Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Treffpunkt für gestresste Assistenzärztinnen und -ärzte
auf über 100 Briefe kommen wir auch, wenn man es für die Klinik hoch rechnet, bin ja nicht die einzige Ärztin hier. Aber es gibt halt auch welche, die 12-13h in der Klinik hocken, um den Kram fertig zu machen ... das tue ich definitiv nicht. Uns steigt nach einer Weile die DRV auf den Kopf und Belegung ist davon wohl auch zum Teil abhängig, wobei ich aktuell gegen etwas weniger Pat. nichts hätte. Wir haben mal eben auf 100% hochgefahren (von vorher 80), während Pflege und Ärzte auf 50% gesunken sind ... Kommentar der Verwaltung: "war ja nicht absehbar". Hauptproblem ist hier tatsächlich einfach überbordende Bürokratie in 20-30 Jahre alten festgefahrenen Strukturen des Öffentlichen Dienstes. Aber da ich auf keinen Fall wieder unter den aktuellen Bedingungen der Akutklinik arbeiten möchte, ist das wohl tatsächlich "jammern auf hohem Niveau". Ich lasse mich da auch nicht mehr stressen.
Endoplasmatisches Reticulum
13.08.2022, 11:10
Aber es gibt halt auch welche, die 12-13h in der Klinik hocken, um den Kram fertig zu machen ... das tue ich definitiv nicht.
Ich würde aus Prinzip keine Sekunde mehr länger bleiben, um auch nur einen einzigen Brief abzuarbeiten. Ich habe mal - jung und naiv - gedacht, ich bin clever. Habe mich jeden Tag hingesetzt und nach Dienstende 2, 3 offene Briefe abgeschlossen. Das hat mich nicht viel gekostet, aber dazu geführt, dass ich nie mehr als eine Hand voll Briefe offen hatte. Von den Kollegen hat das sonst keiner gemacht. Die waren bei offenen Briefen gerne hoch zweistellig, oder sogar dreistellig, unterwegs.
Irgendwann bekam der Chef einen Einlauf vom Controlling, dass die Briefe zur Erlössicherung kurzfristig abzuschließen seien. Er hatte dazu auch sofort eine ganz innovative Idee. Er hat alle Briefe auf einen Haufen geworfen, gleichmäßig auf alle Assis verteilt, und dann kam die Dienstanweisung: Jeder hat seinen Stapel binnen 2 Wochen abzuarbeiten.
Pampelmuse
13.08.2022, 11:20
Ach.., der Personalmangel. Hier in der Akutklinik waren letztens weit über hundert offene Briefe, die teilweise mit bis zu 4 Wochen Verzug geschrieben wurden.
Aber wir haben aktuell auch rund 50 % der Betten gesperrt weil sich kein Pflegepersonal mehr findet. Ist aber ganz nett weils auch keine Ärzte gibt und man durch die Bettensperrung wenigstens nur eine übersichtliche Anzahl an Patienten betreuen muss. Bettensperrung wegen zuwenig Arzt gibts nämlich nicht…
Ich habe mich letzten Monat auch heimlich gefreut, als bei uns auf ITS zwei Wochen lang wegen Pflegemangel einige Betten gesperrt waren. Das war auch eine Erleichterung für uns Ärzte. Habe ich das erste Mal in meinem Berufsleben so mitbekommen, dass es für uns auch entspannter wird bzw. das erstmal normales Arbeiten möglich wird.
Bei uns wurden wegen Corona+Ferien+allgemeinem Pflegemangel auch Stationen geschlossen. Führte dazu, dass unsere Patienten auf einer Station mit fachfremdem Personal lagen. Die Patienten waren also total schlecht versorgt. Für Ärzte gab es dort keinen Arbeitplatz, sodass wir zwei Etagen tiefer auf unser eigentlichen Station saßen.... Briefe wurde früher intern geschrieben. Nun extern. Verzug ca. 4 Wochen. Schön, wenn die Patienten mit Komplikationen kommen und man nix weiß. Läuft bei uns also auch super...
pashtunwali
14.08.2022, 18:30
wie kann es sein, dass es überall gleich katastrophal läuft mit überstunden, sttress, personalmangel usw. usf. aber es wird einfach verdammt nochmal nichts unternommen..... :´(
Partyarthy
14.08.2022, 19:27
wie kann es sein, dass es überall gleich katastrophal läuft mit überstunden, sttress, personalmangel usw. usf. aber es wird einfach verdammt nochmal nichts unternommen..... :´(
Weil man weiterhin damit beschäftigt ist Gewinne zu erzielen, weil das nun mal der Sinn des Gesundheitssystems ist. Finde den Fehler.
Manchmal hört man es in leicht abgewandelter Form a lá "Die Patienten müssen weiterhin gut versorgt sein"...
PrinzessinAmygdala
15.08.2022, 05:32
Bekommt ihr für Wochenenddienste eigentlich einen anderen Tag frei? Hatte jetzt 7 Tage hintereinander und nur gestern frei. Ich merke, dass mir das als Pause gar nicht ausreicht. Das Schlimme ist nur, dass ich u.a. aus dem PJ woanders weiß, dass es andernorts noch schlimmer ist, weil sie dort das komplette Wochenende arbeiten müssen und dann montags direkt wieder die normale Arbeitswoche. Das sind dann 12 Tage durch.
Bei uns werden jetzt auch bald Dienste gedeckelt dank Marburger Bund. Die Chefs fanden das nicht so gut und meinten, dass es zu einem Problem der Dienstbesetzung insbesondere in kleineren Fächern bzw. Fächern mit wenig Assistenzärzten kommen wird.
Bonnerin
15.08.2022, 06:30
Also wenn man Samstag 24h hatte, musste man Montag normal wieder rein, also quasi nur Sonntag Z.n. Dienst.
Im Schichtsystem auf ICU hatte man random zwischendurch frei. Aber auf mehr als den Tag Z.n. Dienst hat man meines Wissens keinen Anspruch.
Nefazodon
15.08.2022, 07:06
Bekommt ihr für Wochenenddienste eigentlich einen anderen Tag frei? Hatte jetzt 7 Tage hintereinander und nur gestern frei. Ich merke, dass mir das als Pause gar nicht ausreicht.
Leider ist es nach meiner Erfahrung die Regel, das Wochenenddienste nicht durch einen freien Tag zu einem anderen Zeitpunkt ausgeglichen werden. Man bekommt die Stunden bezahlt und das wars. Deswegen Augen auf bei der Berufswahl.:-nix
Bei uns werden jetzt auch bald Dienste gedeckelt dank Marburger Bund. Die Chefs fanden das nicht so gut und meinten, dass es zu einem Problem der Dienstbesetzung insbesondere in kleineren Fächern bzw. Fächern mit wenig Assistenzärzten kommen wird.
Schon klar. Schlimm wenn das Fußvolk aufbegehrt und ein "normales" Leben mit normaler Arbeitsbelastung haben will. Am Ende fordern die noch ein Sozialleben.
Das wird ähnlich schlimm wie damals nach der Abschaffung der Sklaverei....
Bekommt ihr für Wochenenddienste eigentlich einen anderen Tag frei? Hatte jetzt 7 Tage hintereinander und nur gestern frei. Ich merke, dass mir das als Pause gar nicht ausreicht.
In Österreich ist gesetzlich vorgeschrieben, dass man in jeder Kalenderwoche eine durchgehende Wochenendruhe von 36 Stunden haben muss. Wenn man am Samstag oder am Sonntag einen 25h-Dienst hat (in Österreich sind am Wochenende nur 25h-Dienste Standard), hat man somit einen Ausgleichstag frei. Das wird auch an allen österreichischen Kliniken, die mir bekannt sind, konsequent umgesetzt.
Nur bei einem 25h-Dienst am Freitag wird diese Regelung leider nicht aktiv.
Ich starte heute auch in 12 Tage am Stück mit geplanten insgesamt 120 Stunden. Während meine IG- Metall Freunde schön 35h/ Woche im Homeoffice sind...
Ich werde mich deswegen auf absehbare Zeit aus der Klinik verabschieden ;-)
_calendula_
15.08.2022, 09:13
In Österreich gilt die Ruhezeit von 36 Stunden für die allermeisten Berufe. In der Klinik darf die Ruhezeit auch 24 Stunden betragen.
Das ist theoretisch möglich, mir ist allerdings kein Arbeitgeber bekannt, der das so macht. Die würden keine Ärzte finden :-))
Ich starte heute auch in 12 Tage am Stück mit geplanten insgesamt 120 Stunden. Während meine IG- Metall Freunde schön 35h/ Woche im Homeoffice sind...
Ich werde mich deswegen auf absehbare Zeit aus der Klinik verabschieden ;-)
Unfassbar, dass das in 2022 noch Usus und legal ist.
Und noch verwunderlicher, dass das überhaupt noch jemand freiwillig mitmacht.
Wo soll es denn hingehen?
_calendula_
15.08.2022, 09:52
Das ist theoretisch möglich, mir ist allerdings kein Arbeitgeber bekannt, der das so macht. Die würden keine Ärzte finden :-))
Das ist nicht nur theoretisch möglich. ;-)
Kackbratze
15.08.2022, 09:55
Gegen die Wand. Mit Ansage.
Der aktuelle Gesundheitsminister zieht definitv seine Agenda durch. Ob gezielt oder als Beifang der Coronakrise, ich vermute auf Grund seiner Gesamtkompetenz letzteres.
Wir dürfen den Übergang mitmachen und durch unseren Weggang beschleunigen.
Am Ende, wenn in 7-10 Jahren die Agenda umgesetzt und gescheitert ist, gibt es kein Personal mehr, weil die, die es können nicht mehr zurück wollen (so wie das Pflegepersonal) und die, die neu sind wissen nix, weil es keine Ausbildung mehr gab und gibt in dem neuen System.
Endoplasmatisches Reticulum
15.08.2022, 11:01
Am Ende, wenn in 7-10 Jahren die Agenda umgesetzt und gescheitert ist, gibt es kein Personal mehr, weil die, die es können nicht mehr zurück wollen (so wie das Pflegepersonal) und die, die neu sind wissen nix, weil es keine Ausbildung mehr gab und gibt in dem neuen System.
Yup. Dazu kommen Entwicklungen, die selbst in bemühten Häusern zum stetigen Kompetenzverlust führen. Man siehe sich die chirurgischen Disziplinen an, wo zunehmend alles in Richtung Roboter drängt. Dann hältst du als Viertjahresassistent nen Trokar und siehst dabei zu, wie ein Oberarzt, der noch nie offen operiert hat, Blut und Tränen schwitzt, weil er die Milz angeditscht hat. Unlearning wird ein großes Problem für die Krankenhäuser werden.
Da fühl ich mich doch gleich angesprochen ;-)
In der Gefäßchirurgie ist das teilweise tatsächlich auch ein Wandel: 1. die Verlagerung auf das Endovaskuläre und 2. die fehlende Basis in Form der Viszeral- und Thoraxchirurgie.
Auf der anderen Seite ist die endovaskuläre Chirurgie (wenn man sie gut machen will) komplex genug.
Ich seh das so: ein Mensch kann in seinem Leben eine gewisse Menge an Kompetenz/Können erreichen. Wenn man in einem Bereich extrem gut wird hat das damit zwangsläufig eine Vernachlässigung eines anderen Bereichs zur Folge. Wer glaubt, überall der Beste werden zu können, irrt. Insofern würde ich es nicht als "Kompetenzverlust" sondern eher als "Kompetenzverlagerung" beziehungsweise "Spezialisierung" bezeichnen. Und der Patientenwunsch trägt seinen Teil dazu bei: wer will denn noch einen offenen Aortenklappenersatz haben wenn es doch TAVI gibt? Und wenns Probleme gibt ist der Herzchirurg noch nicht mal im Haus! Oder wer will denn einen offenen Aortenersatz haben wenn auch EVAR geht? Oder wer will eine offene Gallenblasenentfernung? Letzteres macht man nur wenns Probleme gibt und genau dann fehlt die Erfahrung im offenen Operieren. Sollten wir daher mehr Patienten zwingend offen operieren um zu üben?
Was ist denn der Lösungsansatz? Breitere und damit deutlich (!) längere Weiterbildung? Mehr Patienten zu Übungszwecken anders operieren? Neue Dinge verbieten damit alte Sachen nicht verlernt werden? Du merkst schon dass man bei vielen dieser Fragen in ziemlichen Schmarrn hinein kommt.
Kackbratze
15.08.2022, 14:26
Der Schmarrn, den Du aus deiner Welt vorgibst, scheitert an der realen Welt des Viszeralchirurgen, der das Polytrauma nachts nicht mit dem Roboter versorgt.
Aber wir können solche Patienten ja gerne verbluten lassen, weil Robotik und lap. Gallen eben wichtiger sind für die optimale Weiterbildung, als irgendwelche Laparotomien.
Es gibt genug Möglichkeiten Laparotomien zu üben und lernen, ohne gleich "schlechte Therapie" zu unterstellen, wenn aber die Eingriffe höherer Qualifikation nurnoch von OAs gemacht werden, ist es Essig mit den Nachfolgern.
Thomas24
15.08.2022, 14:51
Der Schmarrn, den Du aus deiner Welt vorgibst, scheitert an der realen Welt des Viszeralchirurgen, der das Polytrauma nachts nicht mit dem Roboter versorgt.
Aber wir können solche Patienten ja gerne verbluten lassen, weil Robotik und lap. Gallen eben wichtiger sind für die optimale Weiterbildung, als irgendwelche Laparotomien.
Es gibt genug Möglichkeiten Laparotomien zu üben und lernen, ohne gleich "schlechte Therapie" zu unterstellen, wenn aber die Eingriffe höherer Qualifikation nurnoch von OAs gemacht werden, ist es Essig mit den Nachfolgern.
Absolut. Für die Kollegen, die ein essentielles Skillset noch erlernen konnten wird es ein Zeitfenster geben, wo ihr Marktwert sehr hoch ist, aber sobald diese Kollegen das System in Richtung Ruhestand verlassen, ist plötzlich "Game over" weil der Nachwuchs nicht mehr in ausreichender Zahl (und ausreichender Eingriffszahl) in offenen Eingriffen ausgebildet wurde. Die haben ja mittlerweile oft Seltenheitswert, weil immer mehr minimal invasiv operiert wird - nur beim Komplikationsmanagement, wenn´s mal schnell gehen (z.b. Polytrauma, Technikausfall etc.) muss, ist die Erfahrung der Altvorderen, die halt noch beide Welten kennenlernen konnten, Gold wert.
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