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@anignu
Bei uns in der Pädiatrie wird der Patient vor Narkose/Sedierung bei Serieneinwilligung klinisch nochmals vor dem Eingriff untersucht. Nur die schriftliche Aufklärung fällt dann weg.
Ein stichprobenartiges Gegenlesen von Aufklärungen mit anschließender konstruktiver Kritik durch einen Juristen ohne direkte Einbeziehung des Vorgesetzten fänd ich sehr hilfreich.
Geht wahrscheinlich rechtlich nur schwer. [...]
Die kommerziellen Aufklärungsbögen erfüllen ja genau das, nämlich fachärztlich und fachjuristisch ausgearbeitete Leitfäden zu sein. Was man da selbst noch reinkritzelt dient der und dokumentiert die Individualisierung; das wiederum kann ja nicht "juristisch korrekt" oder "falsch" sein, es sei denn es wäre halt inhaltlicher Schwachsinn.
Kackbratze
30.01.2019, 22:11
Das ist meine Quelle
Aber trotzdem wirkt es zunehmend so, als sei es schei**egal, wie gewissenhaft und sorgfältig wir aufklären, man findet schon irgendwas, um die Aufklärung zu zerreißen.
Ich wüßte auch gern, ob du da wirklich entsprechende Erfahrungen gemacht hast.
Ich war bei uns eine Zeitlang für Patientenbeschwerden und (im weitesten Sinne) Kunstfehlervorwürfe sowie entsprechende Haftpflichtverfahren zuständig und habe aus entsprechenden Fortbildungen, Gesprächen mit erfahrenen Rechtsanwälten und aus der eigenen Erfahrung heraus eigentlich eher die gegenteilige Einstellung bekommen. Mir ist dabei klar geworden, dass ich mir früher viel zu viele Gedanken um das Thema Aufklärung gemacht habe.
Dass ein Patient mit einer Aufklärungsrüge durchkommt, erscheint mir heutzutage nur ganz ganz schwer möglich. Die Fälle, die jetzt beim BGH waren, kenne ich nicht, kann deshalb auch nicht wirklich etwas dazu sagen, vermute aber bei mir selbst, dass das Sonderfälle sein müssen, die wahrscheinlich auch deshalb vom BGH so entschieden worden sind, weil es um einen wirklich höchst elektiven Eingriff - eine Lebenspende einer Niere - geht, an den (berechtigterweise!) wirklich allerhöchste Anforderungen an die Aufklärungen gestellt werden müssen.
Auf der ersten Seite rechts unten und der zweiten Seite links oben in diesem Link (http://zjs-online.com/dat/artikel/2011_6_495.pdf) wird näher erklärt, wie der Einwand der "hypothetischen Einwilligung" nach BGH-Rechtssprechung sogar dann greift, wenn man als Arzt den Patienten im Aufklärungsgespräch über die Indikation zur OP vorsätzlich belogen hat, was ich persönlich einen ziemlichen Hammer finde, sich aber letzten Endes mit meinen übrigen Erfahrungen zum Thema Haftung aus fahrlässig fehlerhafter Aufklärung gut deckt.
Ich habe den Eindruck, dass das Thema Aufklärungsmangel in Arzthaftungsprozessen heutzutage eine marginale Rolle spielt. Vielleicht war das früher anders und vielleicht ändert sich das auch wieder, wenn die ersten Patienten klagen, die keine Kopie ihrer Aufklärungsunterlagen erhalten haben. Aber aktuell ergibt sich eine Haftung meiner Erfahrung nach normalerweise aus anderen Dingen als aus der Aufklärung oder ihrer Dokumentation.
Einer meiner Chefs hat früher immer gesagt: "Solange ein vom Patienten unterschriebener Aufklärungsbogen vorliegt, brennt eigentlich nix an. Der Inhalt ist nicht mal besonders wichtig." Ich sehe das inzwischen weitestgehend genauso, auch wenn ich mir über den Inhalt meiner Aufklärung und meiner Dokumentation (auch im Sinne des Patienten!) weiterhin Gedanken mache (nur andere als früher).
Eine spannende Frage finde ich die Problematik, dass im §630e BGB (https://www.gesetze-im-internet.de/bgb/__630e.html) Absatz 2 inzwischen (seit Februar 2013) ja ganz eindeutig verlangt wird, dass der Patient eine Kopie der Aufklärungsdokumentation ausgehändigt bekommt. Es wird spannend, die (ggf. höchstrichterlichen) Ergebnisse der ersten Prozesse abzuwarten, die darauf abzielen, dass der Patient angibt, diese Kopie nicht erhalten zu haben. Mein Arbeitgeber verlangte wegen dieser Problematik, dass der Patient den Erhalt der Kopie auch nochmal per Unterschrift bestätigt, was die Sache schon ziemlich aufwändig macht. Der ausgefüllte Aufklärungsbogen muß kopiert werden und dann muß der Patient nochmal unterschreiben, dass er die Kopie erhalten hat. Und eigentlich muß man das dann auch nochmal mit Uhrzeit dokumentieren, da der Gesetzgeber im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens deutlich gemacht hat, dass er erwartet, dass dem Patienten diese Kopie zeitnah ausgehändigt wird (damit der Arzt der Dokumentation nicht nachträglich doch noch Sachen hinzufügt). Echt lästig. Ich bin gespannt, wie hier am Ende geurteilt wird, wenn kein schriftlicher Nachweis dafür vorliegt, dass der Patient die Kopie (rechtzeitig) erhalten hat, sondern Patient und Klinik einander widersprechen.
Autolyse
31.01.2019, 17:41
[...]
Dass ein Patient mit einer Aufklärungsrüge durchkommt, erscheint mir heutzutage nur ganz ganz schwer möglich. Die Fälle, die jetzt beim BGH waren, kenne ich nicht, kann deshalb auch nicht wirklich etwas dazu sagen, vermute aber bei mir selbst, dass das Sonderfälle sein müssen, die wahrscheinlich auch deshalb vom BGH so entschieden worden sind, weil es um einen wirklich höchst elektiven Eingriff - eine Lebenspende einer Niere - geht, an den (berechtigterweise!) wirklich allerhöchste Anforderungen an die Aufklärungen gestellt werden müssen.
[...]
Wenn ein Patient mit irgendwas durchkommt, dann mit einem Anspruch, der sich auf eine unwirksame Aufklärung stützt (Aufklärungsrüge ist ein strafprozessrechtlicher Begriff) oder mit einem Befunderhebungsfehler. Man ist hier am einfachsten erfolgreich und die Rechtsprechung der Instanzgerichte extrem unterschiedlich. Die Aufklärungspflichtigkeit der dekompensierten Esophorie infolge einer Abduzensparese nach Duraverletzung bei der Periduralanästhesie ist nur deswegen nicht als aufklärungspflichtige Komplikation durchgegangen, weil sich im Schrifttum nichts finden ließ, dass diese Komplikation nennt. Die Wahrscheinlichkeit ist vollkommen irrelevant, es muss nur typisch sein und das ist eine Wertungsfrage des Tatrichters.
Der Inhalt der Bögen ist nicht abschließend, sondern stellt nur den aktuellen Stand dessen da was in der Rechtsprechung bereits als aufklärungspflichtig bewertet wurde. Es kann jederzeit etwas dazukommen. Der Bogen beweist nicht die Aufklärung, gerade weil in der üblichen Art und Weise der Aufklärung nur die möglichen Komplikationen erläutert sind, nicht jedoch die Alternativen mit ihren Chancen und Risiken.
Regelmäßiges Beispiel: Der Anspruch nach Geburtsschaden, der darauf gestützt wird, dass nicht/zu spät über Sectio aufgeklärt wurde.
Darf sich der Patient eigentlich darauf berufen, dass er im Moment der Aufklärung und Unterschrift nicht mehr Herr seiner Sinne war? Ein Beispiel, von dem ich auch selbst betroffen war, wäre die Situation im kreißsaal, wenn es um PDA oder Sectioaufklärung geht. Mir hatte die Anästhesistin kurz vor der PDA eine Zustimmung zur Chefarztbehandlung durch sie selbst unter die Nase gehalten. Nach gut 20 Stunden Wehen hätte ich in den Zustand ALLES unterschrieben, damit sie endlich angefangen hat :-blush Wenn ich letztes Jahr mehr Zeit und Nerven gehabt hätte, hätte ich wahrscheinlich auch mit rechtlichen Beistand diese Aufklärung (und die dadurch für mich entstandenen kosten) angefochten.
t (Aufklärungsrüge ist ein strafprozessrechtlicher Begriff)
stimmt natürlich, sorry, und danke für die Korrektur / Ergänzung.
Mein Eindruck war allerdings überhaupt nicht, dass man mit der Bemängelung einer unwirksamen / nicht vollständigen Aufklärung am einfachsten erfolgreich ist. Dass die Gerichte sehr unterschiedlich urteilen, sehe ich genauso. Dass man versucht, einen Befunderhebungsmangel auf den Tisch zu bringen (wegen Beweislastumkehr) - auch klar. Bezüglich des Themas Aufklärung habe ich allerdings eine ganz andere Erfahrung.
WackenDoc
31.01.2019, 18:30
Ja, du must einwilligungsfähig sein damit deine Unterschrift rechtswirksam ist.
Ich klär als Notarzt nen Patienten mit nem gebrochenen Arm und ordentlich Schmerzen ja auch nicht mit allem drum und dran und Unterschrift über die Fentagabe auf und jubel ihm noch nen Handyvertrag unter.
Autolyse
31.01.2019, 18:43
Darf sich der Patient eigentlich darauf berufen, dass er im Moment der Aufklärung und Unterschrift nicht mehr Herr seiner Sinne war?
Behaupten kann er das und muss auch angeben wie er das beweisen will (1. Stufe - Behauptungs- und Substantiierungslast). Die Gegenseite wird das bestreiten (mehr muss sie nicht im Beispiel, dann wird die Beweisfrage erheblich). Dann muss der Anspruchsteller beweisen (2. Stufe), weil ihn die Beweislast trifft (Prinzip: Jeder muss beweisen, was für ihn günstig ist). Kann er das nicht, scheitert sein Anspruch, weil die anspruchsbegründende Tatsache nicht erwiesen ist.
So langsam reicht's mir diesem Endoprothesenzentrumskack. Nicht nur, dass der Schei* tausend Zettel beinhaltet (Einverständniserklärung Endoprothesenregister, Pfadboden, QS Bogen, Checkliste, Patientensicherheitsliste), auch der Arztbrief hat brav nach Schema F geschrieben zu sein, inkl. der Erwähnung, welche Hilfsmittel verordnet wurden. Das ist ein Textbaustein, den ich bisher immer unkritisch übernommen habe. Heute wurde ich dann vom OA darauf hingewiesen, dass im Brief stand, der Patient habe Gehstützen, Sitzkissen, Greifhilfe und eine Toilettensitzerhöhung bekommen, er aber tatsächlich nur ein Sitzkissen und und eine Toilettensitzerhöhung bekommen hat. Jetzt darf ich also neben der Beinlänge, den Pfannenneigungswinkel, den verbrauchten Blutkonserven, dem postoperativen Bewegungsumfang, der Gehstrecke und der Schmerzen bei Entlassung, dem Aushändigen des Endoprothesenpasses, der Röntgenbilder, des Wiedervorstellungstermins in einem Jahr und des Entlassgesprächs auch noch die kack verordneten Hilfsmittel mit der Akte abgleichen und in den Brief schreiben :-wand Ich hab ja auch sonst nichts zu tun :-kotz
Und was bringt's? Nüscht!
Naja, das mit den Hilfsmitteln hat eigentlich nichts mit Zentrum zu tun, sondern mit der Rahmenvereinbarung zum Entlassmanagemant. Im Entlassbrief müssen alle Verordnungen genannt werden. Der Link zum Rahmenvertrag findet sich hier (http://www.kbv.de/html/entlassmanagement.php).
Und was bringt's? Nüscht!
Dir nicht, deinem Chef und vor allem der Krankenhaus aber eine ganze Menge (Geld).
Pampelmuse
01.02.2019, 17:53
Es wird immer besser:
Die Woche hat sich ein Arbeitgeber telefonisch als Angehöriger ausgegeben und versucht, rauszufinden, wie lange der Patient noch stationär ist, also nicht zur Arbeit erscheint. :-((
Kann man so jemanden anzeigen?
Hoppla-Daisy
01.02.2019, 20:33
Ich denke, der Patient selbst kann das nur zur Anzeige bringen. Aber das ist schon echt heftig!
Pampelmuse
02.02.2019, 10:28
Wie kam man dahinter?
Die Pflegekraft, die am Telefon hat's noch rechtzeitig kapiert und keine Auskunft gegeben.
Der Patient ist mittlerweile entlassen, aber ich denke nicht, dass er sich überhaupt getrauen würde, sich zu wehren. Er wurde wohl auch über sein eigenes Handy dauernd angerufen und bedrängt, gefragt, wie lange er denn noch ausfalle usw.
Da war ich dann mal kurz sprachlos.
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