Ich bin mir nicht sicher, ob du das, was du in der Medizin suchst, auch finden wirst. Ich habe selbst mein erstes Studium (naturwissenschaftlich) abgebrochen, um Medizin zu studieren, aus ähnlichen Gründen wie du sie anführst - irgendwas Sinnvolles machen, Menschen helfen können, etc. bla. Mir wurde zwar damals auch schon von Ärzten abgeraten, zur Medizin zu wechseln, aber man muss seine Fehler ja selbst machen, ne?
Mittlerweile bin ich im 6. Jahr des Studiums. Die letzten 5 Jahre haben mir zwar viel Spaß gemacht und ich weiß mittlerweile, dass man Menschen in der Theorie sehr gut helfen kann. In der Praxis sieht es, zumindest was meine bisherigen praktischen Erfahrungen angeht, anders aus:
1. Geht es sowohl im KH als auch in der Praxis darum, möglichst viele Patienten für möglichst wenig Geld durchzuschleusen, was die Möglichkeiten des effektiven Helfens sehr begrenzt. Zu wenige Ärzte auf zu viele Patienten bedeutet, dass man permanent mit der Angst lebt, Fehler zu machen und irgendwas zu übersehen. Abgesehen davon handelt es sich hierzulande oft um chronische, Lifestyle-bedingte Erkrankungen, die man nicht wirklich heilen kann (zumindest nicht ohne einen grundsätzliche Lifestyle-Änderung, wozu allerdings die wenigsten Patienten bereit sind), was auf Dauer ziemlich frustrierend ist, weil man meist nicht das Gefühl hat, dem Patienten wirklich geholfen zu haben.
2. Sind die Arbeitsbedingungen für Ärzte alles andere als gesund. Andere heilen zu wollen durch eine Arbeit, die einen selbst krank macht, ist absurd.
3. Gibt es andere Wege, mit denen man Menschen deutlich effektiver helfen kann. Hast du dich schon mal mit dem Effektiven Altruismus auseinander gesetzt? Der EA versucht, den Impact von Spenden oder auch Berufen zu "messen" und kommt zum Schluss, dass du mehr Gutes in der Welt tun kannst, indem du einen Beruf ergreifst, in dem du sehr viel verdienst, und wenigstens 10% deines Gehaltes (manche effektive Altruisten spenden auch bis zu 50%) an effektive Projekte spendest, als wenn du "nur" in einem helfenden Job arbeitest und nichts spendest. Oder anders gesagt: Wenn du deine aufaddierten Einkommenseinbußen durch den Verlust deines "Chefarztgehaltes" stattdessen an eine Stiftung, die Malarianetze verteilt, spendest, wirst du damit mit ziemlicher Sicherheit deutlich mehr Leben retten, als du als Arzt jemals schaffen könntest. Wenn du dich mal in die Materie einlesen willst, hier ein paar Anregungen:
http://blog.tagesanzeiger.ch/berufun...-meines-lohns/
https://80000hours.org/
https://80000hours.org/career-reviews/medical-careers/
Auf der anderen Seite macht es natürlich auch wenig Sinn, in deinem jetzigen Job zu arbeiten, wenn er dich total ankotzt. Wenn du davon überzeugt bist, dass Medizin das Richtige für dich ist, dann mach es. Letztendlich wirst du es erst wissen, wenn du anfängst im Job zu arbeiten. Wenn es dir aber nur darum geht, dass du deinen jetzigen Job als sinnlos empfindest, dann hast du mit der Kohle, die du jetzt verdienst, deutlich mehr Möglichkeiten, etwas gutes zu tun, als mit einer Arztkarriere.