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FirebirdUSA
28.08.2020, 18:43
Hab Erdheim Chester schon gehabt... ist in meiner Orbitasammlung drin
Seit ich auf die IMC rotiert bin, häufen sich gefühlt die Fälle, bei denen ich mich über den pekuniären Trieb meines Chefs aufrege... allein diese Woche: es wurde ein uralter dementer Patient gastrektomiert- bei kleinem bislang asymptomatischen Magentumor und langsam wachsendem Rezidivkarzinom eines anderen Organs - da kann man sich schon über die Indikation streiten, aber das absurde war: dieser nachweislich schon seit langem nicht mehr orientierte Mann ist Privatpatient und musste, jetzt im Urlaub des Chefs, eine Individualvereinbarung unterschreiben(!)mit der er zustimmt, dass er vom Chefvertreter behandelt werden darf. Der merkt gar nicht, wer ihn behandelt, aber hauptsache, das Geld fließt...
Dann musste ich letzte Woche unbedingt einen Sprechstundenpatienten überrumpeln, dass er schon am nächsten Tag operiert werden sollte - nur weil sich dort eine Lücke im OP-Plan aufgetan hatte und heißt, dass jede Op-Minute ausgenutzt werden muss. Also alles vorbereitet- am nächsten Tag fiel aber genau diese OP dann doch aus wegen fehlender IMC-Kapazität. Denn die ist ja auch auf Kante genäht.
Und auch blöd: eine Patientin sollte letztens auf Wunsch ihrer Angehörigen in die Geriatrie verlegt werden, das hätte ihr sicher auch gut getan - aber der Chef hat ihr sogar ins Gesicht gesagt, dass das nicht geht, weil wir sonst kein Geld für ihren Fall bekommen.
Das ist überhaupt das bekloppteste Problem des DRG-Systems: Vielen wird die nötige inhäusige Verlegung verwehrt, weil die entlassende Fachabteilung dann die Fallpauschale bekommt- weiß da irgendjemand ob das mal politisch angegangen wird?
Sorry, musste mal meckern. :-(
FirebirdUSA
28.08.2020, 20:06
Seit ich auf die IMC rotiert bin, häufen sich gefühlt die Fälle, bei denen ich mich über den pekuniären Trieb meines Chefs aufrege... allein diese Woche: es wurde ein uralter dementer Patient gastrektomiert- bei kleinem bislang asymptomatischen Magentumor und langsam wachsendem Rezidivkarzinom eines anderen Organs - da kann man sich schon über die Indikation streiten, aber das absurde war: dieser nachweislich schon seit langem nicht mehr orientierte Mann ist Privatpatient und musste, jetzt im Urlaub des Chefs, eine Individualvereinbarung unterschreiben(!)mit der er zustimmt, dass er vom Chefvertreter behandelt werden darf. Der merkt gar nicht, wer ihn behandelt, aber hauptsache, das Geld fließt...
Dann musste ich letzte Woche unbedingt einen Sprechstundenpatienten überrumpeln, dass er schon am nächsten Tag operiert werden sollte - nur weil sich dort eine Lücke im OP-Plan aufgetan hatte und heißt, dass jede Op-Minute ausgenutzt werden muss. Also alles vorbereitet- am nächsten Tag fiel aber genau diese OP dann doch aus wegen fehlender IMC-Kapazität. Denn die ist ja auch auf Kante genäht.
Und auch blöd: eine Patientin sollte letztens auf Wunsch ihrer Angehörigen in die Geriatrie verlegt werden, das hätte ihr sicher auch gut getan - aber der Chef hat ihr sogar ins Gesicht gesagt, dass das nicht geht, weil wir sonst kein Geld für ihren Fall bekommen.
Das ist überhaupt das bekloppteste Problem des DRG-Systems: Vielen wird die nötige inhäusige Verlegung verwehrt, weil die entlassende Fachabteilung dann die Fallpauschale bekommt- weiß da irgendjemand ob das mal politisch angegangen wird?
Sorry, musste mal meckern. :-(
Bei schlauen Angehörigen gibt es im Zweifel gar kein Geld für die Klinik, da kein gültiger Behandlungsvertrag vorlag... und das mit dem DRG System ist doch eigentlich gar kein Problem: Die Klinik bekommt ja das Geld, das Problem ist dass in-house das Geld dann nicht auf die beteiligten Abteilungen sinnvoll umgebucht wird. Das ist doch eigentlich nur ein Problem eurer Buchhaltung, das sich mit der vorliegenden Behandlungsakte leicht lösen lies. Das der CA bei wahrscheinlich hoher erfolgsabhängiger Vergütung oder ggf. auch nur Mitarbeiterbudget abhängig von Abteilungsbudget o.ä. da dann keine Lust hat zu Verlegen verstehe ich, geht aber trotzdem gar nicht sondern müsste im eigenen Haus mit der Buchhaltung/GF geklärt werden.
roxolana
28.08.2020, 22:11
Also unsere Gefäßchirurgen haben mal jemanden ein halbes Jahr lang behandelt, inkl. mehrerer Zwei-Höhlen-Eingriffe samt Herzlungenmaschine, bevor sie ihn hausintern verlegt haben. Ich kann mir schlecht vorstellen, dass sie dafür so gar kein Geld bekommen haben...
juke5489
28.08.2020, 23:18
Also unsere Gefäßchirurgen haben mal jemanden ein halbes Jahr lang behandelt, inkl. mehrerer Zwei-Höhlen-Eingriffe samt Herzlungenmaschine, bevor sie ihn hausintern verlegt haben. Ich kann mir schlecht vorstellen, dass sie dafür so gar kein Geld bekommen haben...
Bei uns hängt das am Case mix Index der einzelnen Abteilungen. Wenn der Patient lange genug in einer Abteilung mit hohem CMI lag, geht am Ende das Geld dahin, auch wenn hintenraus nochmal ne Verlegung in eine andere Abteilung (bei uns gern Geri oder Nephro) passiert.
Hab das System aber auch noch nicht durchblickt. Ist mir aber auch Wurst, Geld bleibt schließlich im Klinikum.
Hm das ist schon ein strukturelles Problem, mir ist eingefallen, dass es in meinem alten Haus eine Regelung mit einem Partner-KH gab. Unsere Patienten in deren Geri und vice versa. Den Angehörigen wurde dann immer erzählt, hier sei gerade kein Bett frei, aber eben im KH xy.
Ich muss mich mal mit unserem DRG-Beauftragen drüber unterhalten. Es betrifft ja ebenso sehr notwendige Palli- oder Onkoverlegungen.
Ich habe gefühlt ewig auf die Bestrahlungsplanung für meinen Sohn gewartet, während ich mit ihm noch stationär in der Kinderonko lag, postoperativ nach Biopsie. *Leider* gab es keine Kapazität. *Zufällig* bekamen wir dann am Tag nach E einen Termin, sobald der E-Termin feststand. Man, war ich damals sauer. Bin ich eigtl heute noch. Während dieser Zeit konnte man zusehen, wie er sich von Tag zu Tag verschlechtert. Aber klar, ambulant kann gesondert abgerechnet werden :-kotz Seit ich wieder auf der anderen Seite des Systems unterwegs bin, habe ich da nochmal deutlich weniger Verständnis für monetäre Argumentation. Solange es dem Patienten nicht schadet, ok. Die Kliniken müssen ja auch irgendwie überleben. Aber nicht auf Kosten des Patienten.
Man hat seinerzeit die schlipstragenden Zahlendreher als Schiffsjungen mit an Bord gelassen und die haben sich mal eben die Kapitänsmütze aufgesetzt und das Ruder übernommen. Das hätte man niemals zulassen dürfen. Nun ist es auf Jahrzehnte zu spät als dass man das noch ändern könnte. Ein Krankenhaus ist keine Autofabrik, das verstehen die nur nicht.
Ich bin seit 20 Monaten in meiner Klinik und hab schon den dritten Kaufmännischen Direktor. Und immer wird noch mehr gespart (im Sinne von wir bezahlen eine gute sechsstellige Summe an ein inkompetentes Beratungsunternehmen, was das vorschlägt, den Patienten den einen Apfel pro Tag am Essen wegzurationalisieren!?)
Colourful
30.08.2020, 14:04
@Amy
Wie furchtbar. Ich habe dafür auch gar kein Verständnis.
@crossie
Und der eine Apfel ist vielleicht noch das Gesündeste am Krankenhausessen. Und Ernährung hat ja nichts mit Gesundheit zu tun.
tragezwerg
30.08.2020, 14:37
Auf die Teppichbodenetage habe ich auch seit Jahren eine wachsende Wut...das sind derart selbstherrliche Individuen, die aber offensichtlich keine Ahnung haben, wie der tatsächliche Klinikalltag so abläuft.
Verdienen tun die aber natürlich das fünffache Gehalt, die Sesselpupser. Und ich darf mir dann anhören, dass wir im Schnitt 2 Fläschchen Fibrinogen pro Quartal zu viel verbrauchen. WTF???
Das geile ist ja auch, dass viele dieser genialen kaufmännischen Direktoren nach 2-3 Jahren (mit entsprechender Abfindung) gefeuert werden und dann direkt in der nächsten Klinik weitermachen können...
cartablanca
30.08.2020, 15:20
Man hat seinerzeit die schlipstragenden Zahlendreher als Schiffsjungen mit an Bord gelassen und die haben sich mal eben die Kapitänsmütze aufgesetzt und das Ruder übernommen. Das hätte man niemals zulassen dürfen. Nun ist es auf Jahrzehnte zu spät als dass man das noch ändern könnte. Ein Krankenhaus ist keine Autofabrik, das verstehen die nur nicht.
Ich bin seit 20 Monaten in meiner Klinik und hab schon den dritten Kaufmännischen Direktor. Und immer wird noch mehr gespart (im Sinne von wir bezahlen eine gute sechsstellige Summe an ein inkompetentes Beratungsunternehmen, was das vorschlägt, den Patienten den einen Apfel pro Tag am Essen wegzurationalisieren!?)
Ja diese schlauen kaufmännischen Direktoren rationalisieren an allem: Mitarbeiter, Gehälter der Mitarbeiter, Mitarbeiterkantine, neue Ausrüstung, um ein anderes Spektrum an Indikationen abzudecken, dem Labor... aber nicht an der Bürokratie, die jeden Tag mindestens 20 % der Arbeitszeit frisst. Und am Ende muss man Honorarmitarbeiter einstellen, die dann dreimal soviel Kohle kosten.
Unter'm Strich rechnen sie irgendwie eine schwarze Zahl raus und bekommen dafür ihren Bonus. Daher interessiert sie das nicht besonders.
Wie sollen die Gehälter kürzen wenn nach dem Tarifvertrag bezahlt wird?
Aber klar, es herrscht immer ein Druck auf allen Ebenen dass am Ende eine schwarze Zahl rauskommt.
Unwirtschaftliche Einsparungen wirken sich aber auf Dauer nicht positiv in der Hinsicht aus - auf Dauer kommen Verluste raus. Wenn der Geschäftsführer nur ständig ausgetauscht wird denkt dieser notwendigerweise automatisch immer nur kurzfristig.
Die Lösung die dann offensichtlich scheint ist, dass man die Leute länger verpflichtet, dass ein Geschäftsführer mehrere Jahre bleiben "muss" - dann hat er auch mehr Interesse an langfristig nachhaltigen Lösungen und Investitionen. Klar kann man niemandem verbieten zu kündigen, aber man sollte sie auch nicht kündigen oder "austauschen".
Und auch Bonuszahlungen nicht an kurz-sondern langfristige Leistungsparameter orientieren.
Ich glaube dann würde sich einiges verbessern.
cartablanca
31.08.2020, 00:39
Wie sollen die Gehälter kürzen wenn nach dem Tarifvertrag bezahlt wird?
Alle Mitarbeiter am Haus erhalten eine 3 %ige Kürzung p.a.. So etwa.
Alle Mitarbeiter am Haus erhalten eine 3 %ige Kürzung p.a.. So etwa.
Ist dir das so passiert? Oder nur eine "kreative Idee" von dir? So viel Kritik an Verwaltungsabteilungen und Klinikleitungen ich teilen kann - so was ist mir bei sämtlichen Trägern (alle VKA) noch nie untergekommen - Tarifentgelte wurden immer korrekt bezahlt. Selbst der Versuch so eine Kürzung klinikweit durchzusetzen (vielleicht auch noch heimlich und nebenbei) würde von massiver Berichterstattung und (berechtigter) lautstarker Kritik seitens sämtlicher verantwortlicher Gewerkschaften begleitet.
In einem kirchlichen Haus, wo ich tätig war, ist mir das schon passiert. Aber da liefen auch eine ganze Menge anderer fragwürdige Dinge auf Verwaltungsebene ab...
cartablanca
31.08.2020, 11:00
https://www.google.com/amp/s/www.derwesten.de/politik/an-nrw-kliniken-drohen-personalabbau-und-gehaltskuerzungen-id7738276.html%3fservice=amp
Nein, das war nicht meine kreative Idee.
Ist dir das so passiert? Oder nur eine "kreative Idee" von dir? So viel Kritik an Verwaltungsabteilungen und Klinikleitungen ich teilen kann - so was ist mir bei sämtlichen Trägern (alle VKA) noch nie untergekommen - Tarifentgelte wurden immer korrekt bezahlt. Selbst der Versuch so eine Kürzung klinikweit durchzusetzen (vielleicht auch noch heimlich und nebenbei) würde von massiver Berichterstattung und (berechtigter) lautstarker Kritik seitens sämtlicher verantwortlicher Gewerkschaften begleitet.
Habe ich auch einmal an einer Klinik in Ravensburg erlebt (privater Träger). Allerdings wurde dies als Änderungstarifvertrag in Folge der Insolvenz der Klinik verkauft, den man unterschreiben musste. Wer dies jedoch in Zeiten von massivem Fachkräftemangel unterschreibt, ist letztendlich nicht weniger Schuld am Ergebnis.
Das sind dann tatsächlich verrückte Zustände, von denen ich nicht gedacht hätte dass Gewerkschaften/Mitarbeiter/ Betriebsräte sowas schlucken ohne großen Widerstand (wobei im Artikel nicht drin stand ob sie das mit der Kürzung dann auch durchgezogen haben+ Stellenkürzungen gab es ja in jedem Fall...) Bei maximaler Arbeitsbelastung + Gehaltskürzung - wenn auch nur angedroht ist die Arbeitsmoral/Motivation da auch bestimmt grossartig. Diskussionen um Wirtschaftlichkeit und Einsparmaßnahmen hatte ich im persönlichen Umfeld bisher immer anders erlebt - vielleicht hatte ich bisher aber auch immer relatives Glück mit meinenArbeitgebern, dass die nicht auf solche solchen kreativen Ideen gekommen sind.
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