Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Treffpunkt für gestresste Assistenzärztinnen und -ärzte
Mich stört, wie sehr mein Befinden von Bagatell-Ereignissen auf der Arbeit abhängig ist. Das ist echt mal ne neue Erfahrung und das nervt mich. Dabei muss ich ehrlicherweise eingestehen, dass ich es gut habe. Ich arbeite sehr gerne, bekomme Teaching, Feedback und auch Lob. :-nix
Das ist am Anfang glaub ich ziemlich normal. In einem halben Jahr, Jahr, wirst du dir solche Dinge nicht mehr so zu Herzen nehmen.
Kackbratze
26.03.2022, 11:30
Zu hohe Ansprüche an sich selber sorgen für solche Gefühle. Einfach langsam starten, dann kann man auch selber besser beurteilen, was wirklich schlimm ist und was eine echt banale Sache ist.
Danke Kacke, das kann sein.
N'Abend, ihr Lieben!
Ich hoffe, bei euch ist alles gut!
Ich habe jetzt die ersten 4 Monate der Assistenzarztzeit überstanden und es ist wirklich anstrengend, aber ich bin dennoch super glücklich. Es gibt natürlich nichtsdestotrotz, gerade in den Diensten, immer wieder brenzlige Situationen.
Leider ist mir aktuell etwas passiert, was mich zum ersten Mal auch fragen lässt, was solche Dinge für rechtliche Konsequenzen haben kann. Es ging um einen Menschen, der mit Alkoholintox bei uns eingeliefert wurde und leider hat man bei Aufnahme, obwohl meine Kollegen aus dem Frühdienst extra drum gebeten hatten, Ethanol mitbestimmt und der Wert lag am Ende bei gut 3 Promille. Für die Person wird das kein hoher Wert gewesen sein und sie war darunter im Verlauf auch wach, ansprechbar und gang- und standsicher, aber vor Gericht zählt ja nur der Wert. Nach Ausschluss von Traumafolgen und Versorgung einer kleinen Platzwunde sollte dann eigentlich die stationäre Aufnahme erfolgen, aber wie das nun mal so ist, wollte die Person partout nach Hause und lehnte eine weitere Versorgung ab, auch in der ZNA selbst wurde der Mensch bereits renitent. Nach Unterzeichnen einer Entlassung gegen ärztlichen Rat haben wir dann ein Taxi nach Hause bestellt.
Leider habe ich dann einige Stunden später erfahren, dass sich die Person zuhause wohl, vermutlich beim Konsum von weiteren Drogen, Brandverletzungen 3. Grades zugezogen hat und erneut in eine Klinik eingeliefert werden musste. Erstens tat mir das natürlich extrem Leid, dass ich das nicht verhindern konnte. Zusätzlich frage ich mich: Sollte so ein Fall vor Gericht kommen, wer haftet dann letztendlich, weil durch den ollen Ethanol-Wert sieht die Sache ja schlecht aus und selbst die Unterschrift wird vermutlich wenig Bedeutung haben. Kann man für sowas theoretisch seine Approbation verlieren?
Leider kommen solche Leute tagtäglich in unsere ZNA und es ist immer wieder super schwierig, da teilweise auch Personal gefährdet wird und die zuständigen Behörden sind oft wenig hilfsbereit; ich weiß leider noch nicht, wie man solche Fälle am besten behandelt.
Danke euch erstmal!
Blaulicht86
05.04.2022, 00:21
Ich bin kein Anwalt, kann dir aber sagen, dass du nicht er erste bist dem so etwas in der Art passiert ist. Auch wenn das forensisch heikel sein kann, wenn bei allen gleich die Approbation weg wäre, gäbe es glaube ich nicht mehr viele Ärzte in den Kliniken.
Ein Gedächtnisprotokoll anzulegen Ist nie verkehrt, irgendjemand im Dienst (PP, Kollege..) wird es gegeben haben, der bezeugen kann, dass der Patient (bestimmt..) ein hohes Funktionsniveau hatte, allseits orientiert war und inhaltlich (bei der ausführlichen Aufklärung über Komplikationen bis hin zum Tod…) folgen konnte. Aber du hast recht, den Promillewert kann man nicht wegreden. Dennoch ist die Entlassung gg. ärztlichen Rat auch unter den Umständen immerhin etwas.
Fürs nächste mal: erstmal an den Tropf, sofern ihr Atemalkoholtests habt mit Wasser vorher den Mund auspülen / trinken lassen. Sonst misst das Gerät unter Umständen noch direkt den letzten Schluck Vodka. Hintergrund anrufen, Sachlage schildern. (Über 1,5%o lasse ich keinen mehr gg. ärztlichen Rat gehen, wenn der Pat. einverstanden ist nüchtert er wenn’s nur um ein paar 0,xxx geht ein paar Stunden in der Aufnahme aus). Wenn er sagt soll bleiben und der Patient wird ungemütlich/ will gehen Polizei hinzuziehen und Diensthabenden Arzt der zuständigen Psychiatrie anrufen. Bzgl. der Rechtsgrundlage für den Transport bis zur Klinik (POG) sollte sich dann die Polizei kümmern. RTW bestellen und ab.
Ich würde meinen Kopf als Assistent dafür nicht hinhalten. Man weiß nie ob jmd direkt über den Bordstein stolpert, wenn er die heiligen Hallen der Klinik verlässt.
Bevor ich wusste wie’s läuft habe ich bei sowas immer meinen Hintergrund angerufen.
Lass es dir eine Lehre sein und pass bei Patienten mit eingeschränkter Einsichtsfähigkeit / Steuerungsfähig, egal welches Krankheitsbild, in Zukunft gut auf und versichere dich beim OA rück. Und zum Schluss sei dir gesagt: Doku, Doku, Doku (auch wenn sie nervt).
Danke dir für deine fixe Antwort :)
Ja, die Person war ja sogar 6 Stunden bei uns mit Flüssigkeitsgabe, Thiamin etc., auf Station legen lassen wollte sie sich nicht und wie gesagt, nach 6 Stunden war dann ein Punkt erreicht, bei dem auch in der ZNA liegen von ihr nicht mehr akzeptiert wurde. Außerdem wurde dann eben sogar auch eine gewisse Renitenz an den Tag gelegt, die ZNA war brechend voll und die Pflege hat mal wieder drauf gedrängt, den Laden leer zu räumen. Das gute ist natürlich, dass der Mensch von mehreren Personen, ärztlichen Personal sowie Pflege gesehen wurde, somit können mehrere unterschiedliche Leute die Gang- und Standsicherheit und klare Äußerung bezüglich der Entlassung gegen ärztlichen Rat bestätigen, aus verschiedenen Fachrichtungen. Aber ja, ich hätte das nochmal mit dem Hintergrund abklären müssen, das ärgert mich sehr, normalerweise mache ich das auch immer, aber heute war so viel Stress und es war nicht anders machbar.
Ich hoffe wie gesagt, es geht gut für den Menschen aus und ich hoffe mal, dass das ganze ohne rechtliche Konsequenz für mich bleibt. An solche Fälle werde ich mich wohl nie gewöhnen.
Danke dir aber erstmal :)
Hallo Marvino,
wegen sowas verliert selbstverständlich keiner seine Approbation! Aber immer alles gut und nachvollziehbar dokumentieren!
Mit der C2-Intox ist es ein bisschen heikel. In meiner Assizeit hab ich niemanden gehen lassen, der mehr als 1 Promille hatte, egal wie er drauf war. Mittlerweile ist es wohl so, dass man es eher vom individuellen Zustand abhängig macht, und wenn Gangsicherheit und Orientierung bestehen, dann soll er halt gehen. Was er danach so treibt mit vermutlich weiterer Stoffzufuhr, ist nicht mehr dein "Problem". Klingt erst mal hart, aber wir sind keine "Retter". In erster Linie ist dieser Mensch für seine Suchterkrankung verantwortlich, hat sie produziert und hält sie am Laufen.
Leider musst du dich an sowas gewöhnen, denn das wichtigste ist, das du selbst dich nicht fertig machst und darüber krank würdest, damit wäre niemandem geholfen.
Gruß rafiki
cartablanca
05.04.2022, 10:27
Fraglich, ob er mit 3 Promille geschäftsfähig war. Sowas kommt nicht vor Gericht. Wo kein Kläger, da kein Richter und der wirkt nicht als ob er klagt.
Wegen fehlender Geschäftsfähigkeit kann man sowieso niemanden irgendwo festhalten.
Wie dokumentiert ihr Eure WB? War mein Lebtag zu faul mich mit Excel zu beschäftigen und führe meine räudig erstellte Excel Tabelle, die ich im PJ angefangen habe, schlampiger weiter denn eh und je und würde das gerne etwas schlauer aufstellen. Verpasst man nix, wenn man entsprechend der Muster-WBO der BÄK simple Tabellen führt oder sollte ich da noch irgendwas beachten? Auch hinsichtlich Eventualitäten wie Wechsel WB-Stätte, ÄK und Fach.
Hab mir die MEDISteps App mal angeguckt und die ist simpel und bequem. Wenn das so reicht, wäre nicht das schlechteste :)
In was für Krankemhäusern arbeitet ihr denn? Wir haben jede Schicht unsere Standardkandidaten mit irgendwo zwischen 3,5 und 5,5 Promille, die irgendwo rumlagen wo es den Bürger gestört hat und dann durch den Rettungsdienst zu uns verbracht werden. Die liegen dann zwischen 2 und 10 Stunden auf dem Flur und gehen „nach Hause“ wenn ihnen danach ist. Und wenn sie 15 Minuten später wiederkommen, dann ist das so. Das sind schwerst Suchtkranke Menschen, mit welchem Recht möchtest du sie denn zwangsfesthalten? Klar, wenn jemand absolut gangunsicher ist, aber in der Regel kann man sich mit den meisten nach 2 Stunden Schlaf wieder unterhalten.
Es gibt auch keinen wirklichen Rechtsrahmen für das Festhalten in der ZNA. Die akute Alkoholintoxikation ist ein internistisches Krankheitsbild. Eine Zwangsbehandlung in einer somatischen Klinik ist nicht möglich. Eine Eigengefährdung nach PsychKG ist arg konstruiert und ermöglicht auch nur die Aufnahme auf eine geschlossene Psychiatrie, die wiederum nicht den akuten Rausch behandelt. Es bleiben damit eigentlich nur Hilfskonstrukte wie der rechtfertigende Notstand oder die Geschäftsführung ohne Auftrag, welche kaum zu begründen sind, wenn ein schwerst alkoholkranker Mensch mit einem für ihn erträglichen Pegel gerne in seine Häuslichkeit zurück möchte. Jemanden mit 1,1 Promille am Verlassen des Krankenhauses zu hindern ist schlicht Freiheitsberaubung, mit dem Pegel darf man völlig legal Fahrradfahren!
Mistermeo
05.04.2022, 20:03
Ehrlicherweise ist es auch nicht unmöglich, dass eben jene Personen ohne Nachschub, so blöd es klingt, entzügig werden und ggf. krampfen. Bei uns werden die Leute auch gehen gelassen, sobald denen danach ist. Festhalten kannste sie sowieso nicht.
cartablanca
06.04.2022, 00:15
Festhalten geht natürlich nicht, aber man kann die Polizei rufen.
Absolute Arrhythmie
06.04.2022, 04:04
Der typische C2-Intox liegt bei uns in der ZNA rum, bis er gang- und standsicher ist. Die meisten hauen einfach ab, wenn sie wach genug sind und keinen Bock mehr haben. Ich hab dann immer dokumentiert dass der Patient eben die ZNA ohne erneuten Arztkontakt eigenständig verlassen hat.
Bei Randale hab ich die Polizei geholt und den Patienten, wenn medizinisch möglich, in die Ausnüchterungszelle verbringen lassen.
Gilt natürlich alles nur für "unauffällie" C2-Intox. Jmd der nicht adäquat wacher wird oder neurologische Auffälligkeiten i.S. z.B. von Pupillendifferenz hat gehört natürlich entsprechend weiter untersucht und überwacht.
Ich hab mir da ehrlich nie Gedanken gemacht, wenn so ein Patient meine ZNA wieder verlassen hat. War mir immer lieber als die Leute irgendwann raus werfen zu müssen, wenn sie wieder fit sind und lieber im warmen bleiben wollen, aber kein Platz mehr ist.
@DA1994: Klar ist das so in der Somatik. Ich sprach nur für die Psychiatrie, in der recht strenge Regeln bzgl. möglicher Gefährdungslage herrschen und man auch relativ schnell rechtlich unterbringt. Oft auch übertrieben schnell.
Züschata
06.04.2022, 07:09
Find ich interessant die Diskussion. Dass die Intoxikation eine internistische Diagnose ist stimmt klassifikatorisch jedoch nicht, es ist eine F-Diagnose. Dass in der ZNA der Aspekt des möglichen Krampfanfalls und auch die eingeschränkten Urteilsfähigkeiten ignoriert werden, halte ich mindestens mal für eine Grauzone. Ich habe aber auch in einer P-Klinik gearbeitet, in der wir Pat. mit 2,5 Promille weggeschickt haben, die geh- und stehfähig waren, obwohl vor der Tür sogar eine befahrene Straße war. In meiner aktuellen Klinik wird jeder aufgenommen der intoxikiert (meist in Verbindung mit einer subjektiven Belastung oder „Suizidalität“) oder entzügig ist, weil drumherum „nur Land“ ist. Finde ich auch nicht so optimal..
In meiner Klinik sieht kein alkoholintixikierter Patient die Station wenn er nicht intensivpflichtig ist. Die liegen in der ZNA, bis sie diese auf eigenen Füße verlassen können und fertig.
Unsere Psychiatrie will mit Intoxikierten jedweder Art nichts zutun haben und lädt die alle als internistisches Problem in der ZNA ab.
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