Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Treffpunkt für gestresste Assistenzärztinnen und -ärzte
Heerestorte
24.06.2018, 17:22
Mag sein, ich arbeite seit meinem 18. Lebensjahr und bin finanziell unabhängig... Nach dem Studium ist man aber im besten Falle "bereits" eher 25-26, oder? Wie dem auch sei. Dass die im o.g. Posting geschilderten Umstände unmöglich sind, steht zumindest für mich außer Frage. Das scheinen ebenso einige andere Benutze hier im Thread ähnlich zu sehen. Hat für mich mit Lebenserfahrung etc. nichts zu tun. Aber jeder wie er mag. Nur: Wenn man zu feige ist, um seinen Mund aufzumachen (oder eine anonyme Beschwerde zu schreiben), zu kündigen etc., darf man sich meiner Meinung nach nicht wundern, dass sich nichts ändert.
Früher war das so,ja, aber ich habe einige Kommilitoninnen und Kommilitonen,
die mit 17 angefangen haben und mit 23 fertig sind.
Ich finde solche Arbeitsbedingungen auch unmöglich und wollte mit meinem Posting nicht sagen,
dass ich sie nicht unmöglich finde. Versteh mich da nicht falsch.
Ich bin auch dafür, solche Missstände zu äußern, ganz klar. Und halt die Stelle wechseln, wenn es sich nicht bessert.
fallenangel30487
24.06.2018, 18:13
Hallo liebe Leute,
ich war lange nicht mehr hier, habe aber die letzten Wochen viel mitgelesen und möchte jetzt einfach nur einmal meine Gefühle loswerden. Ich bin seit 3 Monaten Assi in einer relativ kleinen Klinik in der Inneren und ich hab die letzten Tage nur noch den Gedanken, dass ich nicht weiß, was ich tun soll.
Ich weine jeden Tag, ich kann mich kaum aufraffen zur Arbeit zu gehen, weil es so furchtbar ist. Ich wurde am Anfang direkt auf Station geworfen und sollte selber rausfinden wie ich zurechtkomme. Nach 3 Wochen hatte ich meinen ersten Tagdienst am Wochenende und mittlerweile arbeite ich jeden Samstag. Ich habe in 6 Wochen kein freies Wochenende. Ich fühle mich maximal überfordert und allein gelassen und wir haben extremen Personalmangel, sodass unter den Assis auch eine gespannte Stimmung herrscht. Ich bin jeden Tag 10-12h da und danach kann ich nur noch ins Bett fallen. Ich hab 5 Kilo abgenommen und habe nur noch Albträume von der Arbeit. Mein großes Ziel ist es irgendwann eine Hausarztpraxis zu haben und ich dachte, dass ich die 3 Jahre Innere im Krankenhaus schaffen werde, aber momentan zweifel ich echt daran. Ich bin wirklich motiviert und fleißig, aber es ist mir einfach zu viel. Hab über ne Kündigung nachgedacht, aber ich glaube nicht, dass es in anderen Kliniken besser ist. Einmal habe ich auf der Arbeit angefangen zu weinen, da hieß es, dass wir Anfänger es doch noch gut haben und viel zu behütet sind. Ich habe auch mittlerweile angefangen an meinen eigenen Fähigkeiten zu zweifeln und ob ich doch "zu schwach" bin für diesen Beruf, aber 6 Jahre Studium und eigentlich auch Spaß an dem Fach möchte ich nicht hinwerfen.
Das ist echt schon krass. Ich fange im Juli auch in einem kleineren Haus in der Inneren an, aber dort ist das nicht so schlimm. Ich habe während dem Studium dort schon gearbeitet und fast alle Famulaturen gemacht, deshalb weiß ich halt auch auf was ich mich da von den Arbeitsbedingungen her einlasse. Ich habe mind. 3-6 Monate Schonfrist bis ich die ersten Dienste machen muss. Und auch dann sind ca. "nur" 4 Dienste im Monat und davon max. 2 x 12 Stunden am Wochenende d.h ich hab mind. 2 Wochenenden komplett frei. Mit den Überstunden ist das dort aber auch so eine Sache. Aufschreiben darf man nur im Ausnahmefall, mit Genehmigung vom Chef. Ansonsten ist man dort auch bis 18/19 Uhr beschäftigit...so lange man eben braucht um die Arbeit zu erledigen. Wobei ich auch viele kenne die jeden Tag pünktlich raus gehen weil sie halt auch schon weiter in der Weiterbildung sind und einfach schneller arbeiten. Ich bin mal gespannt wie lange ich am Anfang brauchen werde.
Rettungshase
24.06.2018, 18:41
(...)Mit den Überstunden ist das dort aber auch so eine Sache. Aufschreiben darf man nur im Ausnahmefall, mit Genehmigung vom Chef. Ansonsten ist man dort auch bis 18/19 Uhr beschäftigit...so lange man eben braucht um die Arbeit zu erledigen. Wobei ich auch viele kenne die jeden Tag pünktlich raus gehen weil sie halt auch schon weiter in der Weiterbildung sind und einfach schneller arbeiten. Ich bin mal gespannt wie lange ich am Anfang brauchen werde.
Exakt diese Argumentation habe ich schon oft gehört.
Wann fängst du morgens an?
Angenommen, deine Regelarbeitszeit geht bis 17 Uhr und du bleibst im Schnitt bis 18:30 Uhr. Dann bist du pro Monat 30 Stunden (!) kostenlos für deinen Arbeitgeber in der Klinik. Im Jahr sind das 15 Tage am Stück.
Du bist nicht einfach langsam. Du bist Anfänger. Natürlich braucht man da länger.
Der nächste Anfänger nach dir wird auch wieder länger bleiben.
Du bist nicht einfach langsam. Du bist Anfänger. Natürlich braucht man da länger.
... und bekommt auch nicht unerheblich weniger Geld als der erfahrene Altassistent...
fallenangel30487
24.06.2018, 18:57
Exakt diese Argumentation habe ich schon oft gehört.
Wann fängst du morgens an?
Angenommen, deine Regelarbeitszeit geht bis 17 Uhr und bleibt im Schnitt bis 18:30 Uhr. Dann bist du pro Monat 30 Stunden (!) kostenlos für deinen Arbeitgeber in der Klinik. Im Jahr sind das 15 Tage am Stück.
Du bist nicht einfach langsam. Du bist Anfänger. Natürlich braucht man da länger.
Der nächste Anfänger nach dir wird auch wieder länger bleiben.
8-16:30 Uhr
Die Assistenten hatten deswegen jetzt auch ein Gespräch mit den Chefs und da hieß es sie sollen wenn absehbar ist, dass sie länger brauchen um 16 Uhr den Chef anrufen und der sagt dann ob sie länger bleiben sollen (mit Aufschreiben) oder nach Hause gehen und was dann eben an Arbeit bis zum nächsten Tag warten muss. Ich bin mal gespannt ob das dann wirklich so funktioniert.
Feuerblick
24.06.2018, 19:03
Wenn das so funktionieren würde, wäre es okay - wobei ich mich frage, warum bei gescheiter Organisation regelhaft für alle Assistenten Überstunden anfallen können.
Wenn nicht, dann ist klar: Ohne Aufschreiben keine Überstunden. Punkt. Wenn ihr euch da einig seid, dann klappt das auch.
escitalopram
24.06.2018, 19:16
Ich frage ganz dumm, aber gab es nicht irgendwelche Probleme, dass man lediglich 2 h nach (offiziellem) Arbeitsende versichert ist? Finde ich reichlich dumm, wenn man sich darauf einlässt, die Überstunden nicht aufzuschreiben. Das bedeutet im Prinzip, dass man 1) nicht versichert ist und 2) während der Überstunden praktisch "kostenlos" arbeitet, oder?
mathematicus
24.06.2018, 19:20
Tarwah, bist du ortsgebunden oder einigermaßen flexibel? In meinem PJ-Haus (Berlin) waren die Arbeitsbedingungen in der Inneren ziemlich gut und wir hatten auch viele Assistenten da, die dort ihren Innere-Teil für Allgemeinmedizin gemacht haben. Wenn Berlin für dich in Frage kommt, melde dich gerne per PN.
Ich frage ganz dumm, aber gab es nicht irgendwelche Probleme, dass man lediglich 2 h nach (offiziellem) Arbeitsende versichert ist? Finde ich reichlich dumm, wenn man sich darauf einlässt, die Überstunden nicht aufzuschreiben. Das bedeutet im Prinzip, dass man 1) nicht versichert ist und 2) während der Überstunden praktisch "kostenlos" arbeitet, oder?
Versichert schon (der Chef würde im Ernstfall halt die Überstunden nachher angeordnet haben), aber das mit der kostenlosen Arbeit stimmt. Ich habe das erst so richtig eingesehen, seit ich Kinder habe: Die Klinik schreibt schwarze Zahlen AUF KOSTEN meiner Freizeit. Und mein Alltag ist ihre Kindheit. Also klaue ich ihnen Zeit mit ihrer Mutter zugunsten noch besserer Zahlen für eine anonyme Geschäftsleitung? Nein danke.
Kritische Patienten werden an den Dienst übergeben und dann geht man.
Dann ist die Aufklärung nicht gemacht und die Untersuchung kann am nächsten Tag nicht stattfinden? Dann ist es halt so. Natürlich muss man sich bemühen, im Rahmen der Möglichkeiten die eigenen Arbeitsabläufe immer wieder zu verbessern. Manchmal sind das nur Kleinigkeiten. (Ich hab zb letztens 10min mit der richtigen MID-Mitarbeiterin telefoniert, die es dann endlich geschafft hat, dass man in arztbriefen, die man schreibt, die vormedikation reinkopieren kann). Das bedeutet weniger Diktieren/abtippen für mich).
WackenDoc
24.06.2018, 20:24
Die Sozialversicherungsträger sind da manchmal hinterher- kein Gehalt=keine Sozialbeiträge trotz Arbeit.
fallenangel30487
24.06.2018, 20:45
Ich frage ganz dumm, aber gab es nicht irgendwelche Probleme, dass man lediglich 2 h nach (offiziellem) Arbeitsende versichert ist? Finde ich reichlich dumm, wenn man sich darauf einlässt, die Überstunden nicht aufzuschreiben. Das bedeutet im Prinzip, dass man 1) nicht versichert ist und 2) während der Überstunden praktisch "kostenlos" arbeitet, oder?
Ah ok. Das mit der Versicherung war mir so gar nicht bewusst. Ich werde auch, wenn ich merke, dass ich es bis 16:30 nicht schaffe, den Chef anrufen. Aber erst mal sehen wie es läuft. Ich hab jetzt noch 3 Wochen frei bis es wirklich los geht. Ich bin nur froh, dass ich einen super Chef hat mit dem man wirklich über alles reden kann und der auch hinter seinen Assitenten steht. Nur die Verwaltung ist wohl manchmal das Problem.
Man muß unterscheiden - Haftpflichtversicherung oder berufsgenossenschaftliche Versicherung?
Die genannte 2-Stunden-Regel entstammt vermutlich der üblichen Rechtssprechung beim Wegeunfall / Berufsgenossenschaft. Sobald der Heimweg für mehr als 2 h unterbrochen wird, ist es keine Unterbrechung des Berufswegs mehr, sondern dann ist man privat unterwegs. Wenn man angeblich seit mehr als 2h bei der Arbeit weg ist (Arbeitszeitende, darf nicht mehr arbeiten etc.), dann ist man auf dem Heimweg somit nicht mehr über die BG unfallversichert.
Bezüglich der Haftpflichtversicherung würde ich eher keine Probleme wegen unbezahlten Überstunden erwarten, auch wenn ich es nicht komplett ausschliessen würde, dass bei Überschreitung der zulässigen Höchstarbeitszeit was passiert (z.B. Regress durch den Arbeitgeber oder dessen Haftpflichtversicherung?).
Sind aber alles nur meine Meinungen und Erfahrungen. Rechtlich verbindliche Einschätzung bekommt man nur vom Rechtsanwalt.
Rettungshase
24.06.2018, 22:16
Was hat es denn mit dem Arbeitszeitverstoß auf sich?
Davon ist bei uns immer die Rede, sobald man 10h reine Arbeitszeit da ist.
Mehr als 10 Stunden Vollarbeit pro Tag darf man eben nicht arbeiten. Nur bei Bereitschaftsdienst kann durch Tarifvertrag die (Bereitschafts-)Arbeitszeit auf mehr als 10 Stunden ausgedehnt werden.
§3 ArbZG (https://www.gesetze-im-internet.de/arbzg/__3.html).
In praktisch jedem Arbeits- und Tarifvertrag steht ausdrücklich drin, dass man verpflichtet ist, sich an geltende Gesetze und Bestimmungen zu halten. Wobei das (sozusagen als vertragliche Nebenpflicht) eigentlich eh selbstverständlich ist. Wenn man Sachen macht, die nicht legal sind, und dadurch einen Schaden verursacht, macht man sich schadensersatzpflichtig.
§823 BGB (https://dejure.org/gesetze/BGB/823.html)
Ob das sich dann im Einzelfall wirklich in der Haftung des Arbeitnehmers widerspiegelt, da bin ich mir nicht ganz sicher. Grundsätzlich vorstellbar finde ich es. Im Einzelfall müßte wohl ein Richter entscheiden, ob der Schaden durch Übermüdung durch Überschreitung der Höchstarbeitszeit entstanden ist. Die Überschreitung der Höchstarbeitszeit allein reicht vermutlich nicht aus, um eine Haftung des Arbeitnehmers für Schäden zu begründen, für die er sonst nicht selbst haften würde.
Grundsätzlich ist auch denkbar, dass man für nicht behandlungsfehlerbedingte, sondern durch andere Fehler bedingte Schäden haftet, die man nach Überschreitung der Höchstarbeitszeit beim Arbeitgeber anrichtet. Denkbar wäre zum Beispiel, dass man einen Kollegen durch Unachtsamkeit nach Überschreitung der Höchstarbeitszeit verletzt. Hier wäre dann ein Regress durch die BG beim verletzenden Arbeitnehmer denkbar, sofern ein Richter die Verletzung auf Übermüdung durch Überschreitung der Höchstarbeitszeit zurückführt. Also gleiches Thema wie oben.
Aber ich bin kein Rechtsanwalt.
fallenangel30487
25.06.2018, 12:11
Ich kenne Assistenten aus meinem Freundes - und Bekanntenkreis, die an einer Uniklinik regelhaft von 7-21 Uhr arbeiten und das auch nicht aufschreiben (dürfen). So ganz verstehe ich nicht warum man das mit macht?! Und das liegt meistens daran, dass die Chefs um 17/18 Uhr noch Visiste machen wollen und danach spontan meinen sie müssten noch Patienten entlassen.
Wie ist das denn mit Opt out? Ich habe das nicht unterschrieben, also dürft ich eigentlich max. 4 Dienste machen und dann aber keine Überstunden? Aber ich glaube die Chefs bei uns wissen gar nicht wer opt out unterschrieben hat und wer nicht. Gut mehr als 4 Dienste macht bei uns eigentlich kaum jemand und wenn dann nur freiwillig. Wir sind aber aktuell auch ziemlich gut besetzt.
Feuerblick
25.06.2018, 12:29
Wer vom 7 bis 21 Uhr arbeitet, ist komplett bescheuert. Und wer Überstunden nicht mal aufschreibt, ist noch bescheuerter. Und dann verstößt das Ganze noch gegen das Arbeitszeitgesetz. Wie kann man eigentlich nur so wenig A**** in der Hose haben und sich das gefallen lassen???
fallenangel30487
25.06.2018, 12:43
Wer vom 7 bis 21 Uhr arbeitet, ist komplett bescheuert. Und wer Überstunden nicht mal aufschreibt, ist noch bescheuerter. Und dann verstößt das Ganze noch gegen das Arbeitszeitgesetz. Wie kann man eigentlich nur so wenig A**** in der Hose haben und sich das gefallen lassen???
Das frag ich mich auch immer wieder. Aber vieleicht ist es auch anders wenn man in dieser Situtation steckt. Viele haben halt auch keine Approbation und nur eine vorläufige Berufserlaubnis und dann auch nur 6 Monats Verträge. Kann mir schon vorstellen, dass man das dann alles mit macht. Was jetzt nicht heißt, dass ich das gut finde.
ehemaliger User_14082018.1
25.06.2018, 13:02
Hallo :-)
kann mir einer von euch Profis sagen, was ich auf diesen Bildern außer Arthrose noch sehe?
31356
31357
Vielen lieben Dank :)
Heerestorte
25.06.2018, 13:31
Das frag ich mich auch immer wieder. Aber vieleicht ist es auch anders wenn man in dieser Situtation steckt. Viele haben halt auch keine Approbation und nur eine vorläufige Berufserlaubnis und dann auch nur 6 Monats Verträge. Kann mir schon vorstellen, dass man das dann alles mit macht. Was jetzt nicht heißt, dass ich das gut finde.
Doofe Frage, aber wie kann man denn ohne Approbation ärztlich tätig sein?
Doofe Frage, aber wie kann man denn ohne Approbation ärztlich tätig sein?
Naja, so wie es oben schon steht: mit Berufserlaubnis. Nichts Ungewöhnliches bei Bewerbern aus dem Nicht-EU-Ausland.
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