Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Treffpunkt für gestresste Assistenzärztinnen und -ärzte
In letzter Zeit und auch in Zukunft werden bei mir einige Kollegen von 100% auf 80% reduzieren - auch in vielen anderen Bereichen. Mich würde es mal interessieren, wie es in anderen Kliniken aussieht.. sind 80% bald der neue "Standard"? Finde die Entwicklung hat in letzter Zeit wirklich sehr zugenommen..
tragezwerg
01.10.2023, 11:45
In letzter Zeit und auch in Zukunft werden bei mir einige Kollegen von 100% auf 80% reduzieren - auch in vielen anderen Bereichen. Mich würde es mal interessieren, wie es in anderen Kliniken aussieht.. sind 80% bald der neue "Standard"? Finde die Entwicklung hat in letzter Zeit wirklich sehr zugenommen..
In meiner Abteilung gibt es kaum Fachärzte die Vollzeit arbeiten. 80% oder weniger ist der Standard (mit Bereitschaftsdiensten ist es ja eh wieder Vollzeit). Vollzeit arbeiten eigentlich nur kinderlose Leute in Weiterbildung.
Endoplasmatisches Reticulum
01.10.2023, 12:12
Wer gerne 60 - 70 Stunden pro Woche arbeitet, für den ist Klinikarzt halt eher die falsche Stelle. Der Mehreinsatz versinkt oft ohne Nutzen für einen selbst im schwarzen Klinikloch, skaliert durch Steuern und Dienstbezahlung auch monetär eher mäßig, und einen klassischen Karriereboost als Langzeitinvestition bringt er an den meisten Kliniken auch nicht.
40 Wochenstunden sind für viele Menschen so etwa die obere Schmerzgrenze. Die wird durch ärztliche Dienstmodalitäten und Personalfehlallokation regelhaft deutlich überschritten. Klar reduzieren Leute dann aufs individuell optimale Maß, spätestens wenn sie weniger harte Nachteile wie ewig verlängerte Weiterbildung oder Nichteinstellung an beliebten Kliniken bzw. Standorten mehr zu befürchten haben.
Wären wir ehrlich und würden "typische" ärztliche Vollarbeitsverträge als die 150%-Stellen titulieren, die sie sind, dann würde das Gros der Leute ohne auch nur drüber nachzudenken auf 100% runterhandeln und die Verwunderung wäre deutlich geringer.
In letzter Zeit und auch in Zukunft werden bei mir einige Kollegen von 100% auf 80% reduzieren - auch in vielen anderen Bereichen. Mich würde es mal interessieren, wie es in anderen Kliniken aussieht.. sind 80% bald der neue "Standard"? Finde die Entwicklung hat in letzter Zeit wirklich sehr zugenommen..
Bei uns macht ein Viertel der Leute 80%. Sind halt immer noch gut 40h/Woche. Meine Freunde im Ingenieurbereich arbeiten sogar NOCH WENIGER und die bezeichnen das als 100% ;-)
Da wo ich wohne ist es halt auch so dass die Immobilienpreise weiterhin jenseits von gut und böse sind. Für was arbeitet man also? Entweder man erbt eine Immobilie oder man kann sie sich eh nicht leisten. Also schaut man dass man mit seinem Leben einigermaßen zurecht kommt und dafür reichen 80% gut aus. Auch dass man das Leben einigermaßen genießen kann (finanziell) und es egal ist ob man sich mal ein Abendessen / Konzert / Wochenendausflug für 200-300€ leistet.
Das ist es ja eben, dass man in der Klinik trotz 80% immernoch deutlich mehr arbeitet als "dienstfreie" Berufe. Ich bin mit meinen 80% eher an 50 als an 40 Stunden pro Woche, bedingt durch die Dienste.
Ja, ich arbeite dienstfrei und bei uns arbeitet nur eine ärztliche Kollegin in Teilzeit, alle anderen in Vollzeit. Auf fachärztlicher Ebene alle mit mind. einem Kind. Auch das restliche wissenschaftlichen Personal arbeitet komplett in Vollzeit, außer PhDs. Wir haben sehr gute Arbeitsbedingungen und eine gewisse zeitliche Flexibilität, auch wenn die Regel ist, dass man zu Kernarbeitszeiten anwesend sein sollte.
"dienstfrei" und "flexibel" entspricht ungefähr 75% mit Sonderstatus ;-)
Bei uns gibt es noch nicht so viele mit Teilzeit, aber es werden mehr. Das Problem ist, dass man noch mehr Leute für die gleiche Arbeit braucht. Wir finden so schon keine neuen Kollegen gerade... "der Markt ist leer gefegt" heißt es immer.
Heute bin ich einerseits glücklich, weil ich endlich mal eine Calcaneusfraktur operieren durfte. Andererseits bin ich dafür länger geblieben und war wieder erst kurz vor 7 zuhause. Dabei wäre heute einer der wenigen Tage in diesem Monat gewesen, an dem ich mal "normal" arbeite. Sonst war ich in letzter Zeit nicht vor halb 10 daheim. Morgen und übermorgen hab ich Spätdienst, der geht bis halb 11 :-kotz
Spektralleuchte
10.10.2023, 13:00
Das Problem ist, dass man noch mehr Leute für die gleiche Arbeit braucht. Wir finden so schon keine neuen Kollegen gerade... "der Markt ist leer gefegt" heißt es immer.
Man braucht nicht noch mehr Leute. Man braucht einfach nur mal angemessen viele Leute für die Arbeit die vorliegt. (Dass 80% eigentlich die 110% Stelle sind und 100% die 150% Stelle hatten wir ja schon). Und der leer gefegte Arbeitsmarkt ist doch nur das Symptom der Arbeitsbedingungen. Wenn das endlich mal in die Köpfe besonders der dafür Verantwortlichen rein kommt bessert sich vll. auch mal was.
Edit:
Schneller geht der Erkenntnisgewinn vll. wenn auch der letzte Arbeitsesel nicht mehr für die "schöne OP" oder ein bisschen hingerotze Weiterbildung in den Überstunden bleibt und es selbstverständlich wird, dass auch so etwas in der geplanten Arbeitszeit stattfinden muss.
Pampelmuse
10.10.2023, 19:26
Hier eskaliert's auch gerade. Der Chef kapiert gerade, dass ein Dienstplan für November und Dezember quasi nicht mehr möglich sind und wirkt richtig hilflos. Es wäre ja nicht so, dass man das nicht hat kommen sehen in den letzten Monaten und Jahren und dass es auch immer wieder angesprochen wurde...
Hach, ja. Sehr lustig, das alles. Ich lehne mich gerade entspannt zurück, weil ich noch meinen ganzen Jahresurlaub habe dieses Jahr und genieße das Spektakel.
Cor_magna
10.10.2023, 20:19
Die Frage ist ob das Problem gelöst ist bis du wieder zurück kommst...
Ärzte kann man sich ja auch nicht einfach mal so aus den Fingern saugen..
Hach, ja. Sehr lustig, das alles. Ich lehne mich gerade entspannt zurück, weil ich noch meinen ganzen Jahresurlaub habe dieses Jahr und genieße das Spektakel.
Wie kann das sein? Wir müssen zu Jahresbeginn mindestens 80% verplanen.
Bei uns ist auch Not an Dienstenden, schnelle Lösungen gibt es nicht, aber an Langfristigen wird gearbeitet.
Autolyse
10.10.2023, 21:09
Wie kann das sein? Wir müssen zu Jahresbeginn mindestens 80% verplanen.
Bei uns ist auch Not an Dienstenden, schnelle Lösungen gibt es nicht, aber an Langfristigen wird gearbeitet.
Vielleicht ist der für das 4. Quartal verplant nach hellseherischen Fähigkeiten, dass es nur scheiße werden kann. Wenn man sich den Lückentext namens Dienstplan anschaut und den eigenen Namen durchgehend mit U geplant sieht, dann macht das direkt noch einmal so viel Spaß.
Ich bin auch schon gespannt auf die Begründung mir meinen Resturlaub von 14 Tagen NICHT zwischen und vor den Feiertagen zu geben. Offizielle Urlaubssperre gibt es nicht, Chef ist im Urlaub und den mir großzügig vorgeschlagenen Urlaub Mitte November hab ich schon mal vorsorglich ausgeschlagen.
Ich weiß nicht. Vielleicht will wirklich keiner mehr Chirurgie machen.
Unfallchirurgie ist wenig planbar. Mal abgesehen von der Ortho, der Wirbelsäule und Plastische/Handchirurgie gibt es bei uns so gut wie keine elektiven Eingriffe. Manchmal haben wir wenig Patienten, manchmal haben wir sehr viele. Die müssen nunmal alle irgendwann operiert werden. Ist klar, dass da viel im Dienst gemacht wird. Wenn wir das nicht machen würden, würden wir einfach immer einen großen Berg vor uns her schieben.
Cor_magna
10.10.2023, 22:04
Ich weiß nicht. Vielleicht will wirklich keiner mehr Chirurgie machen.
Unfallchirurgie ist wenig planbar. Mal abgesehen von der Ortho, der Wirbelsäule und Plastische/Handchirurgie gibt es bei uns so gut wie keine elektiven Eingriffe. Manchmal haben wir wenig Patienten, manchmal haben wir sehr viele. Die müssen nunmal alle irgendwann operiert werden. Ist klar, dass da viel im Dienst gemacht wird. Wenn wir das nicht machen würden, würden wir einfach immer einen großen Berg vor uns her schieben.
Ich habe bei engen Familienangehörigen das Leben der Chirurgen mitbekommen und frage mich bis heute wie man sich das ein ganzes Berufsleben antun kann. Da muss schon viel Liebe zum Job dabei sein. In meinem ehemaligen Uniumfeld haben sich auch sehr viele nach anfänglicher Begeisterung eher weg von der Chirurgie orientiert. Bei manchen hat es mich dann doch echt gewundert, die waren teilweise schon sehr sehr OP-verliebt.
Nicht falsch verstehen : ich denke dass operieren vielen viel Spaß machen kann, und habe grossen Respekt vor den chirurgischen Kollegen, aber wenn ich mir das ganze drum herum so anschaue wundert es mich nicht, dass viele keine Lust darauf haben...
Heerestorte
11.10.2023, 05:35
Es kommt halt, wie so oft, auf die Stelle drauf an. Bei uns die OÄ haben z. B. Einen Hintergrund pro Woche und ansonsten regelmäßig Feierabend nach der Nachmittagsbesprechung. Assis 2-3 Dienste im Monat und tatsächlich auch mal Nächte, die eher ruhig sind. Aber klar, ist nicht überall so.
Autolyse
11.10.2023, 05:40
Es kommt halt, wie so oft, auf die Stelle drauf an. Bei uns die OÄ haben z. B. Einen Hintergrund pro Woche und ansonsten regelmäßig Feierabend nach der Nachmittagsbesprechung. Assis 2-3 Dienste im Monat und tatsächlich auch mal Nächte, die eher ruhig sind. Aber klar, ist nicht überall so.
Eure Personalausstattung hat aber mit der Realität abseits dieser 4 1/2 Häuser relativ wenig zu tun. ;-)
Heerestorte
11.10.2023, 05:49
Pssst,, das ist doch geheim :-))
Spektralleuchte
11.10.2023, 09:12
Es kommt halt, wie so oft, auf die Stelle drauf an. Bei uns die OÄ haben z. B. Einen Hintergrund pro Woche und ansonsten regelmäßig Feierabend nach der Nachmittagsbesprechung. Assis 2-3 Dienste im Monat und tatsächlich auch mal Nächte, die eher ruhig sind. Aber klar, ist nicht überall so.
Uuund? Bei euch ist die Arbeitszufriedenheit bestimmt ganz ganz überraschend ziemlich hoch, oder? ;-)
Das viel im Dienst gemacht werden muss, weil eben nicht planbar (verständlich) ist für mich kein Argument seinen Mitarbeitern regulär massive Überstunden oder Mehrarbeit aufzubürden. Dann müssen Dienstmodelle und Mannschaften her, die das sinnvoll bewältigen können (bestimmt keine leichte Aufgabe). Solange aber der "Tag" oder "Regulärdienst oder was auch immer, das irgendwie mit Biegen, Brechen und was auch immer abdeckt hat gefühlt jeder Chefarzt dieser Welt die feste Meinung das alles super Paletti ist.
Und ja, bei uns liegt der Segen auch quer. Solange man aber als einziger auf dem Posten steht, dass das ja so bitte nicht sein kann und die "Kollegen" noch den Eimer über die Scheuklappen ziehen um ja nur nicht aufzufallen und sich überall anders massiv über die Arbeitsbedingungen beschweren, aber niemals "Oben".. und dann doch wieder alles mitmachen.. So wird es sich nicht ändern.
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