Posts.



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  5. #5
    *Unitasche schwing*
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    Zitat Zitat von Xy Beitrag anzeigen
    Vielleicht sollte doch die Voraussetzung zu einem Studium eine Ausbildung sein. Dann gäbe es nicht dieses Problem , fremd von der Arbeitswelt zu sein und gleich eine Führungsposition zu übernehmen
    Oh ja..das wär richtig geil so viele Leute zu ner Ausbildung zu zwingen in nem Beruf, in dem sie danach nie arbeiten werden...meine Güte, das Leben ist kein Ponyhof..



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