Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Treffpunkt für gestresste Assistenzärztinnen und -ärzte
aschenputtel1977
14.09.2018, 15:39
Wir haben ein Buch, in das alle Patienten im Bereitschaftsdienst eingetragen werden. Ist noch aus der Zeit da, als die Kollegen beweisen mussten, dass ein B-Klasse-Dienst und kein C-Dienst (schlechtere Bezahlung) ist.... Wenn das heute das Gewerbeaufsichtsamt reinschauen würde, könnte ich mir vorstellen, dass Schichtdienst angeordnet wird. Die Kollegen arbeiten sehr viel mehr als früher in den Diensten und kommen gefühlt selten früher als 4 Uhr zur Ruhe. Ich bin aber ja in einer anderen Riege und hab das nicht mehr so direkt mitbekommen.
Nessiemoo
14.09.2018, 16:40
Bei uns wurde ja auch BD ins Schichtdienst umgewandelt (kurz vor ich angefangen habe). Klar, die Dienste sind anstrengend und machen einen ziemlich fertig. Es kriegt hier von paar Usern sehr viel Hass ab, aber wenn ich meine Freizeit mit meinen Freunden vergleiche, die in so Standardmodellen aus normalen 7:30-16:00 Tagen, Spätdiensten, Wochenenddiensten und Bereitschaftdiensten arbeiten habe ich in der Tat mehr frei bei fast gleicher Bezahlung. Klar, für immer würde ich es wahrscheinlich eher ungern machen, aber man macht es ja auch nicht für immer als Assistenzart.
Wie läuft denn euer System genau ab? Wir hatten Frühdienst von 8h-16:45h, Spätdiebst von 14h-23:15h und Nachtdienst von 22:45h-8:30h, an den Wochenenden je 12h. In den Nachtdiensten müssten Briefe geschrieben und die ganze Codierung gemacht werden. Wenn man samstags aus der siebten Nacht kam und Montags direkt weitermachen durfte, war das einfach nur maximal anstrengend und es gab eben auch nix an Dienstgeld, Nachtzuschlag gab es nicht oder kam später, was für ne ganze nacht irgendwie keine 30€ brutto oder so ausmachte. Absolut kein erstrebenswertes Modell. Lieber 24h,selbst wenn die kacke sind, habe ich definitiv frei danach und schlafe in der folgenden Nacht zu Hause.
Lizard King
14.09.2018, 20:35
Ich misch mich hier mal ein, lese sonst eher nur, aber da muss ich mal "meinen" Schichtdienst verteidigen. ;)
Wir (Kardiologie, 118 Betten, Spitzenversorger) haben regulär 0800 bis 1630. Einer pro Wochentag bleibt von 8 bis 20 Uhr, also 12 Stunden. Um 20 Uhr kommt der Nachtdienst, der bleibt bis 0630. Dann kommt einer zum Frühdienst, der dann aber schon um 1500 Uhr an dem Tag gehen darf (das klappt mal besser mal schlechter)
Nächte sind unter der Woche 5 im Block, Sonntag Abend bis Freitag morgen, danach ist die Woche frei; damit werden die Überstunden abgebaut, die unter der Woche anfallen, weil man länger bleibt.
Am Wochenende gibt es 12 Stunden Schichten, fr Nacht, sa Tag, sa Nacht, so tag. Teilweise noch davon losgelöste Schichten in der Notaufnahme, zu ähnlichen Zeiten.
In den Diensten macht man das, was anfällt, nix Briefe oder Codieren (letzteres machen wir gar nicht), aber man hat in der Regel durchgehend irgendwas zu tun, zumindest tagsüber.
Dienste werden bis auf die Nächte unter der Woche komplett ausgezahlt, bei im Schnitt 2-3 12h Schichten am Wochenende und ebenso viel unter der Woche bekommt man meist um die 500 netto raus.
Bereitschaftsdienst wäre hier gar nicht möglich, da zu viel zu tun. Und alleine die Vorstellung, 24 Stunden am Stück in der Klink zu bleiben, löst bei mir Depressionen aus. ;)
Auch ja, und wir bleiben langfristig unter 48 Stunden pro Woche.
Hm ich überlege gerade unter welchen Bedingungen man die Arbeitszeit auf über 10h (Einer pro Wochentag bleibt von 8 bis 20 Uhr) verlängern darf, wenn in die Arbeitszeit kein Bereitschaftsdienst fällt. Ich dachte, dass das so nicht möglich ist. Eine Ausnahme ist, wenn ich mich recht erinnere, das Wochenende, wenn durch so ein Modell für den Einzelnen mehr Wochenenden frei sind.
Ich „arbeite“ (ok, PJ...) aktuell zum ersten Mal tagsüber mit festen Arbeitszeiten (7.30 h bis 16 Uhr) nachdem ich jahrelang in 3-Schicht-System* gearbeitet habe. Ich muss sagen, ich hatte definitiv mehr Freizeit in Schichtdienst. Und mehr Sozialleben.
Mag sein, dass das mal anders wird wenn ich kein kinderloser Single mehr bin aber aktuell würde ich sofort den Schichtdienst nehmen, wenn mich jemand vor der Wahl stellen würde.
*aktuell: Früh- (6.30 h bis 12.20 h), Spät- (12 h bis 19.50 h) und Nachtdienst (19.30 h bis 6.50 h) sowie 12 h im Tagdienst am Wochenende in einem System, das auf den Monat gesehen auf 38,5 h/Woche hinausläuft. In der Regel arbeitet man dabei 2 Wochenenden im Monat. Für Außenstehende ist das System schwer nachzuvollziehen aber allein durch die kurzen Frühdienste hat man einen enormen Freizeitgewinn. Und man hat jede Monat eine Woche mit 4 freien Tagen (Do-So) und maximal 4 Nächte am Stück.
Haben auch noch ein Modell mit 7 Nächsten am Stück (und Tagdiensten mit 12 Stunden) aber anders als bei Muris Modell hat man bei uns danach 5 Tage frei.
Wir hatten halt nie frei sozusagen. Und das mit diesen Wechseln Schlauch extrem. Hätte ich im Anschluss eine Freiwoche hätte ichiebend gerne diese ätzende Nachtdienst Wochen gemacht. Aber Komplett im Nachtrhythmus mit nur einem in den Seilen hängenden Tag dazwischen direkt weiter... Nee, ging gar nicht.
Autolyse
15.09.2018, 08:11
Hm ich überlege gerade unter welchen Bedingungen man die Arbeitszeit auf über 10h (Einer pro Wochentag bleibt von 8 bis 20 Uhr) verlängern darf, wenn in die Arbeitszeit kein Bereitschaftsdienst fällt. Ich dachte, dass das so nicht möglich ist. Eine Ausnahme ist, wenn ich mich recht erinnere, das Wochenende, wenn durch so ein Modell für den Einzelnen mehr Wochenenden frei sind.
Zum Beispiel § 7 Absatz 5 Satz 1 TV-Ärzte/VKA.
Mir geht es auch so, dass ich im Rettungsdienst mit Schichtdienst viel mehr Freizeit hatte als jetzt mit Normalarbeitszeit. Vielleicht bin ich auch einfach nur gnadenlos ineffizient, aber ich würde mein Leben nicht mehr auf die Kette bringen, wenn ich mir die Dienste auszahlen ließe...
Wir hatten halt nie frei sozusagen.
Eben. Das dürfte in den meisten ärztlichen Schichtdienst-Modellen so sein. Geht natürlich auch anders. Die ärztlichen Schichtdienst-Modelle, die ich gesehen habe, waren alle mit ca. 5 Ärzten (VK) geplant. Das sind schon mal 6 Nächte pro Nase, wenn keiner Urlaub hat, keiner krank ist etc. Im Schnitt also mehr. Und natürlich auch viel mehr als 40h pro Woche.
Ich bin ja eindeutiger BD- Verfechter und arbeiten zum Glück auch so. Im Notaufnahmehalbjahr gab's jedoch zweischichtigen Schichtdienst ohne Nächte und ich fand es besch... Gefühlt hatte ich fast nur Wochenende und spät. Die Ausgleichsfreitage wurden ziemlich sinnlos dazwischen gesplittet. Habe da komplett an Leuten mit "normalen" Arbeitszeiten vorbei gelebt. Und finanziell war es bei mir netto fast ein Tausender weniger. BD arbeite ich deutlich länger und habe auch ziemlich arbeitsintensive Dienste, aber irgendwie liegen die Freizeiten da günstiger für mich. Hinzu kommt dass man als Chirurg mit Schichten noch öfter aus dem Tagesprogramm raus ist und dadurch optechnisch schlechter fährt.
Nessiemoo
15.09.2018, 10:03
Ich glaube das ist insgesamt der Vorteil an 12h Schichten, die natürlich extrem anstrengend sind aber man stellt sein Rhythmus nur zwei mal um und man hat dadurch auch frei. Wir haben Blöcke aus Tag- und dann Nachtdiensten (4-7 Tage insgesamt), danach...je nach dem wie lange man gearbeitet hat 3-7 Tage frei.
Gut, wenn man natürlich ein Schichtsystem mit 5 Leuten plant oder nach 7 Nächten nur den "Post-Nachtdiensttag" frei hat, dann ist natürlich der soziale Tod. Wenn man es vernüftigt plant und umsetzt, hat man allerdings im Schichtsystem definitiv mehr Freizeit und auch deutlich mehr freie Tage.
Ich hab zum Beispiel immer mal wieder Früh- auf Nachtwechsel, was bedeutet, dass ich am einen Tag um spätestens 12.30h Uhr Feierabend habe und am nächsten Tag erst um 19.30 h wieder zur Arbeit muss. Obwohl man an beiden Tagen zu Arbeit muss, hat man zweimal tagsüber frei ohne dafür Stunden zu opfern.
Gut, wenn man natürlich ein Schichtsystem mit 5 Leuten plant
Genau so war meine Intensivzeit. Inklusive Urlaubssperre.
Richtig, meist wird das Schichtmodel auf dem Rücken weniger Leute ausgetragen. Die Schichten gehen trotz Schichtmodell teilweise geplant 10- 12 Stunden und werden nur als Arbeitezeit bezahlt. Irgendwie uncool. 24 Stunden Dienste in der Inneren fand ich aber irgendwie auch uncool, da man da i.d.R. das Dienstzimmer Max. 2 Stunden von Innen gesehen hat.
Letztendlich müsste das Klinikdirektorium grundsätzlich mit mehr Personal planen, so dass kürzere Schichten und mehr Freizeitausgleich möglich wären. Da ist man aber wieder auf politischer Ebene
tragezwerg
15.09.2018, 17:57
Ich habe in beiden Modellen (teils auch gemischt) gearbeitet und kam mit den Bereitschaftsdiensten einfach körperlich besser klar als mit den Schichtnächten. Da war ich schon nach 3 Nachtdiensten so am Ende...da nehme ich lieber einen bescheuerten Bereitschaftsdienst, der dann morgens wenigstens rum ist.
Aber ich bin auch einfach kein Nachtdienstmensch, ich hab danach grundsätzlich Bauchschmerzen und Kreislauf.
Ich bin zum Glück um einen richtigen Schichtdienst rum gekommen (mein Maximum war der Stroke-Unit Dienst). Ich sehe es aber bei meinem Freund (Nicht-Mediziner) im 3-Schicht System, 5-6 Tage am Stück, dann maximal 1-2 Tage frei und dann der Schichtwechsel für die nächsten 5-6 Tage am Stück. Mehr Freizeit hat er dadurch nicht, gerade bei Spät- und Nachdienst ist er meistens so fertig, dass er mehr schläft und weniger vom Tag hat. Ich bin froh, dass ich keine Schicht arbeite und dass er hoffentlich auch bald aus der Schicht gehen kann.
Relaxometrie
15.09.2018, 18:41
Letztendlich müsste das Klinikdirektorium grundsätzlich mit mehr Personal planen, so dass kürzere Schichten und mehr Freizeitausgleich möglich wären.
So sehe ich das auch. Ich bin immer wieder erschrocken, mit welcher Vehemenz sich viele Forenuser für Pest oder Cholera entscheiden (24-Stunden-Dienste vs Schichtmodell) und das von ihnen favorisierte Modell dann auch noch als ganz toll beschreiben oder zumindest verteidigen.
Erträglich würde das ein-, oder andere Modell nur, wenn mehr Personal eingesetzt werden würde.
Also wir haben aktuell 4-5 24h Dienste im Monat. Der Tag danach ist frei. Und ich fühle mich soviel besser als vorher mit unserer Rufbereitschaft und freue mich, dass unser Wunsch nach Bereitschaftdienst umgesetzt wurde.
MissGarfield83
15.09.2018, 19:03
Ich persönlich habe ja auch schon in beiden Modellen gearbeitet und muss sagen, dass ich nach einem 12h ITS Dienst geistig einfach zu platt für alles war. Eine Nacht durchzumachen und doch am Ende so müde zu sein weil ich nicht in den Rythmus gefunden habe ist einfach nichts für mich und ich bin froh um die 24h Dienste, denn die verkrafte ich deutlich besser. Der Tag danach ist zwar nur teilweise nutzbar - aber letztlich hängt man weniger durch als nach mehreren Nachtschichtdiensten am Stück. Zum anderen ist die Bezahlung dafür auch nicht unbedingt unattraktiv...
@relaxometrie : Woher Ärzte nehmen? So einfach fallen die nicht vom Baum ... in meiner letzten Stelle hatten wir 4 unbesetzte Stellen. Wir hätten Leute mit Erfahrung gebraucht damit wir den Schichtdienst auf ITS nicht mit nur 3 dienstfähigen Assistenten und einer Handvoll Externer stemmen hätten müssen. Aber die Einzigen die nachkamen waren Frischlinge, direkt von der Uni und auch meist aus dem europäischen Ausland. Der Markt ist einfach leergefegt und es gibt immer mehr Patienten zu versorgen. Vor ein paar Monaten war es fast unmöglich in Rheinland Pfalz auch nur ein Beatmungsbett zu aquirieren. Bettensperrungen wegen fehlendem Personal verschärften die Situation nur noch. Das System arbeitet einfach am Limit... und ich glaube nicht dass die Verwaltungen viel daran ändern können...
tragezwerg
15.09.2018, 19:10
@relaxometrie : Woher Ärzte nehmen? So einfach fallen die nicht vom Baum ... in meiner letzten Stelle hatten wir 4 unbesetzte Stellen. Wir hätten Leute mit Erfahrung gebraucht damit wir den Schichtdienst auf ITS nicht mit nur 3 dienstfähigen Assistenten und einer Handvoll Externer stemmen hätten müssen. Aber die Einzigen die nachkamen waren Frischlinge, direkt von der Uni und auch meist aus dem europäischen Ausland. Der Markt ist einfach leergefegt und es gibt immer mehr Patienten zu versorgen. Vor ein paar Monaten war es fast unmöglich in Rheinland Pfalz auch nur ein Beatmungsbett zu aquirieren. Bettensperrungen wegen fehlendem Personal verschärften die Situation nur noch. Das System arbeitet einfach am Limit... und ich glaube nicht dass die Verwaltungen viel daran ändern können...
Das ist auch mein Eindruck. Gerade in der Anästhesie gibt es gefühlt gar keine Fachärzte mehr, nur noch Anfänger.
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