Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Treffpunkt für gestresste Assistenzärztinnen und -ärzte
Kackbratze
16.10.2016, 10:32
Zumindest nach Berichten werden in der Schweiz die Pausen eingehalten. Also sind die Stunden "besser" verteilt um den Faktor Mensch nicht zu kaputt zu machen. Oder irre ich mich da?
Hier in Deutschland "darf" man ja durchackern + Überstunden.
Japp, genauso ist es.
Am Freitag kam ich mir etwas veräppelt vor. Ich hatte eine Woche zuvor ein junges Mädel (16J) zur Diagnostik und Therapieeinleitung in die Klinik geschickt. Sie stellte sich bei uns mit verschwommenem Sehen links seit einigen Tagen vor. Bester Visus maximal knapp 0,5 (bei zuvor dokumentiertem von 1,0 irgendwann mal). Dezenter Vorderkammerreiz, leichte endotheliale Beschläge. Beim Blick nach hinten einfach nicht so klar, wie man das bei junger Linse erwarten würde, bedingt durch eine feine GK-Infiltration. Alter Toxoherd peripher, etwas hell leuchtend (Einbildung?) übrige NH frei. Normal alles jedenfalls nicht und abklärungswürdig. Freitag kommt sie mit Tränenersatzmitteln und der Ansage, sie solle sich ne Brille besorgen wieder... Äh... Was?
Befund ähnlich, zusätzlich jetzt allerdings Gefäßeinscheidungen. Habe dann mal in der Klinik angerufen. Dabei kam raus, dass eine Assistentin die Patientin alleine ohne OA-Vorstellung gesehen hat. Dass sie etwas nicht erkennt, ist ja völlig ok. Aber wenn ein junges Mädel mit einer Einweisung oder Überweisung mit konkretem Befund und Fragestellung vom Facharzt kommt, dann muss so etwas im Zweifelsfall auch zu Dienstzeiten dem OA vorgestellt werden, zumindest aber Rücksprache gehalten werden. Habe sie jedenfalls postwendend wieder hingeschickt. Ärgerlich so etwas.
Was vermutest du denn da als Ursache?
Feuerblick
16.10.2016, 10:40
Solche Patienten sollte ein Assistent im Zweifelsfall für den nächsten Morgen nochmal einbestellen, um sie dem OA vorzustellen. Ist eigentlich Standard.... Mehr als ärgerlich, sowas!
Gute Frage, kann erst mal alles sein. Uveitiden sind ein sehr weites Feld. Es könnte eine reaktivierte Toxoplasmose sein, bei der man allerdings meist einen deutlich stärkeren Reiz erwarten würde (Scheinwerfer im Nebel wird gerne gesagt, weil der entzündliche Netzhautherd wie ein solcher durch die dichten Glaskörpertrübungen erscheint). Es kann auch (türkisches Mädchen) ein Behcet sein. Diese Erkenntnis ist mir allerdings auch zu spät gekommen, so dass ich nicht nach der Familienanamnese, Aphten etc gefragt habe.
Danke!
Ich lese mal nach :-)
vanilleeis
16.10.2016, 10:47
Ist es nicht Standort, dass alles was vom niedergelassenen mit Überweisung/Einweisung kommt, fachärztlich gesehen wird? So kenne ich es zumindest
Auf jeden Fall finde ich es mutig, wenn eine fachärztliche Einweisung vom Assistenzarzt nach hause geschickt wird
Feuerblick
16.10.2016, 10:49
Wenn man sich als Diensthabender sicher ist, kann man das schon machen. Aber einen Patienten mit Uveitis-Zeichen ohne weitere Diagnostik (das meiste geht im Dienst ja nicht) und offenbar auch ohne jegliche Medikation heimzuschicken zeigt, dass man offenbar nicht genau hingeschaut hat. Und das zeugt nicht gerade von großer Erfahrung und Sicherheit in der Diagnose.
Hoppla-Daisy
16.10.2016, 11:33
Unsere Patientin wurde nachts noch mit wehenden Fahnen bei Sigmaperforation und (erneut) Vier-Quadranten-Peritonitis zum Maximalversorger gekarrt.
Der junge Mann ist soweit stabil, wie ich heute Morgen auf der IPS erfuhr. Schwein gehabt, der Gute. Aber das dürfte für den diensthabenden Chirurgen noch ein Nachspiel haben.... zumal er weder aufs Konsil noch auf meine drei Erinnerungsanrufe reagiert hat, während ich alles in die Wege leitete. Aber wie heißt es ja so schön: Melden macht frei!
Und im KIS ist alles soooo schön lückenlos nachvollziehbar - und auch in den Anruflisten.....
Blöd nur, dass der Kollege in der Notaufnahme nur Pillepalle hatte, die es durchaus erlaubt hätte, dass er mal nach einem vital bedrohten Patienten schaut.
Daisy, das ist ja echt ärgerlich, dass der Kollege da nicht reagiert hat.
Wobei CRP 17 für eine Hohlorganperforation schon wieder fast zu wenig ist.
Was hier mit Einweisung vom Facharzt kommt, wird auch seltenst nach Hause geschickt und wenn dann nur von einem anderen Facharzt (also zumindest in meinen Diensten, ob andere das auch immer machen, weiß ich nicht). Ich hab immer noch relativ viel Respekt vor dem Facharzt-Status, gerade frische FÄ haben meiner Erfahrung nach eine super Kombi aus frischem Wissen, etwas Erfahrung, aber noch nicht so viel, um keine Zweifel mehr zuzulassen oder betriebsblind zu sein.
Hoppla-Daisy
16.10.2016, 12:14
Moment, der CRP Wert war 10 Stunden nach Aufnahme bei gleichzeitigem Spontanabfall des Quick und noch milder Klinik. Drei Stunden später war der schon bei 32, PCT bei 4, Quick 60 etc.... wusste der Kollege alles. Genauso wie ich ihn aufforderte, sich mal die CT-Bilder im System anzuschauen. "Jaja, hab gerade noch zu tun". "Kollege, Schwing deinen Hintern hierher und ruf deinen OA an. Der Patient stirbt dir sonst ratzfatz weg! PERFORATION! Zum Mitschreiben: PER-FO-RA-TION!"
In der Neurologie war "Schlaganfall" immer eine beliebte Diagnose, wenn man nicht mehr weiter wusste oder die Beschwerden nicht zu zu ordnen waren. Das kam zwar primär bei Hausärzten vor, aber auch von einigen niedergelassenen Kollegen aus der Neurologie. In der Regel hat die Patienten erst einmal nur der Assistenzarzt in der Ambulanz gesehen und dann entschieden bzgl. Aufnahme, andere Fachdisziplin oder den Patienten wieder nach Hause geschickt. Die Fälle wurden zwar in der Regel mit dem OA im Hintergrund besprochen, aber gesehen wurden die allerwenigsten. Dennoch wurde eigentlich nie jemand aufgenommen, weil etwas bestimmtes in der Einweisung stand, sondern aufgrund der Anamnese und klinischen Untersuchung vor Ort. Denn sich darauf verlassen, dass die Diagnose bzw. der Befund stimmte (selbst bei einem Facharzt) konnte man sich oft nicht.
Feuerblick
16.10.2016, 12:29
Jepp, Reflex, das stimmt. Bei uns konnte man sich auch in vielen Fällen auch bei Facharztein/überweisung nicht auf das verlassen, was auf der Überweisung stand. Die paar FÄ, bei denen man das Loch in der Netzhaut auch ohne vorherige Untersuchung hätte lasern können oder bei denen man sich auf die Verdachtsdiagnose glatt verlassen konnte, waren uns irgendwann namentlich bekannt und definitiv in der Unterzahl. Dennoch... Sehverschlechterung mit Uveitis-Symptomen hätte bei uns spätestens am nächsten Tag nochmal in die Ambulanz gemusst.
Mensch... Bin ja kurz vorm Facharzt und mich so langsam für meine weitere Schwerpunkt-Weiterbildung am Umgucken. Jetzt hatte ich ein Vorstellungsgespräch und es sähe glaube ich auch so aus als ob sie mich haben wollen - nur ist das ganze ca. 130km weit weg so dass ich auf jeden Fall umziehen und mein Umfeld hinter mir lassen müsste - und auf einmal weiß ich gar nicht was ich machen soll :-? Alles nicht so einfach grade...
Das Gefühl kenne ich sehr sehr gut! War nach dem Facharzt eigentlich noch ratloser als jemals zuvor in meinem Leben. Die Entscheidung für das Studium war klar, die Fachrichtung danach war auch relativ sicher... aber wenn man dann mal Facharzt ist und jede weitere Entscheidung durchaus Auswirkung auf die nächsten JahrZEHNTE haben kann, wird es schwer. Vor allem, wenn einen die Chefs immer fragen, was man denn so vor hat. Ich habe dann immer so herumgeiert, weil ich eigentlich keinen klaren Stufenplan für die nächsten 10 Jahre habe. Ich hatte einen groben Plan, aber ich hab leider nicht die Stelle gefunden, die mir die Umsetzung ermöglich hätte. Also nochmal umdenken... jetzt habe ich (mal wieder) eine Entscheidung getroffen und hoffe mal, dass sie mich in die richtige Richtung führt.
@Daisy: Ich habe mal eine tetraplegische Patientin vom hausärztlichen Notdienst mit der Diagnose "Harnverhalt" eingewiesen bekommen und der Bitte, sie doch möglichst nicht stationär aufzunehmen. Im Schall hab ich dann erstmal gar keine Blase gesehen, also war was faul an der Geschichte. Entpuppte sich auch als 4 Quadrantenperitonitis bei Hohlorganpeforation. Die Patientin hats auch überlebt.
Und sowas passiert mir im Dienst als Unfallchirurg :-oopss
WackenDoc
16.10.2016, 18:24
Perforierte Appendizitis auf der Suche nach der Ursache für die vermeintliche Zystitis/Pyelonephritis.
Und ich glaube, dass meine letzte C2-Intox noch ein anderes Problem hat. Der Zustand war eher dissoziativ. Weiss aber nicht ob die Klinik die Vorstellung in der Psych geregelt bekommt.
Meine letzte C2-Intox war ein ANV. Bekannte Trinkerin, somnolent, diverse Hämatome überall, beginnende Dekubiti vom alkoholisierten irgendwo-Rumliegen. Dann kommen die Laborwerte, Ethanolspiegel 0, Crea 800.
Pampelmuse
17.10.2016, 12:30
Zumindest nach Berichten werden in der Schweiz die Pausen eingehalten. Also sind die Stunden "besser" verteilt um den Faktor Mensch nicht zu kaputt zu machen. Oder irre ich mich da?
Hier in Deutschland "darf" man ja durchackern + Überstunden.
Kann ich bisher nur für's Innere-Tertial bestätigen. Da gab's morgens mit dem kompletten Team nach der Frühbesprechung eine kurze Kaffeepause, und mittags ging man im Rudel Mittag essen.
Das kann ich bisher so nicht bestätigen. :-nix Ich war erst einmal in der Kantine.
Ist es nicht Standort, dass alles was vom niedergelassenen mit Überweisung/Einweisung kommt, fachärztlich gesehen wird? So kenne ich es zumindest
Auf jeden Fall finde ich es mutig, wenn eine fachärztliche Einweisung vom Assistenzarzt nach hause geschickt wird
Ne.bei uns eher nicht.das würde sehr ausufern. Kinder werden gerne mal "zum abklären" geschickt. Meistens sicher eher, um noch Ruhepause des Kindes im Verlauf noch mal zu gucken oder damit jemand Malheur als 15 min zeit hat, eventuell Labor gemacht wird oder so. Da würde ich jetzt sonst ständig den Hintergrund für lappalien reinrufen müssen.
Natürlich sollte man dennoch seine Grenzen kennen. Was wohl in besagtem Fall nicht so war.
Also hier (Schweiz, kann für 2 Spitäler und für Innere, Chirurgie und Anästhesie sprechen) sind die Pausen Usus. Morgens nach dem Rapport Kaffee/Frühstück. Mittags alle zusammen erst essen und danach meist noch ein Kaffee. Und ab und zu nach dem Nachmittagsrapport gegen 4 nochmal ein Kaffee. Mir passt das gut so ;-)
vanilleeis
17.10.2016, 19:17
Ihr trinkt aber viel Kaffee :-)
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