Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Treffpunkt für gestresste Assistenzärztinnen und -ärzte
Heute mag ich mich mal über die Anästhesie auskotzen. Sonst sind die ja sehr bemüht, einem Steine in den Weg zu legen, wo es nur geht. Bestimmt ein Viertel aller unserer Patienten wird nicht freigegeben, ohne vorher noch ein Kardiokonsil, ein Herzecho, am besten einen Herzkatheter und dann nochmal ein Kardiokonsil zu bekommen. (Jaja, ich weiß, alles im Sinne des Patienten...) Wobei die Kardiologen meistens kurz und knapp schreiben "OP dringend indiziert, somit Herzkatheter vorher nich nötig" (hat schon seine Vorteile, wenne OÄ von den Kardiologen mit einem OA von uns verheiratet ist :-)) )
Wie dem auch sei. Heute war mal das genaue Gegenteil der Fall. Die Rettung bringt uns einen exsikkierten, total kachektischen, dementen 85jährigen Menschen, der aussah wie tot und nur vergessen umzufallen. Aktuell hatte er eine Schenkelhalsfraktur und lag wohl deswegen zuhause eine Weile auf dem Boden herum, bevor die Ehefrau dann doch mal die Rettung gerufen hat. Labortechnisch war der Patient erstaunlich unauffällig: E-lyte normal, Krea normal. Er hatte Leukos von 20 Tsd. und ein CRP von rund 9 (normal sind bei uns 0,1) und ein bisschen Troponin. Laut altem Arztbrief ein Magen-Ca. in der Vorgeschichte. Meine Oberärztin und ich waren jedenfalls der Meinung, dass wir den nicht unbedingt heute sofort operieren müssen, zumal er sich gut lagern ließ und nicht besonders schmerzgeplagt war. Dann kam der Anästhesie OA, schallte das Herz und meinte "ist doch alles gut, ich sehe da kein großes Risiko". So nach dem Motto: Herz gut, alles gut. Dass der Patient noch in der Notaufnahme zunehmend delirant wurde, einen geschätzten BMI von 15 oder weniger hat und wir nicht wissen, was mit dem Magen-Ca. von vor 8 Jahren ist, schien ihm völlig wurscht.
Naja, egal. Wir hatten ja schon entschieden, dass wir ihn so erstmal nicht operieren wollen. Mal gucken, ob wir noch dazu kommen, oder ob er vorher die Hufe hoch reißt.
Rettungshase
13.05.2019, 19:02
Besagt die Leitlinie Schenkelhalsfraktur nicht Folgendes?! "Patienten mit Schenkelhalsfraktur sollten so schnell wie möglich innerhalb von 24h operiert werden, wenn der Allgemeinzustand des Patienten dies zulässt."
Der wird ja nicht innerhalb von 48h einen tiptop BMI entwickeln.
Andererseits... wie handhabt ihr das üblicherweise mit einem präoperativen Delir? Erst das Delir auskurieren?
Ansonsten halten wir uns im Wesentlichen hieran: https://www.dgai.de/alle-docman-dokumente/entschliessungen-vereinbarungen/672-praeoperative-evaluation-erwachsener-patienten-vor-elektiven-nicht-herz-thoraxchirurgischen-eingriffen.html
Und es ist noch mal etwas anderes, ob ich der Meinung bin, dass der Patient xy den Eingriff kardial schon mitmachen wird oder ob das ein Kardiologe behauptet, wenn es eine (schlechte) Dynamik in der Belastbarkeit gibt. Anästhesisten haben in der Regel auch ein Interesse daran, dass der Eingriff läuft (zumal ich auch keine große Freude daran habe, Patienten zweimal in der Anästhesiesprechstunde zu haben..), aber Leute vermeidbar umzubringen, ist eben schon doof...
"Narkosefähig" ist jeder und wenn das Zauberwort "Noteingriff" oder "dringlich" fällt, dann muss es in der Regel eben gehen, notfalls voll bestückt mit Arterie, ZVK und dem ganzen Pipapo.
Gestern hat es mich eigentlich schon in den Fingern gejuckt, Lavas Beitrag ähnlich zu kommentieren..wollte mich dann aber nicht ärgern. Er strotzt geradezu von Ignoranz und fehlendem Gespür in Bezug auf eine Fachrichtung, mit der man zwangsläufig sehr eng zusammenarbeitet/zusammenarbeiten muss. Ich bin, wenn ich sowas lese, immer wieder sehr froh in einem Haus zu arbeiten, in dem das interdisziplinäre Zusammenarbeiten und gegenseitige Verständnis füreinander irgendwie weitaus besser funktioniert.
Eine Empfehlung noch: Wenn ihr sowieso schon entschieden hattet, den Patienten so nicht zu operieren, dann ruft doch (gerade im Dienst!) den armen Anästhesisten gar nicht erst an. Das stört doch nur unseren Schlaf und macht uns übellaunig :-D
DANKE @Rettungshase & mary-09....hatte auch schon überlegt was zu schreiben...die Müdigkeit hat aber gewonnen...
War ja klar, dass ich dafür auf den Deckel kriege. Lest mal die letzten 1791 Seiten dieses Threas durch: wie oft habe ich da irgendwas Böses über Anästhesisten gesagt? Ich bin wirklich jemand, der alle Kollegen anderer Fachrichtungen respektiert (was hier unter den Anästhesisten übrigens ziemlich oft nicht der Fall ist). Den Anästhesisten hat übrigens meine Oberärztin gerufen, weil die sich absichern wollte, um nicht von unserem Chef auf den Decke zu bekommen, wieso wir den Patienten nicht sofort operiert haben. Und es war auch nicht nachts, sondern am hellerlichten Tage. Aber danke für diese Unterstelllungen.
Egal. Gestern wurde entschieden, dass der Patient gar nicht operiert wird. Es wurde ein CT gemacht, da hat sich die Fraktur sogar als schon älter herausgestellt. Kann gut sein, dass sie schon einige Wochen alt ist, dann muss man sie jetzt auch nicht dringend - oder überhaupt - versorgen.
Sebastian1
14.05.2019, 11:32
Hat keiner was über die letzten 1791 Seiten gesagt, nur zu dem Beitrag. Und der war interdisziplinär...suboptimal und zeugte von wenig Verständnis für das, was Anästhesisten so den ganzen Tag tun. Hint: in der Regel ist es nicht das suchen nach dem nächsten Knüppel, dem man den operierenden Fachabteilungen zwischen die Beine werfen kann ;-)
Rettungshase
14.05.2019, 13:33
Manchmal muss man sich einfach auskotzen, schon klar... aber ein kleiner Perspektivwechsel ist doch gelegentlich auch ganz gut.
Und diese falschen Vorstellungen über andere Fachrichtungen haben einige und die kann man gut in einem solchen Forum - mit Mitlesern - adressieren.
Unser UCler fragte kürzlich beim kinetischen Schockraum, bei dem der Patient wieder nix hatte, ob der Radiologe da nicht vielleicht irgendeine Diagnose draus machen könnte. Fand ich befremdlich. Als er dann erklärte, dass das Controlling denen täglich im Nacken sitzt, wenn "wieder ein Schockraum wegen nix" gelaufen ist, konnte ich es ein wenig besser nachvollziehen, woher diese Frage herrührte.
Was wäre denn jetzt mit präoperativem Delir, der mit frischer Schenkelhalsfraktur aufläuft: Würde man da eher das Delir erst auskurieren und hoffen, dass der Patient mit der Fraktur nicht aus dem Bett hopst oder würde man das Bein in Ordnung bringen?
MissGarfield83
14.05.2019, 15:23
Liebe Lava,
ich schätze deine Beiträge sehr und lese sie sehr gerne. Irgendwie wirkt es aber in deinem Beitrag als nimmst du dir Anästhesie als Hindernis wahr was dich/ deine Abteilung am operieren hindert weil sie Zusatzuntersuchungen haben wollen die den ganzen Ablauf verzögern. Und wenn du dann einen Grund suchst nicht zu operieren sagen die doch einfach "alles klar machen wir so". Unverschämt oder?
Grundsätzlich geht es deinen Anästhesisten um die Sicherheit deiner Patienten und dass diese den geplanten Eingriff auch gut überstehen. Sie schauen sich den IST Zustand deines Patienten und anästhesierelevante Begleiterkrankungen an und fragen sich wie und ob man etwas optimieren kann bis zum OP Termin um das OP Risiko deines Patienten zu senken. Bei einer elektiven OP hat man da natürlich mehr Zeit als bei einer traumatologischen OP. Wie Rettungshase schon sagte wird so ein Schenkelhals gerne innerhalb von 24h auf den Tisch des Hauses gebracht weil das ja durchaus die Mortalität senkt. Bis auf den Ernährungsstatus und das schon präoperativ bestehende Delir gibt es ja wie du schon angabst keine größere kardiovaskuläre, pulmnonale und metabolische Problematik. Also ist der Eingriff als Notfalleingriff ( deren Indikation ja der Operateur stellt ) schon mit einem höheren Risiko behaftet - aber es gibt hier keinen Ansatzpunkt den man präoperativ in 24h so verbessern könnte, dass es das Risiko des Patienten für diesen speziellen Eingriff senkt. Mit passender anästhesiologischer Vorbereitung ( Arterie, IMC Bett postoperativ, etc) lässt sich das Risiko so klein wie möglich halten in diesem engen Zeitfenster. Ob die Op wirklich Sinn macht - das entscheidest du als Operateur. Wenn natürlich das Zeitfenster größer wird wie bei einem elektiven Eingriff - lässt sich da sicher noch an einigen Stellschrauben drehen und das versuchen deine Anästhesisten dann auch. Immer mit dem Ziel dass dein Patient weniger Schaden davonträgt und ein möglichst gutes Outcome hat und nicht um dich zu ärgern. Aber eine Verantwortung kann dein Anästhesist dir nicht abnehmen - die der Indikationsstellung. Das ist ganz alleine dein Bier. Wie Rettungshase schon sagte - es gibt keinen Patienten der nicht narkosefähig ist - nur je nach Konstellation ist das Risiko gering oder hoch perioperativ Schaden zu nehmen. Wenn ein Patient sich der Risiken bewusst ist, der OP Modus ( "Notfall" ) keine Verschiebung zulässt, es sich nichts bis zur OP bei dem Patienten verbessern lässt spricht nichts dagegen bei vollständiger Aufklärung eine Narkose zu machen.
:peace:
Hint: in der Regel ist es nicht das suchen nach dem nächsten Knüppel, dem man den operierenden Fachabteilungen zwischen die Beine werfen kann ;-)
Sondern nach der nächsten Kaffeemaschine? :-))
Sondern nach der nächsten Kaffeemaschine? :-))
zum Beispiel ;-)
[ich such ja immer noch die USB-Ladebuchse für's Handy am Dräger-Gerät]
Kackbratze
14.05.2019, 20:16
Unser Dräger hat eine Qi-Ladestelle.
Sondern nach der nächsten Kaffeemaschine? :-))
Das ist ja sowieso die größte Verarschung. Ich dachte ich werde Anästhesist und trinke den ganzen Tag Kaffee - um dann festzustellen dass ich dann aber auch ständig auf Toilette müsste und u.U. gar nicht aus dem Saal komme ;-).
Mein vorerst vorletzter Prämeddienst ist so entspannt vorbeigegangen :-party
Unser Dräger hat eine Qi-Ladestelle.
Sowas haben ja nicht mal wir sonst so technikaffinen Radiologen.:-notify
FirebirdUSA
14.05.2019, 22:12
Sowas haben ja nicht mal wir sonst so technikaffinen Radiologen.:-notify
Dafür aber die Kaffeemaschine
Kackbratze
14.05.2019, 22:30
Sowas haben ja nicht mal wir sonst so technikaffinen Radiologen.:-notify
Die steht oben drauf mit eigenem Steckdosenanschluss.
Irgendwie wirkt es aber in deinem Beitrag als nimmst du dir Anästhesie als Hindernis wahr was dich/ deine Abteilung am operieren hindert weil sie Zusatzuntersuchungen haben wollen die den ganzen Ablauf verzögern.
Ich nehme die Anästhesisten teilweise auch als Hindernis wahr. Alleine schon wenn ein Dialog am Samstag mittag abläuft abläuft wie "ich hab da grad zwei akute Shuntverschlüsse in der Notaufnahme gesehen, die müssen wir machen" - "Alles klar, dann kannst du ja den einen heute machen und den anderen morgen" -> NEIN, es werden selbstverständlich beide Shuntverschlüsse heute gemacht. Nur weil du mal wieder keinen Bock hast zu arbeiten, heißt das nicht dass ich ohne sonstigen Grund einen Shuntverschluss liegen lasse. Genauergesagt nehme ich in unserer Klinik 1 Anästhesist als expliziten Gefäßchirurgie-Hinderer wahr (bei dem hat jeder noch so Kleinkram aller anderen Fachrichtungen irgendwie Vorrang), 2 Anästhesisten als "Wechselzeiten am Wochenende dauern mindestens 3h", 2 Anästhesisten als "wenn die da sind läuft alles extrem schnell und unkompliziert", ein paar weitere als "hochqualifiziert und mit vernünftigen Ansichten" usw. wahr. Genauso wie in anderen Abteilungen auch. In der Radiologie haben wir auch einen Voll..., zwei extremst hilfreiche und qualifizierte Leute, ein paar Mittelmaß usw...
Es gibt aber eine Sache in unserer Klinik die meine Wahrnehmung bzgl. Anästhesie und meine "ich muss mich mal wieder sowas von aufregen über die Anästhesie"-Frequenz massivst gesenkt hat: Die Anästesisten müssen inzwischen SELBST den Kardiologen erklären wie deren Fragestellung lautet.
Bisher lief das so ab: Patient kommt, wird von Anästhesie und Chirurgie gesehen und Anästhesie sagt "ich will ein Kardiokonsil, Chirurg kümmer dich drum". Der Chirurg dann "wieso? der Patient ist fit. Wie lautet die Fragestellung?". Der Anästhesist "Kardiokonsil! Oder Patient wird nicht freigegeben!". Chirurg: "Aber die Fragestellung?". Anästhesist: "Ist der Patient OP-fähig?".
Dann folgt die Kommunikation zwischen Chirurg und Internist nach dem Motto: "Wir brauchen ein Kardiokonsil" - "Wie lautet die Fragestellung?" - "ob der Patient op-fähig ist" - "ist der Patient denn über 2 Stockwerke belastbar?" - "ja" - "was will der Anästhesist dann?" - "ob der Patient op-fähig ist" - "das muss doch der Anästhesist entscheiden" - "ja, aber der verlangt ein Kardiokonsil"... usw...
Und inzwischen müssen die Anästhesisten dem Internisten SELBST die Fragestellung die sie haben erklären. Seither ist meine präoperative Vorbereitung viel viel entspannter.
][truba][
15.05.2019, 04:27
das zuletzt von anignu geschilderte ist bei uns genauso 😂 nur dass weiterhin ich/wir das Bindeglied genau an dieser Stelle sind.
Echinococcus
15.05.2019, 07:13
Ich hatte gestern mein erstes Wurmkonsil....ich war so glücklich. Auch wenn es am Ende gar kein Wurm war.
agouti_lilac
15.05.2019, 07:25
Ich musste natürlich gleich an eine Appendizitis denken. :-D
Hast du den Fall neulich im Ärzteblatt gelesen ("Klinischer Schnappschuss (https://www.aerzteblatt.de/archiv/205848/Ungewoehnliche-Wuermer-im-Duenndarm)"), bei der eine Frau endoskopiert wurde und "Würmer" mit gespaltenem Endglied entdeckt wurden? :-))
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