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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : PhD Bioinformatik vs. Weiterbildung



Lukio
07.11.2023, 20:24
Hallo an alle,

Ich (29M) stehe aktuell in einer schwierigen Situation. Ich bin derzeit im 2. Weiterbildungsjahr an einer Uniklinik. Mein Interesse gilt eigentlich vor allem der experimentellen (Grundlagen-)Forschung. Ich habe bereits im Studium und kurz danach hauptsächlich im Labor gestanden, woraus auch 2 gute Paper geworden sind. Habe zudem noch einen M.Sc. gemacht.

Ich bin dann den einfachen Weg gegangen und bin am Institut geblieben und habe meine Weiterbildung gestartet, zunächst konnte ich neben meiner Arbeit in der Ambulanz etwas Forschung machen. Nun bin ich das erste mal auf Station in der Inneren Medizin, prinzipiell ist die Arbeit meistens okay und oft auch spannend, allerdings sind die Arbeitsverhältnisse in der Klinik oft unter aller Sau. Ich finde, dass die Patientenversorgung im aktuellen deutschen Gesundheitssystem keinen Spaß macht und sehe auch perspektivisch eigentlich, dass dies nur noch schlimmer werden wird. Zudem bin ich prinzipiell eigentlich eher fasziniert von Forschung und weniger von der Klinik, finde aber den klinischen Einfluss generell gut.
Mein Chef ist ein super Mentor, fördert mich extrem und verspricht mir, mich jederzeit wieder in das Labor zu lassen und eine "Schmalspur Internisten-Ausbildung" zu machen. So könnte ich mich auf Forschung fokussieren (inkl. PostDoc im Verlauf).

Da ich zudem privat total gerne programmiere, habe ich mich interessehalber umgeschaut und bin auf eine PhD Stelle (Dr. rer. nat.) in Bioinformatik gesstoßen (in einer anderen Stadt). Nach Kontaktaufnahme hat mir die Arbeitsgruppe die Stelle angeboten.

Nun stehe ich vor einer schwierigen Entscheidung:

1) An der Klinik bleiben mit potentielle Weg zum AG-Leiter (ggf. davor PostDoc über DFG) und sich daneben durch den Facharzt "zwingen" inkl. Intensiv und Notaufnahme. Mir ist klar, dass auch dieser Weg Glück und viel Fleiß brauch und eine AG-Leiter Position selbst mit support nicht selbstverständlich ist. Außerdem weiß icg gar nicht, ob ich diese Doppelbelastung in Zukunft überhaupt möchte, ich habe dass Gefühl, dass all diese Leute praktisch kein Privatleben haben.

2) Komplett aus der klinischen Versorgung weggehen und einen PhD in Bioinformatik machen, das, was mich aktuell thematisch wirklich reizt. Danach bestünde natürlich auch die Option auf einen PostDoc oder ein paraklinisches Fach wie Pathologie zu machen, in der das fachliche Wissen des PhDs wirklich super passen würde (zumindest forschungstechnisch). Anderseits wäre auch eine Position in der Industrie denkbar, ich kenn mich aber in diesem Zweig sehr wenig aus.

Für Weg 2 habe ich allerdings auch die bedenken, dass ich hierfür etwas zu alt bin mit 29 Jahren (PhD dann mit 33/34 fertig, keinen FA wirklich signifikant begonnen, falls noch einen PostDoc bin ich noch viel älter). Zudem würde ich natürlich auch meinen Mentor verlieren, über dessen Unterstützung ich natürlich super dankbar bin (ganz abgesehen natürlich auch von Gehalt!).

Ich weiß, dass ich die Entscheidung selber treffen muss und hier sehr viele Variablen reinspielen, die ich in einem Text nicht entsprechend darstellen kann, trotzdem würde ich mich über eure Meinungen freuen (insbesondere zu dem Alter und den anderen Sorgen), ggf. war ja bereits jemand in einer ähnlichen Situation. Insgesamt fehlt mir irgendwie der Mut für Option 2, weil man natürlich auch viel Schlechtes über PhD Stellen hört und alle einem empfehlen, schnell einen FA zu machen.

LG

rafiki
07.11.2023, 20:39
Was nützt es deinem Supermentor, dich einen Schnalspurfacharzt machen zu lassen und dich möglichst viel ins fachfremde Forschen zu lassen?

Nefazodon
07.11.2023, 20:56
Ist natürlich schwer von außen zu beurteilen....

Aber mal als Anregung: Du hast dich initial für den Weg des Mediziners entschieden. Jetzt stehst Du vor der Wahl, dein vorhandenes Profil und deine Stärken, die Du durch deine Ausbildung mitbringst weiter auszubauen (Klinik) oder etwas Neues zu machen (Bioinformatik). Letzteres ist sicher erstmal mit höheren Investitionskosten verbunden.
Ich würde wahrscheinlich immer versuchen, bereits vorhandene Stärken auszubauen. Aber das ist natürlich Ansichtssache.

Was Du bedenken solltest: -Gehalt: auf der Klinikstelle sicher besser
-initialer Aufwand:auf der Klinikstelle sicher geringer (für den PhD Umzug in andere Stadt, neue Abteilung..)
-Förderung durch deinen Chef: Ist Gold wert (wenn ehrlich)!

Also ich wüsste was ich machen würde und würde auf der Klinikstelle bleiben.

DrArzt
07.11.2023, 23:41
Unabhängig davon, dass anscheinend deine Interessen und Stärken in der Forschung liegen und Du diese sicherlich ausbauen solltest, erscheint mir aus Sicht zukünftiger Patienten und Kollegen eine Schmalspurinternisten-Ausbildung nicht der richtige Weg in jeglicher Hinsicht zu sein.

Nefazodon
08.11.2023, 00:59
Unabhängig davon, dass anscheinend deine Interessen und Stärken in der Forschung liegen und Du diese sicherlich ausbauen solltest, erscheint mir aus Sicht zukünftiger Patienten und Kollegen eine Schmalspurinternisten-Ausbildung nicht der richtige Weg in jeglicher Hinsicht zu sein.

Kann man so sehen, aber ehrlich gesagt scheint dieses Vorgehen an so manchen Universitätsklinika Gang und Gäbe zu sein.
Tatsächlich gibt es -zumindest in einigen Ärztekammern- wohl die Möglichkeit sich Forschungszeiten auf den Facharzt anrechnen zu lassen.


Ärztekammer Nordrhein:

Die 9. Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein hat am 10. März 2018 beschlossen, dass Forschungszeiten im Rahmen von durchgeführten „Clinician-Scientist“-Programmen (CSP) grundsätzlich auf die Weiterbildung angerechnet werden können.

Beschluss der 9. Kammerversammlung

Falls die Teilnahme an einem solchen Programm als Weiterbildungszeit anerkannt werden soll, bitten wir Sie, die Art der Tätigkeit und den Umfang der Anrechnungsfähigkeit vor Beginn mit der Ärztekammer Nordrhein abzustimmen.

Die Weiterbildungskommission der Ärztekammer Nordrhein hat folgende Grundsätze für die Anrechnungsfähigkeit verabschiedet, die Ihnen für Ihre Planung hilfreich sein können:

Jedes einzelne Forschungsprogramm mit Patientenbezug, bei dem sechs Monate oder mehr auf die Weiterbildung angerechnet werden sollen, muss vor Beginn durch die Weiterbildungskommission der Ärztekammer Nordrhein geprüft und beschieden werden.
Der Antrag ist vom Verantwortlichen für das Forschungsprojekt und von den Weiterbildungsbefugten der in Frage kommenden Gebiete gemeinsam formlos zu stellen.
Das Forschungsprojekt muss einen direkten Patientenbezug aufweisen.
Die vorzulegenden Unterlagen (Art, Dauer, Umfang des Programms) müssen die Forschungstätigkeit beschreiben, den Anteil an klinischen Weiterbildungstätigkeiten und an Forschungstätigkeiten prozentual und zeitlich aufschlüsseln und die erwerbbaren Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten nach der WBO gebietsbezogen darstellen.
Die Teilnahme am Programm muss in die Weiterbildung zum angestrebten Facharzt inhaltlich und zeitlich passen.

Ich selbst habe in meiner Zeit an einem Universitätsklinikum beobachtet, dass es teilweise eine Art "Zwei-Klassen-Gesellschaft" gibt.
Es gibt die Ärzte, die die Stationen am laufen halten, und die, die auf Kongresse fahren und Paper veröffentlichen.
Und damit beziehe ich mich ausdrücklich nicht auf die Hierarchieebene Assistenten-Oberärzt:innen. Diese Zweiteilung gab es unter den Assistenten.


Ob das sinnvoll ist, lasse ich mal dahingestellt:-nix

rafiki
08.11.2023, 04:13
Kann man so sehen, aber ehrlich gesagt scheint dieses Vorgehen an so manchen Universitätsklinika Gang und Gäbe zu sein.

Nicht nur dort.



Tatsächlich gibt es -zumindest in einigen Ärztekammern- wohl die Möglichkeit sich Forschungszeiten auf den Facharzt anrechnen zu lassen.

Es werden z. B. ganze Fremdjahre (und wer weiß, was noch alles), die nicht gemacht wurden, "anerkannt" (weiß persönlich von so einem Fall), wenn entsprechend geneigte Chefs gut "vernetzt"' sind mit Verantwortlichen der ÄK.


Ich selbst habe in meiner Zeit an einem Universitätsklinikum beobachtet, dass es teilweise eine Art "Zwei-Klassen-Gesellschaft" gibt.
Es gibt die Ärzte, die die Stationen am laufen halten, und die, die auf Kongresse fahren und Paper veröffentlichen.

Dito in der Pampa, dort sind es dann nebenher und während der Arbeitszeit betriebene Privatpraxen und -institute.

Auch in diesem Feld wird unser Land immer mehr zur Bananenrepublik

Lukio
08.11.2023, 06:26
Erstmal vielen Dank für eure ehrlichen Antworten.

Ich würde gerne klarstellen, dass es nicht meine Absicht ist, schlechte klinische Medizin zu betreiben. Das Problem an Universitätskliniken ist einfach, dass man sich irgendwann Entscheiden muss, ob man seine Zeit primär in die Forschung investiert oder in eine intensive klinische Ausbildung. Es gibt einfach zu wenig Programme und Freistellungen als dass man beides super gut parallel betreiben kann, irgendwas leidet am Ende immer. Mit Schmalspur-Ausbildung ist eher gemeint, dass man sich auf seinen speziellen Fachbereich konzentriert und dann eben kein breit aufgestellter Internist wird.

Dass dies zu Spannungen unter den Asssistenten führen kann, glaube ich, ist bei uns aber weniger der Fall.

nie
08.11.2023, 06:49
Letzten Endes musst du für dich entscheiden, wo und wie du später arbeiten willst. Und dann schauen auf welchem Wegen du das am besten erreichst. Was kannst du mit deinem PhD machen? Oder ist das dann „nur“ ein schicker Teil, der vielleicht interessante Forschung mit sich bringt aber auch ewig befristete Verträge mit mäßigem Gehalt. Und „das kann man in der Patho bestimmt brauchen“ ist halt jetzt auch nicht unbedingt eine Perpektive. Das klingt jetzt vielleicht reizvoll aber was ist in 5 Jahren?

Dass man nicht gleichzeitig gute Forschung machen kann und ein guter Kliniker werden kann, ist leider Fakt. Das ist einfach nicht leistbar. Wenn dein Chef dich fördert, sollte aber durchaus Freistellungen drin sein. Das verlängert dann halt unter Strich die klinische Ausbildung.



Dass dies zu Spannungen unter den Asssistenten führen kann, glaube ich, ist bei uns aber weniger der Fall.

Glaubst du… ist aber ein Problem. Auch wenn du es vielleicht nicht aktiv mitbekommst. Das sagt dir vielleicht so keiner ins Gesicht aber die Zwei-Klassen-Assistentenschaft existiert in allen Uniklinikabteilungen und natürlich finden es die Kliniker nicht toll, dass sie sich auf Station krummbuckeln während die Anderen, vom Chef gefördert, Paper produzieren und mit einer Schmalspurweiterbildung durchgeschleift werden.

Nefazodon
08.11.2023, 06:58
Solange dir bewusst ist, dass Du auf diesem Weg Schwächen in der klinischen Ausbildung hast und solange Du verantwortungvoll damit umgehst (sprich später auch wirklich primär forscht) sehe ich da für dich kein Problem.

Schwierig ist es aber dann, wenn Du später aufgrund deines Erfolgs in der Forschung und der Protegierung durch deinen Chef eine Oberarztstelle bekommen solltest und damit klinische Verantwortung für Andere.

Aber den Inhalt und Tiefe und Breite deiner Ausbildung kannst Du auch selbst beeinflussen.

So oder so musst Du dich hier ja nicht rechtfertigen.

Wenn Du dich eher in der Forschung wohl fühlst und dir dein Chef genau das ermöglicht ist es doch super und Du solltest die Chance wahrnehmen.
Wenn Du es nicht machst, macht es ein anderer.


Dass dies zu Spannungen unter den Asssistenten führen kann, glaube ich, ist bei uns aber weniger der Fall.

Da allerdings wäre ich mir an deiner Stelle nicht zu sicher. Das meinst Du vielleicht jetzt, aus der Sicht des Protegierten. Aber es kann natürlich so sein...:-nix

Wie dem auch sei: Wenn Du tatsächlich einen Chef hast, der deine eigenen Neigungen so fördern will, würde ich es nutzen.

Edit: nie war mit dem zweiten Teil etwas schneller als ich:-oopss
Es sollte aber zu denken geben, dass wir beide das Gleiche geschrieben haben...

xhf52
08.11.2023, 08:28
Ich finde es ist eine sehr deutsche Ansicht, dass man nur mti dem entsprechenden Titel/Abschluss in einem Bereich gut werden kann bzw. etwas erreichen kann. Wie die Posts vor mir schon meinten ist es auch meiner Meinung nach nicht ersichtlich, was dir am Ende der PhD bringen soll. Das was dich von anderen PhDs/Naturwissenschaftlern herausstechen lässt ist die klinische Ausbildung und das Wissen des Facharztes. Unabhängig von einem PhD Programm kannst du in der Inneren genauso sehr erfolgreich dein Bioinformatik Interesse verwirklichen und Forschung betreiben. Für ganz ambitionierten gibt es auch die entsprechenden ClinicianScientist Programme.
Ich habe ebenfalls einen Master Abschluss mit entsprechenden Forschungsergebnissen zum klinischen Teil. Mir wäre es derzeit nicht ersichtlich, was mir der PhD bringen sollte bis auf einen schönen Titel vor dem Namen - wenn man dafür dann 4-5 Jahre unter prekärsten Arbeitsbedingungen arbeiten möchte.

davo
09.11.2023, 11:15
Wenn du auf seriösem Niveau forschen willst, ist ein PhD IMHO Pflicht - oder eine äquivalente Forschungs- und Publikationserfahrung auf PhD-Niveau.

Gleichzeitig ist ein PhD in Bioinformatik als Nichtfacharzt hinsichtlich Karriereaussichten wahrscheinlich nur schlecht verwertbar.

Insofern finde ich die erste Variante besser - denn wahrscheinlich wirst du erst mit der Kombination aus Facharzt und PhD reüssieren können. (Du hast ja selbst auch bei der zweiten Variante geschrieben, dass dann letztlich vielleicht auch noch ein Facharzt in einem Fach ohne direkten Patientenkontakt, wie z.B. Pathologie, nötig sein wird.)

Und die Unterstützung von oben ist sicher Gold wert.

Wenn du allerdings ein Privatleben haben willst, würd ich diese ganzen Forschungsambitionen komplett bleiben lassen und einfach einen dafür gut geeigneten Facharzt machen.

Cor_magna
09.11.2023, 11:31
Wenn du allerdings ein Privatleben haben willst, würd ich diese ganzen Forschungsambitionen komplett bleiben lassen und einfach einen dafür gut geeigneten Facharzt machen.

Wichtigster Satz im ganzen Thread IMO.

Karrierechancen hin oder her, im Ende kommts auch drauf an was du im Leben willst, und diese Super-Unikarriere mit Facharzt und nebenbei PHD und im Verlauf dann ja wahrscheinlich Oberarzt/AG Leiter/Chefarzt an einer Uniklinik wird einen Preis fordern: Dein (Privat)Leben. Da würde ich mal tief in mich gehen, ob du der Typ dafür bist und das willst.

Die Alternative: Eine Entscheidung treffen - Kliniker/normaler Facharzt werden oder eben Forscher/PHD sein (wobei man hier im Durchschnitt natürlich mit erheblichen Gehaltseinbußen rechnen muss im Vergleich zur ärztlichen Tätigkeit zumindest an der Uni - außer eben du gehst in ein forschendes Unternehmen, Bioinformatiker werden in der Pharma/Biotechbranche aber auch anständig bezahlt, zumindest aus dem Bereich Genetik weiss ich das- die zwei die ich kenne sind da in den Konzernen ganz happy).

Edit: Hab mir deinen Post nochmal genau durchgelesen, dir scheint wirklich viel an der Forschung zu liegen, so rein vom Gefühl her würde ich an deiner Stelle den PHD machen und dann weiter schauen - die Option Industrie hast du ja selbst schon erkannt, und glaub mir: Bioinformatik PHDs die das auch wirklich gut können, also aus Interesse und Leidenschaft machen, werden wirklich gesucht - kannst da auch gerne mal mit entsprechenden Leuten bei den Unternehmen reden, z.b. mal auf Linkedin anschreiben.

Ich glaube (rein persönliche Meinung) so ein Chefarzttyp der im Rahmen seiner Habilitation von 7 Uhr früh bis Abends 19 Uhr die Abteilung wuppt und dann bis 11 Uhr nachts oder am Wochenende auch noch forscht, ist man entweder oder eben nicht. Ich würde drauf gehen.

Würde an deiner Stelle das machen worauf du mehr Bock hast. Du wirst in keiner der beiden Laufbahnen verhungern, aber möglicherweise oft auf Notaufnahme/Intensiv/Station fluchen, wieso du dir den Scheiss antust, wenn du eigentlich doch nur forschen willst. Wegen Alter würde ich mir keine Sorgen machen.

anignu
10.11.2023, 00:18
Dinge die noch nicht genauer erwähnt wurden, mit aber aufgefallen sind:
- sich für Pathologie zu entscheiden bedeutet ja nicht dass man plötzlich und zwangsläufig mehr Zeit hat für die Forschung. Auch in der Pathologie muss man Arbeiten! Und wenn man statt Innere + Forschung dann Pathologie + Forschung macht weiß ich nicht ob der Freizeitgewinn durch den Fachwechsel so groß ist.
- ob es klappt nach einem Medizinstudium mit "ich programmiere privat total gerne" dann einen PhD in Bioinformatik zu machen, sollte man auch klären. Ist das so easy?

Endoplasmatisches Reticulum
10.11.2023, 09:15
Programmierung ist ein Werkzeug. Informatik als Quereinsteiger machen zu wollen, weil man als Hobby gerne programmiert, ist wie Buchhalter zu werden, weil man Spaß an Excel hat, oder Transfusionsmediziner, weil man gerne Blut abnimmt. Umgekehrt wird allerdings ein Schuh draus: Wer Programmierung so gar nichts abgewinnen kann, sollte einen Bogen um solche Disziplinen machen.

Bioinformatik ist im Prinzip eine reine Forschungsdisziplin. Die meisten Bioinformatiker, die ich kenne, sind irgendwann als "normale" Bindestrichinformatiker ohne Bio-Bezug aus der üblichen PostDoc-Mühle geflohen. Wie überall kann halt auch da nicht jeder Professor werden und in den Uni-Kesseln köchelt der Survivorship Bias. Für echte Informatik fehlen wichtige Kenntnisse. Man lernt keine moderne Softwarearchitektur, sondern skriptet mit Nischenspezialsoftware herum oder kloppt absolute Insellösungen irgendwie halb gekonnt selbst zusammen. Das ist nicht unlustig oder ohne Anspruch, hat aber mit kommerzieller Softwareentwicklung wenig zu tun.

Wenn man sich als Arzt in IT qualifizieren möchte, bietet sich m.E. eher ein berufsbegleitendes Studium an. Günstiger, unverbindlicher, flexibel und man erwirbt von Anfang an Leistungsbescheinigungen für technisch affine Chefs. Ein Arzt, der mäßig programmieren kann, hat eine solide Zusatzqualifikation. Ein "Informatiker", der mäßig programmieren kann, hat ein Defizit. Und ein Informatiker, der gut programmieren kann, hat das sehr wahrscheinlich nicht in der Bioinformatik gelernt; erstrecht nicht als Quereinsteiger.