Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Treffpunkt für gestresste Assistenzärztinnen und -ärzte
Anne1970
28.04.2013, 16:11
Hm Reflex, solche Herrschaften begegnen uns auch hier und da... Bei manchen Patienten ist das Anspruchsdenken wirklich sehr ...ausgeprägt. Was ich erstaunlich finde: diejenigen, bei denen die Diagnostik teilweise recht Ernstes- manchmal Erschreckendes - zu Tage fördert, wiegeln oft ab... Bei den Klagsamen, Fordernden findet man häufigst nichts Körperliches...
Manchmal geht mir in der Anamnese der Gaul durch und ich frage direkt, wann er oder sie sich von ihrem Freund/ihrer Freundin getrennt habe :grins: : sehr oft Volltreffer
Hellequin
28.04.2013, 16:22
Je weniger krank umso größer die Welle die gemacht wird.
Bzgl. dem Patientenklientel in der Nacht, kommen meiner Erfahrung nach, nach 24 Uhr zu 20% Schwerkranke und zu 80% irgendwelche Schwachmaten mit Bagatellerkrankungen oder Befindlichkeitsstörungen bei denen oftmals schon der Hausarztbesuch eine Überdiagnostik darstellen dürfte. Und mit Wegfall der Praxisgebühr ist bei uns die Tendenz steigend.
Gelegentliches Kopfkino bei mir :-P
http://www.youtube.com/watch?v=YStUg14_23o
Relaxometrie
28.04.2013, 16:34
Die Tatsache, daß leider inzwischen viele Patienten in die Notaufnahme kommen, obwohl es in keinster Weise indiziert ist, ist ja altbekannt. Zum Glück habe ich in der Anästhesie damit wenig zu tun, trotzdem:
Davon, daß das Thema nur hier im Forum dargestellt wird, ändert sich genau: NICHTS. Zum gegenseitigen und berechtigten Ausheulen ist das Forum gut. Aber was für Konsequenzen zieht Ihr aus dem Fehlverhalten der Patienten? Berichtet Ihr den Oberen (Oberärzte, Chefärzte) davon? Was sagen und veranlassen die? Stehen die hinter Euch, wenn Ihr solchen Patienten die Meinung geigt und sie wieder nach Hause schickt? Oder wird unter dem Stichwort "Absicherung" doch das volle Programm gefahren?
Hier zeigt sich echt ein Grundübel des Gesundheitssystems: zu viele unerfahrene Anfänger arbeiten in der Notaufnahme und haben verständlicherweise den forensischen Aspekt im Hinterkopf. Wären mehr erfahrene Ärzte in der Notaufnahme (wenn auch nur als Backup), und gäbe es eindeutige Richtlinien seitens des Chefs, könnte man in dem Wust der Notaufnahme mal gründlich aufräumen.
ES würde garantiert eine Weile dauern, aber irgendwann würde sich in der Bevölkerung herumsprechen, daß man den Krankentransport nur bei dringender Notwendigkeit bezahlt bekommt, und daß man in der Notaufnahme nur dann behandelt wird, die Behandlung nicht aufschiebbar ist.
easy-bisy
28.04.2013, 16:37
Da gibt es aber durchaus auch mal die Konstellation andersherum- Patientin kommt Freitag spät Abends mit Occzipitalisneuralgie- für die Assistentin im 1. Jahr auch zu erkennen.
Der bereits konsultierte Orthopäde hatte, bei begleitend massiver Muskelverspannung und schmerzhaft fixierter HWS Ultraschalltherapie verordnet- ich nehme mal an als IGEL Leistung. Dazu irgendein Mittelchen von dem ich noch nie gehört hatte, in der Roten Liste gab es das auch nicht- google sagte dann etwas von "bei leichten bis mäßigen Schmerzen, Menstruationsbeschwerden".
Der Neurochirurg!!!! bei den sie auch schon war hatte wohl die gleiche Idee wie ich und hat ne Blockade gemacht- hat nur irgendwie nicht richtig gesessen, Schmerzen waren jedenfalls noch da.
Mit Carbamazepin und Tetrazepam ist die Dame dann nach Hause (gefahren worden natürlich)- der Mann hat am nächsten Tag noch mal angerufen und sich bedankt. :-)
Kackbratze
28.04.2013, 16:43
Konsequenzen aus solchen Patienten? Ich biete ihnen eine sofortige Operation an. Die meisten gehen dann wieder. Die anderen sind tatsächlich krank.
: zu viele unerfahrene Anfänger arbeiten in der Notaufnahme
Tumtitum. So isoliert wäre es ne Steilvorlage : -D nein, ich sag nichts mehr :-D
Relaxometrie
28.04.2013, 16:54
Tumtitum. So isoliert wäre es ne Steilvorlage : -D nein, ich sag nichts mehr :-D
Weil 1. "unerfahren" und 2. "Anfänger" doppelt gemoppelt ist?
die Giraffe
28.04.2013, 16:58
:-))
:-))
Hellequin
28.04.2013, 17:38
@Relaxometrie: Auch erfahrene Ärzte ändern ja nichts daran, das du den Patienten trotzdem erstmal sehen musst. Auch ein erfahrener Arzt muss sich sicher sein das der Patient nichts hat. Die Kunst ist ja mittlerweile nicht mehr schwerkranke Patienten in der Notaufnahme adäquat zu behandeln, sondern diese aus der Menge an unsinnigen Vorstellungen herauszufiltern. Grundproblem ist meiner Meinung nach die Flatratementalität der Bevölkerung.
WackenDoc
28.04.2013, 18:06
In meinem Krankenhaus war das Problem ganz klar die Führung- die stand nicht hinter den Assistenten, die jeden Tag in der Notaufnahme oder auf Station gerödelt haben.
So ein Highlight war auch ne Patientin mit ner rheumatischen Erkrankung- schon von x Rheumatologen gesehen und tauchte irgendwann bei uns ohne Termin in der Notaufnahme auf, weil wir ja so nen guten Ruf hätten. Tja- aber wie hatten nun mal keine Rheumatologie und nen Notfall war das auhc nicht.
Eigentlich hätte man sie wieder nach Hause schicken können- aber nein, wir mussten sie ja aufnehmen.
Die Dame hat auch konsequenterweise jegliche Basismedikation abgelehnt. Kompressionsstrümpfe gegen ihre Ödeme wollte sie nicht, dafür unbedingt Lymphdrainage. Den Termin (der bei uns nur auf Abruf ging und nicht mit festem Termin) hat sie verpasst, weil sie ja unbedingt zum Friseur musste.
Als ich sie daraufhin gegen ihren Wunsch entlassen wollte (naja eher rauswerfen wollte) hab ICH den Ärger bekommen.
Ja-auskotzen hier oder unter Kollegen hilft definitiv. Aber ändern werden wir es wohl nicht.
Ach da fällt mir noch ein: In meinem letzten Haus hatten wir nicht alle Fachrichtungen und alles was wir nicht selber behandeln konnten, aber trotzdem bei uns aufgeschlagen ist, wurde kurz durch nen Arzt auf dringliche Behandlungsbedürftigkeit untersucht und dann weitergeschickt- ihr glaubt gar nicht,was das teilweise für ne Diskussion mit den Patienten war.
Leelaacoo
28.04.2013, 18:11
Konsequenzen aus solchen Patienten? Ich biete ihnen eine sofortige Operation an. Die meisten gehen dann wieder. Die anderen sind tatsächlich krank.
Ähnlich mache ich es auch (nur ohne die OP-Androhung ;-) Das wär in meinem Fall tatsächlich eine Drohung...).
"So, jetzt suchen wir erst mal ein Bett für sie auf Station und morgen kann dann evtl. das MRT laufen, das entscheidet dann der OA..."-"Ja, wie jetzt, ich will aber nicht bleiben!"-"Aber sie kommen doch ins Krankenhaus, das MUSS man doch ernst nehmen, dafür sind wir da...für ambulant gibts ja die Notfallpraxis, gell?"...arghh arghh...
Und warum junge Mädels mit Durchfall am ersten Tag (!) in die KH-Ambulanz kommen, wo bei uns grad 2 Schwangere hocken...ich kanns net verstehen...was soll man denn tun? Komplette Kolektomie? Rehydrierung mit 100 ml NaCl? Ich sag dann nur "Intelligenztest: failed".
Und Schwindel, ich HASSE Schwindel...in 98% der Fälle gar nicht nichts...oder schon zig mal durchdiagnostiziert, nur der HA traut sich nicht, dem Pat. zu sagen "Hören sie mal, das ist psychosomatisch, was haben sie denn für persönliche Probleme?"..nö, gehen sie mal ins Bla-Bla-Haus, da hats ne Neuro und da kriegen sie auch gleich ein MRT, sonst müssen sie ja 5 Wochen auf nen Termin warten..." Doppel-Arghh...
Aber das wird sich ja nie ändern, die mit dem Hebungsinfarkt fahren mit eignem PKW ins KH und entschuldigen sich tausendmal, die mit dem quersitzenden Pups möchten bitte um 3 Uhr nachts den Chefarzt und drölfzig Untersuchungen, aber pronto, und dann gehen...
LG Lee (nur noch 4 Wochen...harr harr)
PS: bei Occipitalis"neuralgie" und Nackenschmerzen immer schön an Vertrebralisdissektion denken, gell;-)
Hoppla-Daisy
28.04.2013, 18:30
Wir hatten jetzt ne alte Dame zur TUR-Blase bei dringendem Tumorverdacht. Wenn Histo negativ, SPDK-Einlage erbeten. Die Enkelin drängt geradezu auf SPDK.
Vorherige Diagnostik beim Niedergelassenen? Bis auf Sono Fehlanzeige. Also erstmal bei uns AUG und Zysto gemacht. Heraus kam "kein Tumor, multiple Divertikel". Wollten dann die Pat. nach Hause entlassen, wurde natürlich von der Enkelin ("ich hab mal bei nem Urologen gearbeitet") torpediert. Und wieso wir keine Operation gemacht hätten? Und wieso wir sie jetzt ohne SPDK entlassen würden? (Stichwort: Frauen kurze Harnröhre, nicht wirklich notwendig, kann auch sehr gut transurethral versorgt werden)
Fazit: Die Enkelin (Betreuerin) bestand darauf, dass wir nen SPDK stechen. Wir hatten keinen Bock mehr auf Diskussionen. SPDK gestochen. War natürlich nicht einfach und bei Narbenplatten aufgrund früherer Laparotomie und multiplen Blasendivertikeln kein Spaß! Nach 2 Stunden Beobachtung und klarem Urin entließen wir die Patientin.
Nun ratet mal, wen ich gestern wieder in der Ambulanz sitzen hatte? Rrrrischtiiiiisch! Die Enkelin (schlau isse ja, das muss man ihr lassen) hatte ihr das Xarelto wieder gegeben. Es kam natürlich, wie es kommen musste: Makrohämaturie, spülpflichtig. Patientin also wieder aufgenommen, hat jetzt ein paar Tage Aufenthalt "gebucht". Kommentar der Enkelin: "Ich muss ja morgen wieder arbeiten und hab grad keine Zeit für die Oma"
Schelm, wer Böses dabei denkt, oder?
Die alte Damen hat quasi gegen ihren Willen nen SPDK gestochen bekommen, weil die Betreuerin das unbedingt wollte, weil es ja sooooo viel praktischer sei!
Feuerblick
28.04.2013, 18:50
Man kann zumindest aber bei inkontinenten Patienten die Angehörigen durchaus verstehen. Eine inkontinente Patientin mehrfach täglich zu windeln (möglichst auch noch eine mit deutlichem Übergewicht, die kaum noch stehen geschweige den laufen kann) ist auch kein Spaß, wenn der transurethrale nur Infektionen verursacht. Und einen Pflegedienst, der dafür mehrfach täglich kommt, kannste nicht bezahlen. Kann ich aus familiärer Erfahrung mal so sagen... :-nix
SuperSonic
28.04.2013, 18:50
Fazit: Die Enkelin (Betreuerin) bestand darauf, dass wir nen SPDK stechen. Wir hatten keinen Bock mehr auf Diskussionen.
Tolle Rechtfertigung für eine begangene Körperverletzung...
PS: bei Occipitalis"neuralgie" und Nackenschmerzen immer schön an Vertrebralisdissektion denken, gell;-)
grad vor 5 min passenderweise dazu gelesen....
http://www.t-online.de/nachrichten/wissen/id_63158008/ein-raetselhafter-patient-verspannter-nacken-und-pelzige-haut.html
...und ja, ich weiß den wahrheitsgehalt der quelle einzuschätzen ;-)
aber trotzdem...passte grad so schön.
Relaxometrie
28.04.2013, 20:03
Die alte Damen hat quasi gegen ihren Willen nen SPDK gestochen bekommen, weil die Betreuerin das unbedingt wollte, weil es ja sooooo viel praktischer sei!
Bei einem Assistenzarzt verstehe ich ja noch halbwegs, daß er/sie sich durch Drängen der fordernden Angehörigen zu nicht-indizierten Eingriffen verleiten lässt. Aber selbst dann würde ich einen Oberarzt hinzuziehen und nichts alleine entscheiden, bzw. würde ich den Angehörigen sagen, daß der Eingriff aus meiner Sicht nicht sinnvoll oder nötig sei, daß ich aber gerne einen Facharzt hinzuziehen könne.
Spätestens der sollte aber die pro/contra-Liste eines Eingriffs kennen und sich durch quengelnde Angehörige nicht verunsichern lassen.
Bei einem Assistenzarzt verstehe ich ja noch halbwegs, daß er/sie sich durch Drängen der fordernden Angehörigen zu nicht-indizierten Eingriffen verleiten lässt. Aber selbst dann würde ich einen Oberarzt hinzuziehen und nichts alleine entscheiden, bzw. würde ich den Angehörigen sagen, daß der Eingriff aus meiner Sicht nicht sinnvoll oder nötig sei, daß ich aber gerne einen Facharzt hinzuziehen könne.
Spätestens der sollte aber die pro/contra-Liste eines Eingriffs kennen und sich durch quengelnde Angehörige nicht verunsichern lassen.
Ja, das finde ich auch das vornehmlich kritische an eurer Entscheidung! Die Indikation stellt der Arzt, nicht der Patient oder die Betreuerin.
Bei Kleinigkeiten (z.B. Laborkontrolle), wo man zwei Wege vertreten kann, lasse ich die Eltern zwar auch gerne mitentscheiden, aber bei der Frage einer SPDK-Anlage, die du selber nicht gut vertreten kannst, finde ich euer Vorgehen falsch.
Leelaacoo
28.04.2013, 20:32
grad vor 5 min passenderweise dazu gelesen....
http://www.t-online.de/nachrichten/wissen/id_63158008/ein-raetselhafter-patient-verspannter-nacken-und-pelzige-haut.html
...und ja, ich weiß den wahrheitsgehalt der quelle einzuschätzen ;-)
aber trotzdem...passte grad so schön.
Süßer Artikel..."rätselhaft rätselhaft"...ist gar nicht so selten, hatte ich ja selbst vor 2 Jahren, sogar bds., waren nach ca. 6 Tagen ziemlich starke occipitale Schmerzen dabei, vorher "nur" Nackenschmerzen, welche aber immer therapieresistenter wurden (zum Schluss bis 300 mg Tramal + 5 g Novalgin/ Tag ohne wesentlichen Effekt). War ein Bagtteltrauma (Kopfwendung), vorher Virusinfekt...Dissektionen bei jüngeren Leuten haben eine saisonale Komponente, man vermutet Zusammenhänge mit Infekten + eine gewisse fibromuskuläre Schwäche, einen Unfall brauchts nicht dafür. Ich denke das Krankheitsbild wird unterdiagnostiziert, ohne cerebrale Ischämie hat es eine Abheilungsrate von > 85%, die Schmerzen hören also irgendwann auf und wenn nicht noch ein Chiropraktiker kräftig an der Dissektion zerrt passiert wohl auch nicht viel. Die ACI-Dissektionen sind eindrücklicher, wenn mit Horner-Syndrom einhergehend...hatte da schon spannende Fälle...leider einen 33jährigen mit ausgedehntem Mediainsult wegen ungünstiger Kollateralen bei ACI-Dissektion und Embolie, Frau im 9ten Monat schwanger nach vielen Komplikationen, er wurde 2 Wochen beatmet wegen zusätzlicher pulmonaler Problematik...das war sch*****.
LG Lee (ach ja, ich HASSE SPBK-Stechen...wir mussten das immer selbst machen - wer von euch Internisten auch?- und ich hatte immer das Gefühl, dass ich die armen alten Leutchen mit dem Riesenthrokar an die Matratze festtackere...ürgs...besonders schön bei BPH und schön muskelstarker Blase...nee, will ich nimmer machen (oder nur im Notfall, aber nicht mehr so "elektiv"), dann lieber 10 Thoraxdrainagen...)
PPS: die Dame mit dem SPBK...war die denn komplett dement oder hat sie sich tatsächlich GEGEN den SPBK geäußert....eine gesetzliche Betreuung ist m.E. nach ja keine komplette Entmündigung, oder? Wenn der Pat. noch selbst entscheiden kann, dann tut er das auch...Betreuer wird nur gefargt, wenn Pat. entscheidungsunfähig ist...und nur, wenn medizinisch indiziert (das hatten wir ja demletzt auch mit den Reanimationen diskutiert). Ein SPBK muss pflegerisch nicht besser sein als ein transurethraler, bei uns werden bei Frauen so gut wie keine mehr gelegt, mehr Infekte gibt es eigentlich nicht, dafür weniger Nachblutungskomplikationen (dieses Blasengespüle ist echt übel). Und ich hab schon mal einen Pat. nach SPBK-Anlage verbluten sehen (war zum Glück nicht ich gewesen, passieren kanns aber trotzdem...), das ging rasch und auf den OP-Tisch hat er es nimmer geschafft...
FUMANCHU
28.04.2013, 20:54
In diesem Fall hätte meiner Meinung nach das Vormundschaftsgericht entscheiden müssen, oder?
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