Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Treffpunkt für gestresste Assistenzärztinnen und -ärzte
Pampelmuse
18.03.2017, 17:43
Ich muss auch mal wieder jammern: die gesamte Woche war einfach nur ätzend. :-kotz Wir haben beide Stationen proppenvoll, dass wir zusätzlich noch Außenlieger bei den Orthos haben, die Patienten sind quasi alle schwerkrank, die Stimmung im Team wiedermal extrem gereizt, und die Pflege hat mich teilweise auch den letzten Nerv gekostet. Ich bin jeden Tag erst ewig spät rausgekommen und jetzt völlig am A... :-( Liege den ganzen Tag nur auf der Couch rum. Mir graut schon wieder vor Montag. Ich will gar nicht wissen, was die über's Wochenende alles aufnehmen...
Gestern war mal ein spannender Dienst, da konnten wir gleich zwei Mal wirklich Leben retten. Erst Not-Sectio bei Nabelschnur-Vorfall mit asphyktischem Kind, den wir etwa 10min bebeutelt haben, das aber am Ende knapp die Hypothermie-Kriterien nicht erfüllt hat und über Nacht deutlich besser wurde (und die Mama natürlich Neonatologin war...).
Zur gleichen Zeit(!) emergency bell für ein leblos geborenes Kind, das am Ende wahrscheinlich durch Opiat-Überhang so war und der dann später einen meiner beeindruckendsten Spannungs-Pneumothoraces entwickelt hat...
Uah, THawk - und das auch noch gleichzeitig!
Wodurch kann ein Neugeborenes denn einen Pneu entwickeln?
Ja, das war ein wenig stressig. War glücklicherweise zur Übergabe-Zeit, sodass noch einer meiner senior residents vom Tagdienst auf der Station war.
Meist entsteht ein Pneu durch Maskenbeatmung oder CPAP, sehr sehr selten mal spontan. Ist fast erstaunlich, dass es nicht häufiger ist, Neugeborene entwickeln bei ihren ersten Atemzügen negative Drücke von über -110 cm H2O...
Puh, auch noch ne Neonatologie mit nem asphyktischen Kind!
Aber die parallele Versorgung von so akuten Sachen, wahnsinn! Ich hoffe, es geht für beide gut aus!
welche Hypothermie-Kriterien setzt ihr an??
@pampelmuse: Auch Chirurgin hier. Ich habe so zw. 12 und 17 Patienten alleine (als AÄ) + 1 OA. Meine Kollegen haben je 12-15 jeweils mit einem Oberarzt. Wenn andere im Urlaube, frei nach Dienst oder im OP sind, ist man auch für deren Patienten verantwortlich. Das kann in stressigen Zeiten auch mal dazu führen, dass man alleine für ca. 40 Patienten verantwortlich ist.
][truba][
19.03.2017, 20:43
Ersten Tagdienst überstanden...
Rhiannon
20.03.2017, 08:46
Ich dienste heute auch schon wieder........ Hoffentlich heute mit weniger Adrenalin als am Samstag.
Gestern hatte ich meinen ersten 24h Dienst am Wochenende in meiner neuen Klinik. Und da musste ich zwischendurch an das Ereignis von neulich denken, wo ich nachts so unfreundlich zu einer Patientin und ihrer Mutter war (wofür ich hier im Forum ziemlich angegriffen wurde).
Meinen Dienst gestern hab ich als ziemlich... hm.... zehrend empfunden. Für die Notaufnahme ist Gott sei Dank bis 23 Uhr jemand anders zuständig, so dass ich mich bis dahin ums Haus kümmern kann. Eigentlich lief das auch recht glatt, da zunächst keine OP anstand. Ich hab bei fast allen Patienten Visite gemacht und hatte so um die 8 Entlassungen. Damit war ich bis zum frühen Nachmittag beschäftigt. Dann ging's los. Eine Patientin ist verstorben (durfte sie, war erwartet, kein Drama). Aber gerade als es Zeit für die zweite Leichenschau mit Ausfüllen vom Schein und Info an die Kripo (da Z.n. Sturz) war, musste ich in den OP. Zwischendrin alarmiert mich die Schwester, eine Patientin auf Station würde Blut spucken. Also Kontakt mit dem AvD der Inneren aufgenommen. Der Patient, den mein Kollege in der Notaufnahme aufgenommen und den wir operiert haben, hat ein metastasiertes Adenocarcinom vom Ösophagus mit Palliativsituation- und bereits präop ein höchst pathologisches Labor. Beim Extubieren hat die Anästhesistin da auch blutigen Schleim abgesaugt. Es stellte sich heraus, dass bereits vor OP ein Röntgenbild vom Thorax gemacht worden war, die MTRA aber vergessen hatte, das Bild auch abzuschicken. Naja, es zeigte jedenfalls eine sektorförmige Verschattung mit einer Art zentralen Einschmelzung, die vor einem Monat (!) noch nicht da war. Also wieder Kontakt mit dem AvD Innere aufgenommen, zudem noch ein EK angehängt. Inzwischen kam eine weitere Patientin über die Notaufnahme, mit subakutem Subduralhämatom, die eigentlich sterben darf, da die Angehörigen keinerlei OP oder Intensivmaßnahmen wünschen. Spät abends ruft die Schwester an, diese Patientin hätte jetzt Bauchschmerzen und sei sehr unruhig. Ich also hin, und tatsächlich: deutlicher Druckschmerz, noch keine Abwehrspannung, aber seeeeeehr spärlich bis nicht mehr vorhandene Darmgeräusche. Hab hin und her überlegt, ob ich überhaupt eine Diagnostik einleite, wenn dann doch keine OP gewünscht ist. Um mich rückzuversichern hab ich den Kollegen von der Allgemeinchirurgie noch dazu geholt, der mir aber beigepflichtet hat: keine Diagnostik, symptomatische Therapie und Schmerzmittel.
Um 22.30 Uhr konnte ich meinen Kollegen in der Notaufnahme ablösen, da dort nichts los war. Nachdem ich auf Station alles soweit geregelt hatte, bin ich ins Bett. Natürlich klingelte keine 5 Minuten später das Telefon. Eine ausländische Patientin kam in Begleitung ihres Sohnes, da sie aus Versehen 40° Novalgin statt der verschrieben 20° genommen hatte. Wieso das ein unfallchirurgisches Problem sein sollte, war mir schleierhaft, aber ich hatte auch keine Lust mehr, mich mit den Schwestern anzulegen. Zurück ins Bett. Nächster Telefonanruf eine Stunde später. Ein Mann kommt mit Rettungsdienst, nachdem er vor bereits 4 Tagen auf die Brust gefallen war. Jetzt waren halt die Schmerztabletten alle und die zwei Falschen Schnaps, die er getrunken hatte, haben auch nicht geholfen. Nun ja, ich hab ihn stationär aufgenommen, nach dem er nicht nur eine Rippenserienfraktur mit kleinem Hämatothorax hatte, sondern sogar Stückfrakturen. Wieder zurück ins Bett. 5 Minuten später klingelt das Telefon. Ein junger Mann kommt mit dem Rettungsdienst. Brustschmerzen ohne Trauma. Seit wann, frage ich. Seit einem halben Jahr. Die Schmerzen gab er eher im Bereich des Sternums an. Also kommt nicht mal eine Interkostalneuralgie in Betracht. Wieder so ein Fall, der einfach wirklich nicht unfallchirurgisch ist. Hab ihn mit der Verdachtsdiagnose gastroösophagealer Reflux, ein paar Tabletten Novalgin und Pantozol nachhause geschickt. Mittlerweile waren 20 Stunden vergangen, von denen ich gerade mal eine im Dienstzimmer verbringen durfte. Ich war echt kurz vorm Durchdrehen. Da kann es einem schon schwer fallen, freundlich in allen Situationen zu sein.
"Seit wann, frage ich. Seit einem halben Jahr." Der Klassiker!
Noch besser: "Ich wollte ja gar nicht kommen, aber meine Freundin hat ich dazu gedrängt" :-top
WackenDoc
20.03.2017, 21:23
Ich finde es manchmal schwer herauszufinden, was der Patient JETZT von mir will.
Viele sind auch offenbar nicht mehr in der Lage sich entsprechend zu artikulieren.
Da finde ich die Frage, was denjenigen JETZT dazu bewogen hat, den RD zu rufen oder im Krankenhaus aufzuschlagen durchaus berechtigt. manchmal kommen da erstaunliche Dinge raus.
Ja, das frage ich natürlich immer. In 99,9% der Fälle heißt die Antwort dann "so schlimm wie jetzt war es noch nie", was es ja nachvollziehbar macht, warum jemand nachts ins Krankenhaus geht. Aber nervig ist es trotzdem, wenn jemand diese Probleme schon ein halbes Jahr lang hat und nicht mal beim Hausarzt war. Auch nicht schlecht: ich hab den Patienten dann gefragt, was denn normalerweise gegen die Schmerzen helfe. Antwort: "Dann nehme ich Marcumar". Ich so: "Was nehmen Sie???" (weil ich's nicht glauben konnte) "Marcumar, ein Blutverdünner!" Hab ihm dann erklärt, dass das normalerweise nicht gegen Schmerzen hilft und hab auch versucht, rauszubekommen, woher er das Marcumar hatte bzw. warum es ihm verschrieben wurde. Aber mehr als "mein Blut war zu dick" war da nicht in Erfahrung zu bringen. Ich meine, das ist die Standardantwort der 80-jährigen, aber von jemandem Mitte 20 erwarte ich eigentlich, dass er ein klein wenig besser über sich bescheid weiß. Aber ich hatte die Vermutung, dass der Typ sowieso einfach nur nachhause wollte :-nix
Sebastian1
20.03.2017, 21:37
Das ist auch als NA häufig eine meiner ersten Fragen, wenn da so Sermon von "ichhabda" und "dannwarda" und "schonlange" kommt....die Frage "und was hat sich JETZT verändert, dass sie die 112 angerufen haben?" wird allerdings auch nur in der Minderzahl der Fälle medizinisch weiterführend beantwortet. Das ist ja das große Problem: Die Leute wissen nicht, was ihr Problem ist und sie wissen nicht, wann welcher Arzt oder Notdienst zuständig ist. Scheint also für viele durchweg noch zu kompliziert zu sein, was zusätzliche Arbeit und Kosten bei Ärzten und Kliniken nach sich zieht und Frust bei den Patienten....
Rettungshase
20.03.2017, 22:35
"Der Rettungsdienst ist der Libero des Gesundheitssystems", hat immer ein Kollege gesagt; hat er leider Recht.
Worin besteht denn eigtl. die Schwierigkeit, so etwas wie "Wann rufe ich wen an?" mal in den Schulunterricht zu implementieren?
welche Hypothermie-Kriterien setzt ihr an??
Das ist mit Erwachsenen nicht zu vergleichen. Grob gesagt: 1. Asphyxie-Kriterium, 2. Encephalopathie-Kriterium.
Zu (1) zählt z.B. ein Nabelschnur-pH unter 7.00 (bzw. u.U. < 7.15) oder 10 min-APGAR < 5, anderweitig prolongierte Reanimation. Zu (2) gibt es den Sarnat-Score, das sind 6 klinische Kriterien. Wenn das Kind eine moderate oder schwergradige Enzephalopathie zeigt und (1) erfüllt wird man kühlen (bei ≥ 35 Schwangerschaftswochen). Neben Sarnat-Score nehmen die meisten(?) Neonatologen noch das amplitudenintegrierte EEG (aEEG) als Kriterium hinzu. Wenn du da z.B. burst suppression siehst würdest du schon bei grenzwertigem Sarnat-Score kühlen.
Mein Dienst-Karma ging übrigens weiter. Das Pneumothorax-Kind ist wunderschön ins PPHN-Syndrom gerutscht und hatte morgens als ich kam 100% Sauerstoff, hat sich zum Glück aber berappelt. Dafür hatten wir heute früh als letztes Aufgabe eine erfolglose Erstversorgung bei 23+6 Wochen. Es war fast klar, dass der nicht lebensfähig war, aber die Eltern wollten alles und wir haben dann tatsächlich einen full code abgespielt inkl. Adrenalin, Thoraxkompressionen etc. Traurige Geschichte...
WackenDoc
21.03.2017, 07:58
@Rettungshase- ich glaube, das würde nichts bringen. Die Leute sind weder in der Lage, mit sich und ihrem Körper klar zu kommen, noch sich zu artikulieren.
Viele können noch nicht einmal grob ihre Körperteile benennen. Neulich hab ich 3x die Verdachtsdiagnose geändert, weil der Patient damit überfordert war, die Schmerzen auch nur halbwegs zu lokalisieren.
Oh je Lava, aber zumindest bei den 2 offensichtlich falsch triagierten Patienten hätte ich dann doch mal freundlich gefragt, warum du gerufen wirst. Unsere Notaufnahme-Schwestern sind sehr gut darauf gebrieft zu fragen, ob es ein Trauma gab oder nicht, denn unsere UCHler werden sehr ungehalten, wenn man ihnen was Orthopädisches vorsetzt.
Und bei den 40 statt 20 Tropfen wäre ich vermutlich nicht aufgestanden, sondern hätte die Schwester ausrichten lassen, dass es nicht schlimm ist...
Ich verstehe auch nicht, warum die Leute nicht wissen, wann sie wen rufen. Die älteren Kollegen erzählen immer, dass es früher in den ZNA-Diensten ruhig war und die 2 Leute, die kamen, die hatten wirklich was. Vielleicht hat man das heute verlernt, einzuschätzen oder in den Zeiten des Internets "Im Zweifel fragen Sie einen Arzt" sind alle verunsichert...
Wenn man so objektiv drüber nachdenkt, ist es vermutlich wirklich mehr diese riesige Verunsicherung als die Mitnahmementalität, die den Großteil der Sinnlos-Patienten ausmacht. Bei ner kleinen Schnittwunde heißt es dann "ich wusste ja nicht ob das genäht werden muss" - "früher" hätte man gewusst, dass das meiste tatsächlich auch heilt, wenn es nicht genäht wird, vor allem wenn es <2cm ist und nicht klafft.
Thawk- dein letzter Fall ist echt traurig. :-heul
Das ist mit Erwachsenen nicht zu vergleichen.
Dacht ich mir schon...die ERC-Leitlinien sehen aktuell ja keine richtige Hypothermie mehr vor..
Trotzdem danke für den Einblick...war reine interdisziplinäre Neugier meinerseits. (wo bist du nochmal genau tätig? gern auch als PN)
Mein Dienst-Karma ging übrigens weiter. Das Pneumothorax-Kind ist wunderschön ins PPHN-Syndrom gerutscht und hatte morgens als ich kam 100% Sauerstoff, hat sich zum Glück aber berappelt. Dafür hatten wir heute früh als letztes Aufgabe eine erfolglose Erstversorgung bei 23+6 Wochen. Es war fast klar, dass der nicht lebensfähig war, aber die Eltern wollten alles und wir haben dann tatsächlich einen full code abgespielt inkl. Adrenalin, Thoraxkompressionen etc. Traurige Geschichte...
ach Mist!
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