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Rettungshase
06.06.2020, 15:19
Durfte mir dann noch von unserer Sozialdienstmitarbeiterin "dumm" kommen lassen. Sie schreibt mir nach meinem offiziellen Feierabend (in Wirklichkeit bin ich sowieso viel länger da) eine Mail, ich solle doch "bis morgen früh" unbedingt noch 3 Sozialdienstformulare ausfüllen wg. eines Chef-Patienten. Das hat mich dann noch 1 Überstunde mehr gekostet, vielen Dank.
Ich habe ihr dann am Folgetag am Telefon mitgeteilt, sie solle mir doch sowas nicht nach offiziellem Feierabend mitteilen und ich hätte schon so viele Überstunden. Fröhliche Antwort der Sozialarbeiterin (sinngemäß): "Ich hatte da eigentlich auch schon Schluss" (sie hat die Mail um 17.30 Uhr geschrieben, während ich noch bis spätabends da war). :-kotz:-kotz
Was will die Sozialarbeiterin? Dass ihre Formulare ausgefüllt werden.
Was hat sie nicht gemacht? Rechtzeitig an ihre Formulare gedacht.
Was hast du gemacht? Die Formulare ausgefüllt, obwohl du die besten Gründe gehabt hast, es nicht mehr an dem Abend zu tun.
Wie wird sie es beim nächsten Mal machen, weil es beim letzten Mal auch gut geklappt hat? ...
Manchmal muss man so Leute einfach auflaufen lassen. Dann würde sie beim nächsten Mal gleich "first thing in the morning" gucken, ob sie dir noch irgendwas zukommen lassen muss, weil sie weiß, dass es nicht mehr läuft, wenn sie sich nicht rechtzeitig drum kümmert.
Natürlich sollte man sich im Krankenhaus in der Zusammenarbeit unter die Arme greifen, aber so wie du es beschreibst, steckt da eine gewisse Portion Frechheit ihrerseits und Aufopferungsbereitschaft, unter der du zu leiden scheinst, dahinter.
Was die "nervige" Patientin anbelangt: Hast du mal versucht, ihr einen Gesprächsrahmen vorzugeben à la "Ich habe jetzt genau drei Minuten Zeit für Sie und Ihre Fragen, dann muss ich weiter". Manchmal gibt es Patienten, die wollen auf Biegen und Brechen den Arzt zum Gespräch bei sich halten. Unter den abgesteckten Bedingungen nutzt sie die Zeit mit dir vielleicht sinnvoller.
Ansonsten ist ihr möglicherweise ein ZVK lieber?!
Was will die Sozialarbeiterin? Dass ihre Formulare ausgefüllt werden.
Was hat sie nicht gemacht? Rechtzeitig an ihre Formulare gedacht.
Was hast du gemacht? Die Formulare ausgefüllt, obwohl du die besten Gründe gehabt hast, es nicht mehr an dem Abend zu tun.
Wie wird sie es beim nächsten Mal machen, weil es beim letzten Mal auch gut geklappt hat? ...
Der Chef hat den Pat. noch am frühen Abend visitiert (das habe ich dann aus der Akte mitgekriegt) und da haben sich hinsichtlich der sozialen Versorgung neue Aspekte aufgetan, was er anscheinend dann stante pede wollte und dann fühlte sich die Sozialarbeiterin (ein junges Bachelorettchen in Sozialarbeit, wahrscheinlich ihre 1. Stelle seit ein paar Monaten) gleich aktiviert, alles umzusetzen. Vielleicht sollte sie mal ein Pflegepraktikum nachholen, wie wir es fürs Studium gebraucht haben oder einfach mal einen Tag auf Station bei mir mithetzen, damit Madamchen was begreift.
Was die "nervige" Patientin anbelangt: Hast du mal versucht, ihr einen Gesprächsrahmen vorzugeben à la "Ich habe jetzt genau drei Minuten Zeit für Sie und Ihre Fragen, dann muss ich weiter". Manchmal gibt es Patienten, die wollen auf Biegen und Brechen den Arzt zum Gespräch bei sich halten. Unter den abgesteckten Bedingungen nutzt sie die Zeit mit dir vielleicht sinnvoller.
Ansonsten ist ihr möglicherweise ein ZVK lieber?!
Ja, schade, dass ich keinen ZVK empfohlen habe, das hatte ich echt nicht auf dem Schirm. Wäre eine gute Idee gewesen. Naja, wird sich zeigen, ob der Zugang des Kollegen wirklich länger als einen Tag gehalten hat.
Die Pflege ist von der Frau auch dauergenervt.
Zum Glück läuft in ein paar Wochen mein Arbeitsvertrag (war ne Vertretungsstelle) ohnehin aus. Zu meinem Vergnügen werde ich jetzt noch 2 Wochen wieder mal in eine ganz andere Abteilung, die noch nicht mal meine Fachrichtung ist, wegen Backup zur Corona-Epidemie "ausgeliehen". Super, da lerne ich für meine Fachrichtung noch weniger als ohnehin schon.
Durfte dann in der Woche als Stationsärztin (ich war schon Wochen vorher nicht mehr in meiner eigenen Fachrichtung eingesetzt (wegen Ausleihens in die andere Abteilung sowie Urlaub/Überstunden) und kannte dann so gut wie gar keine Patienten mehr; musste mich erstmal in die Fälle einarbeiten und mein eigentliches Fachgebiet wieder kennenlernen und die Abläufe habe sich ja auch geändert wegen Corona-Prävention. Dann durfte ich erstmal Versäumnisse der letzten Wochen ausbügeln wie den Verlauf von Dekubiti, für die sich wochenlang kein Kollege (m/w) interessiert hatte sowie verpeilte Medikamente in den Kurven (zum Glück war die Pflege kooperativ und hat mich darauf aufmerksam gemacht).
Bin froh, wenn ich aus dieser chaotischen Abteilung weg bin.
Ich will nicht die Ärztin werden, die ich werden müsste, um mich in dieser Abteilung nicht kaputt zu machen. Das würde nämlich heißen, dass das Patientenwohl zugunsten des hohen Durchlaufs und zuungunsten der Gesundheit und Hygiene der Patienten noch mehr vernachlässigt werden müsste.
Darauf habe ich keinen Bock. Ich will dort auch gar keine Fachärztin werden. Das ist eine vollkommen unkoordinierte Ausbildung dort. Solange derselbe Chefarzt dort bleibt, wird sich nie etwas ändern, solange die Arbeit trotzdem irgendwie erledigt wird.
Das Unglaublichste war, ist schon ne Weile her, als ich in einer nicht oberärztlich angeordneten Überstunde (die man aber trotzdem macht, weil man sonst die Arbeit nicht schafft) eine zum Glück minimale Nadelstichverletzung (die Nadel ist mir quer gegen den Finger geprallt, zum Glück nicht richtig gestochen) bei einem multipel infizierten Patienten (Gott sei Dank nahm er HAART) erlitt.
Diese habe im normalen D-Arzt-Verfahren gemeldet. Von einem OA (mittlerweile dort nicht mehr tätig, aber nicht wegen der gleich geschilderten Sache) musste ich mir dann sagen lassen, wie ich auf die Idee käme, diese Verletzung dem Betriebsrat zu melden (das ist aber ein normales Verfahren im E-Mail-Verteiler der Unfallmeldung in unserem Haus). Der Betriebsrat mache eh schon wegen der Dienste so öfter Probleme. Er wisse gar nicht mehr, wann er das letzte Mal sowas gemeldet hätte. Ein anderer Oberarzt meinte dann: "Aber der Patient ist doch infiziert gewesen."
Jedenfalls mussten ich und meine Kollegin, die bei der Verletzung Zeugin war, dann eine Mail an den Betriebsrat schreiben, wie freiwillig wir abends noch dagewesen seien und das ganze runterspielen. Da habe ich gemerkt, die Gesundheit der Mitarbeiter ist in dieser Abteilung anscheinend mega egal. Ich habe das ganze D-Arzt-Verfahren durchlaufen und hatte mich zum Glück mit nichts infiziert (ich brauchte auch keine Prep).
So wichtig sind in dieser Abteilung die Mitarbeiter.
Jedenfalls mussten ich und meine Kollegin, die bei der Verletzung Zeugin war, dann eine Mail an den Betriebsrat schreiben, wie freiwillig wir abends noch dagewesen seien und das ganze runterspielen. Da habe ich gemerkt, die Gesundheit der Mitarbeiter ist in dieser Abteilung anscheinend mega egal. Ich habe das ganze D-Arzt-Verfahren durchlaufen und hatte mich zum Glück mit nichts infiziert (ich brauchte auch keine Prep).
Brandgefährlich. Damit implizierst du ja das es außerhalb der Arbeitszeit war und damit ist es eben kein Arbeitsunfall und auch KEIN BG-Fall mehr falls du dich mit was infizierst... Dann bist du die dumme die sich in ihrer Freizeit mit HIV und HepC infiziert hat und deswegen jetzt nicht mehr in ihrem Fach am Patienten arbeiten darf. Ohne BG-Rente. :-winky
Wenn du eh aus dem Haus weg bist würde ich eine zweite Mail hinterher schieben die ganz klar dokumentiert welcher OA auf dich Druck ausgeübt hat die erste zu schreiben. Dann CIRS Meldung (Nadelstichverletzung wegen systematischen Überstunden, bedrängen auf herunterspielen vor dem Betriebsrat und Implikation das soetwas regelmäßig nicht an den D-Arzt gemeldet wird => Da interessiert sich ggf. auch die BG für!). Dann Anzeige bei der Polizei und ganz wichtig auch beim Gewerbeaufsichtsamt wegen den systematischen Verstößen gegen das Arbeitszeitschutzgesetz. Letzere machen nämlich dem Chef persönlich die Hölle heiß.
Wenn du das erst machst falls in 6 Monaten HIV+ bei dir steht kommt es weniger glaubhaft rüber...
WackenDoc
06.06.2020, 18:06
"fühlte sich die Sozialarbeiterin (ein junges Bachelorettchen in Sozialarbeit, wahrscheinlich ihre 1. Stelle seit ein paar Monaten) gleich aktiviert, alles umzusetzen"
Wieso ist die Sozialarbeiterin jetzt dran schuld, dass du das auch noch mitmachst?
@Wackendoc
fühlte sich die Sozialarbeiterin (ein junges Bachelorettchen in Sozialarbeit, wahrscheinlich ihre 1. Stelle seit ein paar Monaten) gleich aktiviert, alles umzusetzen"
Wieso ist die Sozialarbeiterin jetzt dran schuld, dass du das auch noch mitmachst?
Es war ein Chefpatient und da hatte ich keine Lust auf Ärger seitens meines Chefs, wenn das bei der Morgenbesprechung noch nicht erledigt ist.
@Rettungshase
Brandgefährlich. Damit implizierst du ja das es außerhalb der Arbeitszeit war und damit ist es eben kein Arbeitsunfall und auch KEIN BG-Fall mehr falls du dich mit was infizierst... Dann bist du die dumme die sich in ihrer Freizeit mit HIV und HepC infiziert hat und deswegen jetzt nicht mehr in ihrem Fach am Patienten arbeiten darf. Ohne BG-Rente.
Danke für den den Hinweis. Ich habe alles am Verfahren eingehalten und es lief ganz normal BG-lich via Unfallversicherung. Ich habe die Unfallmeldung wahrheitsgemäß ausgefüllt (es ging ja das Theater los, weil diese Unfallmeldung halt auch an den Betriebsrat routinemäßig ging). Es ging rein um die Uhrzeit und die stand ja eben in meiner Unfallmeldung wahrheitsgemäß drin, ich war in der Rettungsstelle und alles.
Es war eine Blutentnahme, die ich noch aus dem normalen Tagdienst "nachgeholt" habe (lt. diesem "malignen" Oberarzt, wäre sowas nur zu rechtfertigen gewesen außerhalb der "regulären" Arbeitszeit, wenn es sich im einen Notfall gehandelt hätte, nicht um eine "normale" Routine-Blutentnahme). Ich war in Arbeitskleidung und habe noch Patientensachen dokumentiert (war also im Patienten-Doku-Programm eingeloggt) und das wäre ja auch nachzuweisen.
Ich habe dem Betriebsrat gegenüber begründet, warum ich noch gearbeitet habe zu der Zeit.
Ich habe seitdem immer versucht, in unseren Über-Überstunden invasive Tätigkeiten zu meiden.
Es ging nicht generell darum, Nadelstichverletzungen nicht zu melden (das wäre ja noch "maligner"), sondern es ging ihm um Ärger mit dem Betriebsrat wegen der Uhrzeit.
Sowas würde mich allerdings niemals dazu bringen, sowas nicht zu melden, meine Gesundheit (und die meiner Patienten und Kollegen) geht immer vor.
Das D-Arzt-Verfahren ist abgeschlossen und es ist alles gut.
Gut ist auch, dass ich da bald weg bin.
WackenDoc
06.06.2020, 19:16
Du verstehst es echt nicht, oder? Das Problem ist nicht die Sozialarbeiterin, sondern dass du jeden Mist mitmachst.
Spätestens nach der Sache mit der NSV hätte ich keine Millisekunde Überstunden mehr gemacht.
Ähm wegen Sozialdienstkram würde ich NIE und nimmer Überstunden machen. Überstunden mache ich 1. es gibt einen akuten medizinischen Notfall oder 2. es gibt ein wichtiges Gespräch mit Patient oder Angehörigen.
Meinst du, die Reha läuft früher, wenn du den Antrag um 18 Uhr statt am nächsten Tag um 8 ausfüllst?
Nee ich verstehe deinen Frust, aber den ersten Schritt musst du machen, und zwar nicht mehr mitmachen bei so einem Quatsch.
Du verstehst es echt nicht, oder? Das Problem ist nicht die Sozialarbeiterin, sondern dass du jeden Mist mitmachst.
Nein, mache ich nicht. Aber ich hätte am nächsten Tag keine Zeit dafür gehabt, wenn ich mehr als 20 Patienten, davon zwei Drittel schwerkrank, tagsüber auf Station weitgehend allein versorgen muss.
Außer dem finde ich Kommentare wie "Du verstehst es echt nicht, oder?" als unprofessionell und übergriffig hinsichtlich meiner Person.
@Kandra:
Spätestens nach der Sache mit der NSV hätte ich keine Millisekunde Überstunden mehr gemacht.
Geht nicht bei uns, wenn man seine Patienten wenigstens halbwegs gut versorgen will. Wir sind chronisch unterbesetzt und das wird von der Führungsebene ignoriert/toleriert. Keine Sorge, hat nichts mit Helfersyndrom bei mir oder so zu tun.
WackenDoc
06.06.2020, 20:13
Dann lass dich weiter ausnutzen, finde noch Ausreden dafür und schieb es anderen in die Schuhe.
WackenDoc
06.06.2020, 20:15
"und dann fühlte sich die Sozialarbeiterin (ein junges Bachelorettchen in Sozialarbeit, wahrscheinlich ihre 1. Stelle seit ein paar Monaten) gleich aktiviert, alles umzusetzen. Vielleicht sollte sie mal ein Pflegepraktikum nachholen, wie wir es fürs Studium gebraucht haben oder einfach mal einen Tag auf Station bei mir mithetzen, damit Madamchen was begreift."
DAS ist übergriffig und unprofessionell.
Und sich zwingen! lassen, die Arbeit des Betriebsrates zu untergraben? Ernsthaft? Mit welchem Druckmittel denn?
Feuerblick
06.06.2020, 20:24
Tja, und warum toleriert die Führungsebene die chronische Unterbesetzung? Genau, weil die Leute Überstunden machen, ihre Freizeit opfern und damit den Laden am Laufen halten. Ich frage mich wirklich, wann das jemals in die Köpfe eifriger Assistenzärzte reingeht. Gerade Briefe, Rehaanträge und Co müssen (!!) liegen bleiben. Mach das Wichtige und der Rest findet nicht statt. Wenn der Karren nicht gegen die Wand fährt, wird es keine neuen Stellen geben. Höchstens Tote bei Personal oder Patienten - natürlich außerhalb angeordneter Überstunden...
"und dann fühlte sich die Sozialarbeiterin (ein junges Bachelorettchen in Sozialarbeit, wahrscheinlich ihre 1. Stelle seit ein paar Monaten) gleich aktiviert, alles umzusetzen. Vielleicht sollte sie mal ein Pflegepraktikum nachholen, wie wir es fürs Studium gebraucht haben oder einfach mal einen Tag auf Station bei mir mithetzen, damit Madamchen was begreift."
DAS ist übergriffig und unprofessionell.
Und sich zwingen! lassen, die Arbeit des Betriebsrates zu untergraben? Ernsthaft? Mit welchem Druckmittel denn?
Die Sozialarbeiterin ist wohl eher nicht hier im Forum aktiv und erfährt nichts von meiner Formulierung hier. Das ist der Unterschied.
Der Betriebsrat toleriert bei uns auch schon recht viel bzgl. Diensten etc. und könnte sich da mehr einsetzen. Ich untergrabe da gar nichts.
Kein direktes Druckmittel (mir wurde auch nicht gedroht), aber ich war damals auch noch in der Probezeit und konnte mir nicht leisten, den Job zu gefährden, ich glaube aber nicht, dass der Chef was von der Bemerkung des Oberarztes wusste, er war nicht dabei beim Gespräch.
WackenDoc
06.06.2020, 20:50
Erst ist die Sozialarbeiterin Schuld, jetzt der Betriebsrat. Merkst du es eigentlich noch?
Natürlich untergraben solche Mails die Arbeit des Betriebsrates und du hast geschrieben, dass ihr gezwungen wurdet.
@Wackendoc:
Naja, er hat es wie eine Anweisung formuliert: "Sie schicken eine erklärende Mail an den Betriebsrat..." (Konsequenzen wurden nicht angedroht).
Wir (also die "Zeugin" der NSV und ich) waren beide noch in der Probezeit und hatten keine Kraft/Zeit, uns zu wehren.
Tja, und warum toleriert die Führungsebene die chronische Unterbesetzung? Genau, weil die Leute Überstunden machen, ihre Freizeit opfern und damit den Laden am Laufen halten. Ich frage mich wirklich, wann das jemals in die Köpfe eifriger Assistenzärzte reingeht. Gerade Briefe, Rehaanträge und Co müssen (!!) liegen bleiben. Mach das Wichtige und der Rest findet nicht statt. Wenn der Karren nicht gegen die Wand fährt, wird es keine neuen Stellen geben. Höchstens Tote bei Personal oder Patienten - natürlich außerhalb angeordneter Überstunden...
Ich bin da jetzt ein knappes Jahr und so wie ich es läuten höre, wird es immer schlimmer mit den Arbeitsbedingungen. Deshalb ist die Fluktuation an Assistenten ja auch recht hoch.
Mit "eifrig" hat das bei mir nichts zu tun. Bei uns ist Vorschrift, dass kein Patient ohne Brief entlassen wird. Wir Assistenten können die Briefe/Berichte auch nicht diktieren und im Schreibbüro schreiben lassen wie die Oberärzte und der Chefarzt, sondern müssen sie selbst tippen. Ich war froh, dass ich überhaupt eine Stelle im Fach gefunden hatte, das ist bei uns im Ballungsgebiet schwierig und ich bin teilweise ortsgebunden. Hätte ich es mir finanziell leisten können, wäre ich schon eher da weggewesen.
Es wird da halt immer so weiter gehen. Ich wurde als Assistenzärztin mit einer Vertretungsstelle behandelt, als ob ich für eine andere Weiterbildung eingestellt worden wäre; wurde nicht als vollwertig angesehen. War gut für die Routinearbeit, um den Laden mit am Laufen zu halten. Die Facharztausbildung ist da echt peinlich, weil alles ohne Struktur ist. Falls ich diese Fachrichtung weiter mache (im Moment schließe ich das aber weitgehend aus) und mich an einer anderen Fachklinik bewerbe, würden die Leute dort wahrscheinlich erschrecken, wie viele grundlegende Dinge in dem Fach ich nach 1 Jahr nicht kann, weil halt für Weiterbildung so gut wie keine Zeit ist und man die Dinge aus Zeitgründen nicht mal richtig üben kann. Man lernt so vieles nur halb oder gar nicht und beherrscht dann essentielle Dinge nicht, die andere Kliniken wahrscheinlich voraussetzen nach 1 Jahr.
Weil sie mich im Tagdienst brauchten (naja, Tagdienst, meist zog sich das ja bis den frühen oder späten Abend), haben sie mich nie Bereitschaftsdienste machen lassen. Ohne Begründung. Dann haben mir die Mitassistenten vorgeworfen ("Du machst ja keine Bereitschaftsdienste"). Das hat nichts mit Dienstunfähigkeit zu tun. Niemand hatte Interesse, mich bereitsschaftsdienstfähig zu machen. Aber tagsüber Diensthandy (Rettungsstelle, ITS, Schockraum, allgemeine Anfragen) teilweise plus Elektivaufnahmen, das ging natürlich. Dazu teilweise ein furchtbares Schreiklima unter den Assistenten einschließlich Streit vor dem OP mit einem fortgeschrittenen Assistenten, der sich weigern wollte, mein Tag-Diensthandy zu übernehmen, weil ich als OP-Assistenz in den Saal musste mit einem Dienstfall. Dazu bezüglich der OP-Einteilung konsequente Bevorzugung von männlichen Assistenten (obwohl wir von den Assistenzärzten her gendermäßig 50/50 waren) durch eine OberÄRZTIN (bei Oberärzten war das nicht der Fall)
Aber bald ohne mich.
Das Problem ist doch dass hier erfahrene Leute schreiben wie ein eher unerfahrener sich benehmen solle. Das klappt meist nicht. Hat bei mir auch nicht geklappt. Ich musste auch alle Fehler selbst machen und es auf die harte Tour lernen.
Irgendwann weiß man dann zu priorisieren. Irgendwas mit dem Sozialdienst klappt nicht und der Patient ist einen oder drei Tage zu lang da? Ist mir doch egal. Nicht wirklich mein Problem. Inzwischen. Früher hab ich versucht sämtliche Hebel in Gang zu setzen, inzwischen seh ich das entspannt. Hat eine solche zu lange Verweildauer was mit Medizin zu tun? Nein. Wofür bin ich eingestellt? Um Medizin zu machen.
Man lernt es halt auf die harte Tour wenn man sich mal mehrere Stunden intensiv bemüht einen Patienten los zu bekommen, das dann nicht klappt und man dann vom Chef einen Anschiss bekommt. Und man dann weiß dass man in der Zeit viel sinnvollere Dinge hätte tun können und man den Anschiss eh bekommen hätte.
Ich war noch in keiner Klinik in der die Weiterversorgung eher super geklappt hätte. Das liegt meist nicht am Sozialdienst sondern die finden halt keinen Kurzzeitpflegeplatz, keinen Pflegedienst, kein sonstwas. Nicht mein Problem. Wenn die mir einen Antrag hinlegen füll ich den innerhalb von 24h aus. Zu einem Zeitpunkt den ich festlege. Meist Ende Vormittag oder Anfang Nachmittag. Die letzten Stunden des Tages sind dazu da dass ich nochmal die Sachen durchgeh ob ich nicht was wichtiges vergessen hab und den nächsten Tag plane. Nicht für solchen Papierkram. Und der Vormittag beginnt mit den medizinisch wichtigen Sachen. Und irgendwann nehmen die morgens wichtigen Sachen ab, dann passt so Zwischenzeugs gut rein...
Feuerblick
07.06.2020, 07:17
Die Unerfahrenen könnten es den Erfahrenen auch einfach mal glauben... Wie kann man sich nur so ausbeuten und besch**** lassen? Keine Weiterbildung, Überstunden (auch unbezahlt), Anschiss vom Sozialdienst und dann auch noch Druck, man solle seine in Überstunden gemachte NSV bitte nicht melden, weil man ja quasi gar nicht mehr da sein durfte. Ernsthaft??? Wieviele „harte Touren“ brauchts denn noch?
Ja, das wird an dem Haus immer so weitergehen. Und warum? Weil es immer Leute geben wird, die zwar meckern und jammern, es sich aber gefallen lassen. Dann wundert man sich, dass sich nix ändert und schiebt es auf andere. Und wenn dann mal richtig was passiert und jemand zu Schaden kommt, ist das Geschrei groß. Dass man selbst aber diese Zustände am Laufen gehalten hat, das möchte man lieber nicht hören :-wand
Stimmt. Ich war nur selbst in manchen Bereich genauso blöd. Am Allerdümmsten war ich beim Thema Einspringen bei Diensten. Am Anfang hab ich quasi immer ausgeholfen, weil geht schon irgendwie, irgendwer muss es ja machen usw. Und als Belohnung an den Tagen natürlich nicht in den OP gekommen weil ich dann ja im Tagdienst nicht da war. Und solche Dienste werden einem ja nicht gedankt. Eher bekommt man bei fachübergreifenden Diensten vom Chef von einen Anschiss weil man nicht da ist. Und weil man ja unkompliziert geholfen hat wird man das nächste Mal auch wieder gefragt. Als Erstes. Weil ja so unkompliziert ist, weil man ja so schnell geholfen hat. Und wehe man hilft dann mal nicht aus. Dann aber! Dann kommt der Versuch von allen Seiten Druck aufzubauen.
Und die Anderen? Es gibt Leute die grundsätzlich nie aushelfen. Die vertreten ihre Weigerung mit einer völlig unaufgeregten und entspannten Durchsetzungskraft über die ich nur staunen kann. Und weil sie nie einspringen, werden sie auch nie gefragt, weil man sie ja eh nicht fragen braucht.
Und dann macht man halt schnell mal außerplanmäßig einen Nachtdienst zum Tagdienst dazu, weil geht schon etc., scheiß auf Arbeitszeitgesetz.
Und irgendwann eskaliert es dann. Dann wird man auch noch im Urlaub, den man grad im Ausland verbringt, mehrfach angerufen dass man einspringen muss weil es sonst niemanden gibt der das machen könnte und man merkt: oha, jetzt ist doch was aus dem Ruder gelaufen. Und erst dann hab ich ernsthaft Konsequenzen gezogen.
Und so ist es halt mit anderen Sachen irgendwie auch. Keine Weiterbildung: hatte ich. Hab es versucht zu ändern, war erfolglos, hab gekündigt... usw.
Ich hab daher trotzdem immer wieder mal die "harte Tour" gebraucht auch wenn ich es eigentlich wusste dass alles schief läuft.
ehem-user-21-08-2020-1502
07.06.2020, 15:52
Ich bin naiv ins Studium gestartet und wusste natürlich, dass im KH nicht alles toll ist. Das die von Zilla beschriebene Situation aber mehr oder weniger flächendeckend vorkommt, hätte ich in einem Mangelberuf nicht in dem Maße erwartet. Es handelt sich ja um Papierkram und nicht um einen medizinischen Notfall. Dauernd geplante ÜS für Papierkram zu leisten, würde mir absolut die Freude am Beruf nehmen. Ich will eigentlich nicht auswandern, aber anscheinend muss ich es doch. Ich werde wohl eines der Psych-Fächer oder Allgemeinmedizin machen und diese Fächer sind auch chronisch unterbesetzt. Wenn man noch nichtmal in der Psychiatrie ohne Unmengen an geplanten ÜS auskommt.....
Feuerblick
07.06.2020, 15:55
Wie gesagt: Solche Zustände herrschen nur deshalb vor, weil sich Assistenzärzte dies alles aus mir immer noch unerfindlichen Gründen gefallen lassen. Aus welchem Grund auch immer da das Selbstvertrauen fehlt, für sich selbst vernünftige Arbeitsbedingungen einzufordern und dies ggf. durch kontrolliertes "Abbrennen" der Station zu untermauern. Ich werde das nie verstehen. Vielleicht hatte ich auch einfach nur Glück und bin in diversen Stellen an Kollegen in der Assistentenrunde geraten, die alle auch keine Lust hatten, sich ausbeuten zu lassen. :-nix
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