Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Treffpunkt für gestresste Assistenzärztinnen und -ärzte
Wir können nur mehr Geld in die Hand nehmen, Geld anders verteilen, oder Abläufe günstiger Gestalten. Mehr Geld ist politisch nicht gewollt. Geld Umverteilen probieren wir seit Jahrzehnten. Abläufe günstiger gestalten bedeutet Abbau von Doppelstrukturen (= Klinikschließungen) und vor allem Abbau von Personal (= Arbeitsverdichtung).Teile deine Meinung, dass es um die 3 Punkte geht: mehr Geld, Geld umverteilen oder Abläufe günstiger gestalten. Spontan find ich ganz spannend, dass das doch alles Punkte sind, die die Krankenhausreform angeht und in manchen Bereichen sehe ich auch gute Ansätze.
Kackbratze
26.02.2023, 11:54
Weniger Krankenhäuser sind im ersten Moment attraktiv, was aber dann fehlt sind Behandlungsplätze. Man kann nicht mal eben einen doppelt so grossen Opbereich, 5 neue Bettenstationen und die doppelte Anzahl an Herzkatheterplätzen in eine grosse Klinik bauen, weil drumherum die Klitschen dicht gemacht wurden.
Ausserdem ist das Ziel ja nicht der Umbau/Ausbau der benötigten Kapazitäten, sondern bloss der alleinige Abbau der kleinen Krankenhäuser.
Nur weil dann Personal frei wird, heisst das nicht, dass damit gleich mehr Arbeit in den übrigen Häusern erledigt werden kann.
Zumal das ja auch den Arbeitsmarkt für das Personal schlechter macht. Wenn ich nur 2 Häuser habe, die jeweils 30km weg sind, ist das schlechter als 5 Häuser von denen 2 in 15 km erreichbar sind.
Das ist alles bei ner Reform zu bedenken. Aber ich hab ursprünglich nur überlegt, weshalb sich die Arbeitsbedingungen und der Frust im medizinischen oder ärztlichen Bereich in Deutschland und der Schweiz so verschlechtert hat im Gegensatz zum Dino Zeitalter. In Deutschland werden oft die DRGs als Ursache genannt. Ich habe überlegt, ob es nicht eher an der steigenden Komplexität usw. liegt.
Ja. Und an der Metaarbeit! Immer mal noch zwischendrin was, Anrufe vom Sozialdienst, die die Visite unterbrechen usw. Hatte heute mal Zeit, meine Ärzteblatter zu überfliegen, da gab es einen interessanten Artikel dazu:
https://www.aerzteblatt.de/archiv/229864
Autolyse
26.02.2023, 12:47
Zumal das ja auch den Arbeitsmarkt für das Personal schlechter macht. Wenn ich nur 2 Häuser habe, die jeweils 30km weg sind, ist das schlechter als 5 Häuser von denen 2 in 15 km erreichbar sind.
Demnächst in jeder Klinik: Überstunden gibt es hier nicht, wenn sie zu langsam arbeiten, dann ist das Ihr Problem.
Ja. Und an der Metaarbeit! Immer mal noch zwischendrin was, Anrufe vom Sozialdienst, die die Visite unterbrechen usw. Hatte heute mal Zeit, meine Ärzteblatter zu überfliegen, da gab es einen interessanten Artikel dazu:
https://www.aerzteblatt.de/archiv/229864Interessanter Artikel. Hab aus beiden Pflichtfächern im PJ Beispiele, wo diese Metaarbeit sogar absichtlich hervorgerufen wurde. War echt schlimm.
Endoplasmatisches Reticulum
26.02.2023, 13:04
Das ist alles bei ner Reform zu bedenken. Aber ich hab ursprünglich nur überlegt, weshalb sich die Arbeitsbedingungen und der Frust im medizinischen oder ärztlichen Bereich in Deutschland und der Schweiz so verschlechtert hat im Gegensatz zum Dino Zeitalter. In Deutschland werden oft die DRGs als Ursache genannt. Ich habe überlegt, ob es nicht eher an der steigenden Komplexität usw. liegt.
Ja, klar. Die DRGs bilden als eingehender Finanzstrom des Umlaufvermögens die operativen Einnahmen des Krankenhauses ab. Platt gesagt: DRGs = Umsatz. Von daher bilden bei einer insuffizienten Finanzlage der Krankenhäuser natürlich die DRGs den zentralen Angelpunkt der Diskussion. Sie selbst sind aber nicht Quell des Übels, sondern ihrerseits das Ergebnis früherer Umstrukturierungsmaßnahmen im Gesundheitswesen. Wenn die Komplexität steigt, können DRGs das auch konzeptuell abbilden - sie müssten bloß entsprechend angepasst werden.
Es ist ja aber gerade erklärter Sinn der DRGs, die Behandlungskosten im Langzeitverlauf zu senken. Das ergibt sich schon aus ihrem Berechnungsalgorithmus. DRGs waren m.E. nie primär dazu gedacht, Realität abzubilden, sondern dazu, den Kliniken eine Daumenschraube in Form unrealistischer Innovationszwänge anzulegen. Und wo nicht weiter innoviert werden kann (z.B. weil ein Krankenhaus nicht mit den Behandlungskosten einer Spezialklinik mithalten kann, oder weil eine Klinik morbidere Patienten betreut, die regelhaft die obere Verweildauer sprengen), muss Personal gepresst werden wie Zitronen.
Weniger Krankenhäuser sind im ersten Moment attraktiv, was aber dann fehlt sind Behandlungsplätze. Man kann nicht mal eben einen doppelt so grossen Opbereich, 5 neue Bettenstationen und die doppelte Anzahl an Herzkatheterplätzen in eine grosse Klinik bauen, weil drumherum die Klitschen dicht gemacht wurden.
Ach. Sag bloß. Hab ihr nicht unendlich Kapaziäten frei in eurem OP-Saal?
Zumal das ja auch den Arbeitsmarkt für das Personal schlechter macht. Wenn ich nur 2 Häuser habe, die jeweils 30km weg sind, ist das schlechter als 5 Häuser von denen 2 in 15 km erreichbar sind.
Das sagst du so einfach. Aber wenn ich ein kleines Haus hab in 5km zum Wohnort und ein größeres Haus in 25km Entfernung und ich mach das kleine Haus zu, dann müssen ja alle Leute sofort zum großen Haus kommen und dort arbeiten. Ich mein die Alternative, sich einen anderen Job zu suchen, Arbeitgeber wechseln, grundsätzlich was anderes zu machen etc. kann man sich ja nicht vorstellen. Und dass man vor allem mit Familie und Kinderbetreuung gerne jeden Tag einfach mal eine Stunde Pendelweg zusätzlich in kauf nimmt ist doch klar. Kinderbetreuungszeiten auf dem Land von 8 bis 12 Uhr kann man so gaaanz leicht managen.
Aber ich hab ursprünglich nur überlegt, weshalb sich die Arbeitsbedingungen und der Frust im medizinischen oder ärztlichen Bereich in Deutschland und der Schweiz so verschlechtert hat im Gegensatz zum Dino Zeitalter. In Deutschland werden oft die DRGs als Ursache genannt. Ich habe überlegt, ob es nicht eher an der steigenden Komplexität usw. liegt.
Ich glaub nicht dass es an der Komplexität liegt. Für mich liegt es an dem extremen finanziellen Druck und der hängt schon mit den DRGs zusammen, aber auch mit dem Einstieg privater Träger.
Es ist doch so: private Träger sind gewinnorientiert, also sollen die möglichst Gewinne erzielen, das erreichen sie indem sie lukrative DRGs möglichst effizient durchführen und sich nicht lukrative Kostenpunkte sparen. Nicht lukrativ sind Ausbildung von Nachwuchs und Vorhaltekosten aufgrund der Bevölkerungsvorsorge (Notaufnahmen etc.). Die öffentlichen Häuser haben aber beide letztgenannten Dinge zu tun, die Kosten dafür wurden aber bisher nicht erstattet sondern quasi mit den DRGs abgegolten. Und da haben die Privaten abgegriffen und die Öffentlichen Miese gemacht. Also wird Druck aufgebaut dass die Kosten gesenkt werden um bei den Privaten die Gewinne zu erhöhen und bei den Öffentlichen um die Miesen zu reduzieren. Das senkt wieder die DRG-Erlöse und der Druck steigt weiter und weiter und weiter.
Raus kommt man aus dieser Spirale mit der Idee dass Vorhaltekosten eben erstattet werden. Notaufnahme, Intensivkapazitäten, OP-Möglichkeiten nachts etc. ist einfach teuer. Und genau das ist die Idee der Krankenhausreform. Ob sie dann das erreicht was sich die entsprechenden Leute überlegt haben weiß ich nicht. Die Idee an sich finde ich mal nicht schlecht. Wobei man fairerweise auch sagen muss dass die grundsätzliche Idee der DRGs nicht soo schlecht war. Ist halt irgendwann aus dem Ruder gelaufen.
Endoplasmatisches Reticulum
26.02.2023, 13:24
Nicht lukrativ sind Ausbildung von Nachwuchs
Stimmt. Die Ausbildung von Nachwuchs ist eigentlich eine Investition. Wenn man sie nicht als solche kalkuliert, sagt man im Prinzip ganz offen, dass man Mitarbeiter nur verschleißt, ohne Intention, sie langfristig zu binden. Kann man machen, hat dann aber für mich immer ein wenig was vom Kneipenprügler, der heult, dass der Typ, dem er eine verpasst hat, zurück gehauen hat und jetzt die Nase blutet. Vor allem wenn man sich anschaut, wie viele Routinetätigkeiten Krankenhäuser geplant an komplett oder quasi unbezahltes Personal wie FSJler, Famulanten und PJs abdrücken.
Leider ist die Sichtweise in der ärztlichen Weiterbildung sehr üblich. Als zukünftige Führungskraft werden Assistenzärzte nun wirklich nirgends betrachtet ...
Die Ausbildung von Nachwuchs ist eigentlich eine Investition.
Korrekt, die die öffentlichen Häuser aber gern mal in den Sand setzen, vor allem im Bereich der Pflege. Da wird fleißig investiert in Schulen für OTA, OP-Fachkräfte, ATA, MFA, MTRA etc. und dann bietet man denen so miese Bedingungen mit so vielen Diensten und so wenig Bezahlung und so unflexiblen Arbeitszeiten, dass die Leute irgendwann einfach zu den Privaten mit besseren Bedingungen gehen. Und weil die Privaten das wissen brauchen sie gar nicht so viel investieren in diese Bereiche...
Ärztliche Weiterbildung ist da noch bissl anders aber nicht so viel besser.
][truba][
26.02.2023, 13:36
Die Bezahlung der Assistenten müsste in der bilateralen Finanzierung der Krankenhäuser auf die Seite der Länder ausgelagert werden. Meiner Meinung nach würde sich dadurch etwas verändern. Letztlich bringt erst ein Facharzt durch selbstständige Arbeit Geld fürs Krankenhaus, dann sollen diese auch durchs Krankenhaus bezahlt werden. Assistenten sollten nicht als Kostenfaktor wahrgenommen werden durch die Kliniken, sondern durch das Gehalt vom Land als „Auszubildende“ betrachtet werden. Dann würden die Kliniken diese Stellen nicht so auf Kante nähen.
Autolyse
26.02.2023, 13:45
[truba][;2254575']Die Bezahlung der Assistenten müsste in der bilateralen Finanzierung der Krankenhäuser auf die Seite der Länder ausgelagert werden. Meiner Meinung nach würde sich dadurch etwas verändern. Letztlich bringt erst ein Facharzt durch selbstständige Arbeit Geld fürs Krankenhaus, dann sollen diese auch durchs Krankenhaus bezahlt werden. Assistenten sollten nicht als Kostenfaktor wahrgenommen werden durch die Kliniken, sondern durch das Gehalt vom Land als „Auszubildende“ betrachtet werden. Dann würden die Kliniken diese Stellen nicht so auf Kante nähen.
Warte kurz. Eine Gratisarbeitskraft, deren Ausbildung aus einer Unterschrift auf Papier besteht? Was soll schon passieren...
Endoplasmatisches Reticulum
26.02.2023, 13:52
[truba][;2254575']Letztlich bringt erst ein Facharzt durch selbstständige Arbeit Geld fürs Krankenhaus
Was für ein Blödsinn.
][truba][
26.02.2023, 14:47
Warte kurz. Eine Gratisarbeitskraft, deren Ausbildung aus einer Unterschrift auf Papier besteht? Was soll schon passieren...
Chapeau! Es müssten natürlich Änderungen und gewisse Schlüssel gegeben sein sowie Organe die die Ausbildung kontrollieren. In anderen Ländern wird es ja durchaus so gehandhabt. Den Geschäftsführern nun einfach kosten zu sparen ohne Änderungen/Auflagen wäre natürlich ineffizient.
][truba][
26.02.2023, 14:50
Was für ein Blödsinn.
So ausführliche Antworten sind für eine Diskussion immer sehr hilfreich finde ich. Da hat man direkt ein gutes Gespräch.
Ich habe natürlich eine chirurgische Brille durch die ich schaue und dort ist es natürlich so, dass der Facharzt Operationen durchführt, die dem Krankenhaus Geld bringen. Assistenten tun dies nicht und wollen dann meistens auch noch ausgebildet werden. In der Inneren oder auch Radiologie (oder ganz anderen Fächern) kann dies anders sein aber machen nicht auch da erst die Interventionen "den Kohl fett"?
Autolyse
26.02.2023, 15:03
[truba][;2254587']Chapeau! Es müssten natürlich Änderungen und gewisse Schlüssel gegeben sein sowie Organe die die Ausbildung kontrollieren. In anderen Ländern wird es ja durchaus so gehandhabt. Den Geschäftsführern nun einfach kosten zu sparen ohne Änderungen/Auflagen wäre natürlich ineffizient.
Gemessen am Interesse derer mit der größten Lobbydurchschlagskraft wäre das die Goldrandlösung. Es spricht also einiges dafür, dass das so kommen wird. Das zwingende Durchlaufen der verschiedenen Versorgungsstufen in manchen Vorschlägen bereitet dafür schon den Weg.
Endoplasmatisches Reticulum
26.02.2023, 15:07
Naja, die Aussage war halt schon sehr radikal formuliert. In der Form gibt es dann eine radikale Antwort ;)
Ich weiß schon, was du eigentlich sagen wolltest. Star Player im Krankenhaus sind natürlich eher die Operateure. Trotzdem kann man die Ärzte in Weiterbildung nicht einfach aus der Wertschöpfungskette trennen. Können deine Oberärzte und Fachärzte ohne Assistenten die gesamte Patientenversorgung im Krankenhaus erledigen? Nicht theoretisch vom Fachlichen her, sondern faktisch in Person. Nein, können sie nicht. Und damit gehört die Arbeit der Assistenten genau so zur am Ende abgerechneten Gesamtleistung, wie die der Ober- und Fachärzte, die mit ihren operativen Fähigkeiten den abrechenbaren Fall überhaupt erst ermöglichen.
Da sind jetzt noch gar keine Dinge eingerechnet wie vom Assistenten auf Station vorgenommene und direkt abrechenbar kodierte Kleineingriffe, Fallzahlen der ZNA, die nie oberärztlich gesichtet werden, etc.
Endoplasmatisches Reticulum
26.02.2023, 15:10
Gemessen am Interesse derer mit der größten Lobbydurchschlagskraft wäre das die Goldrandlösung. Es spricht also einiges dafür, dass das so kommen wird. Das zwingende Durchlaufen der verschiedenen Versorgungsstufen in manchen Vorschlägen bereitet dafür schon den Weg.
Den Arzt nach 7 Jahren Studium und Promotion ganz offiziell zum Azubi zu degradieren führt natürlich auch gefühlt zu einer weiteren Aufwertung des Berufs. Warum nicht gleich noch Teile der Ausbildung samt Unterschrift auf Fachpfleger übertragen?
Autolyse
26.02.2023, 15:20
Naja, die Aussage war halt schon sehr radikal formuliert. In der Form gibt es dann eine radikale Antwort ;)
Ich weiß schon, was du eigentlich sagen wolltest. Star Player im Krankenhaus sind natürlich eher die Operateure. Trotzdem kann man die Ärzte in Weiterbildung nicht einfach aus der Wertschöpfungskette trennen. Können deine Oberärzte und Fachärzte ohne Assistenten die gesamte Patientenversorgung im Krankenhaus erledigen? Nicht theoretisch vom Fachlichen her, sondern faktisch in Person. Nein, können sie nicht. Und damit gehört die Arbeit der Assistenten genau so zur am Ende abgerechneten Gesamtleistung, wie die der Ober- und Fachärzte, die mit ihren operativen Fähigkeiten den abrechenbaren Fall überhaupt erst ermöglichen.
Da sind jetzt noch gar keine Dinge eingerechnet wie vom Assistenten auf Station vorgenommene und direkt abrechenbar kodierte Kleineingriffe, Fallzahlen der ZNA, die nie oberärztlich gesichtet werden, etc.
Wobei man da schon noch Sparpotential hat. Ein gut trainierter Physician Assistant, der immer mit dem gleichen Oberarzt zusammen operiert, dürfte den Ablauf noch einmal deutlich beschleunigen. Dazu noch welche, die die entsprechenden Vorbereitungen machen, die der Assistent dann nur noch abnicken muss. Die Psychiatrie hat das doch gut vorgemacht die Assistenten zu Dienst- und Somatikknechten zu machen, da ist in der Somatik noch deutlich Potential zu heben.
Powered by vBulletin™ Version 4.2.3 Copyright ©2024 Adduco Digital e.K. und vBulletin Solutions, Inc. Alle Rechte vorbehalten.