Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Treffpunkt für gestresste Assistenzärztinnen und -ärzte
MissGarfield83
28.04.2019, 19:25
Nee, er wurde dann eben erst auf ITS intubiert nach Kreislaufstabilisierung.
Und ja, der Patient wurde ja endoskopiert bei eben akuter GI-Blutung, wo man natürlich ein Kreislaufmonitoring machen muss. Dieses wurde durch unseren Kollegen vor der Gastro auch angeordnet und durchgeführt. Als die Gastro dann lief, sind unsere Schwestern aber nicht mehr reingegangen, weil sie eben vermutlich auch annahmen, dass der Patient dabei sowieso überwacht wird. Ich selber muss ich zugeben, bin auch nicht auf die Idee gekommen, den Blutdruck zu messen, als die Endoskopie zunächst beendet wurde.
Was heisst akute GI Blutung? Bissi Teerstuhl, Kaffeesatzerbrechen oder Bluthusten? Eigentlich gehört sowas schon in ein überwachtes, kontrolliertes Setting - nicht in sone halbgare Situation auf Station. Auf ITS ist das sicher was anderes - aber periphere Station? Im Ernst? Wie Shizr schon sagt, Katastrophe mit Ansage ...
Hoppla-Daisy
28.04.2019, 19:50
Was mich immer wieder in der Annahme bestärkt, dass es verdammt viel Arzt braucht, um einen Menschen umzubringen....
Haben die dann den Endoskopie-Turm etc in das Patientenzimmer gefahren? Ist das wirklich insgesamt weniger Aufwand, als einfach nach dem Eingriff den Saal ordentlich zu putzen? Die Gerätschaften muss man ja auch säubern. Ich weiß nicht, ob es bei all den Argumenten für bessere Hygiene wirklich sein muss, Patienten, die ja idR für ihre multiresistenten Keime nichts können, als Patienten zweiter Klasse zu behandeln und ihnen nicht die bestmögliche Therapie zukommen zu lassen.
Relaxometrie
28.04.2019, 20:13
Ich weiß nicht, ob es bei all den Argumenten für bessere Hygiene wirklich sein muss, Patienten, die ja idR für ihre multiresistenten Keime nichts können, als Patienten zweiter Klasse zu behandeln und ihnen nicht die bestmögliche Therapie zukommen zu lassen.
Was ich schon von Anfang an schreiben wollte: der schnöde Mammon regiert halt das Medizinsystem. Teilweise verständlich; aber es gibt auch perfide Ausreißer. Und als einen solchen würde ich den vorliegenden Fall bezeichnen.
Schon das was wir wissen zeigt gelinde gesagt ein sehr suboptimales Setting. Und du echauffierst dich darüber dass das nicht gut gefunden wird?
Was ich als echauffieren bezeichne ist der Post:
Ähm. moment. Der wurde schutzintubiert? Also da wurde Narkose gemacht, nicht nur ein "bisschen Sedierung"? Und da hat keiner mal eine RR-Messung für notwendig erachtet? Entschuldigung, aber wie enthirnt kann man sein? :-wand
Da ist von Narkose, Schutzintubation und Enthirnung die Rede und bezieht sich auf Ausgangsposts in denen stand dass ein Patient irgendwann Blutdruck 50/20 hatte und "mit den entsprechenden Maßnahmen (Schocklagerung, Infusion im Schuss, Akrinor durchs Rea-Team) hat er sich schnell wieder gefangen"...
Und das nenne ich dann eben echauffieren. Schnell noch Dinge dazu dichten die so nie geschrieben wurden und dann fleißig drüber aufregen.
Das das Setting mit "suboptimal" noch nicht ganz treffend beschrieben wurde ist ein völlig anderes Thema.
Patienten, die ja idR für ihre multiresistenten Keime nichts können, als Patienten zweiter Klasse zu behandeln und ihnen nicht die bestmögliche Therapie zukommen zu lassen.
Ich war mal in einer Klinik in denen hatten die Physiotherapeuten die schriftliche Anweisung, dass sie Patienten mit multiresistenten Keimen nicht behandeln durften. Und einen Reha-Platz für solche Patienten zu finden ist auch extrem schwierig...
Patienten mit multiresistenten Keimen sind leider wirklich oft Patienten zweiter Klasse.
Rettungshase
28.04.2019, 20:36
Ich will auch als Urologe ein EKG gescheit befunden können... seufz
Das Handwerkszeug, die Standard-EKGs zu befunden, solltest du dir - wenn noch nicht geschehen - zeitnah aneignen.
Autolyse
29.04.2019, 18:08
@autolyse : Danke für deine differenzierten Ausführungen.Man müsste doch meinen dass wenn ein Behandler ohne guten Grund (absichtlich?) die Gesundheit eines Patienten gefährdet, dies doch für den Behandler und die Strukturen Konsequenzen haben müsste.
Nicht solange es keine Folgen hat.
Autolyse
29.04.2019, 18:11
[...]
Eine Sedierung ohne adäquates Monitoring verstößt eklatant gegen den gesunden Menschenverstand (was nicht justiziabel ist, es ist nun mal kein Verbrechen, ein Idiot zu sein), aber auch ebenso eklatant gegen die Leitlinie zur Sedierung bei gastrointestinalen Endoskopien (und das dürfte nun sehr wohl justiziabel sein, weil damit ein grober Behandlungsfehler im Raum steht, und wenn ich die Rechtslage richtig im Kopf habe, ist ein grober Behandlungsfehler prinzipiell nicht von der Einwilligung gedeckt, und damit steht auch eine strafbare Körperverletzung - nämlich die fehlerhaft durchgeführte Endoskopie - im Raum).[...]
Die Rechtsprechung fordert eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit, dass der tatbestandliche Erfolg ohne das fehlerhafte Handeln nicht eingetreten wäre. Das wird man bei einem volumendepletierten Patienten mit OGI und Endoskopie kaum bejahen können, das kann auch mit Monitoring auftreten. Es hat einen Grund, dass Strafbarkeit in der Praxis kaum eine Rolle spielt.
Sebastian1
29.04.2019, 19:16
Wobei das meinem Rechtsempfinden dich erheblich widerspricht.
"Hey, der Patient ist schlecht und hat eh ein hohes Risiko, komm, wir verzichten auf Standards, denn der kackt ja so oder so ab." um mal plakativ zu sein.
Finde ich schwierig und auch einen geschädigten Patienten nicht vermittelbar.
Das wird man bei einem volumendepletierten Patienten mit OGI und Endoskopie kaum bejahen können, das kann auch mit Monitoring auftreten.
Das ist zwar grundsätzlich richtig, aber es will nicht in meinen Kopf, dass die folgenden Szenarien juristisch irgendwie doch das gleiche Ergebnis haben:
- man endoskopiert jemanden mit einer akuten Blutung, unter Sedierung schmiert der Druck ab, trotz Akrinor/Volumen lässt sich der Blutdruck erst verzögert stabilisieren, also holt man das Reateam und bringt den Patienten katecholaminpflichtig auf die Intensivstation
- man endoskopiert jemanden mit einer akuten Blutung, aufs Monitoring guckt man nicht (bzw schließt es gar nicht erst an, das blöde Piepsen lenkt eh nur ab), irgendwann fällt jemandem durch Zufall auf, dass der Patient schlecht aussieht, das Reateam kommt an den Start, misst den Blutdruck, schreit laut "SCHEI**E", haut Akrinor und Volumen rein, bringt den Patienten leidlich stabil auf die Intensivstation
Über das erste Szenario müssten wir hier gar nicht diskutieren, weil sowas nun mal einfach passieren kann, da würde wohl niemand guten Gewissens fahrlässiges Handeln unterstellen wollen.
Aber das zweite Szenario soll juristisch ernsthaft zum gleichen Ergebnis führen? Trotz Garantenpflicht, grobem Behandlungsfehler, meines Erachtens auch fehlender Einwilligung (denn eine juristisch gültige mutmaßliche Einwilligung in einen groben Behandlungsfehler in einer Notfallsituation finde ich dann doch definitiv zu absurd) und allem?
Mal ernsthaft, warum winseln dann immer alle rum, dass sie als Arzt eh mit einem Bein im Knast stünden, wenn man einfach hingehen, Sedierung ohne Monitoring machen, den Patienten damit fast umbringen kann und dann muss man nicht mal Konsequenzen fürchten?
][truba][
29.04.2019, 20:20
Ich hab mal eine Frage. Auf meiner neuen Stelle gibt es ein System "SP Expert" wo die Dienstzeiten hinterlegt sind.
Ich hab am 1.05 Dienst und habe dort einfach 24h Bereitschaftsdienst eingetragen.
Das ist insofern lustig, dass ich dort ja nicht hingehe und dann "nur bei Bedarf" in die Rettungsstelle oder auf die Station muss.
Sondern zu allererst muss ich ja mal die Visite machen, die locker 4h dauert. Bis dahin ist die Rettung so voll, dass das locker bis 22/23 Uhr geht.
Kann ich mir da von 8-16.30 Uhr nicht erstmal ganz normale Arbeit eintragen? Ich blick da leider noch immer nicht durch.
Autolyse
29.04.2019, 20:37
@truba: Der Arbeitgeber darf die 49% deiner Bereitschaftszeit auch für geplant anfallende Arbeiten nutzen. Ihr habt aber sicher eine Auslastungsanalyse, die zeitgt, dass die Auslastung nicht überschritten wird.
---Trennung---
Ihr vermengt Aspekte, die nicht zusammenführen. Es gibt keine getrennte Dogmatik für die Straftaten der Ärzte, vielmehr ist dies Teil der regulären Fahrässigkeitstaten. Würde man die Strafbarkeit so ausdehnen wie ihr euch das vorstellt, dann schlägt dies auch auf alle anderen Fahrlässigkeitsdelikte durch. Würde man die Gefährdung des Rechtsguts als solche ausreichen lassen und nicht fordern, dass es keine hypothetischen Geschehensabläufe gebe in denen das nicht passiert wäre, dann ist jeder Elternteil, dessen Kind im Schwimmbad untergegangen ist sofort wegen fahrlässiger Tötung zu bestrafen. Es hätte ja besser beaufsichtigen können.
Habe heute kurz mit der Gastro-OÄ über die Sache gesprochen. Sie hat mich erst nicht verstanden, dann hab ich nochmal deutlicher gesagt, dass das Problem war, dass bei der Endoskopie der Druck nicht gemessen wurde. Da ist sie weggegangen. Wollte es nicht verstehen oder war zu abgelenkt. Wir hatten Zentrumsauditierung und der Kram ist der größte Scheiß... Unsere Planung dazu ist auch miserabel. Ich hätte freigestellt werden sollen, war dann aber doch allein auf Station und in der Sprechstunde eingeteilt, sollte dann aber auf jeden Fall beim Audit mitlaufen. Also grad könnt ich echt nur kotzen. Aber die Endoskopie-Sache werde ich definitiv nochmal aufarbeiten, wahrscheinlich muss ich über meinen Chef gehen.
Hier sind die MRE-Patienten auch leider oft schlechter dran, zb als letztes im OP und damit besonders ausfallgefährdet, als letztes eingetaktet bei Untersuchungen. Mit Reha-Plätzen siehts auch schlecht aus.
Und morgen dann nächste Runde Onko-Zert und vorher noch Chefvisite, die ich allein machen darf, weil beide Stationskollegen nicht da sind. Hab den Wecker auf 4.30 Uhr gestellt. Hab ich das mit dem Kotzen schon erwähnt?
Sebastian1
29.04.2019, 21:25
Ihr vermengt Aspekte, die nicht zusammenführen. Es gibt keine getrennte Dogmatik für die Straftaten der Ärzte, vielmehr ist dies Teil der regulären Fahrässigkeitstaten. Würde man die Strafbarkeit so ausdehnen wie ihr euch das vorstellt, dann schlägt dies auch auf alle anderen Fahrlässigkeitsdelikte durch. Würde man die Gefährdung des Rechtsguts als solche ausreichen lassen und nicht fordern, dass es keine hypothetischen Geschehensabläufe gebe in denen das nicht passiert wäre, dann ist jeder Elternteil, dessen Kind im Schwimmbad untergegangen ist sofort wegen fahrlässiger Tötung zu bestrafen. Es hätte ja besser beaufsichtigen können.
Ich verstehe den juristischen Aspekt, den du hier darstellst.
Dennoch sehe ich einen eklatanten Unterschied zwischen einer unterstellten Vernachlässigung der Aufsichtspflicht mit Todesfolge (was für die Eltern eine absolute Maximalkatastrophe ist) und der gegen alle Leitlinien unterlassenen Überwachung eines Patienten mit fraglichem Schaden (der vielleicht oder vielleicht auch nicht mit adäquater Überwachung genauso eingetreten wäre) als Resultat des Unterlassens.
Ich habe eine Garantenstellung. Ich habe einen Patienten zu versorgen, der für einen Facharzt als "instabil" zu erkennen ist. Ich habe Leitlinien, die ganz klar besagen "du musst den überwachen, selbst wenn er NICHT instabil ist".
Ich überwache ihn nicht und ziehe ihn grade nochmal so aus der Scheisse, als ich merke, dass das vielleicht grade keine gute Idee war. Ich habe grob gegen die Leitlinien verstoßen und den Patienten eklatant vital gefährdet. Dass er nicht pflegebedürftig/tot/sonstwas ist ist reines Glück.
Dass sowas strafrechtlich als "ist ja nix passiert" bewertet wird, ist für mich schwer zu akzeptieren.
Und um beim Schwimmbad-Beispiel zu bleiben: Wenn das Kind ertrinkt, während der stark kurzsichtige Vater die Brille nicht auf hatte (=kein adäquates Monitoring), hat das doch auch Konsequenzen, oder nicht? Hypothetisch kann man sich ja meistens vorstellen, dass das Kind irgendwie überlebt hätte (alleine, dass es in Rückenlage irgendwelche unkoordinierte Zappelbewegungen gemacht hätte), aber hat es ja leider nicht.
Autolyse
29.04.2019, 21:51
Weil es Erfolgsdelikte sind. Die Anzahl der Gefährdungsdelikte sind aber von Verfassungs wegen zu begrenzen, weil sie die Strafbarkeit vorverlagern und das bedarf eines zwingenden Grundes, weil das Strafrecht eine ultima-ratio-Funktion hat (was dem modernen Gesetzgeber allerdings abhanden gekommen ist, da wird wild alles unter Strafe gestellt was gerade in der öffentlichen Meinung ventiliert wird und das handwerklich schlecht).
/edit: Die Garantenstellung hat mit der Frage nichts zu tun, da geht es um etwas ganz anderes.
Feuerblick
30.04.2019, 04:38
@Morgoth: Wenn das Kind ertrinkt oder der Patient stirbt, dann ist ein Schaden da. Wenn dem Patienten gottlob aber nichts weiter passiert und er sich vollständig erholt, existiert kein fassbarer Schaden....
WackenDoc
30.04.2019, 07:21
Spätestens dann sollte aber jeder auf die Idee kommen zu sagen: "Sch*** hätte auch anders ausgehen können, das sollten wir besser mal ändern, bevor mal ein Patient zu Schaden kommt"
Das ist ja auch Sinn hinter dem ganzen CIRS-System.
So, der erste Nachtdienst meines Lebens war gar nicht schlimm :)
Leider klappt schlafen irgendwie garnicht, wenn es draußen hell ist, hab 3 Stunden so mehr oder weniger geschafft und jetzt bin ich wach. Hoffentlich kann ich nachher nochmal schlafen, sonst wirds echt unangenehm. Die Heimfahrt heute war teilweise schon grenzwertig...
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