Lieber Wolfgang
Über ihren ersten Beitrag zu diesem Betreff musste ich ganz stark schmunzeln: es kam mir vor, als würden sie aus meinem Studiums-CV schreiben! Es ist nett, dass sie Bedauern mit uns haben, aber das ist nicht nötig. Nebst all dem Gejammer, das wir hier im Forum ablassen (dass ja als Ventil durchaus erwünscht ist), ist - wenigstens aus meiner Sicht - das Leben als Medizinstudent ganz toll (mit Ausnahmen, klar - aber wo gibts die nicht??) Gäbe es ein spannenderes Studium?
Auch ich arbeite - da ich soz. ein statistischer Ausreisser aus meiner "Arbeiterfamilie" bin - zusätzlich zu meinem Stipendium noch auf der chirurgischen und medizinischen Notfallaufnahme, bin in der Anatomie in der Studentenausbildung des 1. und 2. Jahres angestellt und verdiene mir mit Korrekturlesen und Indexieren von historischer Literatur gelegentlich noch was dazu. Daneben sitze ich einmal wöchentlich zu den Statistiker in die Vorlesung rein und gehe ausserdem einmal pro Woche in meinen Sprachkurs. Es gibt also noch ein Leben neben der Medizin!
Es gibt Zeiten, da hat man tatsächlich das Gefühl, der Tag müsste 48 h haben und alles wächst einem über den Kopf. Aber war das nicht auch schon zu ihrer Zeit so, Wolfgang? Ich denke, im Rückblick sieht man so vieles verklärter. Oder was denkt ihr jetzt über das Physikum?
Was ich als wirklich bedenklich empfinde, ist der (wachsende?) Konkurrenzdruck unter den Studierenden (s. Thread im allgemeinen Forum). Doch da muss ich den Ball auch wieder zurückgeben, lieber Wolfgang, nicht an Sie persönlich, aber an Ihre Generation, bzw. die Dozenten. Meist ist Wissen, das einzige, das zählt. Gnadenlos werden ganze Bücher hirnrissigen Stoffs (in Bezug aufs Auswendiglernen, nicht Inhalt) klipp und klar verlangt; bspw. das Auswendiglernen von diversesten TNM-Klassifikationen - um Himmels willen, sowas kann man doch nachschlagen!!
Auch ist es wesentlich leichter, eine gute Stelle mit guten Noten zu kriegen als mit einer guten ärztlichen Sozialkompetenz.
Ich persönlich sehe meiner beruflichen Zukunft auch ein wenig sorgenvoll entgegen; mein klares Berufszielfeld ist die viszerale Chirurgie; dies nicht einfach so als naiver Berufswunsch, sondern nach diversen freiwilligen Praktika auf diesem Fach. Gerade während diesen Praktika ist mir aufgefallen, dass man in der Chirurgie "ohne Rasierklingen an den Ellbögen" nicht weit zu kommen scheint - und als Frau sowieso. Nun frage ich mich stark, ob es hier tatsächlich reicht, nur "gut" zu sein, oder ob die Arroganz halt ein sine qua non für dieses Berufsziel ist - und ob auch Arroganz lernbar ist?
Nun denn, langer Rede kurzer Sinn: La vita è bella, bellissima als Mediziner, und als Student noch viel mehr - lassen wir es uns nicht vermiesen!!
Liebe Grüsse aus der Schweiz