Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Treffpunkt für gestresste Assistenzärztinnen und -ärzte
[...] Aber trotzdem wirkt es zunehmend so, als sei es schei**egal, wie gewissenhaft und sorgfältig wir aufklären, man findet schon irgendwas, um die Aufklärung zu zerreißen.
Ja, wirkt so, weil man Einkringeln und Fuß-im-Knast so eingebläut bekommt, aber begegnen dir/euch in der Praxis tatsächlich Fälle, in denen gewissenhafte und sorgfältige Aufklärungen auseinander genommen werden? Oder hinken wir da einfach Mal wieder einer anständigen Fehlerkultur hinterher?
Ich entnehme sowohl der Aufklärungs-Praxis als auch in entsprechenden Rechtsstreits ausschließlich gegenteiliges. Nämlich einerseits, wie in Vorposts beschrieben, routinemäßig beschissene und rechtswidrige Aufklärungen (z. B. ausschließlich per Vorlage und viel zu spät, durch PJler, ...). Andererseits dass fehlende, schlechte oder nicht dokumentierte Aufklärungen, zum Beispiel wegen einer hypothetischen Einwilligung (die, wie beim jetzigen Nieren-Lebendspende-Beispiel, wiederholt OLG genügt, obwohl sie für diesen Fall sogar ziemlich explizit gar nicht existiert) eben doch irgendwie durchgehen.
Moorhühnchen
30.01.2019, 15:30
Das Gericht hat also über etwas entschieden, was scheinbar selbst die Kläger scheinbar nicht verstanden haben und die Presse....naja, die Presse halt...
Hast Du Dir das so aus verschiedenen Quellen zusammengesucht oder gibt es das irgendwo gebündelt nachzulesen?
Ui, wow, demjenigen würden wir keine Narkose machen!
Als ich neu dort war, hab ich tatsächlich jedes Mal den Chef angerufen mit der Frage "ausschleusen oder nicht". Mein Chef hat da allerdings überhaupt kein Problembewusstsein und ein Großteil der Kollegen (die meisten Ü55) ebensowenig. Also wird Narkose gemacht, so lange der Patient unterschrieben hat.
Was mich nun aber echt wundert, ist die Tatsache, dass mittlweile auch ein jüngerer Kollege nachgerückt ist - zT. selbe Ausbildungsstätte wie ich (und da wurde wirklich seeeeehr auf sowas geachtet und konsequent ausgeschleust und derjenige, der's verkackt hat gerügt) - und der hat sich sehr schnell die Gepflogenheiten der Abteilung angeeignet.
So lange ich es für mich (und den Patienten) vertreten kann, Narkose zu machen, tu ich das auch. Ohne Rücksichtnahme darauf, dass der Patient am Ende den Prämedikateur wegen mangelnder Aufklärung verklagen könnte... ansonsten müsste ich jeden dritten Patienten ausschleusen. :-?
WackenDoc
30.01.2019, 15:31
Ach, eines meiner Ausklärungshighlights war die Unterschrift für eine Coro bei einem Patienten mit STEMI den ich als Notarzt vorher mit Mo schön zugedröhnt hab. Ok, ich hab ihm während der Fahrt erklärt was im Krhs passiert, grob was bei der Coro passiert und er hat jetzt nicht dagegen protestiert (kann ja mal sein, Glaubesgründe oder so). Die Unterschrift im Krhs war halt weder rechtsverbindlich noch erforderlich.
Dafür mussten wir die Colos für die Dermapatienten selber aufklären- die Kollegin der Derma war kurzkurvorher vorher bei uns auf der Inneren und hat genau dafür aufgeklärt.
Dafür wollte der Internist eines anderen Hauses dass ich als Truppenarzt meine Patienten für Colos aufkläre die die dort machen sollten.
Ich (ob die Juristerei auch, keine Ahnung) sehe die Verantwortung der richtigen Aufklärung nicht nur beim aufklärenden Arzt sondern auch bei dem, der operiert, die Narkose oder was auch immer macht. Wenn ganz offensichtlich nicht aufgeklärt wurde oder aber absolut berechtigt Zweifel an der Gültigkeit der Aufklärung bestehen, dann kann die Prozedur im elektiven Setting nicht durchgeführt werden.
Hast Du Dir das so aus verschiedenen Quellen zusammengesucht oder gibt es das irgendwo gebündelt nachzulesen? [...]
Hier gäb's die Pressemitteilung:
http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=pm&pm_nummer=0010/19
Moorhühnchen
30.01.2019, 15:52
Ich (ob die Juristerei auch, keine Ahnung) sehe die Verantwortung der richtigen Aufklärung nicht nur beim aufklärenden Arzt sondern auch bei dem, der operiert, die Narkose oder was auch immer macht. Wenn ganz offensichtlich nicht aufgeklärt wurde oder aber absolut berechtigt Zweifel an der Gültigkeit der Aufklärung bestehen, dann kann die Prozedur im elektiven Setting nicht durchgeführt werden.So lange Chef und die betroffenen Kollegen (die teilweise ja als Oberärzte Vorgesetzte sind) steif und fest behaupten, die Aufklärung sei rechtsgültig, kann ich ihnen nicht das Gegenteil beweisen ohne jemals bei einer Prämedikation anwesend gewesen zu sein. Jeder von denen ist mindestens 10-15 Jahre länger Facharzt als ich.
Ich wundere mich nur über die Dokumentation...
@ Gesocks: danke, werd ich mir nachher mal anschauen! :-)
Ich (ob die Juristerei auch, keine Ahnung) sehe die Verantwortung der richtigen Aufklärung nicht nur beim aufklärenden Arzt sondern auch bei dem, der operiert, die Narkose oder was auch immer macht. Wenn ganz offensichtlich nicht aufgeklärt wurde oder aber absolut berechtigt Zweifel an der Gültigkeit der Aufklärung bestehen, dann kann die Prozedur im elektiven Setting nicht durchgeführt werden.
Sehe ich genauso und wird hier in der Regel auch so praktiziert.
Das hier (https://www.falter.at/archiv/wp/der-verlorene-sohn) passt auch gut zu Aufklärungen. Und allem anderen. Fehlermanagement scheint schwer...
Moorhühnchen
30.01.2019, 18:55
Das hier (https://www.falter.at/archiv/wp/der-verlorene-sohn) passt auch gut zu Aufklärungen. Und allem anderen. Fehlermanagement scheint schwer...Krasser Fall. :-((
Narkose so völlig ohne Aufklärung, das hab ich bisher wirklich selten erlebt - spritzende Magenblutung, Polytrauma, Notsectio (und selbst da frag ich zumindest noch nach Allergien), aber sonst fällt mir aus den letzten 9 Jahren nicht viel ein. :-nix
Aber auch hier - war damals Thema in meiner FA-Prüfung - der Haftungsausschluss der Haftpflichtversicherung eines Arztes bei Schuldeingeständnis wird nicht erwähnt. Das ist vielleicht ein Punkt, der mal diskutiert werden müsste. :-nix
vanilleeis
30.01.2019, 19:11
Das hier (https://www.falter.at/archiv/wp/der-verlorene-sohn) passt auch gut zu Aufklärungen. Und allem anderen. Fehlermanagement scheint schwer...
Was für eine schreckliche Geschichte! Ich hoffe sehr, dass die Eltern zumindest juristische Genugtuung erhalten, wenn die Schilderung den Tatsachen entspricht.
Hühnchen: Haftungsausschluss bei Schuldeingeständnis? Ist das wirklich so? Oder ist das das gleiche Märchen wie bei der KFZ-Haftpflicht, die angeblich auch nicht zahlt, wenn man die Schuld eingesteht?
Das ist echt eine grausige Geschichte.
Klärt ihr eigentlich für jeden Folgeeingriff auf, der genauso wie die vorigen ist, z.B VAC-Wechsel im OP? Hier ist das immer Streitfrage, ob es reicht, beim ersten Mal dafür unterschreiben lassen, dass die Dinger gewechselt werden müssen.
Hühnchen: Haftungsausschluss bei Schuldeingeständnis? Ist das wirklich so? Oder ist das das gleiche Märchen wie bei der KFZ-Haftpflicht, die angeblich auch nicht zahlt, wenn man die Schuld eingesteht?
Das ist wirklich so. Bei uns gab es mal einen (zum Glück gut ausgegangenen) Fall einer Venofer-Überdosierung mit Reaktion, da hat unser Chef auf den Brief der Eltern geantwortet und direkt von der KH-Haftpflicht einen auf den Deckel bekommen, dass sie beim nächsten Mal nichts mehr zahlen.
Das ist echt eine grausige Geschichte.
Klärt ihr eigentlich für jeden Folgeeingriff auf, der genauso wie die vorigen ist, z.B VAC-Wechsel im OP? Hier ist das immer Streitfrage, ob es reicht, beim ersten Mal dafür unterschreiben lassen, dass die Dinger gewechselt werden müssen.
Es muss für jeden Eingriff wieder neu eingewilligt werden. Wobei bei Folgeeingriffen, die quasi haargenau das Gleiche sind, die Detailtiefe der jeweiligen Aufklärung durchaus abnehmen darf, weil bekannt. Aber bei uns muss selbst bei geplanten Dreierserien für jede einzelne IVOM unterschrieben werden.
Bei uns gibt es, wenn absehbar ist, dass ein Eingriff mehrmals erforderlich ist eine Serieneinwilligung. Sowohl was die Anästhesie angeht,als auch den Engriff selbst, also Narkosen, PTCD Wechsel, Vac, Sklerosierung, ZVK Anlage.
Autolyse
30.01.2019, 20:43
Ui, wow, demjenigen würden wir keine Narkose machen! :-nix
Diese Sch...ss-Kopiererei und die Unterschrift für den Erhalt der Kopie regt mich auch auf. Mache das meist nicht, aber jetzt müssen wir das auch so handhaben. Auch toll, wenn man auf Station prämediziert. :-kotz
Es gibt die Bögen ja auch mit Durchschlag. Dann sind die aber teurer...
Bei uns gibt es, wenn absehbar ist, dass ein Eingriff mehrmals erforderlich ist eine Serieneinwilligung. Sowohl was die Anästhesie angeht,als auch den Engriff selbst, also Narkosen, PTCD Wechsel, Vac, Sklerosierung, ZVK Anlage.
Bei uns müssen die Anästhesisten sich den Patienten trotzdem noch anschauen und so ein Durchschlagsteil mit Diagnosen, Entscheidungen zu präOP-Medikation etc. ausfüllen. Macht meiner Meinung nach auch Sinn... denn:
Was bei uns schonmal passiert ist, Gefäßchirurgie eben, dass ein Patient bei solchen "Serieneingriffen" (Waschen, legen, föhnen... zu deutsch: VAC) einfach mal zwischendurch einen kurzen Herzinfarkt mit Hauptstammstenose, Stents, Ticagrelor dazu etc. bekommen hat. Der war dann beim nächsten Waschen/Legen/Föhnen irgendwie ein wenig krass instabil, hat auch aus versehen eine jüngere Kollegin erwischt die noch nicht so viel Erfahrung mit Gefäßpatienten hatte, aber was soll bei einem schnellen VAC schon passieren, und dann völlig irritiert war, als das Thema Herzinfarkt in die Runde geworfen wurde wovon sie nichts wusste. Es wurden halt einfach nur die Zettel abgeschrieben und der Patient aber nicht angesehen.
Das ist ein Fall von zig tausenden. Aber vor allem bei unserem Patientengut (Gefäßler) sind immer wieder mal Überraschungen dabei. Die sollte man halt trotzdem ernst nehmen. Auch wenns der 10. Eingriff ist.
Die Pressemitteilung ist übrigens sehr spannend. Ich interpretiere die übrigens so: nicht nur dass ganz grobe Fehler bei der Aufklärung vorlagen (1. Schriftform und 2. Anwesenheit eines neutralen Arztes, dies gilt nur bei Transplantationen), zudem wurde nicht auf die Patienten selbst eingegangen. Die Eine hätte informiert werden müssen, dass das Transplantatüberleben nicht sooo wahrscheinlich ist aufgrund der Grunderkrankung des Empfängers, der Zweite hätte informiert werden müssen, dass die eigene Restnierenfunktion sicher nicht so toll sein wird da eh die Werte eh schon nicht toll waren.
"Die Berechtigung des jeweiligen Klagebegehrens jedenfalls dem Grunde nach folgt jedoch aus den festgestellten inhaltlichen Aufklärungsmängeln."
So richtig viel zur Verteidigung der beteiligten Ärzte kann man jetzt auch nicht sagen. Fehlenden Anwesenheit eines unbeteiligten wäre vielleicht noch akzeptiert worden, fehlende Schriftform vielleicht auch noch, aber irgendwann reicht es mit den Mängeln auch wenn dann inhaltlich auch nicht sinnvoll aufgeklärt wurde.
Von meiner Seite her kann ich sagen: ich hab inzwischen zwei Verfahren am Rande mitbekommen. Alle beiden waren ziemlich kurz und ziemlich schmerzlos. Es war eine (einigermaßen) gültige Aufklärung in Schriftform da, damit hat der Anwalt der Gegenseite nach einem ersten 50seitigen Drohschreiben dann doch auf eine Gerichtsverhandlung verzichtet. Kopie dem Patienten ausgehändigt? Nein. Schmierage gut lesbar? Nein. Aber irgendwie waren so Sachen wie Unterschrift des Patienten, Datum und irgendwelche schlimmen Sachen wie Majoramputation, Gefäßverschluss usw. drauf damit scheint es einigermaßen gepasst zu haben.
Rettungshase
30.01.2019, 21:20
Ein stichprobenartiges Gegenlesen von Aufklärungen mit anschließender konstruktiver Kritik durch einen Juristen ohne direkte Einbeziehung des Vorgesetzten fänd ich sehr hilfreich.
Geht wahrscheinlich rechtlich nur schwer.
In unserer Weiterbildung war es auch mehr ein "Ja, guck mal bei ein, zwei Aufklärungen zu und dann machste die nächste selbst."
Aha...
Nessiemoo
30.01.2019, 21:22
Jetzt fängt ja die Zeit an, wo man kein Intensivbett hat... und letztendlich bleibt es ja an dem armen Dienst der Notaufnahme hängen. Das hasse ich so.
Und dann noch so ein niedergelassener Kollege, Angehöriger von einer Patientin, der dann anruft und einem anschreit, dass man ja sich nicht genügend kümmere, denn sie ist ja privat versichert und der leitende Oberarzt wenn nicht der Chef möge ihm direkt zurückrufen. Sollen wir denn bei Privatpatienten nicht auf das TSH warten, wenn wir eine Angio fahren? Oder trotz Antikoagulation und längst überschrittenem Zeitfenster lysieren? :-kotz Und dann kriegt die Patientin doch Sonderbehandlung, da man den Stress vermeiden will.
In unserer Weiterbildung war es auch mehr ein "Ja, guck mal bei ein, zwei Aufklärungen zu und dann machste die nächste selbst."
Aha...
Find ich immer wieder „interessant“... ein PJler darf auf Tot und Teufel auf gar keinen Fall auch nur die einfachsten Sachen aufklären und kaum ist man 3 Tage Assistent, soll man plötzlich alle möglichen Eingriffe aufklären. Mit der Approbation kommt die große Weisheit...
Moorhühnchen
30.01.2019, 21:39
Kopie dem Patienten ausgehändigt? Nein. Schmierage gut lesbar? Nein. Aber irgendwie waren so Sachen wie Unterschrift des Patienten, Datum und irgendwelche schlimmen Sachen wie Majoramputation, Gefäßverschluss usw. drauf damit scheint es einigermaßen gepasst zu haben.Oh okay, sowas wurde mir in der Weiterbildung tatsächlich anders vermittelt. Mein Ex-Chef hat immer mal wieder als Gutachter zu tun gehabt und in unserer eigenen Klinik kam es nach Inkrafttreten der neuen Vorschriften (2013?) zu einem Fall, wo einer seinen (höchstwahrscheinlich nicht durch uns verursachten) Schaden am Implantatzahn bezahlt bekam, da die Rechtsabteilung keine Lust hatte wegen der fehlenden Kopie vor Gericht zu gehen. Der gelbe Durschlag hing noch am Originalbogen dran, der Patient war prinzipiell rechtsgültig über eventuell auftretende Zahnschäden aufgeklärt worden, aber die wiederholte Antwort auf die Schreiben der Rechtsabteilung war: "Ich habe keine Kopie erhalten."
So wie der Fall damals lag, konnte man schon fast Vorsatz unterstellen, dass er den Bogen nicht mitgenommen hatte. ;-)
Ich hab recht selten das Gefühl in der Prämedambulanz was Sinnvolles zu tun. Manchmal hat man Patienten, die stellen echt gute Fragen. Aber meistens läuft es ja doch eher so nach dem Motto: "Ich halte hier eine Vollnarkose für sinnvoll, weil.... eine Lokal/Regionalanästhesie können wir nicht machen, weil... die Risiken sind.... haben Sie noch Fragen?" - "Ja, was für eine Narkose bekomme ich jetzt? Ich will keine Rückemarksspritze!!" :-wand
Da möchte ich wirklich mal nen Juristen dabeisitzen haben, weil... wie soll ich so Leute denn aufklären, ohne in die Tischkante zu beißen? :-(
Dass es beim Fall des BGH wirklich so gravierende Mängel gab, darauf wurde in der Tagesschau-Berichterstattung nicht mit einem Wort eingegangen. Das finde ich wirklich schade.
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