Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Treffpunkt für gestresste Assistenzärztinnen und -ärzte
Endoplasmatisches Reticulum
09.06.2022, 19:32
Dann droht das Krankenhaus Schichtdienst oder die Streichung der Blutentnahme-MFA als Konsequenz an und alle Assistenzärzte mit einst großer Klappe im Arztzimmer werden spontan aphasisch ...
Na ja oder das Krankenhaus hat plötzlich gar keine deutschsprachigen Assistenzärzte mehr. Man kann drohen und streichen so viel man will, ohne Ärzte funktioniert auch mit der weltbesten (oder bestbezahltesten) Geschäftsführung nichts.
Holthusen
09.06.2022, 22:17
Dienste müssen rechtskonform organisiert sein, zumindest in der Theorie. Insgesamt sind das so die heißesten Diskussionen in Krankenhäusern meiner Erfahrung nach. Wer will schon nachts und am Wochenende, tendenziell eher gering vergütet, arbeiten?
Endoplasmatisches Reticulum
10.06.2022, 00:09
Na ja oder das Krankenhaus hat plötzlich gar keine deutschsprachigen Assistenzärzte mehr.
Im Einzelfall vielleicht. Es gibt bekanntlich keine Kliniken mit Unterbesetzung, beschissenen Dienstsystemen, tyrannischen Chefs und/oder miesen Arbeitsbedingungen mehr, in denen noch deutschsprachige Assistenzärzte arbeiten. Es gibt auch keine Ärzte, die sich vorrangig nach Standort oder Fach bewerben. Und es gibt auch keine frisch approbierten Ärzte, die hier im Forum nach Kliniken mit brauchbaren Arbeitsbedingungen a.k.a. 55 Wochenstunden im Durchschnitt fragen ...
Wir haben zweieinhalb Jahre Supergau hinter uns, in denen sämtliche Instanzen und Akteure des deutschen Gesundheitswesens sich gegenseitig gegenüber der Ärzteschaft im beherzten Weitspucken ausgetobt haben. Was war nochmal die Konsequenz?
Unsere zwischenärztlichen Pep-Talks sind doch auch nur Matrosengesänge beim Rudern.
Matzexc1
10.06.2022, 06:08
Wir haben zweieinhalb Jahre Supergau hinter uns, in denen sämtliche Instanzen und Akteure des deutschen Gesundheitswesens sich gegenseitig gegenüber der Ärzteschaft im beherzten Weitspucken ausgetobt haben. Was war nochmal die Konsequenz?
Unsere zwischenärztlichen Pep-Talks sind doch auch nur Matrosengesänge beim Rudern.
Der Status Quo ist für Theoretiker und die meisten Chefs halt eben das was sie kennen und was Ihnen nutzt, eigentlich heisst es doch schon längst rette sich wer kann
][truba][
10.06.2022, 09:11
Der Punkt, den Autolyse hier doch schon seit einiger Zeit im Forum wiederholt und worauf er hinweisen möchte ist doch, dass sich jemand einfach mal trauen müsste standhaft zu bleiben, die "aufgedrückten" Dienste ablehnt und auch damit mal vor Gericht geht. Dort würde das Konstrukt des Arbeitgebers recht schnell zur Umkehr der Beweislast/Lage (wie auch immer man das in juristisch klug ausdrücken mag) führen und lt. seiner Einschätzung kein positives Urteil für den Arbeitgeber nach sich ziehen.
... und alle Assistenzärzte mit einst großer Klappe im Arztzimmer werden spontan aphasisch ...
Das ist ja viel eher das Problem. Angepasstheit und Abhängigkeitsdenken durch und durch. Ich kann mich davon selbst schlecht frei sprechen. Ich habe selber mal versucht etwas an schlechten Umständen zu ändern aber der Rückhalt im Assistententeam war.... mäßig. Vor ein Gericht wäre (und bin) ich damals auch nicht gegangen. Ich habe einfach eine sehr gute Stelle gefunden und würde hoffen, es in Zukunft in einer ähnlichen Situation mal zu wagen.
Nefazodon
10.06.2022, 09:38
[truba][;2235355']
Das ist ja viel eher das Problem. Angepasstheit und Abhängigkeitsdenken durch und durch.
Abhängigkeitsdenken....
Das Problem mit dem Abhängigkeitdenken ist doch eher, dass es in weiten Teilen zutrifft!
Als Assistent ist man darauf angewiesen ausgebildet zu werden und die Zahlen fürs Logbuch zusammenzukriegen (die teils nur in speziellen Funktionen zu sammeln sind).
Am Ende ist man auf die Unterschrift des Chefarztes angewiesen, dass man alles gemacht hat.
Außerdem haben wegen der Weiterbildung fast alle Assistenzärzte (alle?) nur befristete Verträge.
Also die Abhängigkeit IST schon groß.
Zwei weitere Punkte darf man auch nicht vergessen: Ärzt:innen sind durch Schule und Studium zu einem Großteil so sozialisiert, Anforderungen zu erfüllen. Eigentlich egal welche. Nichterfüllen wird als persönliches Scheitern wahrgenommen.
Und: Kollegen aus dem Ausland sind noch VIEL abhängiger vom Arbeitgeber als deutsche Kollegen: bei ihnen hängt Berufserlaubnis und Aufenthaltserlaubnis an der Arbeitsstelle. Und da die Bedingungen in einigen Ländern außerhalb der EU noch schlechter sind, sind diese Kollegen gerne bereit, die Bedingungen hier zu ertragen, bzw.würden sich nie aktiv wehren.
Vor ein Gericht wäre (und bin) ich damals auch nicht gegangen. Ich habe einfach eine sehr gute Stelle gefunden und würde hoffen, es in Zukunft in einer ähnlichen Situation mal zu wagen.
Naja, es ist halt immer eine Abwägungsfrage. Ich würde behaupten, die meisten wägen an diesem Punkt ab, und entscheiden für sich, dass sich ein Gang vor Gericht nicht lohnt.
Stattdessen wird dann mit den Füßen abgestimmt.
Und es ist doch auch logisch: wenn ich einen befristeten Vertrag habe und gegen meinen Arbeitgeber klage, muss ich selbst bei einem eher fairen Arbeitgeber, der mir meinen weiteren Weg nicht verbauen will, damit rechnen, dass dieser Vertrag nicht verlängert wird...
Endoplasmatisches Reticulum
10.06.2022, 10:06
Sehe ich auch so.
Weder die Abhängigkeit vom restlichen Team, noch eine Umstellung auf rechtswahrende aber als noch ätzender empfundene Dienstmodelle, noch ein Anziehen der Daumenschrauben im Reigen der ärztlichen Assistenz und Zuarbeit sind irrationale Bedenken. Eine Furcht vor Sanktionen im Rahmen der Weiterbildung und Vertragsverlängerung auch nicht. Deshalb ist die Idee "Es müsste sich einfach nur mal jemand wehren und das durchziehen" juristisch betrachtet vermutlich korrekt, schießt den Ball aber am Tor der Realität vorbei.
Wäre das Ziel ausschließlich, vor einem Gericht Recht zugesprochen zu bekommen, mag das hinhauen. In der Praxis stehen da aber viel diversere und teils gegenläufige Überlegungen und Interessen im Raum: Was ist für mich karrieretechnisch sinnvoller? Was ist für mich familientechnisch sinnvoller? Was ist für vom gefühlten Wohlbefinden auf der Arbeit sinnvoller? Kann ich auf diese Stelle verzichten? Will ich auf sie verzichten? Womit erkaufe ich mir die Konfrontation mit dem Weiterbildner und Arbeitgeber?
Hier wird gerne lamentiert, dass Ärzte keine Eier haben und nicht Nein sagen. Sehe ich auch so. Das alleine ist aber nur die halbe Wahrheit. Müsste man einfach nur Nein sagen und alle Probleme würden sich unter einem strahlenden Regenbogen in Wohlgefallen auflösen, dann würden Ärzte das vermutlich sehr viel öfter tun. Tatsächlich tauscht man oft Pest gegen Cholera mit einem bestenfalls unüberschaubaren, schlechtestenfalls hohen Risiko, sich gesamtsituativ am Ende schlechter gestellt zu haben.
Endoplasmatisches Reticulum
10.06.2022, 10:41
Und es ist doch auch logisch: wenn ich einen befristeten Vertrag habe und gegen meinen Arbeitgeber klage, muss ich selbst bei einem eher fairen Arbeitgeber, der mir meinen weiteren Weg nicht verbauen will, damit rechnen, dass dieser Vertrag nicht verlängert wird...
Und dann schicke ich noch die galoppierende Privatisierung und Oligopolisierung ins Rennen. Ketten wie Helios oder Asklepios verklagen wird perspektivisch gleich noch viel attraktiver, wenn die je nach Ort und Fach auch sämtliche Alternativkliniken betreiben. Neu bewerben in einer anderen Klinik desselben Arbeitgebers, den man gerade vor Gericht gezerrt hat? Have fun.
Holthusen
10.06.2022, 17:54
Genau: Die Abhängigkeit vom Weiterbilder ist hier ein Problem. Auch wenn Weiterbildung und korrektes Dienstmodell zwei verschiedene Dinge sind.
Man kann nur raten: Schaut euch das Haus vorher an, lasst euch Dienstsystem und Rotationen erklären. Sprecht mit Mitarbeitern und ehemaligen Mitarbeitern bzw. in der Community "wie wird der Laden so bewertet".
Letztendlich kommen immer neue Absolventen (egal ob deutsch oder nicht-deutsch) und werden Lücken füllen. Die Löhne für die Zeit in der Weiterbildung sind definitiv konkurrenzfähig.
Nefazodon
12.06.2022, 20:25
.....
Moorhühnchen
22.06.2022, 19:20
Ich habe die letzten Jahre immer nach AVR Diakonie gearbeitet.
Von der Personalabteilung habe ich 2x ein gedrucktes Exemplar der AVR erhalten, zuletzt hatte ich immer die aktuelle Version als PDF.
Nun wechsle ich die AVR Caritas und finde irgendwie nichts vergleichbares. Diesen Link habe ich von der PA zugeschickt bekommen: http://www.schiering.org/arhilfen/gesetz/avr/avr-anlage30.htm, aber als PDF finde ich irgendwie nix.
Hat da jemand was?
sagt mal muss man in der Weiterbildung 250 Fortbildungspunkte machen? Ich habe bisher unterschiedliches gehört und finde auch nichts auf der LÄK Seite. :-nix
Meines Wissens nach nicht; ich musste das definitiv auch nie nachweisen.
Das betrifft jeweils 5-Jahres-Abschnitte nach Erlangen des Facharztes; die Landesärztekammern erstellen dafür auf Wunsch hin entsprechende Zertifikate.
Feuerblick
23.06.2022, 16:50
Nein, in der Weiterbildung braucht man keine CME-Punkte. Erst als Facharzt.
^^
Danke euch beiden :D Jetzt bin ich beruhigt und nimmt mir auch Stress.
Weiß eigentlich jemand wie das für Quereinsteiger ist, wenn man schon Facharzt UND in der WB ist?
Ach menno, ich habe heute wieder dem Krebs in seine hässliche Fratze geguckt. Mich nimmt das immer mit, wenn Patienten mit zunächst eher harmlos klingenden Symptomen kommen und man dann aber in der Diagnostik merkt, es wird wahrscheinlich bösartig sein. Mittlerweile hab ich auch immer mehr ein Bauchgefühl in die Richtung :-(
Nefazodon
07.07.2022, 21:25
Nein, in der Weiterbildung braucht man keine CME-Punkte. Erst als Facharzt.
Weiß eigentlich jemand wie das für Quereinsteiger ist, wenn man schon Facharzt UND in der WB ist?
Und selbst als Facharzt haben fehlende Punkte, soweit ich weiß, eigentlich nur dann eine Konsequenz, wenn man Kassenarzt ist.
Dann können die Kassen bei fehlendem Fortbildungszertifikat nämlich die Bezahlung kürzen.
Aber für einen Arzt in der Klinik (egal ob Facharzt oder nicht) hat das ganze meines Wissens wenig Konsequenz.
Aber davon ab ist es auch gar nicht so schwer an die Punkte zu kommen. Zumindest in zwei der Kliniken, in denen ich gearbeitet habe, war die interne Fortbildung CME zertifiziert. D.h. man sammelt Punkte en masse. Außerdem kann man sich 10 Punkte pro Jahr für Selbststudium anrechnen lassen (weiß aber nicht, ob das in allen Ärztekammern so ist)
Feuerblick
07.07.2022, 21:30
Unsere rechnet das automatisch zu Jahresbeginn an. :-nix
Ansonsten kann man auch CME-Artikel im Ärzteblatt oder in den Zeitschriften der Fachgesellschaften bearbeiten. Sind, glaube ich, meistens 2-3 Punkte, dauert nicht lang und ist idiotensicher.
Ach menno, ich habe heute wieder dem Krebs in seine hässliche Fratze geguckt. Mich nimmt das immer mit, wenn Patienten mit zunächst eher harmlos klingenden Symptomen kommen und man dann aber in der Diagnostik merkt, es wird wahrscheinlich bösartig sein. Mittlerweile hab ich auch immer mehr ein Bauchgefühl in die Richtung :-(
Geht mir ähnlich. Hatte, trotz Tätigkeit in der Innere, bisher wenig Kontakt mit onkologischer Diagnostik und Therapie gehabt (und wenn, fand ich’s schon ätzend) aber aktuell bin ich auf einer Station auf der mehrfach die Woche Krebsdiagnosen gestellt werden. Viele kommen zwar schon mit dem Wissen, dass es höchstwahrscheinlich maligne ist aber es gibt auch immer wieder „Überraschungen” und finde es echt nichts ätzender als diese Diagnose mitzuteilen. Zu allem Überfluss sind’s oft auch Diagnosen mit sehr schlechter Prognose und ohne Heilungsaussicht bei klinisch kaum beeinträchtigten Patienten. Das ist echt nicht mein Ding…
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