Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Treffpunkt für gestresste Assistenzärztinnen und -ärzte
Moorhühnchen
08.09.2013, 22:07
Ja, insofern bin ich noch in einer sehr komfortablen Situation. Trotzdem ist das sicher mit eine der Ursachen, warum es bei mir bisher am Gründen einer Familie gescheitert ist. Wer weiß, vielleicht hätte ich mit einem "normalen" Job längst eigene Kinder.... :-nix
*seufz* ich war gestern Zeuge einer hässlichen Situation und möchte mal wissen, ob ich allein mit meiner Meinung dastehe.
Die Allgemeinchirurgen haben nachts um 1Uhr eine 90jährige Patientin als Konsil aus der Hautklinik bekommen wegen Bauchschmerzen. Nach dem anfänglichen Gemurre "die kommt bestimmt nur zum Kacken" zeigte sich, dass die freie Luft im Bauch hatte und zunehmend schlechter wurde. Beide diensthabenden Chirurgen sind übrigens TROTZDEM in den OP gegangen (während der Hintergrund-OA natürlich NICHT gerufen wurde, sind ja schließlich beides Fachärzte) und ließen die arme Frau dann in der ZNA herumgammeln, wo sie zunehmend tachypnoeisch, tachykard und hypoton wurde. Die Schwester rief dann irgendwann im OP an, dass bitte SOFORT einer kommen soll, sonst müssten wir in ein paar Minuten das Rea-Team rufen. Derweil versuchte ich den Schwester zu helfen und wenigstens einen großlumigen Zugang zu legen, um mal ein bissche Volumen anzuhängen. Gott sei Dank kam dann auch der Chirurg, schmiss ein paar Anweisungen herum und faselte was von "die Patientin muss ich den OP". Ich schaute ihn dann scharf an und sagte: "WENN sie überhaupt will". Daraufhin ging er an ihr Kopfende und richtete das erste Mal überhaupt das Wort an die Patienten (die übrigens absolut klaren Verstands war): "Sind Sie damit einverstanden, dass wir in Ihren Bauch gucken?" :-wand Die Patientin antwortete dann sowas wie "Na wenns sein muss" und ging keine 10 Minuten später in den OP.
Kommt das nur mir so vor oder ist das schei*e gelaufen? Ich meine, die Frau ist 90 Jahre alt! Mir ist schon klar, dass sie ohne OP mit Sicherheit innerhalb kürzester Zeit verstorben wäre, aber was ist denn jetzt die Alternative? Jetzt liegt sie erstmal tage- oder wochenlang auf der Intensivstation, wo sie wahrscheinlich trotzdem stirbt. OK, ich habe keine Ahnung von Bauchchirurgie und auch jemand mit 90 hat vielleicht ein Recht auf die kleine Restchance, zu überleben... aber ich finde, das hätte man mit der Patientin anders besprechen müssen. Man hätte ihr sagen müssen, dass sie ohne OP sterben wird und mit OP auf der Intensivstation landen wird mit einer kleinen Chance, zu überleben. Oder schätze ich das falsch ein? Sehe ich das zu schwarz? :-nix
Lava - eine ähnliche Situation hatten wir letztens auch (Pat alt, freie Luft, allerdings dement, dafür aber die Betreuerin=Ehefrau sehr differenziert). Chirurgischer Hintergrund hat die OP-Indikation gestellt, die diensthabende Anästhesistin und ich haben mit der Betreuerin und weiteren Angehörigen gesprochen und haben genau das gesagt: entweder Op mit extrem hohem Risiko+ ITS mit extrem hohem Risiko nicht mehr vom Respirator zu kommen - oder Einzelzimmer, Schmerztherapie, Möglichkeit für die Angehörigen rund um die Uhr da zu sein.
Sie haben sich für letzteres entschieden. Der chirurgische Hintergrund war erstaunt - aber ich war auch ein bisschen stolz, dass ich zusammen mit der Anästhesistin auch mal etwas in Richtung "Wir machen nicht alles was wir können, ohne auf den Patienten zu hören" gemacht habe....
Würde das also genauso einschätzen wie du. Was natürlich nicht geht, ist dass eure Patientin da noch so lange liegen musste, ohne dass sich jemand kümmert. Hoffentlich hatte sie wenigstens Analgesie in der Zeit :-/
Ich war heute - aufgrund des doch stark ausgedünnten Kollegiums - mal wieder im OP! :love: Ist gut fürs Seelenheil.
Schwer zu sagen Lava. Dazu fehlen ganz einfach zu viele Einzelfakten, um ein Gesamtbild zusammen zu setzen.
Gut, die Patientin ist 90 Jahre. Aber wie war sie denn vor dem KH aufgestellt? Alleine zu Hause und versorgt sich komplett allein? Oder ausm Pflegeheim und liegt kontrakt im Bett? Begleiterkrankungen? Verdachtdiagnose? Warum war sie bei den Dermatologen?
Keine Frage ist das maximal Schei$$e gelaufen, wenn sich da niemand über mehrere Stunden kümmert. Und ganz sicher hätte man die Patientin auch anders aufklären können / müssen. Auf der anderen Seite schreibst Du ja, dass die Frau völlig klar war. Und wenn der Patient einer Intervention zustimmt, die potentiell lebensrettend sein kann, dann würde ich wohl ebenfalls zustimmen. Mit der OP hat sie eine Chance, auch wenn sie evtl. klein ist? Aber wer weiß das schon? Wenn es einfach eine benigne Geschichte ist, und sie die OP gut wegsteckt, hat sie vll. noch ein paar Jahre... Ohne OP legst Du ihr ganz sicher die Karten. :-nix
Wie gesagt, schwierige Entscheidung. Und ganz sicher eine ganz beschissene Aktion der ACH...
Ja. Dass sie offenbar noch so gut beisammen war, spricht ja für sie. Ich weiß auch nicht, was der andere Chirurg, der sie zuerst gesehen und die radiologische Bildgebung veranlasst hat, über die Patientin wusste. Er hatte auch mit der Dermatologie telefoniert, wobei es in dem Gespräch eher um eine genauere Erhebung der aktuellen Anamnese ging. Was mich halt gestört hat, war dieser unreflektierte Mechanismus "freie Luft -> OP". Die Patientin wurde nicht wirklich gefragt und es kam mir auch nicht so vor, als hätte man Anstalten unternommen, Informationen über ihre Lebensumstände zu erheben.
netfinder
09.09.2013, 19:00
Nur aufgrund freier Luft zu operieren, klingt komisch. Aber vielleicht kannte der Kollege doch schon den radiologischen Befund? Was hatte sie denn, dass sie freie Luft hatte?
Nur aufgrund freier Luft zu operieren, klingt komisch. Aber vielleicht kannte der Kollege doch schon den radiologischen Befund? Was hatte sie denn, dass sie freie Luft hatte?
Nö, das ist schon richtig so. Freie Luft (solange es nicht wenig, z.B bei Z.n OP ist) ist eine OP-Indikation, auch wenn man noch nicht weiß, welches Hohlorgan da perforiert ist.
(Natürlich ist es trotzdem gut, alle Infos zusammenzutragen (Anamnese für NSAR- Magenulcus?, Sigmadivertikulitiden? Colon-Ca?, CT-Befund?), vor allem wenn der Patient noch im guten AZ ist. )
Was hatte sie denn, dass sie freie Luft hatte?
Ich weiß es nicht, es gibt noch keinen OP Bericht. Sie liegt noch auf der Intensivstation, die Laborwerte sind gar nicht sooo schlecht. Die Leukos haben sich erholt (sie hatte ne Leukopenie), das CRP ist von 50 (mg/dl, glaube ich) auf 20 gesunken die BGA war gut...
Ich durfte gestern endlich mal wieder was im Dienst operieren :-party Und damits fair bleibt, meine Kollegin auch.
Moorhühnchen
10.09.2013, 15:00
Super, die Kollegen "sind noch nicht dazu gekommen" die Überlastungsanzeige auszufüllen und abzuschicken.
Chef war heute nicht da und das einzige, was ich von der Verwaltung gehört habe, war eine Rückmeldung, daß mein Befreiungsbescheid zur DRV nicht dort angekommen sei - das merkt man wohlgemerkt nach einem halben Jahr!!
Der Patient mit mit dem AV-Block hat immer noch seinen transvenösen Schrittmacher, da der Konsilarius die herbeigeschafften Vorbefunde vom Hauskardiologen (alle aus August+September und ohne Hinweis auf kardiale Ursache für die rez. Synkopen) zur Seite gelegt hat und dann rummoserte, wir sollen die Vorbefunde organsieren..... Es läuft also!! :-oopss
Eine Frage an die Anästhesisten: Macht ihr solche Dinge wie transvenöse SM-Anlage selbst? Mein Kollege aus der Nacht sah mich ganz verständnislos an, warum ich das am Samstag nicht selbst erledigt hätte, anstatt auf die Internisten zu hoffen. Das sei ja fast so einfach wie ZVK-Legen.... hmmmmmmmmmmmm...
Er hat aber auch mal in der Kardioanästhesie gearbeitet.
Ist doch ganz einfach: du machst, was du kannst. Wenn es dir jemand zeigt oder es hinreichend ähnlich zu einer Prozedur ist, die du kannst... aber kannst du in so einem Fall nicht deinen Hintergrund OA fragen??
Moorhühnchen
10.09.2013, 17:31
Ich würde behaupten, der sagt dann, das sei Sache der Kardiologen. Aber wir machen auf unserer ITS sowieso recht wenig selbst. Keine Dialyse, keine Thoraxdrainagen, Pleuracaths, Pulmonaliskath, ich hab bisher erst 2 PiCCOs gesehen und so weiter. Der Kollege schwärmte von den Zeiten, als er das noch alles selber lernen konnte - und das find ich ein wenig schade! :-?
Ist ja komisch. Also für ne Thoraxdrainage wird bei uns manchmal auch der Chirurg gerufen, die meisten ITSler können das aber- wie auch alles andere was du aufgezählt hast. Wer macht denn bei euch die Pulmonaliskatheter?
Bei uns wars heute wieder zum Kotzen. Der OA hat heimlich Visite ohne uns Jungassis gemacht, vermutlich weil wir sonst zu viele Fragen stellen. Und wir haben drauf gewartet und uns gelangweilt. Und auch sonst bringt der uns nichts bei.
Ich hab heute als Chirurgie-Jungassi dem Anästhesie-Jungassi n komplizierten Verbandswechsel gezeigt und er mir die dafür notwendige Kurznarkose.
Und dann hat der Diensthabende nachts bei nem psychotisch-deliranten nicht geschafft n ZVK zu legen, das sollten wir dann im Tagdienst tnu um ihn zu mehreren festhalten zu können. Wir haben uns dann als Jungassis mit dem Patienten unterhalten, ihm ne Flexüle gelegt, mit den Psychiatern beredetet und uns eine Medikation (inkl. Tavor) empfehlen lassen, die hat er auch problemlos abgenommen. Als der OA dann mal wieder vorbeischneite, war er sauer, dass wir ihn nicht ZVKiert und abgeschossen haben - und weil er Tavor als Teufelszeug NIEMALS gibt... daraufhin hab ich dann angedeutet, dass zumindest ich den ZVK nicht legen würde, weil ich die Indikation nicht sehe - der OA hatte aber keinen Bock, es selbst zu machen... mal sehen ob er morgen einen hat und mit Paracefan abgeschossen ist...
psycho1899
10.09.2013, 18:05
Bei uns wars heute wieder zum Kotzen. Der OA hat heimlich Visite ohne uns Jungassis gemacht, vermutlich weil wir sonst zu viele Fragen stellen. Und wir haben drauf gewartet und uns gelangweilt.
Mit Verlaub, aber... was ein Arschloch.
Christoph_A
10.09.2013, 18:15
Dem ist nix hinzuzufügen. Wer seine Ausbildungsverpflichtung nicht wahrnimmt ist eigentlich als OA untragbar!
Kackbratze
10.09.2013, 18:30
Coole Klinik, irgendwie wird mit jeder Nachricht von Dir interessanter...
Tavor als Teufelszeug...
Tavor ist super! :-meinung
Soweit ich das als eigentlich Neuroassi, die nur auf der Intensiv rotationstechnisch gestrandet ist, beurteilen kann, gibts für den transvenösen SM verschiedene Systeme. Manche gehen nur unter Durchleuchtung, manche sind Einschwemmkatheter, die legen sich wohl einfach. Beides machen wir Assistenten auf Kardio-Intensiv aber auch nicht selber.
Dem ist nix hinzuzufügen. Wer seine Ausbildungsverpflichtung nicht wahrnimmt ist eigentlich als OA untragbar!
Eben und der CA ist ja auch so. Weil ich mich nach nur einem Monat IMC noch nicht dienstfähig sah, haben ich und der OA dem CA das auch schriftlich dargelegt. Wir bekamen beide Schreiben zurück, dass der OA ja für Ausbildung zuständig sei. Hm, ja toll.
Kackbratze..so langsam kommts auch bei mir an. Ich mach hier noch den Common trunk zu ende und hoffe dass bis dahin was besser wird, weil gerade auch die gesamten Leitungsstrukturen umsortiert werden. Wenn nicht, muss man sich halt mal umsehen :-/
Relaxometrie
10.09.2013, 19:06
und hoffe dass bis dahin was besser wird
Warum Zeit mit Hoffnung verplempern? Was sich verbessern wird, ist das hier:
Sebastian1
10.09.2013, 19:26
Ich würde behaupten, der sagt dann, das sei Sache der Kardiologen. Aber wir machen auf unserer ITS sowieso recht wenig selbst. Keine Dialyse, keine Thoraxdrainagen, Pleuracaths, Pulmonaliskath, ich hab bisher erst 2 PiCCOs gesehen und so weiter. Der Kollege schwärmte von den Zeiten, als er das noch alles selber lernen konnte - und das find ich ein wenig schade! :-?Die zitierten Dinge machen wir alle selbst. Transvenöse Schrittmacher und IABP (bei uns ja eher selten) machen primär die Kardiologen, allerdings gibt's da einen ltd OA, der extrem nett, erklär- und anleitungsfreudig ist, also da ist der Blick über den Tellerrand auch durchaus gegeben :-)
Coxy-Baby
10.09.2013, 19:33
....ich dachte die IABP kann man einmotten?
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