Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Treffpunkt für gestresste Assistenzärztinnen und -ärzte
WackenDoc
16.07.2018, 15:26
Als Notarzt frage ich meist mein Team, ob für sie was dagegen spricht, die Rea einzustellen. Die Entscheidung liegt bei mir, ich will aber, dass Sie Ihre Meinung äußern. Kann ja immer mal sein, dass ich was übersehen habe.
Rettungshase
16.07.2018, 16:13
@ Wacken: Ich finde deine Haltung dazu gut.
Rettungsassistenten und die Pflege sind IMHO bestenfalls mehr als thoraxkomprimierende, hirnlose Zombies.
Ich finde Wackens Haltung auch selbstverständlich, schon deshalb, weil man sich bei so einer Entscheidung (sozusagen jemanden alleine für tot erklären) zwar vielleicht nicht unbedingt strafbar macht, aber unnötigen Angriffen aussetzt, wenn nur einer der Beteiligten hinterher kundtut, dass man vielleicht zu früh aufgehört hat. Ich weiß, dass ich einzelne Male, in denen ich die Situation absolut klar fand, vergessen habe, ausdrücklich mein Team nach Meinungen zu fragen. Im allgemeinen gehört das aber in einem professionellen Team dazu. Ich finde es für die emotionale Gesundheit aller nötig, dass man da einer gemeinsamen Meinung ist oder zumindest darüber redet, auch wenn dabei klar ist, dass am Ende der Verantwortliche (Arzt) zuständig ist. Ich habe diesbezüglich noch nie einen ernsthaften Konflikt, sondern nur konstruktive Vorschläge erlebt.
Gerade bei der Reanimation bei Lungenarterienembolie gibt es gelegentlich Diskussionen, weil man da einfach mindestens eine halbe Stunde (manche sagen eine Dreiviertelstunde) nach der Lyse weiterdrücken muß, manche das aber nicht tun. Da wird die Lyse reingeschüttet und 10 Minuten später gesagt "wir hören auf". Ich bin einer von denen, die das inkonsequent finden. Und ich finde es völlig okay, wenn ein Pfleger oder Rettungsassistent auf diese Inkonsequenz hinweist, wenn er sie beobachtet. Und ggf. nicht damit einverstanden ist, aufzuhören. Heißt jetzt nicht, dass das in dem beschriebenen Fall mit dem "überengagierten Pfleger" so war, den Fall kenne ich ja nicht. Ist aber eine mögliche Erklärung dafür.
Pampelmuse
16.07.2018, 19:21
https://deutsch.medscape.com/artikelansicht/4906962
Diesen (und die verlinkten Artikel) fand ich dazu letztens ganz interessant (und auch ein bisschen gruselig.)
Hinter mir liegt wieder ein 24h-Dienst quasi ohne Schlaf (bin einmal für 30 und einmal für 10min eingenickt). Das zehrt echt. Und dann wieder ganz schön abgefahrene Fälle in der Notaufnahme. Inkl Gewalt an Kindern, Suizidalität, Entscheidungen am Lebensende und der ganz normale Wahnsinn zwischendurch.
Aber ich glaube, ich habe einen neuen Lieblings-OA. Der macht solche Dienste nämlich auch noch, konnte mich gut verstehen und hat mich auf seine sehr eigene Art getröstet. :-)
Ich kann den Artikel nicht öffnen. :(
Ich glaube, man muss einen Account bei Medscape haben, der ist aber kostenlos und schnell installiert.
Gerade bei der Reanimation bei Lungenarterienembolie gibt es gelegentlich Diskussionen, weil man da einfach mindestens eine halbe Stunde (manche sagen eine Dreiviertelstunde) nach der Lyse weiterdrücken muß, manche das aber nicht tun. Da wird die Lyse reingeschüttet und 10 Minuten später gesagt "wir hören auf". Ich bin einer von denen, die das inkonsequent finden. Und ich finde es völlig okay, wenn ein Pfleger oder Rettungsassistent auf diese Inkonsequenz hinweist, wenn er sie beobachtet. Und ggf. nicht damit einverstanden ist, aufzuhören.
Genau! Mir dann entgegnet worden: "schau mal, der ist so alt. Prognose ist eh für die Katz'!"
So macht das Arbeiten keinen Spaß!
Coxy-Baby
16.07.2018, 21:07
Na bei sicheren Todeszeichen wird man schon aufhören dürfen oder?
Total. Aber zu sagen "lass Lyse machen" und dann nach 10 min aufzuhören wegen "der ist so alt und seine Prognose schlecht", das hätte man vor 10 min und 800€ früher auch schon wissen können.
Ich kenn es so wenn man lysiert muss man auch 45min weiter drücken...
Gerade bei der Reanimation bei Lungenarterienembolie gibt es gelegentlich Diskussionen, weil man da einfach mindestens eine halbe Stunde (manche sagen eine Dreiviertelstunde) nach der Lyse weiterdrücken muß, manche das aber nicht tun.
Dazu mal ein Zitat aus den ERC-Leitlinien:
Fibrinolytische Therapie soll nicht als Routine während des Kreislaufstillstands
eingesetzt werden. Erwägen Sie sie, wenn bewiesen
ist oder vermutet wird, dass der Kreislaufstillstand durch Lungenembolie
bedingt ist. Es wurde von Fällen berichtet, in denen der
Patient nach Fibrinolyse während der Wiederbelebung bei Lungenembolie
mit gutem neurologischem Ergebnis überlebte. Die
Wiederbelebung musste jedoch über mehr als 60 Minuten fort-
geführt werden. Darum denken Sie daran, die Wiederbelebung
über mindestens 60–90 Minuten fortzuführen, bevor Sie abbrechen,
sofern Sie ein Fibrinolytikum unter diesen Umständen 258-260 einsetzen. Die laufende Wiederbelebung stellt keine Kontraindikation
für die Fibrinolyse dar.
In meinem alten Haus war es so, dass die Internisten grundsätzlich nach Lysetherapie 2 (!) Stunden weiterreanimiert haben.
Krass. Mit dem automatischen Reanimationsboard oder per Hand?
Hoppla-Daisy
17.07.2018, 20:31
Meine Kollegen und OÄ waren sehr süß heute.... haben mich weitestgehend in Ruhe gelassen, mir Tee angeboten, nur ne kleine Einheit zugeteilt, mir Schoki angeboten etc.
Pampelmuse
17.07.2018, 20:40
Sehr nett! Hattest Du denn jetzt trotzdem mal ein paar Tage frei?
Heute war ein Horrortag in der ZNA... Irgendwann bin ich einfach nur noch geflüchtet (weit nach Dienstschluss), auch wenn mir die übrig gebliebenen Kollegen schon etwas leid taten.
Hoppla-Daisy
17.07.2018, 20:45
Hab morgen Dienst. Ich hatte dann ab Donnerstag vor, ein paar Tage in Holland an der See zu verbringen bis Montag. Irgendwie ist mir die Lust vergangen .... er wollte mich eigentlich dort besuchen und für zwei Tage bleiben...
Krass. Mit dem automatischen Reanimationsboard oder per Hand?
Bei uns auf der ITS wurde auch >60 Minuten teilweise von Hand reanimiert. Haben wir davon abhängig gemacht, was die arterielle Blutdruckmessung und die CO2-Messung angezeigt haben. Meistens waren wir händisch ganz gut.
Ich habe in meiner Intensivzeit 3 junge Patienten (unter 35 Jahre) mit Lungenembolie bei beobachtetem intrahospitalem Kreislaufstillstand lysiert und zwischen 25 und über 60 Minuten bis zum ROSC reanimiert. Alle 3 sind ohne erhebliche neurologische Defizite rausgekommen, obwohl die Patientin mit der Rea von über 60 Minuten anfangs (echokardiografisch) Thromben bis zurück in den rechten Vorhof hatte, nach erfolgreicher Rea noch allerlei Komplikationen mitgenommen hat und über 3 Monate auf Intensiv war. Ich weiß nicht, ob Dinge wie stärkere Vergesslichkeit, Denkstörungen oder gewisse Koordinationsprobleme zurückgeblieben sind, die ich intrahospital bis zur Entlassung nicht sicher erkennen konnte. Aber aus dem, wie sie sich nach Extubation und Aufwachen gegeben haben, war bei keinem von den dreien ein wesentliches Defizit erkennbar, und das ist dafür, dass sie klinisch tot waren, auf jeden Fall ja schon mal super.
Wow, das ist ja wirklich ne Hausnummer. Es ist schon toll, was mittlerweile in manchen Bereichen geht.
Ich fühl mich so deprimiert und kaputt. Ich bin jetzt dabei das Fach zu wechseln und hab ein paar Bewerbungen rausgeschickt. Ich weiß nicht, ob ich zu schwach für Innere war und "nicht belastbar" oder ob meine Arbeitsbedigungen wirklich so schlimm waren. Denn andere Kollegen haben es dort auch >1 Jahr ausgehalten. Aber ich fühle mich richtig so, als hätte ich versagt. Ich weiß auch nicht, ob dieser Wechsel auf meinem Lebenslauf gut aussieht und wie ich ihn in neuen Bewerbungsgesprächen erklären soll.
Innere hat mir echt Spaß gemacht und ich denke, dass ich es nochmal in nem anderen Haus probieren werde, aber ich hab Angst, dass sich aus o.g. Gründen nichts ändert.
Ich hätte nicht gedacht, dass es so schwer ist für mich nen Job zu kündigen!
Welches Fach hast du jetzt gewählt?
Ein Fachwechsel nach relativ kurzer Zeit lässt sich doch gut erklären, du hast dir das bisherige Fach angeschaut, aber es hat dir aus den und den Gründen nicht zugesagt und daher wechselst du jetzt zu XY, weil ...
Oder du wolltest dir die Grundlagen der Inneren zu Berufsbeginn aneignen, hast aber als Berufsziel ...
Also hast du gekündigt, statt das halbe Jahr vollzumachen? Gute Entscheidung!
@ Solara: Ich weiß noch nicht welches Fach ich machen möchte, aber ich werde dieses Mal auch hospitieren und mich nicht (noch einmal) blind hineinstürzen.
@Trianna: Ja, ich hab's geschafft! Ein bisschen tut es mir weh, um 3 verlorene Monate, aber ich hab ja an Erfahrung und Geld gewonnen. Aber ich fühle mich soooo gut mit meiner Entscheidung!
Ich hab nur jetzt Angst, dass mir der Chef ein schlechtes Zeugnis ausstellt und mir das für die Zukunft im Weg steht.
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