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Zitat von
anignu
Das ist eine aus streng BWLler-Sicht legitime, aber trotzdem falsche Aussage. Man kann vor allem in der Chirurgie auch sagen "die nächste OP überzieht sicher, die machen wir lieber morgen statt heute" und damit verschiebt sich am nächsten Tag das OP-Programm was wiederum das am übernächsten Tag verschiebt etc.
Jein, durch das verschieben und Entzerren von OP-Plänen würden ja bspw. bessere Arbeitsbedingungen rauskommen. Diese verbesserten Arbeitsbedingungen greifen die Erlösseite an, also wird der Chefarzt der Abteilung an diesen nicht interessiert sein. Man kann argumentieren, daß durch weniger Zeitdruck ggf. bessere Diagnostik oder Intervention erfolgt. Nur kann ich eine schönere Narbe oder eine sauberer abgesetztes Organ oder ein Patientengespräch mehr nicht abrechnen. DRG heißt eben, daß für Eingriff X das Entgelt Y fließt, egal, was man macht. Solange ich nicht zu komplikationsträchtig arbeite (und dadurch bspw. viele Relaparotomien habe) geht dann betriebswirtschaftlich faktisch Schnelligkeit vor überbordender Gründlichkeit oder größerer Patientenzuwendung. Die besseren Arbeitsbedingungen, die bspw. mehr Patientengespräche oder einen entzerrteren OP-Plan produzieren könnten, bedeuten wirtschaftlich erstmal das sinken relevanter Kennziffern.
Ironischerweise werden die DRGs aber maßgeblich nach den Durchschnittswerten von Krankenhäusern festgelegt. Will heißen, wenn ausreichend Krankenhäuser die Assistenten noch mehr knechten, sinken die Kosten des Krankenhauses, weil man für die gleiche Fallzahl weniger Assistenten braucht. Damit ergeben sich erneut niedrigere DRG-Sätze und das Hamsterrennen beginnt von vorne.
Und was die den anderen Post mir der Austauschbarkeit angeht ... freilich sind die Ärzte austauschbar, auch gegen sprachlich nur halbfitte Ausländer. Ob Dein Patient Dich nun versteht oder nicht, der DRG-Satz ist derselbe. Und bei Nicht-elektiven Eingriffen hast Du nicht mehr groß Wahlmöglichkeiten, in der Psych hast Du sowieso Einzugsgebiete und auch bezüglich elektiver Eingriffe herrscht nur in den wenigsten Krankenhäusern ein Mangel.
Mittlerweile bin ich auf der anderen Seite, aber der Betriebswirt in mir findet im bestehenden Rahmen kaum einen Grund, die Arbeitsbedingungen ohne Not zu verbessern. Und wenn ich denn einen suchen würde: Der Patient kann die ärztliche Behandlungsqualität in der Regel nicht sonderlich gut einschätzen. Wohl aber den Geschmack des Essens, das Ambiente und die Sauberkeit. Von daher müsste ich mir auch dann überlegen, ob ich vorhandenes Kapital in Ärzte investiere, so dumm das jetzt angesichts der Tatsache, das wir letztlich die Berufsträger sind, klingt.
Eigentlich krankt das System aus der ungesunden Mischung von Staat und Privat. Die öffentliche Hand könnte ärztliche Leistungen nach eigenen Maßstäben bemessen und hätte den Kostendruck per se nicht zu fürchten. Bei vollständiger Privatisierung könnte man auch über Qualität, Sprachkompetenz o.ä. punkten, da man die Erlöse flexibel verhandeln könnte.
Wir habens letztlich irgendwo geschafft, die schlechten Seiten beider Modelle zusammenzuführen. -Durch das letztlich staatlich implementierte DRG-System sind Optimierungen der Erlössituation sind nur durch Kostensenkung, nicht durch Qualitätssteigerung möglich. Gleichzeitig besteht aber durch den privaten Einfluss der Druck, genau an dieser Schraube immer schön weiter zu drehen, da sich diese durch das Nachjustieren der einzelnen Krankenhäuser auch immer schön von selbst verschärft.
In den ganzen Mix werfe man noch die Arbeitsnehmerfreizügigkeit und relativ leichte Anerkennung ausländischer Abschlüsse.
Und auf dieser Basis soll es verbesserte Arbeitsbedingungen geben? Ernsthaft? Und der Marburger Bund, dessen Einfluss nach Tarifeinheitsgesetz nun ohnehin zu schwinden droht, kümmert sich auch lieber um 3% mehr Gehalt, das der Arzt dann aus Zeitmangel eh nicht mehr ausgeben kann ;)