Erkenntnisse des Tages - was passiert wohl, wenn die Internisten einen dialysierten Patienten (regelmässig Dialyse über Shaldon) wegen 'ist komisch und müde' mit BZ 20mg/dl aufnehmen...
Man gab 500ml G20% über den liegenden Shaldon. Im freien Schuss. :-((
und dann....
wurde ich hinzugebeten :-))
Aufgrund der Schilderung der Geschehnisse habe ich als allererstes nach Nabic 8,45% verlangt (ebenfalls im freien Schuss rein mit NaCl 0,9% (Internisten scheinen in keinem Maximalversorget sowas wie Vollelektrolythlösungen zu kennen), intubiert (gruselig, das Wasser stand überall) & relativ unkompliziert den Patienten mit ROSC auf die (internistische :-))) Intensiv gebracht. Dort kam dann Freund LUCAS ins Spiel, der bei erneuter Dekompensation und K+ von 10 (warum nur... ;-)) seine Arbeit tun durfte.
inglebird
16.07.2015, 21:45
Nur zum Verständnis: War der Patient frisch dialysiert? und ROSC heißt er war initial nach der Volumengabe im Kreislaufstillstand?
Also ich bin nur Assistenzarzt in der Inneren aber ich kenne VEL :-)
In welcher Fachrichtung arbeitest du? Sag jetzt nicht Unfallchirurgie :-angel
Oi, fleißig Bille!
@ inglebird
Bille dürfte den REA-Funk gehabt haben ;-)
ab 14 Uhr ist der CA heute ganz alleine im Haus. Bin mal gespannt ob er das schon wusste ;-)
erdbeertoertchen
17.07.2015, 12:43
Man gab 500ml G20% über den liegenden Shaldon. Im freien Schuss. :-((
Als Verständnis für Anfänger, man gibt max 100 ml iv, über eine periphere Vene ,reichen da G20% ? und keine Infusion über den Shaldon?
Ich würde höchstens 40 - 50ml G20 oder G40 geben, das ist nämlich letztendlich nach Aufnahme der Glucose nur freies Wasser. Bei einem halben Liter kann man einen Patienten damit wie man sieht schon ins hypoosmolare Koma schicken.
erdbeertoertchen
17.07.2015, 12:58
Ist es dann am Anfang besser sehr wenig Infusion zu verabreichen und wenn dann der Blutzucker immer noch nicht ok ist, nochmal etwas Infusion nachzugeben?
Absolute Arrhythmie
17.07.2015, 13:27
Sehr tolles Fallbeispiel, das hab ich letzte Woche erst in physio gelesen (mit der Glucose-Lsg,die ja quasi einfach zu freiem Wasser wird), das vergesse ich jetzt bestimmt nie wieder :-)
Moorhühnchen
17.07.2015, 13:36
Jetzt würde mich von der Bille nur noch interessieren, ob es ein gut gemeinter Anfängerfehler war oder ob's anderswo gehakt hat?
Ich habe mich neulich post-Dienst auch über meine internistischen Kollegen gewundert, die einer jungen Patientin mit entgleistem DM und thyreotoxischer Krise und Hypokaliämie 40 mval KCl in 1000 ml NaCl über ne rosa Braunüle laufen ließen. Habe nur kurz gefragt, warum sie sich für NaCl anstatt Sterofundin entschieden haben und als Antwort bekommen:
"In der Stero ist doch schon Kalium drin!"
"Äh ja, und?"
"Ja, über einen peripheren Zugang darf man nicht mehr als 40mval KCl pro Stunde laufen lassen..."
Daß man dafür dann bei sowieso schon bestehender Acidose eine hyperchlorämische Acidose in Kauf nimmt...... das müssen die dann mit ihren Oberärzten ausklamüsern. Ich hätte mich wahrscheinlich anders (also pro Stero) entschieden, wenn's meine Patientin gewesen wäre. Oder läge ich damit falsch?
Ich dachte zumindest in der Hinsicht hätte ich beim Intensivrep in Münster was mitgenommen.
WackenDoc
17.07.2015, 14:16
@erdbeertoertchen: In den Glucoselösungen sind nur Zucker und Wasser, aber keine Elektrolyte drin. Wird die Glucose verstoffwechselt, bleibt nur das Wasser über. Deswegen lieber kleinere Mengen hochprozentiger Glucoselösung- G40 z.B. Aber Obacht- gibt man die über periphere Zugänge muss man sicherstellen, dass der Zugang nicht para läuft, sonst kann es zu Nekrosen kommen. Ggf. muss man die Glucose mit Vollelektrolytlösung verdünnen.
Bei Dialysepatienten ist das alles natürlich nochmal friemeliger.
Das mit max. 40mval über periphere Zugänge kenn ich auch- Hintergrund ist aber auch hier Nekrosenbildung falls der Zugang para läuft. Also ist es jetzt nicht das riesige Problem KCL in Sterofundin laufen zu lassen
@ Huhn: Nö, aus pathophysiolog. Sicht liegst du nicht falsch. NaCl 0.9 gehört eh quasi verbannt. Dummerweise steht in der DDG Leitlinie Ketoazidose Managment (bei Kindern) tatsächlich NaCl und Ringer drin.... Formal (leider) sogar "richtig". Hätte ich auch anders gehandhabt. Zumal Kaliumbedarf bei 5mmol/kg/d hier geschätzt wird und das Defizit bei bspw. angenommen 60kg bereits bei ~300mmol kumulativ liegen dürfte... balancierte VEL haben ja auch nur ~5mmol Kalium drin. Mit zwei Zugängen lässt sich das "Problem Venenreizung" (wenn es denn überhaupt eins ist) ja auch gut umgehen. Dann gibt es halt 2x 1000 VEL+40KCL. Monitoring, Infusomat, engmaschige Kontrollen mal vorausgesetzt.
Die beschrieben Pat. hat ja durch die Thyreotoxis schon ein HRST-Risiko, dazu bereits ne manifeste Hypokaliämie und dann fangen die Kollegen vmtl. noch mit Insulinperfusor und konsekutiver Verschäfung der Hypokaliämie an (ich unterstelle jetzt mal das war ne Keto in dem von dir geschildertem Fall). Da möchte ich eigentlich zügig und eher aggressiver substituieren...
Bezugnehmend auf die interessante Diskussion zu Infusionslösungen möchte ich auf die aktuelle Ausgabe von "Der Internist" (7/2015) verweisen, dort ist ein hochinteressanter Artikel über Infusion mit NACL 0,9% drin - Fazit: Infusionen mit NACL 0,9% sollten überhaupt nicht verwendet werden, Mittel der Wahl sind balancierte Infusionslösungen. Bei den eindrucksvollen Studienergebnissen hoffe ich, dass das bald in allen Köpfen ankommt.
Bezugnehmend auf die interessante Diskussion zu Infusionslösungen möchte ich auf die aktuelle Ausgabe von "Der Internist" (7/2015) verweisen, dort ist ein hochinteressanter Artikel über Infusion mit NACL 0,9% drin - Fazit: Infusionen mit NACL 0,9% sollten überhaupt nicht verwendet werden, Mittel der Wahl sind balancierte Infusionslösungen. Bei den eindrucksvollen Studienergebnissen hoffe ich, dass das bald in allen Köpfen ankommt.
Stimmt. Auch das Hyponatriämie-Management ist da sehr alltagsnah drin thematisiert. Dachte ich auch eben dran, wollte ich aber nicht zitieren wegen dem Internisten-Bashing hier ;-) ;-)
Wobei 500ml G20% als Fluid-Challenge schon peinlich ist...
Als kleiner Hobby-Internist muss man sich hier ja auch mal outen ;)
Als kleiner Hobby-Internist muss man sich hier ja auch mal outen ;)
Ja, man soll seinen geheimen Leidenschaften ruhig nachgehen ;-)
Moorhühnchen
17.07.2015, 18:54
Die beschrieben Pat. hat ja durch die Thyreotoxis schon ein HRST-Risiko, dazu bereits ne manifeste Hypokaliämie und dann fangen die Kollegen vmtl. noch mit Insulinperfusor und konsekutiver Verschäfung der Hypokaliämie an (ich unterstelle jetzt mal das war ne Keto in dem von dir geschildertem Fall). Da möchte ich eigentlich zügig und eher aggressiver substituieren...Ja stimmt, das war ein weiteres Problem. Aber das habe ich nur noch am Rande mitbekommen, da bei mir die letzten 15 Minuten meines Dienstes liefen und ich nur noch auf meine Ablöse wartete, aber trotzdem interessiert die Ohren gespitzt und in die Aufnahmebefunde geschielt habe. Die ITS-Schwestern waren natürlich nicht begeistert, daß die Patientin (im agitierten Wachzustand) keinen ZVK bekommen sollte und mopperten dementsprechend im Stützpunkt rum.
Die Patientin an sich war aber auch massiv incompliant, mit ihren paar-und-zwanzig Jahren, Jura-Studentin, spritzte sich nur Insulin bei Werten über 600. Ansonsten 2Pck/d Zigaretten, nur Cola und Fanta und die OP-Indikation ihres M. Basedow hatte sie einfach ignoriert.... da kann man ja schon fast suizidale Absichten unterstellen. :-keks
Bezugnehmend auf die interessante Diskussion zu Infusionslösungen möchte ich auf die aktuelle Ausgabe von "Der Internist" (7/2015) verweisen, dort ist ein hochinteressanter Artikel über Infusion mit NACL 0,9% drin - Fazit: Infusionen mit NACL 0,9% sollten überhaupt nicht verwendet werden, Mittel der Wahl sind balancierte Infusionslösungen. Bei den eindrucksvollen Studienergebnissen hoffe ich, dass das bald in allen Köpfen ankommt.Ich würde das sehr begrüßen. Aber es wird sicher noch ein paar Jahre dauern, bis all die NaCl-Flaschen aus den Regalen verbannt werden. :-?
Danke euch beiden für die Leitlinie.. Ich hoffe, zunehmend mehr Internisten werden sich daran halten..
Also ich bin Anästhesistin, Intensivmedizinisch weitergebildet & hatte den Rea-Funk. (Eigentlich sollte es eine hübsche Bilderbuch-Rea für eine jüngere Kollegin werden, die aufgrund meiner Medikamentenwahl, die ja nun nicht mehr in den allgemeinen Leitlinien stehen, etwas verwässert wurde..)
Der Patient hat schon lange Dialyse. Regelmässig = 3x /Woche. So sah der Pat auch aus. Graufahl, viele Narben und Shuntarm, sowie Shaldon= zeitweiseÜberbückung bis zum nächsten Shunt. Ansonsten ca 5-6 Medikamente (Blutdruck, Zucker, Schilddrüse, Blutdruck, Insulin)
Die (bei uns im Haus ambulant durchgeführte) Dialyse war vorbei gewesen und alles eigentlich okay, nur dass er so somnolent war. Deswegen --> Aufnahme stationär. Im Aufnahmelabor imponierte dann das niedrige Glc im Blut. Daraufhin gab man dem Patienten über den liegenden Shaldon sehr rasch (viel und schnell hilft viel und schnell) 500ml Glc 20% (=direkt in den rechten Vorhof). Da der Pat auf einer kardiologisch geführten Monitorbettstation lag --> Bradykardie, Asystolie beobachtet. (Es gibt schon eine Grund, weswegen der Rd auch die Hypoglykämie bislang zur Notarztindikation zählte..)
Man führte die HDM durch und rief sich einen Internistischen Intensivkollegen zum Intubieren herbei. Gleichzeitig drückte jmd den Rea-Funk (in anästhesiologischer Hand) und alarmierte uns. Man gab über den liegenden Zugang netterweise auch 1mg Supra und beatmete mit einem Ambubeutel.
Wir kamen hinzu & das erste, was ich sah, war ein Megachaos. Da jmd sich zur Intubation rüstete, habe ich mir von der durchaus nicht wie eine Anfängerin aussehenden Kollegin erzählen lassen, was Sache war & habe den Kollegen intubieren lassen.
Nach Blickdiagnose umd kurzem Abriss "Dialyse, somnolent, Bz 20mg/dl, 500ml Glc iv" habe ich als erstes nur 'fuckfuckfuck' gedacht.. Und dann 'all das gute Kalium'.... Und nach einer Natriumbicarbonat 8,4% verlangt, die mir meine Anä-Schwester organisieren ging. Interessanterweise hatte die Kollegin eine (zweite :-(() Glc 20 500ml in der Hand, die ebenfalls rasch rein ging. Ich habe dem Kollegen, der die Intubation nicht hinbekam, zunächst assistiert, dann selbst intubiert, im Rachen stand das Wasser knöcheltief, also erstmal absaugen, dann mit Tricksen (Cricket-Biegen des Tubus und Führungsstab hinter der Epiglottis herausziehen, weiter vorschieben) irgendwie das Ding endotracheal reingeschoben. (Dafür ist man Anästhesist). Nach Nabic 8,4% und 3x Supra, festbinden des Tubus, Beatmungsetablierung konnte ich dann mal die Rhythmuskontrolle (bradykard, schwacher Puls) anstrengen, Gabe von 0,5 Atropin (weiss Gott keine Standard-Rea) und noch 1mg Supra nach weiteren 2 min drücken war der Puls kräftig, die Pupille des vorhandenen Auges eng (das andere Auge war aus Glas, yeehay) und wir haben den Transport auf die medizinisch Intensivstation gestartet, unterwegs bei breiteren Komplexen erneut Supra und eine zweite Nabic angehängt, sowie auf dem 2. Schenkel zur Volumensubstitution 'ein Kristalloid', woraufhin man mir NaCl 0,9% gab.. (Ich wagte nicht mehr zu protestieren, sondern wollte rasch in Intensivmed Gefilde, ROSC (HF65, RR130/70, SpO296%, AZV 500ml, zeitweise Schlucken und Tubusnuckeln) war ja da..). (ROSC = return of spontaneous circulation)
In der BGA war dort das Kalium bei 10, das Herz im Echo etwas adynam und der LUCAS bei erneutem Pumpversagen dann dran, bis man eine Elektrolythkorrektur erziehlt hatte. Dann war die frustrane Rea vorbei.
Was war passiert: in der Dialyse war eine Hypoglykämie zwar klinisch aufgefallen aber laborchemisch nicht gesichert. die Elektrolythe postdialysat(orisch?) seien unauffällig gewesen. Die Kollegen hatten es etwas gut gemeint, ca100mg Glc direkt in den rechten Vorhof rauschen lassen - ad1) "so etwas wie Fruchtwasser"emboliegefahr - ad2) hypoosmolare Elektrolythverschiebung --> alles Glc zieht sich das Kalium direkt aus den Zellen, als erstes den Herzzellen, da man eh grad vor Ort ist, sekundär Wasserausstrom aus den Zellen. D.h. im Blut steigt das Kalium extrem an, in den Zellen ist es kaum mehr vorhanden & das mit glücklichem Ausgang auszugleichen ist extremst schwer.. da es zum Zellzerfall etc kommt (das Bild mit den platzenden Zellen, weil total wasserentzogen..)
Das einzige, was man (vmtl auch nur minutenlang) machen kann, ist die Pufferung. Ich hätte am liebsten eine ganze Kiste Nabic da reingeschüttet, das ist aber auch nicht ganz sicher möglich. Eine Plasmapherese hätte vllt was gebracht..?.
Moorhühnchen
17.07.2015, 19:12
Oh Mann, das hört sich echt böse an und zeigt leider wieder wie schnell man in der Medizin bei nicht-beachten gewisser Grundkenntnisse auch jemanden um die Ecke bringen kann! :-notify
Kommt mir ein bißchen so vor wie der AB-Saft über den peripheren Zugang vom PJ'ler. Ich hätte mir das in der Situation alles nicht so physio-logisch herleiten können wie Du, Bille (RESPEKT!), aber werde es in der "Wieder-was-gelernt-Schublade" speichern. :-top
Meiner Meinung nach übrigens ein toller CIRS-Bericht, auch wenn es keinen glücklichen Ausgang hatte. Aber leider muß man da ja schon wieder juristische Probleme befürchten, im Sinne eines "Schuldeingeständnisses".
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