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Aktive Benutzer in diesem Thema

  1. #6
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    Habe mich damit mal beschäftigt, bin aber kein Jurist. Bitte für zuverlässige Auskünfte einen Juristen befragen.

    Bei der Durchschnittsberechnung nach Arbeitszeitgesetz wird meines Wissens der gesetzliche Mindesturlaub so gerechnet, als hätte man da jeweils die reguläre Arbeitszeit gearbeitet. Könnte auch sein, dass für die Tage der Durchschnitt der vorangegangenen Monate gerechnet wird, das weiß ich nicht genau. Die über den gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch (im allgemeinen 20 Tage) hinausgehenden Urlaubstage fließen mit "0 Stunden" in die Durchschnittsberechnung nach Arbeitszeitgesetz ein, also so wie Freizeitausgleich. Da man als Arzt tarifvertraglich üblicherweise mindestens 30 Urlaubstage hat, sind das schon mal 10 freie Tage, die den Durchschnitt schon ordentlich reduzieren. Trotzdem klingt deine Regelung danach, als ob da vermutlich mehr als 48 h pro Woche im Durchschnitt zusammenkommen. Bereitschaftsdienst zählt in die Stundenberechnung nach Arbeitszeitgesetz voll (100%) rein, nicht nur mit 90% (Stufe 3), allerdings natürlich unter Abzug etwaiger Pausen.

    Abgesehen davon ist das Arbeitszeitgesetz meiner Erfahrung nach den Abteilungen und Verwaltungen sowieso vollkommen wurscht. Wie du ja auch feststellst, dass völlig wurscht ist, dass du mehr als 50% der Bereitschaftszeit arbeitest. *Alleine* kann man gegen solche Verhältnisse nichts machen (außer woandershin gehen), sondern nur gemeinsam. Und ich habe es noch nirgends erlebt, dass Assistenzärzte sich geschlossen gegen Dinge wie 7 Bereitschaftsdienste pro Monat wehren. Auch dem Betriebsrat ist so etwas meistens herzlich egal. Ein gern genommenes Argument von Kollegen *für* Opt-out oder den regelmäßigen Verstoß gegen das Arbeitszeitgesetz ist, dass bei Einstellung von mehr Assistenzärzten (was ja die Alternative wäre) auch mehr Konkurrenten um die begehrten Weiterbildungsinhalte buhlen würden und man selbst somit nicht so schnell bei bestimmten Sachen zum Zug kommt.



  2. #7
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    Zitat Zitat von Pflaume Beitrag anzeigen
    Bei der Durchschnittsberechnung nach Arbeitszeitgesetz wird meines Wissens der gesetzliche Mindesturlaub so gerechnet, als hätte man da jeweils die reguläre Arbeitszeit gearbeitet. Könnte auch sein, dass für die Tage der Durchschnitt der vorangegangenen Monate gerechnet wird, das weiß ich nicht genau. Die über den gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch (im allgemeinen 20 Tage) hinausgehenden Urlaubstage fließen mit "0 Stunden" in die Durchschnittsberechnung nach Arbeitszeitgesetz ein, also so wie Freizeitausgleich. Da man als Arzt tarifvertraglich üblicherweise mindestens 30 Urlaubstage hat, sind das schon mal 10 freie Tage, die den Durchschnitt schon ordentlich reduzieren. Trotzdem klingt deine Regelung danach, als ob da vermutlich mehr als 48 h pro Woche im Durchschnitt zusammenkommen. Bereitschaftsdienst zählt in die Stundenberechnung nach Arbeitszeitgesetz voll (100%) rein, nicht nur mit 90% (Stufe 3), allerdings natürlich unter Abzug etwaiger Pausen.
    Diese Meinung wird in der Literatur zwar vertreten, die Rechtsprechung (soweit mir bekannt nur VG Köln) sieht es allerdings (überzeugend) anders: Der Mehrurlaub ist ebenfalls mit Regelarbeitszeit zu bewerten, wie es die Arbeitszeitrichtlinie vorsieht (Alternative: Neutralwertung und Nichtberücksichtigung).

    Abgesehen davon ist das Arbeitszeitgesetz meiner Erfahrung nach den Abteilungen und Verwaltungen sowieso vollkommen wurscht. Wie du ja auch feststellst, dass völlig wurscht ist, dass du mehr als 50% der Bereitschaftszeit arbeitest. *Alleine* kann man gegen solche Verhältnisse nichts machen (außer woandershin gehen), sondern nur gemeinsam. Und ich habe es noch nirgends erlebt, dass Assistenzärzte sich geschlossen gegen Dinge wie 7 Bereitschaftsdienste pro Monat wehren. Auch dem Betriebsrat ist so etwas meistens herzlich egal. Ein gern genommenes Argument von Kollegen *für* Opt-out oder den regelmäßigen Verstoß gegen das Arbeitszeitgesetz ist, dass bei Einstellung von mehr Assistenzärzten (was ja die Alternative wäre) auch mehr Konkurrenten um die begehrten Weiterbildungsinhalte buhlen würden und man selbst somit nicht so schnell bei bestimmten Sachen zum Zug kommt.
    Man kann sich zumindest eingeschränkt wehren: Wenn ihr stempelt, dann steht dir der Auszug der Arbeitszeit zur Verfügung. Damit kannst du deine Anwesenheitszeiten nachhalten und mitrechnen. Wenn sich der Ausgleichszeitraum dem Ende zuneigt (es ist nicht das Kalenderjahr, sondern ein beliebiger Zeitraum von 12 Monaten), dann kann man entsprechende Freistellung einfordern. Hier werden wir auch alle so behandelt als hätten wir Opt-Out unterschrieben (Verwaltung: Es ist billiger die Bußgelder zu zahlen als mehr Leute einzustellen, die Bezirksregierung wird ohnehin nie kommen). Und das wird Konsequenzen haben.
    Zitat Zitat von Evil
    Im Zweifel ist für einen Kardiologen eine Koro immer indiziert.



  3. #8
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    Ist meine erste Stelle, habe also wenig Vergleichsmöglichkeiten. Was ist denn der Durchschnitt bzw. wie viele 24h-Dienste pro Monat sind denn Usus in unserem Gewerbe? Ist es überhaupt realistisch die 48h einzuhalten (mal unabhängig von den normalen Überstunden)?



  4. #9
    wieder an Bord :-) Avatar von Muriel
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    Zum Thema "die Bezirksregierung wird eh nie kommen": Ein Freund hatte letzte Woche als Ltd. OA das Vergnügen sich mit den Damen und Herren genau deswegen auseinander zu setzen. Muss mal fragen, was da genau rumgekommen ist.



  5. #10
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    Wieviele 24h-Dienste üblich sind, hängt in erster Linie von der Größe des Hauses und der Abteilung ab. In einer großen Abteilung mit vielen Assistenten gibt es 3 bis 4 Dienste im Monat, in einer kleinen mit wenigen Assistenten entsprechend mehr. Im Durchschnitt 7 Dienste dürfte schon relativ weit am oberen Rand sein. Hatte ich auch zeitweise in einem kleinen Haus in der Inneren. Offensichtlich hat eure Abteilung nur ca. 6 dienstfähige Ärzte. Durch Schwangerschaft nicht dienstfähige Ärztinnen oder dauernd Kranke verschärfen das Problem natürlich. Für mich ein Grund, nicht für Arbeitgeber mit hohem Frauenanteil oder besonders familienfreundlichem Image zu arbeiten.

    Ich habe während der Facharzt-Ausbildung Innere nie ein Opt-out unterschrieben und nie die 48h-Grenze eingehalten. Noch nicht mal, als ich im Schichtdienst auf der Intensiv gearbeitet habe (durchgehend Vollzeit-Arbeit, kein Bereitschaftsdienst mehr). Meine Arbeitszeit ging bis zu durchschnittlich (über 12 Monate gemittelt) 63 Stunden pro Woche, was nicht mal mit Opt-out zulässig wäre. Es interessiert keine Sau. Wir hatten einen Betriebsrat, der die Verstöße teilweise angeprangert und vor Gericht / Kontrollbehörden gebracht hat. Hat zwischendurch, nachdem das ganze schon mindestens 5 Jahre lief, mal 40.000 Euro und ein "Böse Geschäftsführung" von irgendnem Richter eingebracht, sowie das Versprechen, sich natürlich in Zukunft daran zu halten, sobald die leider durch den Fachkräftemangel so furchtbar angespannte Personalsituation es zuläßt. Nach weiteren 5 Jahren (ich war inzwischen längst weg) wurde dann irgendwann ein Bussgeld von 250.000 Euro wegen fortgesetztem Verstoß gegen Arbeitszeitgesetz und gegen betriebliche Vereinbarungen fällig. Da gabs dann kurzes Wehklagen in der Verwaltung über den bösen bösen Betriebsrat, der durch Gerichtsprozesse und Schikanen die Existenz des Klinikums gefährde, aber bezüglich der Abstellung der Zustände interessierte es keine Sau, und tut es auch heute, weitere Jahre später, nicht. Viele Ärzte gehen, manche (genug) bleiben trotz allem.

    Die Bußgelder haben auf Beschäftigten-Ebene dazu geführt, dass neue Papierregelungen geschaffen worden sind und es erschwert wurde, die wahren Arbeitszeiten zu dokumentieren - mit voller Billigung des Betriebsrats. Beispielsweise war vorher die Nacht für den bereitschaftsdiensthabenden Internisten und für den bereitschaftsdiensthabenden Chirurgen durchbezahlt worden, weil man ja keine "echte Pause" hat, sondern jederzeit angerufen werden kann. Nach dem Bussgeld wurde dann eine Regelung ausgedacht, dass (auf dem Papier) der Internist um Mitternacht dem Chirurgen eine Übergabe seiner Patienten machen soll und der dann für eine Dreiviertelstunde für dessen Patienten zuständig ist. Im Anschluss bekommt der Internist dafür eine Übergabe der chirurgischen Patienten (und die Rückübergabe seiner internistischen Patienten) und der Chirurg hat eine Dreiviertelstunde Pause. Schon hat man anderthalb Stunden Gehalt und anderthalb Stunden im Arbeitsgesetz eingespart. Bei auf Arbeitnehmer-Ebene erhöhtem Arbeitsaufwand. Das gleiche System hat man sich für die Krankenschwestern ausgedacht. Dass in der Realität natürlich kein Mensch sich nachts mit seinem Kollegen hinsetzt und eine Übergabe aller Patienten macht, sondern auf dem "kleinen Dienstweg" der Chirurg und der Internist miteinander ausmachen, dass sie sich einfach durchgehend um ihre eigenen Patienten kümmern, ist jedem klar. Aber auf dem Papier ist alles schön geregelt. Und Papier ist das einzige, was das Gericht interessiert.

    Ein weiterer Effekt war, dass Bereitschaftsdienste nicht mehr ausbezahlt wurden, sondern aufs Stundenkonto wanderten. Denn die sollten ja (angeblich) irgendwann durch Freizeit ausgeglichen werden. Das war natürlich in der Realität nie geplant, aber immerhin konnte man auf die Weise mit Unterstützung des Betriebsrats die Auszahlung verzögern. In der Geschäftsführung haben nach der Vereinbarung wahrscheinlich die Sektkorken geknallt. Natürlich kam es nie zu ernsthaftem Überstundenausgleich, und ab und zu, so einmal jährlich oder so, wurden die angesammelten Stunden, über die niemand mehr einen Überblick hatte, ob das bei dem ganzen Durcheinander jetzt überhaupt noch so stimmt oder nicht, in einem Batzen ausgezahlt, mit Genehmigung des Betriebsrats, als "Ausnahme" und unter Verweis auf die leider immer noch "angespannte Personalsituation". Führte dazu, dass der Arbeitgeber für die Stunden zum größten Teil nicht mal mehr Sozialabgaben zahlen mußte, weil die Beitragsbemessungsgrenze, die normalerweise durch die Bereitschaftsdienste jeden Monat erreicht worden wäre, regelmäßig nicht mehr erreicht wurde, aber dann in dem einen Monat der Auszahlung natürlich massiv überschritten wurde.

    Für Überstunden hat man sich - wiederum unter Beifall des Betriebsrats - auch neue Regelungen ausgedacht. Es mußte nämlich jede Überschreitung der regulären Arbeitszeit bis spätestens zum Folgetag um 9 Uhr beim Betriebsrat in einen roten Briefkasten eingeworfen werden. Verantwortlich dafür war derjenige, der die Arbeitszeit überschritten hat. Was bedeutet, dass man für jede Überschreitung der regulären Arbeitszeit sich am nächsten Tag morgens zwischen 7:30 und 9 Uhr, also der Zeit, wo man eigentlich dringend die Station organisiert kriegen muß, ein DIN A 4-Blatt mit entsprechender Begründung vom Chefarzt unterschreiben lassen mußte. Sprich erst mal das Blatt ausfüllen (kostet schon genug Zeit), das Blatt frühmorgens im Chefsekretariat abgeben (da muß man ja erst mal hinlaufen). Vor 9 Uhr musste man das Blatt im Chefsekretariat wieder abholen und 2 Stockwerke tiefer in den Briefkasten des Betriebsrats einwerfen. Alternativ konnte man auch zwischen 7:30 und 9 Uhr direkt zum Chef, den unterschreiben lassen, sich nen Spruch drücken lassen, und das Papier anschließend in den roten Briefkasten werfen. Nach dem ganzen Aufwand konnte man noch nicht mal sicher sein, ob die so dokumentierte Überstunde auch wirklich auf der Lohnabrechnung auftaucht. Die Stunden sind nämlich regelmäßig auf dem Weg "verlorengegangen".

    Bevor sie 10 Minuten dafür kaputt machen, sich eine Überstunde zu dokumentieren, sich dafür auch noch beim Chef unbeliebt machen, und am Ende nicht mal sicher sein können, dass die Stunde wirklich bezahlt wird, ohne dass sie bei der Verwaltung Terz machen (in ihrer Freizeit), haben die meisten Ärzte einfach keine Überstunden mehr dokumentiert. Wie gesagt, ich habe das alles nicht mehr mitbekommen, ich war da schon seit Jahren weg. Aber das ist zumindest meine Erfahrung daraus, was "Pochen aufs Arbeitszeitgesetz" am Ende bringt. Nix.

    Du wirst normalerweise selbst unter horrenden Voraussetzungen nicht den nötigen Zusammenhalt unter den Assistenten bekommen, um ernsthaft was zu ändern. Die Assistenten sind eine heterogene Gruppe mit unterschiedlichen Interessen. Noch dazu sind die meisten Assistenten in berufsrechtlichen und berufspolitischen Belangen so unerfahren, dass sie es gar nicht richtig kapieren, mit welchen Tricks irgendwelche Forderungen auf die lange Bank geschoben und ausgesessen werden. Du kannst nur
    1) es für dich persönlich ansprechen
    2) schauen, ob sich für dich persönlich was ändert, und
    3)für dich persönlich entscheiden, ob du das so noch weiter mitmachst oder ob du dir eine andere Stelle suchst.
    Geändert von Pflaume (12.02.2018 um 19:10 Uhr)



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