Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Treffpunkt für gestresste Assistenzärztinnen und -ärzte
Feuerblick
23.05.2023, 06:10
@RenniW: Du kannst in einem Posting mehrere Zitate unterbringen… so wird das unübersichtlich.
Zu deiner Frage: Ich brauche einfach mehrere Tage, um mich auf den Schicht-Rhythmus ein- und danach wieder umzustellen. Dazu kommt, dass ich bei Nachtschichten, wie schon oben geschrieben, den Tag vorher nie nutzen konnte, weil mich schon der Gedanke an einen Dienst gestresst hat. Freie Tage zur Kompensation nach Nachtschichten gab es in meinem Fach nur im Sinne eines freien Wochenendes. Danach war Tagdienst angesagt. Mich hat diese Woche Nachtdienst immer komplett genervt und gestresst. 24-Stunden-Dienste dagegen hat man abgeleistet und wusste, dass man am nächsten Tag wieder ein normales Leben hat. In meinem Fach hatten Schichten einfach keinen Benefit. Plus finanzielle Einbußen, die sich ergaben.
Ich denke, dass es für Menschen mit Familie schon einen Unterschied macht, ob man einmal pro Woche für 24 Stunden weg ist oder ob man alle drei Monate quasi eine komplette Woche entweder weg ist oder schläft. Freut dann auch den/die Partner/in nicht so wirklich, wenn die Kinder nur noch seine/ihre Aufgabe sind, weil der Arzt in der Familie eine Woche Dienst hat.
Qwert1133
23.05.2023, 10:08
Hast du Kinder?
Nein, aus der Perspektive kann ich (noch) nicht berichten. Einige meiner Kollegen meinen aber, für sie funktioniert der Schichtdienst mit Kindern fast besser. Ich habe eben mal nachgeschaut, wir arbeiten im Schichtdienst aktuell zwischen 14-16 Dienste im Monat, also bleibt schon auch deutlich mehr Freizeit.
Aber du hast schon recht, insbesondere Spätdienste und die Wochenenden gehen schon sehr zu Lasten des Privatlebens. Was mich an Bereitschaftsdiensten einfach maximal skeptisch macht ist dieses vogelwilde verrechnen der Bereitschaftsdienstzeit mit der Arbeitszeit vom Folgetag usw. Am Ende trotz 16h Anwesenheit mit Minusstunden dazustehen wäre für mich nicht tragbar. Für mich ist Anwesenheit im KH Arbeitszeit die ich (inkl Zeitzuschläge) voll bezahlt haben möchte. Wenn in der Zeit keine Arbeit anfällt ist das nicht meine Schuld. Ein Polizist/Nachtwächter wird nachts auch nicht schlechter bezahlt, bloß weil mal niemand Mist baut.
Für die Klinik ist das aber gefühlt ein Bombengeschäft, wenn sie dir 8h Regelarbeitszeit zahlt, dann kommen 16h Bereitschaftsdienst und am Folgetag werden 8h für den verpassten Arbeitstag wieder abgezogen. Würde diese Zeit in einem Schichtmodell abgebildet werden müssen, bräuchte die Klinik allein dafür 3 Ärzte, die dann inkl. der hoffentlich bald steigenden Zeitzuschläge voll bezahlt werden. Insgesamt steigt damit der Personalbedarf in den Abteilungen nicht unerheblich an, die Lasten verteilen sich auf mehr Schultern. Die Klinik spart außerdem die Sozialversicherungsbeiträge die sie für zusätzlich eingestellte Ärzte abführen müsste. Allein deswegen glaube ich schon, dass die Drohung einiger Abteilungen, statt Bereitschaftsdienst ein Schichtmodell einzuführen, eine reine Nebelkerze darstellt.
Kackbratze
23.05.2023, 10:35
Die finanziellen Einbußen und der schlecht zu planende Alltag durch Nacht- und Spätdienstwochen sorgt bei den Abteilungen bei uns im Haus mit diesem System für einem massiven Aderlass, wenn die Kinder ca. 3-5 Jahre alt sind.
Dann werden unsere Anästhesisten Allgemeinmediziner oder gehen ins Gesundheitsamt etc.
Lustig ist der vorherige Wechsel aus einer schneidenden Zunft in die Anästhesie, weil als Mensch ohne Familie der Schichtdienst interessanter ist...und dann nach weiteren Jahren dann der nächste Fachrichtungswechsel folgt.
Moorhühnchen
23.05.2023, 15:42
...in die Anästhesie, weil als Mensch ohne Familie der Schichtdienst interessanter ist...Diesen Satz kann ich absolut nicht nachvollziehen!
Finanziell ist der Schichtdienst definitiv nicht der Renner aber für mich als Mensch ohne Familie (und Schlafrhythmus) bedeutet der Schichtdienst definitiv mehr freie nutzbare Zeit. Und ich mache nur noch in Ausnahmefällen Überstunden. Zwei Wochenenden arbeite ich jetzt auch (eher 2,5 Wochenenden) und das sicher jeden Monat. Im Schichtdienst hatte auch Monate, in denen ich mit einem Wochenende wegkam.
Kackbratze
23.05.2023, 17:23
Diesen Satz kann ich absolut nicht nachvollziehen!
Das mag für dich gelten, bei meinen Gesprächen mit Arbeitskollegen klingt das Anders, sonst hätte ich es hier auch nicht so gepostet.
Die persönlichen Wünsche und Vorlieben in Bezug auf das Dienstmodell ändern sich massiv im Laufe des Lebens und bei Änderung der Lebensumstände.
Ich hatte mal 24h-Dienste: war mega, viel Kohle, am nächsten Tag frei, bin nach dem Dienst in die Berge gegangen und hab das Leben genossen. Zu einer späteren Zeit dann auf Intensiv Schichtdienst, weniger Kohle, viel Freizeit, war auch toll. Irgendwann kommen Familie und Kinder dazu und man wird älter. Älter werden heißt für mich, dass mir nächtliche Arbeitseinsätze mehr zusetzen. Ich brauch da mehr Erholung danach. Und Kinder bedeuten dass ich sowohl organisatorisch dafür mitverantwortlich bin, als auch die Kinder sehen will. Schichtdienst würde bedeuten dass es Wochen mit Spätschicht gibt in denen ich die Kinder quasi nicht wach seh. Das wäre unglaublich grausam für beide Seiten und noch dazu organisatorisch Wahnsinn. Denn eines ist uns ja allen klar: 100% Arbeit bedeuten weder nach TVÄ VKA noch nach TVÄ Uni eine Arbeitszeit unter 45-50h/Woche. Eher mal mehr. Und dass eine Pflegekraft die Kinder hat und auf Station arbeitet eh bei 100% auf 38,5h kommt und viele auf 80% reduzieren und dann mit 30,8h/Woche die Sache leichter zu organisieren ist als mit 50+h da sind wir uns auch einig.
Ich kann viele Seiten daher verstehen, aktuell fände ich familienfreundlichere Arbeitszeiten toll...
Dass sich die Präferenzen je nach Lebenssituation, Alter, usw. stark ändern, ist logisch.
Aber dass mit Familie ein Schichtdienst angenehmer als ein Dienstmodell wäre, hab ich bisher noch nie gehört. Finde ich ehrlich gesagt etwas weird. Mit den eigenen Kindern eine Woche lang kaum interagieren zu können - das ist ja grausam. Da ist es doch viel angenehmer, sie im Durchschnitt nur einen Abend pro Woche nicht sehen zu können. Auch der Kontakt mit der Partnerin wäre durch Schichtdienst doch extrem erschwert.
Wenn ich Familie hätte, könnte ich mir nur eine Praxistätigkeit, oder eine Ambulanztätigkeit ohne Dienste vorstellen. Wenn man Familie hat, ist finde ich sowohl ein Dienstmodell als auch Schichtdienst sehr problematisch.
kartoffelbrei
24.05.2023, 08:57
Es scheinen hier manche bei dem Wort Schichtdienst aber auch die schlimmstmögliche Variante im Kopf zu haben. Man muss ja nicht automatisch eine Woche Spät- oder Nachtdienst am Stück haben. Das haben ich auf unseren zwei Intensivstationen noch nie erlebt und würde das Personal auch nicht mitmachen.
Wie ist es dann ganz konkret bei euch?
Öftere Wechsel sind für den Biorhythmus ja noch viel schlechter...
Öftere Wechsel sind für den Biorhythmus ja noch viel schlechter...
Nein. Ist definitiv nicht so. Ist seit Jahren schon belegt.
Erstes Google Suchergebniss:
Arbeitswissenschaftler empfehlen, einen für das gesamte Team gut verträglichen Schichtplan zu erstellen. Die besten Tipps:
Maximal drei Nachtschichten beziehungsweise drei Frühschichten nacheinander
Nicht mehr als acht Stunden Arbeitszeit
Werktags ein freier Abend sowie zwei freie Tage im Block, davon ein Tag Samstag oder Sonntag
Schichtplaner: langfristig planen und nicht kurzfristig ändern
Schonender Wechsel der Schichten von Frühschicht auf Spätschicht und dann Nachtschicht
(Link dazu: https://www.aok.de/fk/betriebliche-gesundheit/gesunde-arbeit/schichtarbeit-gesundheitsgerecht-organisieren/)
Könnte dir auch wissenschaftliche Studien dazu suchen, aber das ist mehr ehrlich gesagt zu doof für eine Tatsache, welche schon seit vielen Jahren bekannt ist und in Betrieben außerhalb der Gesundheitswesens regelhaft umgesetzt ist.
Relaxometrie
24.05.2023, 11:56
Es scheinen hier manche bei dem Wort Schichtdienst aber auch die schlimmstmögliche Variante im Kopf zu haben.
Das stimmt.
Ich frage mich, ob man den Umgang einiger Mitdiskutierender mit den Dienstsystemen schon als Abwehrmechanismus "Identifikation mit dem Aggressor" deuten kann. Da wird unterschwellig aggressiv begründet, warum es entweder nur 24-Stunden-Dienste, oder nur das schlimme-schlimme Schichtmodell gibt und warum für die eigene Lebensführung selbstverständlich NUR das eine Modell funktioniert.
Es scheint ja durchaus in einigen Kliniken Ansätze von innovativeren Dienstmodellen zu geben, und diese sind auch dringend erforderlich und sollten viel häufiger angewendet werden.
Solange sich die Belegschaft aber erstmal selbst die Köpfe einschlägt und sich bzgl. der beiden schlechten Lösungen zofft (24-Stunden vs. Schicht), lachen die Krankenhausverwaltungen sich natürlich ins Fäustchen und ändern erstmal genau gar nichts.
Es scheint ja durchaus in einigen Kliniken Ansätze von innovativeren Dienstmodellen zu geben, und diese sind auch dringend erforderlich und sollten viel häufiger angewendet werden.
Was sind denn innovative Dienstmodelle für dich? Habe hier von noch keinem gelesen. Ich wäre dafür, dass man 40 Stunden pro Woche arbeitet. Wenn man dann einen 24 Stunden Dienst gemacht hat, dann muss man noch 16 Stunden arbeiten. Heißt zwei weitere Tage. Und dafür bekommt man einfach das Grundgehalt (+Zulagen für Nacht- und Wochenendarbeit). Wer mehr Kohle haben will, kann sich ja noch einen anderen Job suchen. Dafür ist ja noch genügend Zeit.
Was sind denn innovative Dienstmodelle für dich? Habe hier von noch keinem gelesen. Ich wäre dafür, dass man 40 Stunden pro Woche arbeitet. Wenn man dann einen 24 Stunden Dienst gemacht hat, dann muss man noch 16 Stunden arbeiten. Heißt zwei weitere Tage. Und dafür bekommt man einfach das Grundgehalt (+Zulagen für Nacht- und Wochenendarbeit). Wer mehr Kohle haben will, kann sich ja noch einen anderen Job suchen. Dafür ist ja noch genügend Zeit.
Vorsicht: Wenn die Krankenhauskonzerne solche Vorschläge hören, kommst du noch auf die Hatespeech Liste. Wie soll man denn so die Dividenden für die Aktionäre finanzieren??? ;-)
Matzexc1
24.05.2023, 17:42
Vorsicht: Wenn die Krankenhauskonzerne solche Vorschläge hören, kommst du noch auf die Hatespeech Liste. Wie soll man denn so die Dividenden für die Aktionäre finanzieren??? ;-)
Indem man keine ausschüttet, Asklepios hat Rhön geschluckt und das war es, mit unter 2€(2020) am Tag pro Patient kann man auch wunderbar am Essen sparen
Relaxometrie
24.05.2023, 21:06
Was sind denn innovative Dienstmodelle für dich?
Ansatzweise das, von dem Heerestorte geschrieben hat. Andere hatten auch von 16-Stunden-Diensten geschrieben.
Letztlich sind natürlich so gut wie alle Varianten des Dienstsystems, aber auch die ärztliche Besetzung im normalen Tagesgeschäft, nichts anderes als eine frustrane Mangelverwaltung.
Kackbratze
25.05.2023, 18:29
Heerestortes Dienstsystem wird nach Restrukturierung aber geschrottet und ersetzt.
Durch die vielen kleinen Abteilungen wird es immer schwieriger für ein funktionierendes Dienstsystem, also kommen fachübergreifende Dienste...und welcher Unfallchirurg steht nicht noch auf zusätzliche Katheteranlagen bei urologischen Patienten? Und welcher VCH-OA mag es nicht in der Nacht von GCH-Assistenten angerufen zu werden, die einfach keinen Bock auf Blinddärme haben, sie aber anschauen müssen?
Bonnerin
25.05.2023, 18:39
Heerestortes Dienstsystem wird nach Restrukturierung aber geschrottet und ersetzt.
Durch die vielen kleinen Abteilungen wird es immer schwieriger für ein funktionierendes Dienstsystem, also kommen fachübergreifende Dienste...und welcher Unfallchirurg steht nicht noch auf zusätzliche Katheteranlagen bei urologischen Patienten? Und welcher VCH-OA mag es nicht in der Nacht von GCH-Assistenten angerufen zu werden, die einfach keinen Bock auf Blinddärme haben, sie aber anschauen müssen?
Nö, wird es nicht, einfach durch die Struktur des Sanitätsdienstes.
Außerhalb der Bundeswehr gebe ich dir aber grundsätzlich Recht.
Heerestorte
25.05.2023, 18:57
Nö, wird es nicht, einfach durch die Struktur des Sanitätsdienstes.
Außerhalb der Bundeswehr gebe ich dir aber grundsätzlich Recht.
Doch, wird es. Weil die Bundeswehr keine bzw kaum Allgemeinchirurgen mehr ausbilden wird in Zukunft.
SineNomine
26.05.2023, 20:13
Und Kinder bedeuten dass ich sowohl organisatorisch dafür mitverantwortlich bin, als auch die Kinder sehen will.
Da muss ich mal reingrätschen; ist zwar etwas off topic, aber dass immer unterstellt wird, ohne Kinder (gewollt oder ungewollt) hätte man kein Verlangen nach oder gar Recht auf ein geregeltes Leben finde ich immer wieder grenzwertig. Ich weiß, dass Du das da ziemlich sicher nicht impliziert hast, aber genau sowas darf man sich viel zu oft anhören und deswegen wollte ich das mal ansprechen und herausgreifen. Wir alle sollten vernünftige Arbeitsbedingungen haben, die kompatibel mit einem Sozialleben sind. Mit oder ohne Kinder. Und man sollte sich nicht dafür rechtfertigen müssen, keine zu haben.
Wir haben in Deutschland weltweit die höchste Steuer&Abgabenlast für Alleinstehende (für Familien sieht es im internationalen Vergleich etwas besser, aber lange nicht gut aus), da sollte man die Alleinstehenden - von denen das sicher auch nicht alle freiwillig sind - nicht noch als Arbeitsvieh betrachten, das man ob Kinderlosigkeit nach gusto disponieren kann.
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