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Espressa
13.07.2011, 19:44
Kann man als Patient tatsächlich das Krankenhaus nötigen, stationär zu bleiben?
Ich meine, sie ist ja "nur" depressiv. Gibts da keine anderen Einrichtungen oder so wo man solche Leute betreuuen kann?
Wenn ich jetzt ab sofort behaupte ich bring mich um wenn wasweißich, und mit keinem rede, darf ich dann ewig im KH "wohnen" bleiben?
...das soll sich bloß mal nicht rumsprechen...
Thomas24
13.07.2011, 19:55
Nach meinem laienhaften Verständniss würde ich die insg. 7 Suizidversuche in der Vergangenheit durchaus anders bewerten als "ich behaupte, ich bring mich um, wenn...".
Insofern kann ja eigentlich keine Rede davon sein, dass KH zu einer stationären Therapie zu "nötigen".
@Antracis: Prokrastination hilft bei nervigen Anträgen leider auch nicht...
@Antracis: Deswegen hatte ich den ersten Satzteil vorangestellt, um eben nicht so missverstanden zu werden, wie Du mich anscheinend hast. Nein, das war keine Kritik oder ein Kopfschüttelndes "Mann, tut Euch nicht so wichtig". Um Gottes Willen! Mich würde nur tatsächlich interessieren, von welchen Kosten man da so spricht. Ist das wirtschaftlicher Wahnsinn oder kostet ein Jahr Psychiatrie auch nicht mehr als vier Wochen Intensivmedizin "mit alles".
Antracis
13.07.2011, 19:59
Kann man als Patient tatsächlich das Krankenhaus nötigen, stationär zu bleiben?
Ich meine, sie ist ja "nur" depressiv. Gibts da keine anderen Einrichtungen oder so wo man solche Leute betreuuen kann?
Wenn ich jetzt ab sofort behaupte ich bring mich um wenn wasweißich, und mit keinem rede, darf ich dann ewig im KH "wohnen" bleiben?
...das soll sich bloß mal nicht rumsprechen...
Nun, eine schwere depressive Episode mit immer wieder auftretender akuter Suizidalität ist ein Zustand (nämlich potentiell tödliches Krankheitsbild, der ein Anrecht auf eine stationäre fachärztliche Versorgung hat. Im Aufenthalt sind mehrere Wochen ITS und (Unfall)chirurgie inbegriffen inFolge von schweren Suizidversuchen. Wenn Du also aus dem zweiten Stock eines Maximalversorgers springst und Dir 2 Monate später ein Messer in den Bauch rammst (Der Strangulationsversuch war recht harmlos...), werden Dich einige psychiatrische Abteilung bei sich wohnen lassen. ;-)
@Muri: Hatte ich auch nicht so verstanden. :-)
Ich denke, die Psychiatrie kostet auch sehr viel Schotter, weil aktuell noch pauschal berechnet und da ist ja in der Kalkulation ein sehr Personalintensives Programm drinnen.
@Thomas24: Ja, ich weiß, es ist aber einfach aktuell so viel zu tun, dass es "auch" unter: Muss halt etwas warten wie alle Briefe fungiert...und es waren nur 3 Suizidversuche, aber 4 Menschen aus dem engsten Familienkreis haben sich insgesamt (unabhängig von den jetzigen Ereignissen) umgebracht und das ist natürlich schon eine Hausnummer, wenn man überlegt, dass ein Eltern/Großelternhaus und Geschwister irgendwie prägend sind...
Praia-do-Forte
13.07.2011, 20:09
Ich liebe es wenn sich meine Spätdienste um 2 Stunden verlängern nur weil eine dämliche Maschine immer wieder aussteigt
und somit die Fertigstellung eines Parameters verzögert der jetzt um diese Uhrzeit eh keinen mehr interessiert :-???:-???:-???
Grrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrr
:-kotz
WackenDoc
13.07.2011, 20:10
Mal ne blöde Frage: Du hast doch geschrieben, dass die jetzt nach 70 Wochen zum ersten Mal ne Therapie mitgemacht hat? Wie kommt das denn?
Espressa
13.07.2011, 20:49
Ok, sorry, das mit den Suizidversuchen hab ich irgendwie überlesen. Naja. Macht sicher keinen Spass sowas, aber irgendwie finde ich es auch nicht gut wenn der Patient keine Anstalten macht gesund werden zu wollen...
Antracis
13.07.2011, 21:44
Das ärgert nicht nur Dich, sondern auch die beteiligten Behandler, trotzdem ist es halt leider auch Teil der Pathologie, den man aus meiner Sicht wie auch alle anderen Pathologien akzeptieren sollte. Selbstverantwortung hat die Pat. natürlich auch noch, aber sagen wir mal, sehr eingeschränkt nutzbar aktuell.
Gibt halt auch genug Patienten, deren Gefäße man immer wieder für viel Geld aufdehnt, weil sie einfach weiter fressen, saufen, rauchen und auf der Couch flezen. Finde ich ähnlich mühsam und nervig.
Um das jetzt aber mal abzuschließen: Das ist ein Extremfall, leider gibt es viele andere Fälle, die zu lange stationär sind (wenn auch nur Tage oder Wochen), weil sie da halt besser betreut werden, als in einer therapeutischen WG, ihrem Heim oder im betreuten Einzelwohnen. Viele bräuchten einfach noch viel mehr ambulante professionelle Hilfe und da könnte man aus meiner Sicht so manche Aufnahme verhindern. Stattdessen sinken die Verweildauern und steigen die Fallzahlen...eine Scheinlösung.
@WackenDoc: Nein, seit um die 300 Tage, anfangs gab es Therapienteilnahmen. Sie verweigert halt einfach alles bis hin zum Essen, gab auch Zwangsernährungsphasen. Wir könnten sie natürlich fixieren und in die Depressionsgruppe schieben, aber...:-))
Ernsthaft: Natürlich gab es während der Zeit regelmäßig Therapiekontakte aller Therapeuten und auch (Zwangs)medikationen, aber alles mit Null Kooperation. Und heute gab es, nachdem sich in den letzten Wochen etwas bewegte, halt eine Teilnahme auf Nachdruck, aber ohne den sonstigen aktiven Widerstand. Reden wir von passiver Duldung...vielleicht der Durchbruch...in eine Wohneinrichtung. An Remission glaube ich da irgendwie nicht mehr...
Feuerblick
13.07.2011, 21:50
Auch wenn es zynisch klingen mag, aber tut man so einem tiefdepressiven und nicht mal annähernd zu verbessernden Menschen wirklich einen Gefallen, wenn man ihn einweist, zwangsernährt und zwangstherapiert? Oder ist es ihr Wunsch, therapiert zu werden?
Antracis
13.07.2011, 22:05
Ist seit Monaten freiwillig bei uns, könnte prinzipiell jeden Tag gehen. Mehrere langfristig geplante Entlassungsvorbereitungen mit Ihrer Einbeziehung mündeten jeweils in akute Suizidalität/Suizidversuche oder anderweitige totale Dekompensationen mit dem Wunsch, noch bleiben zu wollen. Fast jede Frage wird mit "Ich weiß nicht" beantwortrt, sie fühlt nichts, ist affektiv erstarrt. Aufgrund eines Krankheitsbildes, dass in der überwiegenden Anzahl der Fälle eine Vollremission zeigt. Das Ganze berührt natürlich ethische Fragen, ist aber nicht wirklich einer der Fälle, wo ich Zweifel habe, ob man sie behandeln sollte.
Espressa
13.07.2011, 22:14
Kann man denn den "Wunsch" nach stationärer Behandlung nicht an irgendwelche Bedingungen knüpfen?
Ist als ob man der fressende/ saufende/ rauchende internistische Patient mit 5 Stents wäre, aber einfach keine Medis und keine Änderungsmaßnahmen akzeptieren würde. Würde den eine Innere ewig halten?
(Welch ein Glück für die Umwelt - und mich - dass ich kein Psychiater geworden bin. Echt Hut ab vor euch Leute...)
Feuerblick
13.07.2011, 22:14
Hmmm, okay.
Kann man denn den "Wunsch" nach stationärer Behandlung nicht an irgendwelche Bedingungen knüpfen?
Ist als ob man der fressende/ saufende/ rauchende internistische Patient mit 5 Stents wäre, aber einfach keine Medis und keine Änderungsmaßnahmen akzeptieren würde. Würde den eine Innere ewig halten?
(Welch ein Glück für die Umwelt - und mich - dass ich kein Psychiater geworden bin. Echt Hut ab vor euch Leute...)
Als ob man das bei den internistischen Patienten an irgendwas knüpfen könnte :-nix total runtergerockt, Patient trinkt, raucht weiter, nimmt seine Medikamente nicht, ist stark übergewichtig...wird trotzdem immer wieder behandelt. Was das intensivmedizinisch für Kosten verursacht...*schulterzuck*
So ist das. Und warum ist ein psychiatrischer Patient ein so viel größerer Dorn in den Augen mancher? Die sind doch viel 'kostengünstiger' -und wie schon erwähnt, wenn sie nicht behandelt werden und sich erfolglos suizidieren, wirds viel teurer.
Das soll jetzt net zynisch klingen.
Ich bin könnte mir auch vorstellen, als Psychiater zu arbeiten, aber bin auch oft froh, daß ichs doch nicht muß.
Hatte neulich eine höchst *auffällige* Patientin mit entsprechender Vorgeschichte im OP.
Small Talk blabla --wie würden Sie sich denn umbringen? Was wäre denn die beste Methode? -- ähm, jaaaa. -- so im Auto ists doch am besten, oder? -- naja, ich hab mir da noch nicht so die Gedanken drüber gemacht (Lüge, theoretisch hat man sich doch schon mal überlegt, was wohl eine gute Methode wäre) -- Sagen Sie doch mal! -- Ich würde es Ihnen wenn auch nicht verraten ;-)
Feuerblick
14.07.2011, 09:38
@Miss: Das ist mit der Grund, warum ich nie Innere machen wollte. Diese Stammgäste haben mich schon im PJ genervt ;-)
Meine Frage bezog sich übrigens nicht auf das Finanzielle sondern mehr darauf, ob man dem Menschen selbst einen Gefallen tut, wenn man ihn unbedingt therapieren möchte. Ich habe mal einen jungen Mann erlebt (bzw. nicht mehr erlebt), der schon seit langer Zeit immer und immer wieder stationäre Therapien bei wirklich schweren Depressionen und mehreren Suizidversuchen gemacht hatte. Man hatte immer wieder gedacht, ihn jetzt nach draußen lassen zu können, weil man ihn wieder "funktionsfähig" gemacht hatte. Seine Familie dagegen hat ihn als so schwer depressiv beschrieben, dass die Therapie ihn eigentlich nur quälte und er nur deshalb funktioniert hat, um aus dem Krankenhaus wieder rauszukommen. Als ich auf ihn traf, hatte er sich mit einer Rasierklinge zwei tiefe Schnitte quer über den Hals zugefügt und sich damit sämtliche großen Halsgefäße zumindest eröffnet, wenn auch nicht durchtrennt. Er ist vor unseren Augen verblutet... und irgendwie hatte man das Gefühl, dass das der einzig richtige Weg für ihn war. :-nix So etwas macht nachdenklich.
Relaxometrie
14.07.2011, 10:15
leider gibt es viele andere Fälle, die zu lange stationär sind (wenn auch nur Tage oder Wochen), weil sie da halt besser betreut werden, als in einer therapeutischen WG, ihrem Heim oder im betreuten Einzelwohnen. Viele bräuchten einfach noch viel mehr ambulante professionelle Hilfe und da könnte man aus meiner Sicht so manche Aufnahme verhindern. Stattdessen sinken die Verweildauern und steigen die Fallzahlen...eine Scheinlösung.
Das stimme ich (fast) voll zu. Ob die stationäre Betreuung nämlich tatächlich besser ist, wage ich zu bezweifeln. Bei uns (bzw. in meiner früheren Klinik) sind sooooo viele Tagespunkte, die man großartig mit dem Patienten besprochen hat, ausgefallen (Sport, Physiotherapie, Ergotherapie), daß ich irgendwann echt keine Lust mehr hatte, die Patienten überhaupt auf die theoretischen Möglichkeiten der Therapieangebote aufmerksam zu machen.
Ansonsten bin ich zu der Überzeugung gekommen, daß in der Psychiatrie (natürlich auch in anderen Fachgebieten) einigen Patienten immer wieder eine Chance auf Heilung, oder zumindest Zustandsverbesserung versprochen wird, was irgendwann nach dem x-ten stationären Aufenthalt meiner Meinung nach nur noch eine Farce ist, bzw. einer dreisten Lüge und Täuschung des Patienten gleichkommt. Meiner Meinung nach muß man eine Art Stufenmodell entwickeln, das mit ambulanter Behandlung beginnt. Danach kommen stationäre Aufenthalte, von mir aus auch viele und lange stationäre Aufenthalte. Aber man muß auch Grenzen der Behandelbarkeit erkennen und in der Lage sein, Patienten als untherapierbar zu entlassen. Das bedeutet nicht, daß man sie links liegen lassen soll, aber es bedarf dann einfach anderer Konzepte, als per Drehtürpsychiatrie immer wieder einem (leider sinnlosen) stationären Aufenthalt zuzustimmen, bzw. diesen durchzuführen, weil sich wieder mal alle Beteiligten nur absichern wollen. Einigen "Systemsprengern" (wie einer meiner Oberärzte Patienten nannten, die nie therapierbar sein werden, aber trotzdem ein gewisses Funktionsniveau aufrecht erhalten können) ist mit einer Suppenküche, einem Matratzenlager und anderen minimalen Hilfestellungen, die aber unbürokratisch erreichbar sein müssen, weitaus besser (und billiger!) geholfen, als wenn man ihnen immer und immer wieder einen pseudoseriösen stationären Aufenthalt mit viel Papierkram und wenig Effekt angedeihen lässt, oder sogar aufzwingt!
@Antracis:
Ihr habt sie hoffentlich schon "gebrutzelt" (Jargon für EKT)?!
Manchmal hilft nur das, und sei es aus der Not einer nicht ganz unaggressiven Gegenübertragung....
WackenDoc
14.07.2011, 17:55
Hm-schon nen krasser Fall.
Aber ich hab ne Neuigkeit: Hab heute meine erste Patella reponiert :-) Danke an die Hilfe durch den netten RettAss. Und auch in der Gesamtteamleistung hat das richtig gut geklappt.
Danke. :-) ...ist wirklich etwas frustrierend. Der MDK ist quasi auch weinend und hoffnungslos aus dem Gespräch mit Madame D. rausgegangen. Sie will Ihre Frau (!) zurück oder nicht mehr Leben. Ziemlich genau zwischen diesen beiden Extremen existiert (na gut, vegetiert) sie jetzt bei uns und wir bekommen sie weder gesund noch raus. Wenn ich Ihren Fall noch einmal in meiner Balintgruppe erwähne, schmeißen die mich da wahrscheinlich hochkannt raus. :-))
Normalerweise sindsja immer die Männer, die total ohne jede Grenze dekompensieren, wenn sie sitzengelassen werden, aber naja...
Gruß
Anti
Ich hab einmal bei einer Patientin ein Jahresjubiläum mitgemacht, laut Pflege kam das früher auch öfter vor. Wir sagen solchen Langzeitdepressiven (bei solchen, bei denen es doch eher am Willen liegt) irgendwann, dass wir sie in ein Heim verlegen müssen wenn sie nicht mehr in ihrem alten Leben zurecht kommen, bei manchen zieht das, aber leider nicht bei allen :-?
Antracis
14.07.2011, 18:49
Die Heimverlegung ist ja schon lange beschlossen (gegen den Willen der Patientin...), aber bisher ist das halt immer gescheitert. EKTiert haben wir sie nicht, wobei ich anfangs dafür war, mich aber nicht gegen OÄ und CÄ durchsetzen konnte. Mittlerweile sehe ich da auch keinen Sinn drinn, denn das depressive Syndrom war schon mehrmals remittiert - und dann ist sie doch wieder dekompensiert. Letztlich wohl die Dekompensation einer fetten komplexen Persönlichkeitsstörung, aber damit jetzt Schluß und noch einmal:
Das ist ne ganz fette Ausnahme, sowas haben wir auch nicht in jedem Jahrzehnt. :-))
Und jetzt wieder zu den lustigen Dingen hier...:-)
Angel Oak
14.07.2011, 19:25
Morgen wieder erster Dienst in der UC nach 6 Monaten Intensiv (auch noch ein ungeplanter, eigentlich habe ich frei und dann Urlaub). Hoffentlich kann ich überhaupt noch etwas....
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