Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Treffpunkt für gestresste Assistenzärztinnen und -ärzte
Thomas24
19.06.2011, 19:57
Frag nur deswegen nach, weil es ja in verschiedenen Fachbereichen (vor allem in den privatwirtschaftlich geführten Klinikkonzernen) Bestrebungen gibt, den Arztvorbehalt abzuschaffen... hony soit...
So wollte beispielsweise die H**** Gruppe eine Art spezialisierte Anästhesiepflege schaffen, die -anstelle von Anästhesisten- die Narkosen übernehmen kann ("aber natürlich wären dann auch noch Anästhesisten im Haus, jaja, nein, die kritischen Fälle kämen natürlich nicht in Betracht, nur die Routine..."), oder es sollen Op Assistenten angelernt werden, die dann z.B. in der Herz- Thoraxchirurgie, die Beinvenen entnehmen etc., während der Arzt primär für den Thorax verantwortlich wäre ("natürlich nur entlastend für den Arzt etc.").
In der Schweiz ist es also schon Realität geworden.
In den USA gibt es ja eine ganze Reihe von (para) med. Berufen, die z.T. invasive Eingriffe durchführen, so z.B. im Bereich der Augenheilkunde, wo in Ohio neulich Optometristen in einer Nacht und Nebelaktion des Parlamentes das Recht zu Lasereingriffen am Auge gewährt worden ist...:-((
teletubs
19.06.2011, 20:06
Aber hab vorgestern mit einer Bekannten telefoniert, die eben solche Zusatzausbildung macht. Die lernen das an Dummies, bevor sie auf die Menschen losgelassen werden. Und so wie sie erzählt hat, ist das echt top, was die da gelehrt bekommen. An den Dummies kann man sämtliche Anästhesien mit Komplikationen durchspielen. Und ich glaub, dass ist vom Hörensagen besser, als manch anderer Assi eine Ausbildung im Op bekommt... :-lesen
Mh, hier ist es halt (wie teletubs schon schrieb) seit jeher so, dass die Pflege Aufgaben übernimmt, die in Deutschland den Ärzten vorbehalten sind. Auf der Abteilung spürt man das sehr deutlich, wie ich jetzt nach fast zwei Jahren Innere sagen kann (keine venösen Blutentnahmen, auf dem Notfall nicht mal die arteriellen, keine Flexülen legen, kein Blut anhängen, keine i.v. Spritzen mit Ausnahme von der Erstdosis Digoxin und so weiter). Und die Anästhesie-Pflege hier hat so eine Wahnsinns-Routine in dem, was sie macht, dass sie glaube ich jedem Assistent in den ersten zwei bis drei Jahren haushoch überlegen sind. Einiges machen sie natürlich nicht. Spinale, EDAs, die ganzen Schmerzkatheter, ZVKs etc. sind Arztsache. Aber "normale" Allgemeinanästhesien, intravenöse Regionalanästhesie oder so übernimmt die Pflege gleichberechtigt. Und die Verantwortung liegt in letzter Linie immer beim zuständigen Oberarzt.
@teletubs: bei uns lernen sie direkt im OPS. Aber die ersten SECHS Monate immer 1:1 mit einem erfahrenen und fertig ausgebildeten Kollegen. Definitiv gut geteacht, was die machen.
teletubs
19.06.2011, 20:13
Und es ist dann doch ein schönes Gefühl, wenn die Pflege mal nicht so stecherfolgreich ist und du dann als Assi nach dem Motto "Ein Schuss ein Treffer" sie von ihrem Leiden erlösen kannst :-))
EDIT: die Dame macht die Ausbildung am Unispital hier...aber es klang zumindest sehr gut
Thomas24
19.06.2011, 20:33
Wenn Ärzte kein Blut abnehmen, keine Zugänge (arteriell oder venös) legen, keine EKs anhängen etc... das müssen die doch auch können?! Führt das nicht zu einem schleichenden, aber merklichen Kompetenzverlust in der Ärzteschaft?
Wenn der OA die letztliche Verantwortung trägt, hat er gegenüber der Pflege eine entsprechende Weisungsbefugnis? In D untersteht die Pflege *nicht* der ärztlichen Direktion, sondern der Pflegedirektion.
Ausserdem scheint ihr in der Schweiz eine ganz andere Sorte von Pflege zu haben, wenn die so viele Aufgaben übernehmen kann und will. In D sind manche Pflegekräfte leider oft im Bereich "ist nicht meine Aufgabe/mein Bereich" und in der Abteilung "dafür bin ich nicht zuständig" tätig.
Ausser auf ITS, die Pflegekräfte dort sind in der Regel top motiviert und ausgebildet. Vielleicht hat die Pflege in der Schweiz einen anderen Stellenwert und eine andere Lobby als bei uns und rekrutiert daher auch ein anderes Klientel?
McDreamy
20.06.2011, 08:43
Einiges machen sie natürlich nicht. Spinale, EDAs, die ganzen Schmerzkatheter, ZVKs etc. sind Arztsache. Aber "normale" Allgemeinanästhesien, intravenöse Regionalanästhesie oder so übernimmt die Pflege gleichberechtigt. Und die Verantwortung liegt in letzter Linie immer beim zuständigen Oberarzt.
Also mal ehrlich: So eine Entwicklung finde ich gar nicht gut.
Nach dem Motto: Die Routine-Sachen macht die Pflege und und die komplizierten Sachen und die Verantwortung trägt der OA? Gehts noch?!!
Wenn die Pflege "gleichberechtigt" eine Narkose macht und offenbar auch über eine Top-Ausbildung in diesem Bereich verfügt, dann muss sie auch "gleichberechtigt "dafür haften, wenn mal was schiefgeht. Außerdem frag ich mich, wo denn dann die Assis und zukünftigen OÄs ihre Routine-Narkosen gelehrt bekommen, die dann später mal einspringen sollen, wenn´s kompliziert wird??.
Neeee... das gefällt mir gar nicht. Pflege reißt Stück für Stück Kompetenzen an sich (oder es wird ihr aufs Aug gedrückt) aber die Haftung soll dann wieder bei den Ärzten bleiben, nur damit der Klinik-Träger bei Haftungsfällen sagen kann: "das lag ja eh im Kompetenzbereich eines Arztes"
Mal ganz zu schweigen von dem Umstand, dass dies natürlich ausschließlich darauf abzielt, immer mehr ärztliche Tätigkeiten auf billigere Kräfte umzuschichten (nichts gegen die Pflege! Die sind sicher top ausgebildet - Aber überlegt euch das bitte mal!!)
@Thomas24: ganz deiner Meinung!
McDreamy
20.06.2011, 08:45
Und es ist dann doch ein schönes Gefühl, wenn die Pflege mal nicht so stecherfolgreich ist und du dann als Assi nach dem Motto "Ein Schuss ein Treffer" sie von ihrem Leiden erlösen kannst :-))
EDIT: die Dame macht die Ausbildung am Unispital hier...aber es klang zumindest sehr gut
Ähhh ja und wo lernt der Assi die komplizierten Blutentnahhmen, wenn doch die Pflege die ganze Routine hat??!
Leelaacoo
20.06.2011, 09:03
Ich finde diese Regelung auch etwas bedenklich...nicht dass ich sonderlich auf Blutentnahmen stehe und finde, dass die morgendlichen BEs auf der Station durchaus von dafür eingestellten und geschulten Kräften gemacht werden könnten (ist ja jetzt auch nichts, wozu man studiert haben muss und was morgens viiiieeeel Zeit benötigt)...aber die "Routineeinleitungen" in der Anästhesie erst ganz abgeben und dann die komplizierten dem OA überlassen? Es ist ja nicht so, dass ein Arzt im letzten Monat noch Assi war und im nächsten Monat mit der FA-Prüfung und der OA-Stelle auf einmal sämtliche Fähigkeiten wie von Zauberhand geschenkt bekommt...erst durch die Routine lernt man doch und bekommt Sicherheit. Was ist dann draußen als NA? Ich habe mein 2tes Tertial in der Schweiz gemacht und es war schon ein wenig peinlich, dass der Assi im 5ten Jahr eine Routine-BE nicht hinbekommen hat (Chirurgie wars, die Ambulanzschwester hatte eine Nadelstichverletzung in der Nacht, wollte sich aber selbst kein Blut abnehmen) und ich dann ran musste...ich will die Dinge erst KÖNNEN, dann kann man darüber nachdenken, wie man entlasten kann...
Irgendwie hab ich mir beim Lesen überlegt, wozu die Schweizer dann ÜBERHAUPT Anästhesisten brauchen...ich denke, wenn die Pflege so viel Routine und Ausbildung hat, dann sollten die ja auch die komplexen Einleitungen und Narkosen besser hinbekommen als der OA (und tun dies wahrscheinlich auch oft...)...
LG Lee (grad kaputtgeschafft....)
McDreamy
20.06.2011, 09:30
Irgendwie hab ich mir beim Lesen überlegt, wozu die Schweizer dann ÜBERHAUPT Anästhesisten brauchen...
Hm... mal schauen:
Narkosen?
Nö, macht die Pflege.
Regionalanästhesie?
Nö, macht die Pflege.
Herzalarm?
Nö, macht die Pflege.
Wozu die noch Anästhesisten brauchen?
Um nach außen den Schein zu wahren, dass die Patienten von Ärzten behandelt werden und manchmal auch, um den Karren aus dem Dreck zu ziehen. Ach ja, und natürlich auch, um neue Pflege-Kräfte auszubilden, die dann irgendwann auch noch die komplizierteren Sachen machen und dann brauchen sie dich nur noch als "unterzeichnenden Supervisor".
Nicht schlecht das Konzept. Ließe sich wahrscheinlich auch auf andere Fächergruppen ausdehnen - was meint Ihr? Ach ja, wie ich lese, betrifft es auch schon die Chirurgen... Venen entnehmen? Kein Problem.
Im Grunde ist ja so eine kleine Appendektomie ja auch nur Routine... oder nicht?
Mh, ich glaube, Ihr wollt mich falsch verstehen. Es ist keineswegs so, dass jede Narkose von der Pflege gemacht wird. Sie übernehmen einfach einen Teil der Narkosen. Und auch bei jeder Narkose, die ein Assistenzarzt macht, liegt die Verantwortung letzlich beim zuständigen Oberarzt. Oder ist das bei Euch anders? So lange ich nicht Facharzt bin, brauche ich doch zumindest rechtlich eine Supervision... Und keine Sorge, ich komm schon zu meinen Routine-Narkosen, dafür gibt es schon genug.
teletubs
20.06.2011, 11:11
Ähhh ja und wo lernt der Assi die komplizierten Blutentnahhmen, wenn doch die Pflege die ganze Routine hat??!
In Düüüüüüüüüüüütschland :-D
Winiwarter B.
20.06.2011, 13:43
Eilika: ich verstehe was Du meinst. Vielleicht muss man aber auch erst mal in der CH gearbeitet haben… Habe sowohl in Belgien, der Schweiz als auch in Deutschland gearbeitet. In BE sowie CH ist die Pflege top ausgebildet und hoch motiviert. Und insbesondere in der Schweiz habe ich eine tolles Teaching erhalten. Während meiner (kurzen) Zeit in Deutschland habe ich eigentlich nur Tätigkeiten durchgeführt, die im Ausland sonst die Pflege gemacht hat. War dort extrem frustriert! Ich denke Blutabnahme, Zugänge legen, iv spritzen, Blut anhängen sind durchaus Tätigkeiten, die nicht eines ärztlichen Studiums bedürfen. Soweit ich weiss ist es in vielen europ. Ländern so, dass nur zur Ein- und Ausleitung ein Arzt anwesend ist. Ich weiss nicht wo hier das Problem sein soll. .. :-dafür
sodbrennen
20.06.2011, 13:59
Verdient die Pflege dann eigentlich auch entsprechend mehr?
capucine
20.06.2011, 17:29
In der Tat sind all diese beschriebenen Dinge auch in Frankreich so. Die Anaesthesiepflege ist hier auch sehr gut ausgebildet und macht die genannten Taetigkeiten.
Die Kinderkrankenschwestern zB in meinem Bereich legen alle Zugaenge, haengen EKs an und spritzen IV etc. Ausnahmen sind alle ZVKs und Venen wie Jug externa, die muss der Arzt natuerlich legen, gespritzt duerfen ausserdem keine Antiarythmika ohne aerztliches Beisein werden. Das entlastet idT von einer Vielzahl von Aufgaben. Trotzdem hat man nicht das Gefuehl, weniger zu tun haben komischerweise, die aerztlichen Aufgaben verschieben sich bloss.
Was hier einige anmerkten ist jedoch richtig: fuer einen franz. Arzt ist es schwierig Routine in "Pflegtaetigkeiten" wie BEs und Braunuelen zu bekommen. er soll aber ran, wenn es mal nicht klappt bei den Kleinen, ein Dilemma...Ich habe da immer noch den ehem Dtschl "Vorteil" und steche noch ganz gut, aber wenn man's seit Jahren nicht machen brauchte, nimmt natuerlich die besagte Routine deutlich ab. Lsg des Problems ist im Dienst dann idR fuer die Kollegen, die nicht stechen koennen, der Aenesthesiepfleger oder direkt der Anesthesist, was auch gelegntlich zu Spannungen fuehrt, wie man sich vorstellen kann..
McDreamy
20.06.2011, 21:01
@ Eilika: Also ich denke nicht, dass ich dich falsch verstanden habe.
Mir ist schon klar, dass es Routinetätigkeiten gibt (wie Braunülen, Blutabnahmen, Infusionen anhängen, etc.), die die Pflege genauso gut machen kann und die Ärzte dadurch für ihre eigentliche Tätigkeit (nämlich Diagnosen Stellen und Therapien machen/anordnen) entlastet werden. Soweit sogut.
Aber eine Narkose leiten, den Herzalarm bedienen, Venen entnehmen usw. ist dann meiner Meinung nach doch etwas anderes! Das dringt doch gehörig in den ärztlichen Bereich vor, nämlich die DURCHFÜHRUNG einer Therapie. Ich für meinen Teil möchte nicht darauf reduziert werden, nur noch Therapie-ANORDNUNGEN zu schreiben und für irgendwas gerade zu stehen, was ein anderer dann bei der Durchführung verbockt hat.
Und ich stimme auch meinem Vorredner (Cappucine?) zu, dass ich nicht den Karren aus einem Dreck ziehen kann, wenn ich keine Ahnung hab vom Fahren, sprich wenn ich keine Ahnung von den Routinetätigkeiten hab und dann aber auch noch die komplexen Situationen lösen soll, wo die Routiniers auch nicht mehr weiterwissen.
Versteh mich nicht falsch, ich glaub eh, dass du noch genug Routinenarkosen machen kannst, um die Routine zu bekommen. Aber wie lange noch? Warum sollte ein Arbeitgeber 5 Ärzte einstellen, wenn er doch um den selben Preis 10 Pflegekräfte bekommt, die den selben Job machen und die nur EINEN einzigen Arzt als Supervisor brauchen?
Und wo hört das auf? wie gesagt, im Prinzip ist doch ne Kardioversion oder ne PTCA auch Routine, oder? Kann man im Prinzip einem Schimpansen beibringen, wenn man ne 3-jährige Ausbildung zum "Kardiovertierer" schafft...
Und die nächste Frage: Wenn ein Schweizer oder Französischer oder Woher-auch-immer Jung-Assi keine Ahnung von praktischen Fertigkeiten hat, sprich eine Vene nichtmal trifft, wenn sie einem schon entgegenspringt und noch nie einen Herzalarm von innen gesehen hat, dann frag ich mich, wer denn bei euch auf dem Notarztwagen sitzt?
Also ich finde diese Entwicklung äußerst bedenklich. Außerdem möchte ich nicht, dass meine Tätigkeit als Arzt zum reinen Bürojob verkommt!
McDreamy
20.06.2011, 21:03
In Düüüüüüüüüüüütschland :-D
Und wo lernen´s die Schweizer??
McDreamy
20.06.2011, 21:09
Und auch bei jeder Narkose, die ein Assistenzarzt macht, liegt die Verantwortung letzlich beim zuständigen Oberarzt. Oder ist das bei Euch anders? So lange ich nicht Facharzt bin, brauche ich doch zumindest rechtlich eine Supervision...
Das stimmt natürlich. Das Problem ist ja auch nicht, dass du einen Supervisor brauchst, das Problem ist vielmehr, dass der Supervisor DICH nicht mehr braucht, sondern im Prinzip "nur" einen Pfleger (und idR zum halben Preis ;-))
Thomas24
20.06.2011, 21:13
Das ist in der Tat eine sehr bedenkliche Entwicklung... wozu teure (Fach)ärzte beschäftigen, wenn man ihre Tätigkeit in kleinere, überschaubare und antrainierbare Häppchen delegieren kann, die man dann an günstigere Kräfte delegiert.
Wozu Kardiologen beschäftigen, wenn man eine Langzeit RR/ Rhythmologie/ EPU - Fachkraft, eine TEE/ Sono - Fachkraft, eine PTCA Fachkraft etc. haben kann. Für kleineres Geld. Das Team wird dann von 1-2 tatsächlichen Kardiologen supervidiert...
Tja, beim Schamanentum ist doch genau der gleiche Mist -> Optometristen zu sehen. Und wenn mir mal wieder ein Patient sagt "Nee, den Augendruck hat der Optiker letzten Monat gemessen, ich habe keinen grünen Star", schüttel ich mittlerweile nur noch den Kopf, das Aufregen und Bekehren habe ich mir abgewöhnt.
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