Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Treffpunkt für gestresste Assistenzärztinnen und -ärzte
Wenn man jetzt GANZ böse wäre könnte man ja mal sagen dass man sich überlegen sollte wieviele der vielen Ambulanzfälle wirklich eine Indikation für eine Krankenhausambulanz haben...
Ist glaube ich jedem klar, der schon einmal 2 Tage in einer Ambulanz war. Aber was machst du mit denen? Du musst sie dir anschauen, dann musst du das dokumentieren und dann kannst du sie erst wieder wegschicken. Und je unerfahrener man ist umso mehr macht man mit denen, weil dich am Ende nämlich niemand schützt. Dann hat man nämlich eine Klage am Hals und evtl. ist man seine Approbation los.
So sieht's aus...
Ankotzen tun diese Leute doch jeden. Aber letztendlich muss man sie abarbeiten.
Ich habe mich diesmal gar nicht auf die "Notfallambulanz" (Notaufnahme) bezogen, sondern auf ganz normale Ambulanzen. Kardio, Gastro, Endo, usw. Dort gibt es viele völlig banale Fälle und das Arbeitstempo ist oft extrem langsam.
Dass sich bei den "Notfällen" der einzelne Arzt keinem Risiko aussetzen will ist klar.
Aber beides ist ganz klares Organisationsversagen. Beides geschieht nur deshalb, weil die Regeln und die Abläufe falsch gestaltet sind. Und da liegt es eben auch an der Ärzteschaft Druck für entsprechende Reformen zu machen, statt nur alle paar Wochen in irgendeinem Zeitungsartikel zu jammern. Davon ändert sich nichts. Man muss konkrete Reformvorschläge ausarbeiten und dann politischen und medialen Druck aufbauen. Das wäre möglich, aber die deutschen Ärzte sind da eher passiv.
Heerestorte
21.06.2018, 10:34
Oder man macht es wie Dr. House und bietet jedem, der einfach wieder aufsteht und geht, 50€ an.
Ich bin mir sicher, da würden so einige aufstehen und das Geld nehmen, weil sie eigentlich wissen,
dass sie nichts fürs Krankenhaus sind.
Mein bester Freund ist auch mal morgens um 6 ins Krankenhaus, weil er nicht wusste, dass es den kassenärztlichen Notdienst gibt und ich bin mir relativ sicher, dass der kassenärztliche Notdienst auch nicht so bekannt ist, wie er es sein sollte.
agouti_lilac
21.06.2018, 10:55
Wir brauchen definitiv mehr KV-Praxen, die in räumlicher Nähe der ZNA angesiedelt sind, die auch die Ressourcen (Labor, Röntgen) nutzen können plus eine Triagierung zu Beginn. Banales rechts zur KV, Ernsteres nach links in die ZNA, vereinfacht gesprochen.
Ich habe mich diesmal gar nicht auf die "Notfallambulanz" (Notaufnahme) bezogen, sondern auf ganz normale Ambulanzen. Kardio, Gastro, Endo, usw. Dort gibt es viele völlig banale Fälle und das Arbeitstempo ist oft extrem langsam.
Dass sich bei den "Notfällen" der einzelne Arzt keinem Risiko aussetzen will ist klar.
Aber beides ist ganz klares Organisationsversagen. Beides geschieht nur deshalb, weil die Regeln und die Abläufe falsch gestaltet sind. Und da liegt es eben auch an der Ärzteschaft Druck für entsprechende Reformen zu machen, statt nur alle paar Wochen in irgendeinem Zeitungsartikel zu jammern. Davon ändert sich nichts. Man muss konkrete Reformvorschläge ausarbeiten und dann politischen und medialen Druck aufbauen. Das wäre möglich, aber die deutschen Ärzte sind da eher passiv.
Und wie kommen die Patienten in solche Ambulanzen? Die habe an meiner Uniklink alle eine Überweisung vom Niedergelassenen. Und dann willst du denen einen Behandlung verweigern? Und wenn sie ohne kommen, was machst du dann? Bei einfachen Fällen schickst du sie zum Niedergelassenen. Aber wie stellst du das so schnell fest? Patienten sind ja auch nicht dumm, falls du sie nicht behandelst, dann warten sie noch ein paar Stunden, dann haben alle Niedergelassenen geschlossen und sie kommen in deine Notaufnahme.
Nicht für jeden ist Berufspolitik etwas, das muss man auch zugestehen. Für mich war es immer ganz klar, niemals in einem Haus zu arbeiten in dem keine Überstunden dokumentiert werden. Und ansonsten gab es auch noch einige Dinge, die ich niemals machen wollte. Wenn du allerdings irgendwann mal an eine Region gebunden bist, dann sieht das vielleicht wieder anders aus. Es lässt sich aus deiner Position so leicht sagen, aber fang mal mit arbeiten an und sei mal nicht flexibel in deiner Ortswahl, dann können wir nochmal weiter reden.
Viele Patienten sind IMHO auch einfach Wiederholungsfälle. Die kommen nur noch deshalb auch weiterhin in die Ambulanz, weil sie irgendwann mal stationär waren und dann halt ambulant gelieben sind, oder weil der niedergelassene FA irgendwann mal nicht mehr weiterwusste, und dann kommen sie völlig ohne Grund auch weiterhin in die Ambulanz. Da muss man halt auch mal bereit sein zu sagen, eine Betreuung in einer Krankenhausambulanz ist nicht mehr notwendig, bitte von nun an (wieder) zum niedergelassenen FA gehen. (Rheumaambulanz war da auch so ein ganz tolles Beispiel :-))) Wenn man das nicht macht ist das wieder einmal ein Beispiel für organisatorisches Versagen.
Mit Notaufnahme haben diese Patienten in den regulären Ambulanzen ja eben nichts zu tun, die würden dann als Alternative auch nicht am Abend in die Notaufnahme kommen, sondern (wieder) zum niedergelassenen FA gehen.
Das was agouti_lilac schreibt wäre sehr sinnvoll, gibts ja in vielen anderen Ländern. Es wäre auch kein Problem wenn Krankenhaus-Fachärzte, die auch stationär und/oder in der Ambulanz tätig sind auch in der im Haus befindlichen Praxis tätig wären. Auch das gibt es in vielen anderen Ländern. Man muss einfach nur funktionierende Modelle kopieren ;-)
Und sich nicht alles gefallen lassen äußert sich nicht nur darin, dass die, die geographisch flexibel sind, mit ihren Füßen abstimmen. Obwohl das sicher die wirksamste Variante ist. Sondern auch darin dass man sich innerhalb des Krankenhauses und in der Berufsvertretung für konkrete Veränderungsideen stark macht und dann Druck auf die Entscheidungsträger ausübt. Als so große Berufsgruppe hätte man da enormes Potenzial etwas zu bewirken.
Tut mir Leid, aber bei dir lese ich auch nur ganz viel “man müsste“.
Bei keinem deiner Beispiel kann ich als Assistenzarzt etwas konkret machen/ändern.
Du kannst also nicht konkret mit deinen Kollegen sprechen? Du kannst also nicht konkret mit deinem Oberarzt sprechen? Du kannst dich also nicht konkret im Marburger Bund engagieren?
Aha.
Man kann sich als Assistenzarzt beim Oberarzt und Chef über die Zustände beschweren. Wenn man der einzige ist, bringt das leider nichts und man ist der Dumme. Als Anfänger müsste man das akzeptieren etc. Sich nur unter den Assistenten zu beschweren hat halt keine folgen und wenn selbst der Assistentensprecher kuscht, was willst du machen? Da bleibt nur kündigen. Habe ich getan. Ich verstehe nicht, warum das die anderen nicht auch machen. Wir sind in einer Großstadt mit genügend besseren Alternativen. Naja selber schuld denke ich da nur. Da habe ich dann auch kein Mitleid. Ein paar Kollegen haben ebenfalls gekündigt und sind viel zufriedener jetzt.
Ich will mich jetzt auch wieder mehr engagieren beim MB und so, war vorher aufgrund der vielen Arbeit nicht so einfach.
Und was soll ich mit denen besprechen? Natürlich kann ich mich aktiv im MB beteiligen, aber wie ich vorher schon schrieb, ist das nicht jedermanns Ding.
Besprechen kannst du mit deinen OA und Chef sehr viel. Zu viele Überstunden, zu wenig Leute, zu viel Arbeit, zu wenig Einarbeitung, zu wenig Betreuung.
Und auch nie vergessen alles was mit organisatorischen / Prozessveränderungen zu tun hat. Alles was die Arbeitsabläufe effizienter macht - egal ob bei der Aufnahme, bei der Visite, bei der Entlassung, in den Ambulanzen, auf den Stationen. Egal ob es Arbeitsteilung, Dokumentation, Tagesablauf oder sonstwas betrifft. Denn sowas sorgt dann längerfristig auch für zufriedenere Mitarbeiter, zufriedenere Patienten, höhere Produktivität - sobald man so etwas wittert fängt jeder Chef an zuzuhören, da die Umsetzung solcher Veränderungen dann auch seine eigene Karriere fördern wird.
Ich hab in meinem vorigen Job oft solche Dinge eingebracht - das führt dann relativ schnell dazu dass man auch Entscheidungsträger kennenlernt, zu Meetings eingeladen wird, um Ideen gefragt wird. Das fördert natürlich auch die eigene Karriere, was ein angenehmer Nebeneffekt ist. Aber vor allem führt es dazu, dass sich im Kleinen die Dinge verbessern. Ganz ohne starre bürokratische Apparate bemühen zu müssen.
Das ist natürlich nicht überall möglich, das ist klar. Es gibt Abteilungen/Stationen die hoffnungslose Fälle sind, es gibt Chefs die ein Problem mit Leuten die mitdenken haben. Und selbst wenn man sich einbringen kann heißt das natürlich noch lange nicht dass sich was ändert, oder gar dass sich was verbessert. Aber wenn man es gar nicht mal versucht wird es nie besser werden. Diese Einstellung ist mir deshalb viel zu fatalistisch.
Fang an zu arbeiten, davo, und dann erzähl uns was du alles umsetzen konntest. Eine Klinik ist ganz was anderes als die freie Wirtschaft. Ja, es kamen bei uns Kollegen mit vielen tollen Ideen. Würden umgesetzt. Jetzt braucht man noch mehr Zeit, weil es noch umständlicher ist. Oberflächlich effizienter, in Wahrheit wird jetzt noch mehr und umständlicher dokumentiert.
Eine Klinik ist ganz was anderes als die freie Wirtschaft.
Da hast du Recht. Dafür ist ja auch diese Diskussion ein gutes Beispiel :-))
Ich habe ja früher auch immer gedacht, dass ich mir das ja nie bieten lassen würde und ich würde dann sofort kündigen, und das Arbeitszeitschutzgesetz etc.. Seit Ich arbeite, backe ich da doch schon deutlich kleinere Brötchen.
Ich würde sagen, ich bin da schon recht aktiv was Verbesserungen angeht, spreche da auch mit Chef und den Oberen. Wir setzen schon kleine Änderungen um, aber es ist schon manchmal schwierig, weil die Pflege das gar nicht so witzig findet, Sachen zu ändern, "die schon immer so gemacht wurden" und potenziell mehr Arbeit für sie sind. Einen zweiten Arzt für unsere Notfaufnahme haben wir mittlerweile durchgesetzt zB. Also es geht, aber man muss sehr zäh sein, forsch, bereit auch auch mal Konflikten zu stellen und ggf. Anzuecken. Nicht jedermanns Sache und auch sicher nicht überall möglich, mich kann zB keiner zur Strafe vom OP- Plan streichen...
Aber andererseits toleriere ich auch echt viel Schei* manchmal, Arbeitszeiten und -belastung, Unfreundlichkeiten von OAs etc. Man kann halt nicht so einfach kündigen und will man vielleicht auch nicht, wenn man Kollegen und Pflege total gern mag - da sitze ich zur Not auch mal Überstunden oder kurze Spät-früh Wechsel ab...
WackenDoc
21.06.2018, 15:12
Der Mitveranstalter meines Arbeitsmedizinkurses war ja die BGW.
War dann immer lustig, wenn die DOzenten uns wunder was über Arbeitsschutz, Workshops, systemische Betriebsberatung erzählt haben und wie toll das alles funktioniert. Bis ich dann immer wieder ketzersich gefragt habe, wie es dann sein kann, dass genau das Gesundheitswesen DIE Branche ist, in der es ziemlich desolat aussieht und in der sich in den letzten Jahren nicht soo viel geändert hat.
Da fehlts komplett am Problembewusstsein.
Gerade die handwerklichen Branchen konnten z.B. die Unfallzahlen massiv senken- im Gesundheitswesen sind sie gestiegen.
Ich glaube, das hängt auf allen Ebenen am Problembewusstsein. Als Studenten werden wir schon in eine völlig falsche RIchtung gepolt.
Ich hab auf der anderen Seite jetzt ein paar mittelgroße Unternehmen kennengelernt, die den Arbeitsschutz und Mitarbeiterschutz sehr ernst nehmen- teils weil sie es einfach leben, teils weil ihnen die Gewerbeaufsicht im Nacken sitzt.
chipirón
21.06.2018, 16:07
[QUOTE]Ich hab in meinem vorigen Job oft solche Dinge eingebracht - das führt dann relativ schnell dazu dass man auch Entscheidungsträger kennenlernt, zu Meetings eingeladen wird, um Ideen gefragt wird. Das fördert natürlich auch die eigene Karriere, was ein angenehmer Nebeneffekt ist. Aber vor allem führt es dazu, dass sich im Kleinen die Dinge verbessern. Ganz ohne starre bürokratische Apparate bemühen zu müssen./QUOTE]
Das kann wirklich nur jemand sagen, der nicht im Krankenhaus arbeitet :-) Die Gründe dafür, dass man offensichtliche Misstände nicht ändern (kann) sind vielschichtig (die Diskussion hier lässt mich auch mal wieder drüber nachdenken, WARUM sind manche Umsände auf der Arbeit eigentlich so besch***en wie sie sind!).
Eine Rolle spielen bestimmt die Interessenskonflikte zwischen Mitarbeitergruppen. Wenn man mal erlebt, wie der eigene Chef mal wieder ausrastet, weil sein Patient mit 40min Verspätung in den OP kommt (die Tagesplanung des Chefs inklusive Treffen mit dem Geschäftsführer oder der Prüfungssitzung mit dem Medizinischen Dienst der KK oder ähnlichem wird über den Haufen geworfen) und dann als Grund die mangelnde Kapazität des Krankentransportes ausgemacht wird, der merkt, wie schnell man da an Grenzen stößt.
Ja, es werden immer mal wieder Neuerungen eingeführt, die eine Klinik macht es so, die andere so. Aber Durchschlagendes sieht man fast nie!
Nehmen wir als Beispiel etwas, was viele aktuell betrifft: Ausstellen eines Bundesmedikationsplanes. Eine prinzipiell gute Sache, wenn man sich das vorstellt. Aber wie konfus wird diese aufgezogen?? Manche behaupten, seit >3 Monaten sei es die gesetzliche Pflicht jeder Abteilung, bei Entlassung diesen Plan mitzugeben. In unserer Abteilung macht es jeder Arzt wie er will. In anderen wurde das vom Chef konsequent durchgesetzt, wobei alle Assistenten abkotzen, weil das eine riesige Zusatzarbeit bedeutet. Denn die Hausärzte geben nur in den seltensten Fällen einen solchen Plan it (obwohl sie müssten?) und zu Guter Letzt hat natürlich auch die Klinikleitung nur ganz vereinzelt Scanner für die Pläne bereitgestellt, und abgesehen dafür funktioniert die Software auch noch nicht (!).
Nur ein Beispiel für die absolut konfuse Politik, die in Krankenhäusern selbst, aber auch von Krankenkassen und auf politischer Entscheidungsebene betrieben wird. Das sind Strukturen, gegen die ist man als Assistenzarzt machtlos. Punkt. Ärzten dann vorzuwerfen, sie sollten sich halt mal SELBER um die Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen kümmern, ist weltfremd und frech.
Besonders Assistenzärzte haben genug mit sich selbst und den hohen Anforderungen durch die komplexe Arbeit (i.S. von fachlich anspruchsvoll, wie es nun in der Medizin ist) zu tun, und so sollte es auch sein.
Btw ich hab schon zweimal gekündigt und sehe die ineffizienten Strukturen kritischer, je länger ich dabei bin. Aber ich bin ein junger Arzt, und kein Krankenhausdirektor oder Gesundheitsminister.
Abgesehen davon gibt es auch Dinge, die sich gar nicht mehr von uns kontrollieren lassen: Die "Verdummung" der Gesellschaft was lappalienmäßige körperliche Beschwerden angeht und die extrem hohe Anspruchshaltung--> extrem großes Patientenaufkommen.
Bei SPON steht zur Zeit auch ein Artikel über den hohen Andrang in Kinderarztpraxen ("Mein Kind hat Husten"). Es geht also nicht nur um den stationären Sektor (über den die meisten von uns sich ja beschweren).
Feuerblick
21.06.2018, 16:32
Und dennoch hat davo völlig recht. Davon, dass jeder sagt „man kann doch nix ändern, weil“ wird sich nichts ändern! Sorgt dafür, dass die Assistenten sich einig sind, schmeisst den kuschenden Assistentenvertreter raus (den wählt IHR, sonst niemand!), nervt die Chefs... Und wenn sich keiner bewegen will, dann geht. Es gibt genug Jobs!
Jedes „Ach, ich lass mir das jetzt mal bieten, weil.. es besser wird...der Chef doch gesagt hat... es grade nicht anders geht“ ist eine simple Ausrede für Bequemlichkeit.
Sorry, aber wenn ich mir manche Assistenzärzte anhöre, dann frage ich mich, für was in 2006 eigentlich gestreikt wurde. Denn viele Neu-Assis benehmen sich in ihrer Obrigkeitshörigkeit wie Assistenten zu Zeiten, als es das AiP noch gab. :-nix
Ich finde es aus nicht-betroffenen Zustand wie dem von Davo sehr leicht zu kritisieren.
Im Alltag rennst du gegen Mauern, wenn du Missstände kritisierst. Klar, dann geht man halt - was genau gar nichts bringt, weil sich so auch nichts ändert.
Leider wird von oben viel verschlimmbessert, teilweise auch von selber Ebene, was zwar nett klingt, aber für jeden Zusatzarbeit bedeutet.
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