Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Treffpunkt für gestresste Assistenzärztinnen und -ärzte
Feuerblick
23.06.2018, 16:11
Man müsste erstmal sicherstellen, dass die Leute solche Briefe überhaupt LESEN. Arztbriefe dienen eigentlich primär der Kommunikation zwischen Medizinern - sonst nix.
Man müsste erstmal sicherstellen, dass die Leute solche Briefe überhaupt LESEN. Arztbriefe dienen eigentlich primär der Kommunikation zwischen Medizinern - sonst nix.
Das Arztbriefe der Kommunikation zwischen Medizinern dienen ist mir klar. Aber der Patient hat ja ein gesetzliches und moralisches Recht zu erfahren was er hat, was das bedeutet, usw. Und das kann mündlich eben problematisch sein. Wegen Stress, wegen Vergesslichkeit, etc. Genau deshalb ist diese Idee ja entstanden, dass man eben Laienarztbriefe schafft, die dieselbe Information für Nichtmediziner verständlich macht.
Solche Briefe wären auch dann sinnvoll, wenn sie nicht jeder Patient liest. Zumindest einem Teil der Patienten würden sie helfen.
Arztbriefe werden von Ärzten ja auch nicht immer gelesen, aber dann sagt man auch nicht, dass die Verantwortlichkeit dafür beim System Arztbrief liegt, sondern beim Empfänger.
WackenDoc
23.06.2018, 16:46
Wenn ich mich z.B. an meine Innerezeit zurückerinnere, haben wir tatsächlich Patienten wenig über ihre Kranheit und auch MEdikation etc. aufgeklärt. Oft lief das während der Visite- aber das war oft eher das Gespräch unter uns Ärzten bzw. mit dem Oberarzt.
Einmal konnten wir es gerade so umschiffen, dass bei der Chefvisite die Verdachtsdiagnose "MS" ausgesprochen wurde. Das war nur eine Überlegung und der Patient wusste noch von nichts.
Auf der anderen Seite fragen Patienten oft nicht nach/trauen sich nicht/verstehen es nicht. (Ich seh´s oft an meiner eigenen Familie und meine Eltern haben beide studiert, sind also nicht gerade intellektuell einfach gestrickte Menschen.)
Und da sind sie wieder unsere drei Probleme: Die Zeit fehlt und letztendlich müssen wir 2 Sprachen lernen- die Fachspache und dann auch noch die Sprache mit der wir es unseren Patienten verklickern.
Aktuell hab ich ein die Luxussituation meinen Probanden alles Mögliche zu medizinischen Fragen verklickern zu können. Adressat der Briefe sind die Probanden selber (auch das ist ein Luxus- die meisten Betriebsmediziner erstellen keine Briefe). Das was ich ausdrücekn will, ist meist einfacher Sprache zugänglich. ABER: Ich überleg immer wieder wie man es einfach und verständlihc ausdrücken kann ohne dass zu viel Information verloren geht.
Auf der anderen Seite hab ich öfter mal den Eindruck das manche Sachen auch einfach nicht vermittelt werden (wollen). Klassisches Beispiel, TAVI-Kandidaten mit (sehr) schlechter GFR (<30ml/min, teilw. <20ml/min) die bei uns das Planungs-CT bekommen sollen. Dann kläre ich die Patienten bis vorrübergehende oder auch dauerhafte Dialysepflichtigkeit auf und ihr glaubt gar nicht wie oft ich schon gehört habe "Wie Dialyse? Davon hat mir niemand was gesagt, dass das meine Nieren so sehr schädigen kann??".
Da wird (mutmaßlich) lang und breit über die Vorzüge der TAVI aufgeklärt, aber vergessen dem Patienten deutlich zu machen, dass das KM beim CT und später bei der TAVI selbst ihn vielleicht lebenslang an die Dialyse bringen könnte...
Bei mir in der Praxis habe ich auch oft den Eindruck, dass der Patient nach den ersten 3 Sätzen von mir innerlich abschaltet nichts mehr aufnehmen kann :-keks
Oft schon die Erfahrung gemacht, dass Dinge, die ich definitiv erzählt habe, nicht angekommen sind. Bei normal bis überdurchschnittlich intelligenten Menschen. Und ich rede im Patientengespräch immer in Laiensprache.
Auch bei Begleitung meiner Eltern (definitiv sind beide geistig fit und entsprechend gebildet) haben die Ärzte verständlich und ausführlich erzählt. Nachher sagten sie, das haben sie noch nie gehört, das hätten die Ärzte nie erwähnt.
@Salzi: Das finde ich auch gar nicht verwunderlich. Eine Zahnarztbehandlung ist ja durchaus stressig, psychologisch und physiologisch, da ist klar, dass die Aufnahmefähigkeit währenddessen oder direkt danach reduziert ist.
@Solara: Gerade das spricht ja meiner Ansicht nach stark für das schriftliche Festhalten (in Laiensprache eben). Wir alle wissen ja selbst wie oft man etwas, was man eigentlich in der Vorlesung gehört hat, dann doch nochmal in einem Skript nachlesen muss ;-) Es ist natürlich eine zwingende Bedingung, dass dies zu keiner weiteren Verschärfung der bereits heute oft viel zu hohen Arbeitsbelastung führt. Aber wenn, und nur wenn man das sicherstellt, (und das geschieht umso eher, je früher sich die Ärzteschaft über diesen Vorschlag, mögliche Implementationen, mögliche Probleme, Verhandlungsbedingungen usw. austauscht, Positionen und konkrete Vorschläge entwickelt, mit diesen dann politische Entscheidungsträger kontaktiert, usw.) dann ist es grundsätzlich zumindest mal eine potenziell sinnvolle Idee über man diskutieren sollte, sich nach best practice Modellen erkundigen sollte, sich über mögliche Alternativen erkundigen sollte, usw. Was natürlich auch beinhaltet zunächst einmal seriös das Ausmaß der Problematik zu evaluieren.
WackenDoc
23.06.2018, 19:39
Das ist der Grund, warum wir Briefe schreiben (und um uns abzusichern).
Ich hab aber auch schon Helden gehabt, die auf den 10m von meinem Arztzimmer bis zur Anmeldung vergessen haben, dass sie dort einen Termin beim Dermatologen vereinbaren und einen Platz in unserem Shuttle buchen sollen. Wohlgemerkt ein Patient, der wegen einem dermatologischen Problem bei mir war und eine Überweisung in die Hand gedrückt bekommen hatte.
Mir ist irgendwann in der Ersthelferausbildung aufgefallen, dass die meisten Menschen ja keinerlei Lateinkenntnisse haben und lateinische WÖrter nicht verstehen. Das bleibt dann auch nicht im Gehirn hängen.
Uns allen ist klar, was Dialyse ist. Aber auch in dem Moment dem Patienten? VERSTEHT er, was das bedeutet? Wenn er nicht versteht, was das rein praktisch bedeutet, wird er es nur als "weiteres Fachwort" verbuchen
@Salzi: Das finde ich auch gar nicht verwunderlich. Eine Zahnarztbehandlung ist ja durchaus stressig, psychologisch und physiologisch, da ist klar, dass die Aufnahmefähigkeit währenddessen oder direkt danach reduziert ist.
@Solara: Gerade das spricht ja meiner Ansicht nach stark für das schriftliche Festhalten (in Laiensprache eben). Wir alle wissen ja selbst wie oft man etwas, was man eigentlich in der Vorlesung gehört hat, dann doch nochmal in einem Skript nachlesen muss ;-) Es ist natürlich eine zwingende Bedingung, dass dies zu keiner weiteren Verschärfung der bereits heute oft viel zu hohen Arbeitsbelastung führt. Aber wenn, und nur wenn man das sicherstellt, (und das geschieht umso eher, je früher sich die Ärzteschaft über diesen Vorschlag, mögliche Implementationen, mögliche Probleme, Verhandlungsbedingungen usw. austauscht, Positionen und konkrete Vorschläge entwickelt, mit diesen dann politische Entscheidungsträger kontaktiert, usw.) dann ist es grundsätzlich zumindest mal eine potenziell sinnvolle Idee über man diskutieren sollte, sich nach best practice Modellen erkundigen sollte, sich über mögliche Alternativen erkundigen sollte, usw. Was natürlich auch beinhaltet zunächst einmal seriös das Ausmaß der Problematik zu evaluieren.
Es hilft auch nichts das bei einer Aufklärung in Laiensprache hinzuschreiben, ab wann man nichts mehr essen darf vor ner OP und eine Kopie dem Patienten auszuhändigen. Es wird trotzdem gesagt, man hätte das nie gesagt bekommen.
Eine Laien-Arztbrief heftet der Patient dann hoffentlich ab, lesen wird er es auch nicht. Oder wieder vergessen. Und wer schreibt den Brief dann einmal für den niedergelassenen Arzt (der ihn meist nur überfliegt) und einmal für den Patienten? Nur die Schreibkraft schreiben lassen geht auch nicht, da musst du zweimal diktieren. Zeit, die dir dann fehlt für deinen eigentlichen Job, die Anamnese und Untersuchung sowie Weiterbetreuung des Patienten.
@ Wacken
Dialyse versteht kein Mensch, Nierenwäsche schon eher. Und ich rede wirklich schon sehr einfach.
WackenDoc
23.06.2018, 20:10
Mein Lieblingstext ist zur Zeit "warum Bluthochdruck nicht gut ist" und "warum es so wichtig ist, Handschuhe zu tragen und sich die Flossen einzucremen"
Da mache ich mal ein bisschen Werbung in eigener Sache,
https://washabich.de/
Das bedietn genau diese Lücke. Trotzdem haben wir natürlich nicht die Kapazität ALLE Befunde zu erklären.
Aber für den Patienten, den es wirklich interessiert, ist es eine tolle Möglichkeit.
Ich kenne diese Initiative, und finde sie grundsätzlich gut, aber rechtlich, fachlich und haftungsmäßig stellen sich da schon gewisse Fragen, oder?
Z.B. dass Studenten eben keine Ärzte sind? Wie sieht es mit einer Haftpflichtversicherung aus? Etc. pp.
Feuerblick
23.06.2018, 21:05
Wieso? Die übersetzen doch nur Arztbriefe, oder?
Ja, sicher. Aber was ist z.B. wenn ein Patient durch eine falsche "Übersetzung" einen Schaden erleidet? Z.B. weil er irgendetwas nicht macht, was er machen hätte sollen, oder umgekehrt, weil es im ursprünglichen Arztbrief erwähnt wurde, aber vielleicht falsch "übersetzt" oder vergessen wurde? (Ich denke da spontan z.B. an Verhaltensregeln nach orthopädischen und unfallchirurgischen Operationen oder an Tertiärprävention in der Inneren Medizin.) Dann hat neben dem Patienten auch der Student ein großes Problem, und der Betreiber vielleicht auch.
Deshalb habe ich mich schon vor einiger Zeit, als ich zum ersten Mal von dieser Initiative gehört habe, gefragt, wie das wohl geregelt ist, ob das rechtlich geprüft wurde, usw. (Aber es dann nicht weiter verfolgt.)
Wieso? Die übersetzen doch nur Arztbriefe, oder?
Eben. Und es wird strikt darauf geachtet, dass man keinerlei Interpretation oder Empfehlung gibt.
Es gibt auch immer die Möglichkeit, das von approbierten Ärzten supervidieren zu lassen und Fachfragen an Fachärzte zu stellen.
konstantin
24.06.2018, 08:23
Ich weiß ja nicht... Ich hab bei fachfremden Briefen durchaus auch mal Probleme, nachzuvollziehen, was da eigentlich mit meinem Patienten genau gemacht wurde und was er da eigentlich hat.
Es kommt auch durchaus mal vor, dass mir Patienten solche älteren Briefe zeigen und explizit fragen, ob ich ihnen erklären könnte, was dort steht. Klar, einen Versuch ist es wert, aber wenn ich schon sehe, dass der Brief aus einer mir völlig fachfremden Klinik kommt, mit irgendeiner Diagnose, mit der ich dann ja naturgemäß nicht allzu firm bin, und dann soll ich zum Beispiel noch die Prognose des Stadiums abschätzen oder Äußerungen zur empfohlenen Therapie machen...?
Ein paar Fachtermini ins Patientendeutsch übersetzen ist ja nicht das Problem, aber letztlich würde ich mich als fachfremder Kollege tunlichst davor hüten, zu viel zu einem Thema zu sagen, von dem man offiziell keine Ahnung hat. Und genau darum geht's ja dem Patienten. Der will eben nicht die TNM-Klassifikation von Dir übersetzt und erklärt bekommen, sondern im Zweifel 'ne klare Aussage zu seiner Prognose...
Feuerblick
24.06.2018, 08:56
Wie gesagt: Meines Wissens wird NUR übersetzt und nicht interpretiert. Und Verhaltensanweisungen werden im Brief ja in der Regel in normalem Deutsch formuliert.
Vermutlich wird den Fragenden zudem empfohlen, sich mit Fragen an ihren Arzt zu wenden...
WackenDoc
24.06.2018, 09:02
So aus Notarztsicht, wäre es für mich hilfreich, wenn die Patienten 1. ihre Briefe zu Hause hätten und 2. klar drin stehen würde, was sache ist.
Lieber eine stichpunktartige Aufzählung (z.B. über das weitere Procedere) als eine wohlformulierte Textwand mit irgendwelchen Schachtelsätzen.
Von der Prognose habe ich nämlich nicht unbedingt DIE Ahnung und ich wüsste auch gerne, was mit dem Patienten besprochen wurde (gerade wenn es Wahlmöglichkeiten gibt).
Wenn mir in meinen eigenen Briefen ein Fachausdruck wichtig ist (z.B. wenn ich dem Patienten geraten habe, damit zum Haus- oder Facharzt zu gehen), schreib ich wichtige Fachwörter nochmal in Klammern mit der deutschen Übersetzung.
Das ist übrigens auch bei Briefen sinnvoll, die mal bei der Polizei, Staatsanwaltschaft oder vor Gericht landen. Da brauchts den Fachterminus aber auch die Übersetzung, weil den Text halt med. Laien lesen.
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