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ehem-user-05-04-2023-1001
02.09.2020, 10:06
Hey Leute,

find Gefäßchirurgie sehr spannend, aber frage mich wie oft man heutzutage/in der Zukunft klassisch chirurgisch im OP steht? Fallen ähnlich viele OPs an wie in wie in anderen Fächern (Unfall/Viszeral) , wie oft hat man es mit Notfällen zu tun vorausgesetzt man arbeitet an einem Maximalversorger?

Könnte es sein dass die endovaskulären Verfahren in Zukunft die klassischen OPs beinahe komplett verdrängen und man am Ende mehr Radiologe als Chirurg ist? Danke für die Antworten :-top

John Silver
02.09.2020, 10:28
Dass die endovaskulären Verfahren bald die meisten OPs ersetzen, träumen nur die Pfeifen, die sonst nichts können. Keine Angst, in den nächsten 30 Jahren wird man noch genug zu operieren haben. Ich sag nur „Stent im Bewegungssegment“ etc

mbs
04.09.2020, 01:15
Kann nur aus dem Dienstgeschäft berichten wo wir die GCH mit abdecken müssen. Da ist es extrem selten dass was operiert wird, wenn dann sind das aber in der Regel offene OPs. Wenn man sich den OP-Plan ansieht finden aber auch im regulären Geschäft eine relevante Zahl an konventionellen Eingriffen statt.
Die interventionellen Verfahren gewinnen aber sicher zunehmend an Bedeutung, umso mehr je mehr an neuem Equipment auch auf den Markt kommt. Ein Kumpel der in der Industrie arbeitet hat berichtet da immer mal wieder über sehr interessante Entwicklungen und Projekte die mir sehr vielversprechend erscheinen. Auf jeden Fall dürfte es ein sehr vielseitiges und spannendes Fach sein; nicht nur was den operativen Teil angeht. Selbst im Dienst merkt man, dass die Patienten auch teilweise von internistischer Seite her regelrechte "Polytraumata" sind und man auch da bewandert sein sollte; wenn man in dem Fach gut sein will muss man also viele sehr unterschiedliche Kompetenzen mitbringen...langweilig wird dir dort also vermutlich nicht werden - selbst wenn du Radiologie nicht so gern mögen solltest...

Ja panisch
04.09.2020, 04:38
Polytrauma:D ?

Hypertonie, Rauchen, Adipös, ungesunder Lebensstil, Cholesterin, Diabetes ... der typische Innere und Gefäßpatient

anignu
06.09.2020, 00:10
Hey Leute,

find Gefäßchirurgie sehr spannend, aber frage mich wie oft man heutzutage/in der Zukunft klassisch chirurgisch im OP steht? Fallen ähnlich viele OPs an wie in wie in anderen Fächern (Unfall/Viszeral) , wie oft hat man es mit Notfällen zu tun vorausgesetzt man arbeitet an einem Maximalversorger?

Könnte es sein dass die endovaskulären Verfahren in Zukunft die klassischen OPs beinahe komplett verdrängen und man am Ende mehr Radiologe als Chirurg ist? Danke für die Antworten :-top
Erstmal von meiner Seite Gratulation dass du erkannt hast, dass die Gefäßchirurgie ein sehr spannendes Fach ist. Gefühlt wird das oft verkannt.

John Silver hat schon einen ersten Behandlungsansatz erwähnt, ich möchte das vielleicht noch ein wenig erläutern: die Leistenregion ist heilig. Der heilige Bereich der Gefäßchirurgie. Dort können die Radiologen gerne ihre Stents setzen: nach einem Jahr machen die entweder hochgradige Stenosen oder die Profunda ist zu oder die AFS ist zu usw... hab da eine eigene Fallserie. Die Fälle von denen ich von Stents über die Femoralis-Bifurkation weiß die nicht innerhalb von einem Jahr ein Problem haben sind exakt null. Und ein massiver Behandlungsfehler ist es auch noch. Auch das Argument "der Patient war kardial so schlecht" zählt hier null, eine Femoralis-TEA kann man in Lokalanästhesie machen, wenn es sein muss.
Insofern: entweder man macht es gleich richtig (=Gefäßchirurgie) oder es machen die Radiologen und man hat nach spätestens einem Jahr die Patienten doch zur OP. Von der AFC gesprochen.
Ich könnte da von den verschiedenen Regionen Dinge erzählen... Poplitea zum Beispiel, ein weiteres Bewegungssegment, nach kniender Gartenarbeit plötzlich Stentverschluss? Wie unerwartet. Komm lass uns das lysieren und wir warten bis zur nächsten Gartenarbeit...

Tatsache ist: man muss als Gefäßchirurg die endovaskulären Dinge können. Und ausreichend gut können dass einem die Radiologen nichts erzählen können was alles möglich wäre sondern man das erstens beurteilen und zweitens selber auch kann. Und du musst auch die Duplexsonographie entsprechend können. Dann ist der Gefäßchirurg der erste Ansprechpartner für alle Gefäßsachen und derjenige der alleine oder mindestens mitentscheidet wie die Therapie erfolgt. Hybrideingriffe wie Kombinationen aus Femoralis-TEA + endovaskulärer Versorgung der Iliaca/AFS/Apop sind nicht nur Standard sondern entsprechend der Leitlinien auch meiner Meinung nach zwingend geboten. Und die endovaskuläre Versorgung von AAA und TAA oder auch TAAA sind Teil der Gefäßchirurgie.

Vor allem wenn man Richtung Maximalversorger denkt sind aber auch die Notfälle spannend. Nicht nur dass man gegebenenfalls unter tags zu anderen Disziplinen gerufen wird um irgendwelche Blutungen zu versorgen oder als Stand-By für Tumoroperationen nahe Gefäßen oder gleich ganz mit Gefäßersatz, auch entsprechende Verletzungen von extern, (unfallchirurgische) Polytraumata und andere Sachen kommen dann bei denen einfach eine entsprechende gefäßchirurgische Expertise gefragt ist. Und glaub mir: es gibt sehr sehr verrückte Dinge mit bei denen plötzlich jemand eine gefäßchirurgisch fachärztliche Meinung (schriftlich!) haben will. Das macht das Fach sehr plötzlich noch aufregender als es eh schon ist.
Und auch die klassische Embolektomie (A. brachialis oder AFC nach iatrogener Dissektion oder kardio-embolisch) hat noch lange nicht ausgedient...

Zusammengefasst: Täusch dich nicht. Gefäßchirurgie ist weit mehr als endovaskuläre Verfahren.

Ich hab auch schonmal ein kurzes Statement zur Gefäßchirurgie und der Abgrenzung zur Angiologie geschrieben. Vielleicht ist das für dich auch interessant: https://www.medi-learn.de/foren/showthread.php?103894-Angiologie-vs-Gef%E4%DFchirurgie&p=2149880&viewfull=1#post2149880

mbs
06.09.2020, 00:28
Bist du dir sicher, dass GCH "verkannt" wird? Dachte mir schon häufiger, dass das auch extrem interessant gewesen wäre. Habe zeitweise sogar überlegt zu wechseln, nur wäre dann zu viel Zeit verloren gegangen - man müsste ja vermutlich nochmal komplett "neu" anfangen mit der FA-Weiterbildung.
Oder würde das gar nicht so viel Zeitverlust mit sich bringen und wäre gar nicht so schwierig?

John Silver
06.09.2020, 09:45
3 Jahre auf einen anderen chirurgischen Facharzt. Vorausgesetzt, man darf genug operieren.
Gefäßchirurgie ist eine cash cow; solange sich die Bedingungen nicht wesentlich ändern, gehört man definitiv zu den Top-Verdienern. Als Oberarzt mit Erfahrung locker 200.000+.

ehem-user-05-04-2023-1001
06.09.2020, 11:24
@anignu Danke für die super Antwort! Klingt sehr sehr interessant


3 Jahre auf einen anderen chirurgischen Facharzt. Vorausgesetzt, man darf genug operieren.
Gefäßchirurgie ist eine cash cow; solange sich die Bedingungen nicht wesentlich ändern, gehört man definitiv zu den Top-Verdienern. Als Oberarzt mit Erfahrung locker 200.000+.

Verdient ein Oberarzt GCH wesentlich mehr als Oberärzte anderer chirurgischer Fächer? Wegen weniger Personal und vielen Interventionen?

Kackbratze
06.09.2020, 13:42
Es gibt wenige Gefäßchirurgen und die Eingriffe werden aktuell gut vergütet. Nicht "die Interventionen", das Gesamtpaket.

Allerdings kann das auch schnell den Weg der Neurochiurgie gehen, die wurde auch sehr gut vergütet, überall in der letzten Klitsche wurden neurochirurgische Abteilungen aufgemacht und nach einer Änderung der GoÄ sah das wieder ganz Anders aus.
Der Vorteil der GCH ist, solange es noch Zigaretten und Diabetes gibt, wird der Laden laufen, die Frage ist bloss, wieviel eine Klinik damit verdienen kann.

GelbeKlamotten
06.09.2020, 13:46
Der Vorteil der GCH ist, solange es noch Zigaretten und Diabetes gibt, wird der Laden laufen, die Frage ist bloss, wieviel eine Klinik damit verdienen kann.

Das selbe gilt für 90% der übrigen medizinischen Fachrichtungen ;)

anignu
06.09.2020, 20:32
Bist du dir sicher, dass GCH "verkannt" wird?
Ja, unterhalte dich einfach mal mit x-beliebigen Chirurgen anderer Fachrichtungen, vor allem im jüngeren Bereich (Assistenzärzte etc.). Die haben oft null Ahnung, sehen von der Gefäßchirurgie nur das was in die Notaufnahme kommt und verkennen damit die Gefäßchirurgie völlig.
Stichworte sind hier "Stinkefüße" und "internistisches Polytrauma". Unfallchirurgie und Viszeral sei ja so viel unkomplizierter und sauberer... Die ganzen elektiven Sachen bekommen die anderen ja nicht wirklich mit. Die Schönheit einer Carotis-TEA, die Eleganz einer EVAR, das befriedigende Gefühl einer Embolektomie, diese plastische Komponente wenn man bei einer Amputation das wieder so hinbastelt/schwenkt dass es gut aussieht und funktional ist. Das bekommen die Leute einfach nicht mit. Die sehen nur stinkende Füße und schwerstkranke Patienten...

Verdient ein Oberarzt GCH wesentlich mehr als Oberärzte anderer chirurgischer Fächer? Wegen weniger Personal und vielen Interventionen?
Jein. Gefäßchirurgen werden extrem gesucht. Wirklich extrem. Damit steht man schnell in einer gewissen Verhandlungsposition die schon ganz angenehm ist. Massive Boni heraushandeln geht sicher nicht in allen Kliniken und auch nicht als x-ter Oberarzt in einer Abteilung mit eh schon mehreren GCH-Oberärzten. Auf der anderen Seite teilt sich da dann auch die Arbeit anders auf. Aber mit gewissen Fähigkeiten (extrem gesucht ist derzeit alles was Richtung fenestrierte Stentprothesen geht) kommt man auch gut in eine Position Richtung LOA oder geschäftsführender OA oder Departmentleiter oder wie auch immer man das nennen mag um damit zu rechtfertigen dass man mehr Geld bekommt als Tarif.

Es gibt wenige Gefäßchirurgen und die Eingriffe werden aktuell gut vergütet. Nicht "die Interventionen", das Gesamtpaket.
Und man braucht halt auch immer mehr Gefäßchirurgen für andere Dinge. Alleine schon für so Zeug wie beispielsweise ein Endoprothesenzentrum. Gut, da reicht auch eine Kooperation. Aber die muss 24/7 zur Verfügung stehen. Und die Sicherstellung von Gefäßchirurgen ist schwieriger als beispielsweise diese Dinge wie Teleradiologie.

John Silver
06.09.2020, 20:41
Es gibt 5 cash cows in der Chirurgie: Gefäße, Adipositas, Hernien, Koloproktologie und Schildkröten. Thorax kann gut laufen, wenn man ein wirklich großes Zentrum hat und jeden Tag mindestens 1 Op-Saal mit größeren Lungeneingriffen füllen kann. Der Rest ist gut für den Umsatz und für das Ego, aber nicht fürs Konto. Bislang hat sich daran, trotz teils deutlicher DRG-Korrekturen, nicht viel geändert. Hernien und Prokto wurden früher besser bezahlt, Schildkröten auch, aber auch so macht man Gewinn.

Der Vorteil eines Viszeralchirurgen besteht darin, auch mehrere dieser Schwerpunkte beherrschen zu können, und all das in Häusern jeder Größe und Ausstattung, sowie in der Praxis. Als Gefäßchirurg ist man in der Auswahl geeigneter Häuser stärker eingeschränkt, weil man auf eine bestimmte Infrastruktur angewiesen ist (gute ITS, Radio mit Intervention 24/7 etc.). Praxis ist schwierig. In den Diensten steht man manchmal die ganze Nacht an so einem schönen Leriche oder Bypassverschluss. Wenn das okay ist (wird halt auch mit 60 noch okay sein müssen), dann ist es ein schönes feines Operieren mit (zumindest aktuell) exzellenten Aussichten (wenig Konkurrenz, super Gehalt). Die technischen Möglichkeiten entwickeln sich, und auch wenn Radiologen und Internisten träumen, bald mit Interventionen den Gefäßchirurgen abzulösen, so wie der Herzchirurg in vielen Dingen abgelöst wurde, wird das in den nächsten 20-30 Jahren sicher nicht über Träume hinausgehen.

Was das „Verkennen“ betrifft, liegt es daran, dass die meisten einfach die dicke Hose sehen, und nicht die Details. Klar, der viszeralchirurgische Chef kann ganz toll Pankreaskarzinome herausmeißeln, und mit Leber oder Tx kann man so richtig geil angeben; damit dieser Chef aber auch schöne Zahlen für die GF hat, muss vor allem der Kolorektalchirurg ran, und der Schildkrötenspezi. Frag aber mal unter den Assistenten, aber auch Oberärzten rum: so richtig Ahnung von diesen Bereichen haben kaum welche. An Uniklinika werden Hernien von der Pfeife operiert, der man sonst nix zutraut. Klar, die guten Leute wollen den heißen Angeberscheiß. Die Ergebnisse sind entsprechend. Gilt häufig auch für die Prokto. Ein Analabszess ist ein Anfängereingriff in den meisten Häusern; dabei haben schon die Oberärzte wenig Ahnung, und die Anfänger sehen erst recht keinen Unterschied zum banalen Hautabszess. So weckt man beim Nachwuchs kein Interesse.

anignu
06.09.2020, 20:54
Die technischen Möglichkeiten entwickeln sich, und auch wenn Radiologen und Internisten träumen, bald mit Interventionen den Gefäßchirurgen abzulösen, so wie der Herzchirurg in vielen Dingen abgelöst wurde, wird das in den nächsten 20-30 Jahren sicher nicht über Träume hinausgehen.
Du musst dazu sagen, dass sich die Herzchirurgen immer geweigert haben Herzkatheter zu machen und nun den Dingen hinterherlaufen und immer mehr Probleme haben...
Die Gefäßchirurgen im Gegensatz dazu haben Duplexsonographie gelernt (Viszeralchirurgen haben sich die Sonographie ja auch nicht nehmen lassen) und Interventionen. Und während TAVIs von Kardiologen gemacht werden, machen EVAR/FEVAR/TEVAR die Gefäßchirurgen. Interventionen machen in manchen Häusern sogar ausschließlich die Gefäßchirurgen, was ich auch nicht schlecht finde da damit die Patienten am Fairsten beraten werden können was für sie das Beste ist. Das Geld bekommt man ja eh ;-)

Und was Internisten und auch Radiologen einfach nicht können sind Amputationen, Wundbeurteilungen usw... selbst wenn sie irgendwann alles Arterielle machen: ein Rest bleibt. Und ich mag Wunden :-)


Nachtrag: vielleicht muss ich noch erläutern warum das für die Herzchirurgen so schlimm war wie das gelaufen ist... ein Patient mit Herzproblemen geht zum Kardiologen. Der Kardiologe macht die Diagnostik und überlegt sich wie die Therapie ablaufen soll. Und macht einen Herzkatheter. Und dabei auch oft gleich die Intervention und damit die Therapie. Oder die TAVI oder ein Mitralklappenclipping oder was auch immer. Nochmal: der Patient geht zum Kardiologen der Diagnostik und Therapie macht. Und der Herzchirurg? Bekommt das was der Kardiologe übrig lässt.
Anders in der Gefäßchirurgie. In der Gefäßchirurgie kommen die Patienten auch primär zum Gefäßchirurgen. Größere Abteilungen haben fast immer Sprechstunden/Ambulanzen angeschlossen in denen auch ganz viel Blödsinn kommt ("Ausschluss pAVK" bei tastbaren Fußpulsen und orthopädischen Problemen, oder "schwere Beine" wobei eigentlich der ganze Mensch schwer ist) aber halt Diagnostik erfolgt und die Therapie festgelegt wird. Und damit fällt natürlich auch genug für die Gefäßchirurgie ab, sonst würde man das ja nicht machen. Die Gefäßchirurgen steuern also mehr oder weniger selbst ihre Patientenströme und haben oft Hausärzte aber auch Angiologen als Zuweiser. Oder ein Radiologe macht einen Zufallsbefund und schickt den Patienten. Und das ist schon gut. In vielen Gegenden gibt es als Konkurrenz ja gar keine Angiologen die erwähnenswert wären (sucht mal nach angiologischen Abteilungen mit mehreren Fachärzten damit man überhaupt eine 24h-Abdeckung erreichen kann) und die Radiologen haben in den seltesten Fällen eigene Betten und sind daher auch nicht patientenführend. Für mein eigenes Auskommen mache ich mir daher keine Sorgen. Wie das in 30/40/50 Jahren ist weiß keiner.

Ich wiederhole mich manchmal gern: Gefäßchirurgie ist ein sehr spannendes Fach, ich kann allen empfehlen da einfach mal genau hinzusehen wie vielfältig das ist. Dass man "üblicherweise sehr viel mehr" als in anderen Fächern verdient würde ich jetzt nicht unbedingt sehen, aber Gefäßchirurgen sind sehr sehr begehrt, daher sind auch Wechselmöglichkeiten im OA-Bereich nicht selten und oft unkompliziert. Ich hab das Gefühl dass bei den Unfallern und den Viszeralern die OA-Stellen eher rarer und geblockter sind. Insofern hat man schon ein tolles Fach und dann auch noch tolle Möglichkeiten bei sicherem Job. Ich find das gut ;-)

mbs
06.09.2020, 23:47
Wie das Image der GCH ist hängt vermutlich tatsächlich von der Infrastruktur des jeweiligen Hauses ab. Und dass im Dienst nur Notfälle operiert werden trifft auch nicht immer zu - manchmal werden Elektivpunkte auch (dann aber immerhin zu sehr humanen) noch etwas spät eingeleitet oder irgendwas fertig gemacht wo man mal nen Assistenten braucht. Und auch in der VCH kriegt man während mancher OPs mit wofür so ein Gefäßchirurg da teilweise geholt wird und dass das was er macht so uninteressant meist doch nicht ist. Das Patientenklientel mit dem man da konfrontiert ist scheint eher ein großer Abschreckungsfaktor zu sein. Zumindest ist das mein Eindruck (kenne sogar jemanden der nur deshalb aus der GCH in die VCH gewechselt ist).

Was die Möglichkeiten in ner Praxis tätig zu werden angeht erscheint mir GCH als deutlich "perspektivenreicher" als VCH. Wenn man letzteres machen will muss man sich wohl oder übel damit abfinden dass man sein Leben lang in der Klinik bleibt - außer natürlich man macht einen späten Fachwechsel oder geht in die Industrie. Kann sein, dass sich das mal ändern wird, aber insgesamt werden deutlich weniger Eingriffstypen ambulant durchgeführt als beispielsweise in den USA - selbst wenn es theoretisch erlaubt wäre scheint da nicht so die Nachfrage zusammen zu kommen. Mag an der Mentalität der Zuweiser oder der Patienten liegen...die ticken hierzulande vermutlich doch etwas anders als in anderen Ländern.

VCH ist sicher auch nicht so viel "sauberer" als GCH - für Leute die sich die Finger nicht dreckig machen wollen ist vermutlich beides nicht geeignet. Falls das das "Ziel" ist sollte man vermutlich doch eher die elektive Orthopädie wählen...

John Silver
07.09.2020, 06:15
Das ist dich Quark. Machst halt ne Teilanstellung an einer Klinik und operierst, was Du willst, Kolon/Rektum, Magen, you name it.

Autolyse
07.09.2020, 13:42
Es gibt 5 cash cows in der Chirurgie: Gefäße, Adipositas, Hernien, Koloproktologie und Schildkröten. Thorax kann gut laufen, wenn man ein wirklich großes Zentrum hat und jeden Tag mindestens 1 Op-Saal mit größeren Lungeneingriffen füllen kann. Der Rest ist gut für den Umsatz und für das Ego, aber nicht fürs Konto. Bislang hat sich daran, trotz teils deutlicher DRG-Korrekturen, nicht viel geändert. Hernien und Prokto wurden früher besser bezahlt, Schildkröten auch, aber auch so macht man Gewinn.
[...]
Was das „Verkennen“ betrifft, liegt es daran, dass die meisten einfach die dicke Hose sehen, und nicht die Details. Klar, der viszeralchirurgische Chef kann ganz toll Pankreaskarzinome herausmeißeln, und mit Leber oder Tx kann man so richtig geil angeben; damit dieser Chef aber auch schöne Zahlen für die GF hat, muss vor allem der Kolorektalchirurg ran, und der Schildkrötenspezi. Frag aber mal unter den Assistenten, aber auch Oberärzten rum: so richtig Ahnung von diesen Bereichen haben kaum welche. An Uniklinika werden Hernien von der Pfeife operiert, der man sonst nix zutraut. Klar, die guten Leute wollen den heißen Angeberscheiß. Die Ergebnisse sind entsprechend. Gilt häufig auch für die Prokto. Ein Analabszess ist ein Anfängereingriff in den meisten Häusern; dabei haben schon die Oberärzte wenig Ahnung, und die Anfänger sehen erst recht keinen Unterschied zum banalen Hautabszess. So weckt man beim Nachwuchs kein Interesse.
Kolonchirurgie als Cashcow ist klar. Die Patienten sind im Durchschnitt weniger wrackig als der Rest und es gibt gut etablierte ERAS-Protokolle, so dass die Aufenthaltsdauer kurz ist und eine Hemikolektomie im Regelfall in unter zwei Stunden abläuft. Schilddrüsenpatienten sind auch eher gesünder, aber je nach Operateur artet da die OP-Zeit nicht unerheblich aus. Aber Proktologie? Überall wo ich bislang war galt das als der Weg zur Niederlassung für den klinikgenervten Altfacharzt, aufgrund des ausgeprägten ambulanten Potentials der Eingriffe, aber nicht mehr...

John Silver
07.09.2020, 20:47
1. Kolorektale Chirurgie und Proktologie machen meist dieselben Leute. Man muss sich nicht so verengen.

2. Hemikolektomie in weniger als 2 Stunden?? Selbst offen sicher unsauber operiert, laparoskopisch im Leebe ned.

3. Rechne mal nach. Ich mache an einem Tag bei kooperativer Anästhesie locker mal 4 Hämorrhoideneingriffe, 2 SNM-Testungen und sagenwirmal einen plastischen Fistelverschluss. Bin um 14:30 fertig, kann noch locker was dranhängen. Macht ca. 5,5 BWR nach aktuellem Katalog (entspricht ca. 20.000 €, bei Kostenaufwand von weniger als 10.000 €). Alle Patienten gehen 2 Tage später heim. Komplikationsrate bei gutem Operateur 1-2%. Keine Belegung der ITS, kein sonstiger Gebrauch teurer Infrastruktur, sowie keine hohen Materialkosten.

In der gleichen Zeit operiert man einen Whipple (bitte jetzt nicht erzählen, ein Whipple ginge in 3 Stunden). Geringere Einnahmen bei deutlich höherem Kostenaufwand. Hmm.

Und jetzt die Preisfrage: Warum bekomme ich dauernd Angebote für Stellen eines Sektionsleiters?

anignu
07.09.2020, 23:10
Stellen eines Sektionsleiters?
"Sektionsleiter Hämorrhoiden" wäre jetzt in meinem Ranking nicht ganz weit oben. Dann lieber "Sektionsleiter Carotiden". Klingt ähnlich und doch besser. ;-)

3. Rechne mal nach. Ich mache an einem Tag bei kooperativer Anästhesie locker mal 4 Hämorrhoideneingriffe, 2 SNM-Testungen und sagenwirmal einen plastischen Fistelverschluss. Bin um 14:30 fertig, kann noch locker was dranhängen.
Klappt das ernsthaft in einem "normalen Krankenhaus"? Das Problem bei sowas ist ja nicht oder nicht nur die Anästhesie, sondern auch die restlichen Strukturen die darauf ausgelegt sein müssen, dass man niedrige Wechselzeiten hat. Wenn man zwischen zwei Hämorrhoiden eine Naht-Schnitt-Zeit von einer Stunde hat, dann schaffst du das nämlich nicht. Und das sind die Zeiten dich ich so kenne... in der Klinik. Nicht in ambulanten OP-Zentren oder sowas.

mbs
07.09.2020, 23:25
Teilzeitanstellung in der Klinik und man operiert was man will? Mag sein, dass das an manchen Kliniken geht, nur habe ich das bisher noch nie erlebt. In der Regel haben das Oberärzte gemacht von denen großes Engagement verlangt wurde und die natürlich eine (de facto mehr als) Vollzeitstelle hatten (nur ab und an wurde so ein Eingriff mal einem AA/FA assistiert).

Mag sein, dass man als Proktologe auch in eine Praxis gehen und da gut verdienen können mag - wenn man es richtig anstellt. So groß ist die Nachfrage dann aber denke ich auch wieder nicht und es gibt viele niedergelassene Chirurgen - man muss sich wahrscheinlich in irgendeiner Form abheben damit man genug Patienten zusammen bekommt. Ganz einfach ist es sicher nicht.

John Silver
08.09.2020, 06:07
@mbs:
Sorry, Großer, aber Du scheinst nicht viel zu kennen.

@anignu:
Kommt halt auf die Klinik an. Wenn die GF den Anästhesiechef zur Mitarbeit bewegen kann, wird‘s was. Viele Eingriffe lassen sich in Sattelblock machen, den kann man auch überlappend machen etc. Gleiches gilt auch für Gefäße. Wenn die Anästhesie aus überarbeiteten und frustrierten Leuten besteht, wird‘s freilich nix.
Und es heißt „Sektionsleiter Koloproktologie“ ;)