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Aktive Benutzer in diesem Thema

  1. #6
    Diamanten Mitglied Avatar von WackenDoc
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    Wenn man mal bedenkt, dass es keine Definition der medizinischen Eignung für den Arztberuf gibt, dann ist auch keine bestimmte Untersuchung erforderlich. Nur schwere Erkrankungen mit denen man sich und seine Patienten gefährdet sind ein Problem (Psychosen, Suchterkrankungen).
    Die Bestimmungen sagen ärztliches Attest, aber nicht fachärztliches.

    Man kann den Stempel des Arbeitgebers nur nutzen, wenn man für diesen tätig wird. So ganz offiziell hätte er in seinen Arbeitsvertrag schauen müssen, ob er als Nebentätigkeit die Klinikeinrichtung nutzen darf und hätte dann seinen privaten Stempel drunter setzen müssen.

    Rezepte für Verwandte sind im Berufsrecht erlaubt. Was Freundschaftsdiente und Nachbarschaftshilfe angeht, musst du in die Satzung deiner ÄK schauen. Wie Davo aber schon schrieb, solltest du dir sehr gut überlegen, wen du wie behandelst.
    This above all: to thine own self be true,
    And it must follow, as the night the day,
    Thou canst not then be false to any man.
    Hamlet, Act I, Scene 3



  2. #7
    Registrierter Benutzer
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    WackenDoc und davo haben vollkommen recht. Du darfst sehr viel in dem Sinne, dass dir nicht viel passiert, solange nichts passiert. Ohne dass ich dies als Rechtsberatung verstanden wissen will (die kann ich nicht geben), werden deine genannten Beispiele meiner Erfahrung nach dir berufs- oder strafrechtlich keinen wirklichen Ärger bereiten können, auch wenn man immer wieder überrascht ist, wie zäh, lästig und unter Umständen auch kostspielig solche Ermittlungsverfahren bzw. deren Abwehr sind, wenn irgendjemand doch mal einem Arzt ans Bein pissen will. Üblicherweise passiert das nicht dann, wenn etwas schiefgelaufen ist, sondern, wenn sich jemand über einen geärgert hat.

    Da einem berufs- und strafrechtlich meistens nicht viel passiert, solange man nicht wirklich richtigen Mist gebaut hat, "darf" man insofern ziemlich viel.

    Aus haftungsrechtlicher Sicht werden (ebenfalls rein meiner Erfahrung nach - für rechtlich fundierte Auskünfte ist ein Rechtsanwalt zu befragen) an die von dir genannten Beispiele aber nicht leichtere, sondern eher schwieriger zu erfüllende Anforderungen gestellt, was Durchführung und Dokumentation angeht. Ganz einfach deshalb, weil - analog zu dem Beispiel mit dem Stempel - allein die Tatsache, dass eine Untersuchung in einer Arztpraxis oder in einer Notaufnahme in einem geregelten Arzt-Pratienten-Verhältnis durchgeführt wird, erstmal dafür spricht, dass das ganze strukturiert, mehr oder weniger standardisiert und mehr oder weniger sorgfältig und unter Zuhilfenahme von vorhandenen diagnostischen Hilfsmitteln und Hilfspersonal stattfindet bzw. stattgefunden hat. Bis hin zu der Tatsache, dass der behandelnde Arzt sich auch kopfmäßig in einer üblichen Untersuchungs- und Behandlungssituation befindet, wie er sie trainiert und tausendfach durchgeführt hat, und somit an die entsprechenden Schritte üblicherweise denkt. Bei entsprechenden Haftungsfragen geht es immer um den "medizinischen Standard", und der ist vom ersten Augenschein her in einem solchen Setting erst mal erfüllt, solange es keine konkreten Hinweise darauf gibt, dass er doch unterschritten worden ist.

    Die von dir beschriebenen Situationen dagegen sind nicht solche Standardsituationen, sondern ein Ratschlag "so unter uns", eiun Freundschaftsdienst usw. Nicht nur sind die externen Strukturen nicht vorhanden, sondern auch die internen (Kopf_)Strukturen sind nicht vorhanden. Das heißt, man denkt und arbeitet per se schon mal anders als man es in einer Standard-Untersuchungs-Situation in der Praxis etc. tun würde. Das erhöht das Risiko, nicht sorgfältig zu arbeiten und den ärztlichen Standard zu unterschreiten, und dabei hat man gleichzeitig viel größere Mühe, hinterher darzustellen, dass man den ärztlichen Standard trotz der erst mal nicht standardisierten Situation erfüllt hat, weil aufgrund des nicht strukturierten Settings (beispielsweise von einem Gericht) viel höhere Anforderungen an die Dokumentation gestellt werden und man sich viel schwerer tut, nachzuweisen, was man gemacht oder nicht gemacht hat. Wenn man in der Arzt-Praxis jemandem eine i.m.-Spritze gibt, z.B. Impfung, und hinterher gibts dabei aber einen Spritzenabszess, eine i.m.-Infektion, in der Loge fortschreitende Muskelentzündung, am Ende ist der ganze Arm dauerhaft geschädigt. Dann ist das in der Praxis ein übliches (wenn auch sehr seltenes) Komplikations-Risiko einer i.m.-Spritze. Soweit vorgeworfen wird, man hätte nicht kunstgerecht gehandelt (desinfiziert), so wird es meiner Erfahrung nach vermutlich ausreichen, wenn man darlegt, wie in der Praxis das Setting des Raums ist, in dem man impft, dass die Desinfektionsflasche da auf dem Tisch steht und regelmäßig nach Ablaufdatum gewechselt wird, dass semisterile Tupfer nebendran stehen, dass man das ordnungsgemäß desinfiziert und wartet, bis das Desinfektionsmittel angetrocknet ist und dann unverzüglich mit der sterilen Spritze impft usw. usf., dass man sich im Einzelfall vielleicht nicht mehr konkret daran erinnert, aber dass man das immer so macht und deswegen sicher ist, dass man es auch in dem Fall gemacht hat. Da tritt bei Bedarf dann noch ne Sprechstundenhilfe auf und bestätigt, dass man immer sehr sorgfältig bezüglich der Hygiene ist, dass sie einem schon oft beim Impfen zugeschaut hat, und dass man das tatsächlich "immer" so macht. Und damit ist das Thema haftungsrechtlich gegessen.

    Aber mach mal eine Impfung zu hause im Wohnzimmer, hau einem Freund oder Bekannten da seine Reiseimpfung rein, weil der nämlich am nächsten Tag in Urlaub fliegen will. Dann lass was passieren, und es ist nicht mehr dein Freund. Da stehst du ganz anders da. Das fängt an mit der Frage, ob der Impfstoff regelrecht gekühlt, die (sterile) Spritze regelrecht gelagert war, welches Desinfektionsmittel benutzt worden ist, usw. usf., jeden Einzelschritt mußt du begründen und ggf. dokumentiert haben, weil du sonst keinerlei Hinweis hast außer deiner Behauptung. Du bist die ganze Zeit damit beschäftigt, zu begründen, daß du bei einer absolut nicht standardisierten Situation trotzdem den "medizinischen Standard" nicht unterschritten hast. Und zwar nicht nur gegenüber demjenigen, der sich geschädigt fühlt, sondern anschließend auch noch gegenüber deiner Haftpflichtversicherung, die gute Chancen sieht, dir wegen grober Fahrlässigkeit den Versicherungsschutz zu verweigern. Ich war eine Zeitlang mit solchen Fragestellungen beruflich befaßt und war überrascht, wie rasch doch das Thema "grobe Fahrlässigkeit" auf den Tisch kommt, weil irgendeine Zertifizierung nicht vorhanden war oder eine Einweisung nach MPG oder sowas.

    Deine Frage, was man "darf", ist somit verständlich. So wie davo und WackenDoc es schon getan haben, würde ich dir aber ganz pragmatisch und lebenswirklich raten, nicht alles zu tun, was du "darfst", sondern dabei eher vorsichtig zu agieren. Gerade als Berufsanfänger kannst du überhaupt nicht einschätzen, worauf du dich einläßt, und es laufen eine Menge Ärzte rum, die von sich rückblickend sagen, dass sie als Berufsanfänger unwissend bei irgendwelchen Dingen (Untersuchungen als Polizei-Arzt, Verschreibungen im Freundeskreis etc.) viel größere Risiken eingegangen sind als ihnen bewußt war und als sie eigentlich okay finden, und dass sie im Nachhinein froh sind, dass da nie was passiert ist. Insbesondere im Zusammenhang mit Freundschaftsdiensten muß man sich auch bewußt sein, dass man sich selbst dabei einfach im Kopf in einem ganz anderen gedanklichen Setting befindet als in der Arbeits-Situation, und dass man deshalb auch Dinge tut, die man einem richtigen Patienten gegenüber nicht tun würde. Eindrucksvolles Beispiel sind diesbezüglich immer wieder Ärzte, auch Notärzte, die in Erste-Hilfe-Situationen, in die sie privat geraten, außerhalb des Dienstes, erstaunlich kopflos reagieren und erstaunliche Fehler machen. Gerade deshalb werden an einen Arzt, der unvorhergesehen Erste Hilfe leistet, sehr niedrige Anforderungen bezüglich des Einhaltens medizinischer Standards gestellt. Aber andersrum beißt einen genau dieses Problem in den Schwanz, wenn man sich selbst aktiv und aus eigener Wahl (man hätte ja nein sagen können) auf Situationen einläßt, die nicht zum gewohnten beruflichen Setting gehören.

    Ich persönlich halte es so, dass ich im Freundeskreis schon mal einen Rat gebe im Sinne von "ich würde das und das machen", Tipps zur Ersten Hilfe oder "ich würde zu dem und dem (Arzt) gehen", aber sehr zurückhaltend dabei bin, (Verdachts-)Diagnosen zu stellen oder Medikamente zu verabreichen oder zu empfehlen. In den von dir genannten Beispielen ist es ja regelmäßig gar nicht *nötig*, sich da einzubringen, sondern es gibt übliche, standardisierte Wege, auf die man verweisen kann und die auch nicht soo viel mehr Aufwand sind. Generell würde ich einem Berufsanfänger raten, mindestens die ersten zwei Jahre die Finger von allem zu lassen, was nicht seinem üblichen angestellten (Weiterbildungs-)Setting entspricht. Also auch keine Polizeidienste auf eigene Faust, keine Veranstaltungsdienste als Arzt, sofern einen nicht der Arbeitgeber dorthin schickt, etc.

    Wenn bei "Freundschaftsdiensten" etwas passiert, hast du nicht nur (ggf. ehemalige) Freunde oder sowas an der Backe, sondern auch deren Krankenversicherung, Pflegeversicherung oder andere Versicherungen und Sozialleistungsträger, die bei dir Regress nehmen wollen und dabei gänzlich unbarmherzig sind. Bei Interesse mal den §116 SGB X anschauen.
    Geändert von Pflaume (07.06.2018 um 09:48 Uhr)



  3. #8
    The Dark Enemy Avatar von morgoth
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    Und als Ergänzung: "Selbstverständlich hat mein Freund wie eingangs erwähnt alles brav dokumentiert". Da wirst du bestimmt noch mitkriegen, dass du nie irgendetwas vollständig wasserdicht dokumentieren kannst; vllt. isolierte Einzelbefunde, aber auf keinen Fall, wenn es um die Gesamtbeurteilung eines Menschen geht.
    Bestimmt hat dein Freund schön auf einen Zettel geschrieben, dass du keinen Meningismus und vesikuläre Atemgeräusche hast; wenn es aber hart auf hart kommt, reicht das eben nicht aus. Und da hilft es ungemein, wenn du plausibel darstellen kannst, dass du eine bestimmte Untersuchung, ein bestimmtes therapeutisches Vorgehen, eine bestimmte differentialdiagnotische Überlegung schon 100x in deinem Arbeitsleben standardisiert durchgeführt hast (die ersten Jahre halt in einem entsprechenden Setting mit Fach- und Oberärzten zur Absicherung/Kontrolle), und eben nicht nach Erhalt der Approbation mit oder ohne Stempel munter drauflos ärztlich tätig warst.



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