Jens
09.02.2003, 12:33
Der erste Teil einer Kurzgeschichte von vanco, betitelt mit
Das Leuchten in der Nacht
Es war wieder einmal einer der Tage an dem ich nicht schlafen konnte, Gedanken rasten mir durch den Kopf, Gefühle und Adrenalinschübe drängten sich ins Bewußtsein, von Erholung keine Spur.
Es war mittlerweile nach zwei und mein Bett total verschwitzt. Der Sommer quälte alles und jeden. Selbst das am Fliegenfänger hängende Insekt schien Qualen zu erleiden und zwar nicht nur weil ihm das Insektizid zu schaffen machte, sondern, weil die Hitze selbst in der kühlen Nacht das Schlafen unmöglich machte. Es wand sich mit immer wiederkehrenden, hilflos schwachen Bewegungen nach rechts und nach links, aber nie nach oben, was wahrscheinlich die einzige Möglichkeit war aus diesem Geflecht von Hochleistungskleistern herauszukommen. Trotzdem gab es einfach nicht auf? Trotzdem gab man einfach nicht auf! Wieso erlag man nicht einfach seinen Anstrengungen? Warum blieb man nicht nur liegen und wartete auf den Tod?
Weil man lebte! Nichts, was lebte, ergab sich seinem Schicksal, noch nicht einmal der Verwirrte, der sich umbrachte, weil ihn die Telefonistin eine Abfuhr erteilte und er eine Konsequenz suchte. Nein noch nicht einmal dieses armselige Geschöpf auf Gottes Erden würde so etwas tun, nur aus dem Grund des sich Aufgebens! Vielmehr war es für diesen Verdrehten alles mit diesem wunderschönen Mädchen auszugehen. Doch sie, kein Empathievermögen besitzend, schickte ihn zum Teufel, zu dem er dann auch eilte, aber vielleicht wurde seine Seele doch noch vorher abgefangen. Für den armen Hund war die Welt zu Ende, er liebte sie so sehr, mit so viel Gefühl, so intensiv, mit einer solchen Leidenschaft, so verzweifelt, mit so enormer Überzeugung, so hoffnungslos und mit so viel Bewunderung, daß es absolut keinen Grund mehr für ihn gab auf dieser verrückten Welt zu verbleiben.
Doch war dieser verwirrte Mensch keineswegs verrückt, denn dieses Prädikat wurde einfach von irgend einer Gruppe von Intellektuellen, die von sich glaubte normal zu sein, definiert. Doch was war normal? Gab es eine Definition für normal? NEIN! Wenn es sie gab, dann würde sie mir nicht genügen, ich würde sie gern hören, um sie dann einfach so zu zerfetzen. Denn wenn wir alle, die wir uns für normal halten, in einer Welt leben würden, in der es überhaupt keine Normalen, wie wir sie kennen, gäbe, sondern nur Wahnsinnige, Neurotiker, Verwahrloste, Schizophrene, Verblendetete oder schlimmeres, dann wären wir doch nicht mehr normal oder? Wären dann allen anderen in dieser, zugegeben fiktiven, Welt etwa anders, zum ausstoßen und behandeln geboren? NEIN! Dann wären die einst Normalen zu geistig verwirrten , Verrückten oder zu Extremeren verurteilt. Und wieder wäre eine neue Definition für NORMAL geboren, die ich vom Zeitpunkt ihrer Existenz an verachten würde, nur um überhaupt jemand zu sein, der dagegen ist bis ich selbst ausgestoßen werde zum Zwecke der Sicherheit für alle anderen und meiner eigenen erbärmlichen Gestalt.
Die Gedanken trieben mich aus dem Bett direkt in die Küche, um meinen knurrenden Magen zum schweigen zu bringen. Erst die vierte Stulle bändigte seinen wilden Willen mein Inneres zu verarbeiten. Das Kühlschranklicht fiel auf mich, da sich mal wieder der Verschluß gelöst hatte, wie so oft zuvor schon. Es war ein 5 cm breiter Strahl, der mich scheinbar genau in zwei Hälften teilen wollte. Zu spät bemerkte ich, daß das Licht und seine Reflexionen meinen hageren Körper im Spiegel mir schräg gegenüber offenbarten und mich zur Flucht brachten. Ich eilte ins dunkle Wohnzimmer, um das penetrante Würgen loszuwerden, doch half scheinbar gar nichts, denn im Wohnzimmer standen immer noch die vielen Erinnerungsfotos aus meiner Jugend. Das Säuglingsfoto auf dem Arm meiner Mutter aus dem Krankenhaus mit der genauen Geburtsstunde und dem exakten Gewicht, drückte das bereits gegessene ein Stück höher. Trotz der Abwendbewegung zum hinteren, dunkleren Teil des Zimmers erreichte ich keine rechte Verbesserung; im Gegenteil ! Nun starrte ich auf mein Einschulungsfoto an der Seite meiner Mutter unweit meiner jetzigen Wohnung. Das ehemals noch eßbare schien seinen Weg schubweise, aber unaufhaltsam durch meine Speiseröhre in verkehrter Richtung zu durchlaufen. Die Flucht in Richtung Fenster war das Einzige, was mir blieb, um nicht eine Verschmutzung meines Teppichs weiter zu forcieren. Doch hatte ich nicht mit dem Meisterschaftsfoto gerechnet, das mich mit hochgerissenen Armen auf meine Mutter zustürmend zeigte, das ohne mein Wissen von Onkel Hugo auf der BOX- Berzirksmeistereschaft aufgenommen wurde. Nun erhob sich wahrscheinlich der gesamte Mageninhalt, nur um den Brechreiz untragbar zu machen, deshalb blieb mir auch nichts als auf den Balkon zu sprinten, bloß weil mal wieder der Mageninhalt entleert werden musste. Es dauerte keine fünf Sekunden bis es nur so aus mir herausschoß, endlos schier, und das obwohl ich heute bloß die wenigen Stullen eben, eine Wurst zu Abend und Milch zum Frühstück gegessen habe. Der bereitstehende zehn Liter Eimer füllte sich langsam, doch wurde meine Befürchtung des Überlaufens nicht zur Realität, denn schon kurze Zeit später erlosch der menschliche Brechbrunnen, den ich perfekt verkörperte, wieder.
Erst das intensiv nach Menthol schmeckende Hustenbonbon, ließ den üblen Geschmack schwächer werden, aber er verschwand sowieso nie. Seit langem schon durchlebte ich diese wahrscheinlich einzigartige Prozedur ohne auch nur mich zumindest stückweise daran zu gewöhnen.
Da saß ich nun schweißdurchnäßt auf meinem kleinen Balkon, dessen Geländer aus Ziegelsteinen hochgezogen und dann in einer auch nur als ähnlich zu bezeichnenden Hauswandfarbe angepinselt wurde. Das Platzangebot, welches von dem Balkon offeriert wurde, war mehr als dürftig. Denn ein normal gewachsener Mann konnte sich gerade so hinsetzen und ein wenig die Beine ausstrecken, nur um dann festzustellen, daß der Boden, auf dem er saß viel zu rauh und unbequem war, um lange an dieser luftigen Stelle zu verweilen. Doch kurz bevor sich die Unebenheiten der Betondecke ins Fleisch bohrten, erhaschte ich etwas in äußersten Augenwinkel, was durchaus mein Interesse wecken könnte. Bevor ich in der Lage war meinen Kopf herumzureißen, denn die Bewegung schien Millimeter für Millimeter abzulaufen, schossen mir unzählige Gedanken durch den Kopf. Was war das für ein helles, immer wieder auf und ab hüpfendes Licht, das sich in dieser gefährlichen Gegend anschickte Farbkleckse der Attraktivität zu verteilen. War es eine Heimsuchung, die so oft in den Gottesdiensten, die ich als Kind und Teil meiner Familie erleben mußte, mit stählender Stimme vorgetragen wurden? Oder doch nur ein unidentifiziertes Flugobjekt? Das wohl am allerwenigsten, doch trotzallem mußte diese Erscheinung irgendeine rationale Erklärung haben. Zuerst erreichte das rechte Auge den grellen, springenden Lichtball, doch erst die Binokularität des menschlichen Sehens ermöglichte mir die Identifikation. Es war eine Nightjoggerin, wie sie momentan überall auf der Welt modisch und beleuchtet durch den dunklen Dschungel der Stadt ziehen. Sie machte immer synchrone Schrittfolgen, die scheinbar durch nichts auf der Welt zu bestürzen waren; ob über Pfützen, Balken oder Fahrradwracks, ewig die gleichbleibende Folge von Laufbewegungen. Sie schien sich ihrer Sache und Schönheit sicher, denn die dunklen Gassen um meine Residenz herum wollte sie scheinbar nicht meiden; oder sollte ihr Auftreten bloß eine Provokation sein, mit der sie die gleichgültigen Menschen in ihrer Umgebung zur Aufmerksamkeit und zum Handeln zwingen wollte? Nach wenigen Minuten verschwand ihr Schein am Ende der großen Straße ohne einer Störung erlegen zu sein.
Obwohl sie schon mehrere Sekunden um die Kurve verschwunden war, blieb ich noch lange einfach nur so sitzen und überlegte welche Farbe wohl ihr Haar hatte. Ich konnte mich einfach nicht erinnern, auch nicht an die genaue Farbe ihrer nicht leuchtenden Kleidung. Erst ein grölender Obdachloser brachte mich nach mehreren Minuten zur Besinnung, doch statt gelangweilt wie sonst auch zurück in mein feuchtes Bett zu kriechen, ging ich vertieft, auf der Suche nach der Farbe ihrer Haare, auf die Straße, über welche sie vor kurzem noch stolz herlief. Wiederum war ein äußerer Reiz von Nöten, um mich aus der selten amüsanten Gedankenspielerei herauszureißen. Doch gab es momentan wahrscheinlich keinen stärkeren Stimulus, der sich aus dieser Gasse hätte herausbewegen können. Es war wieder die wie eine elektrische Reklametafel leuchtende Joggerin, welche scheinbar kehrt gemacht hatte. Doch aus welchen Grund änderte sie ihre Richtung, obwohl sie sie auf direktem Wege in Sicherheit bringen würde? Sie schien mich ins Auge zu fassen, mehr noch sie starrte mich an; einfach so ohne jeden besonderen Grund, oder? Fiel ich ihr etwa in dieser tristen Umgebung auf wie eine kranke Eiche auf dem Marktplatz? Je näher sie kam, desto deutlicher und durchdringender wurden ihre Blicke, jedoch sollte die Spitze dieser Begegnung noch kommen. Denn sie blieb wenige Meter von mir entfernt stehen und ihre Beleuchtung wurde schwächer bis sie schließlich erlosch. Ich wußte immer noch nicht recht was mir geschah, sie schaute mich immer noch an, interessiert, eher suchend oder fragend. Erst ihr herablassendes Kopfnicken ließ mich, nachdem sie wider loslief und ihre Beleuchtung wieder auf Höchstleistung trieb, an mir heruntersehen. Was ich sah ließ mich erschauern, denn alles was ich anhatte war meine alte total durchgeschwitzte Boxershort aus der Schulzeit. So also trat ich einer wahrhaft leuchtenden Persönlichkeit unter die Augen! Wie ein drittklassiger Obdachloser, der seinen Lebensunterhalt durch die Hilfe des Staates fristet. Allerdings erschien mir und wahrscheinlich auch ihr der Eindruck, den ich momentan machte, mehr als nur treffend.
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Fortsetzung im zweiten Beitrag
Das Leuchten in der Nacht
Es war wieder einmal einer der Tage an dem ich nicht schlafen konnte, Gedanken rasten mir durch den Kopf, Gefühle und Adrenalinschübe drängten sich ins Bewußtsein, von Erholung keine Spur.
Es war mittlerweile nach zwei und mein Bett total verschwitzt. Der Sommer quälte alles und jeden. Selbst das am Fliegenfänger hängende Insekt schien Qualen zu erleiden und zwar nicht nur weil ihm das Insektizid zu schaffen machte, sondern, weil die Hitze selbst in der kühlen Nacht das Schlafen unmöglich machte. Es wand sich mit immer wiederkehrenden, hilflos schwachen Bewegungen nach rechts und nach links, aber nie nach oben, was wahrscheinlich die einzige Möglichkeit war aus diesem Geflecht von Hochleistungskleistern herauszukommen. Trotzdem gab es einfach nicht auf? Trotzdem gab man einfach nicht auf! Wieso erlag man nicht einfach seinen Anstrengungen? Warum blieb man nicht nur liegen und wartete auf den Tod?
Weil man lebte! Nichts, was lebte, ergab sich seinem Schicksal, noch nicht einmal der Verwirrte, der sich umbrachte, weil ihn die Telefonistin eine Abfuhr erteilte und er eine Konsequenz suchte. Nein noch nicht einmal dieses armselige Geschöpf auf Gottes Erden würde so etwas tun, nur aus dem Grund des sich Aufgebens! Vielmehr war es für diesen Verdrehten alles mit diesem wunderschönen Mädchen auszugehen. Doch sie, kein Empathievermögen besitzend, schickte ihn zum Teufel, zu dem er dann auch eilte, aber vielleicht wurde seine Seele doch noch vorher abgefangen. Für den armen Hund war die Welt zu Ende, er liebte sie so sehr, mit so viel Gefühl, so intensiv, mit einer solchen Leidenschaft, so verzweifelt, mit so enormer Überzeugung, so hoffnungslos und mit so viel Bewunderung, daß es absolut keinen Grund mehr für ihn gab auf dieser verrückten Welt zu verbleiben.
Doch war dieser verwirrte Mensch keineswegs verrückt, denn dieses Prädikat wurde einfach von irgend einer Gruppe von Intellektuellen, die von sich glaubte normal zu sein, definiert. Doch was war normal? Gab es eine Definition für normal? NEIN! Wenn es sie gab, dann würde sie mir nicht genügen, ich würde sie gern hören, um sie dann einfach so zu zerfetzen. Denn wenn wir alle, die wir uns für normal halten, in einer Welt leben würden, in der es überhaupt keine Normalen, wie wir sie kennen, gäbe, sondern nur Wahnsinnige, Neurotiker, Verwahrloste, Schizophrene, Verblendetete oder schlimmeres, dann wären wir doch nicht mehr normal oder? Wären dann allen anderen in dieser, zugegeben fiktiven, Welt etwa anders, zum ausstoßen und behandeln geboren? NEIN! Dann wären die einst Normalen zu geistig verwirrten , Verrückten oder zu Extremeren verurteilt. Und wieder wäre eine neue Definition für NORMAL geboren, die ich vom Zeitpunkt ihrer Existenz an verachten würde, nur um überhaupt jemand zu sein, der dagegen ist bis ich selbst ausgestoßen werde zum Zwecke der Sicherheit für alle anderen und meiner eigenen erbärmlichen Gestalt.
Die Gedanken trieben mich aus dem Bett direkt in die Küche, um meinen knurrenden Magen zum schweigen zu bringen. Erst die vierte Stulle bändigte seinen wilden Willen mein Inneres zu verarbeiten. Das Kühlschranklicht fiel auf mich, da sich mal wieder der Verschluß gelöst hatte, wie so oft zuvor schon. Es war ein 5 cm breiter Strahl, der mich scheinbar genau in zwei Hälften teilen wollte. Zu spät bemerkte ich, daß das Licht und seine Reflexionen meinen hageren Körper im Spiegel mir schräg gegenüber offenbarten und mich zur Flucht brachten. Ich eilte ins dunkle Wohnzimmer, um das penetrante Würgen loszuwerden, doch half scheinbar gar nichts, denn im Wohnzimmer standen immer noch die vielen Erinnerungsfotos aus meiner Jugend. Das Säuglingsfoto auf dem Arm meiner Mutter aus dem Krankenhaus mit der genauen Geburtsstunde und dem exakten Gewicht, drückte das bereits gegessene ein Stück höher. Trotz der Abwendbewegung zum hinteren, dunkleren Teil des Zimmers erreichte ich keine rechte Verbesserung; im Gegenteil ! Nun starrte ich auf mein Einschulungsfoto an der Seite meiner Mutter unweit meiner jetzigen Wohnung. Das ehemals noch eßbare schien seinen Weg schubweise, aber unaufhaltsam durch meine Speiseröhre in verkehrter Richtung zu durchlaufen. Die Flucht in Richtung Fenster war das Einzige, was mir blieb, um nicht eine Verschmutzung meines Teppichs weiter zu forcieren. Doch hatte ich nicht mit dem Meisterschaftsfoto gerechnet, das mich mit hochgerissenen Armen auf meine Mutter zustürmend zeigte, das ohne mein Wissen von Onkel Hugo auf der BOX- Berzirksmeistereschaft aufgenommen wurde. Nun erhob sich wahrscheinlich der gesamte Mageninhalt, nur um den Brechreiz untragbar zu machen, deshalb blieb mir auch nichts als auf den Balkon zu sprinten, bloß weil mal wieder der Mageninhalt entleert werden musste. Es dauerte keine fünf Sekunden bis es nur so aus mir herausschoß, endlos schier, und das obwohl ich heute bloß die wenigen Stullen eben, eine Wurst zu Abend und Milch zum Frühstück gegessen habe. Der bereitstehende zehn Liter Eimer füllte sich langsam, doch wurde meine Befürchtung des Überlaufens nicht zur Realität, denn schon kurze Zeit später erlosch der menschliche Brechbrunnen, den ich perfekt verkörperte, wieder.
Erst das intensiv nach Menthol schmeckende Hustenbonbon, ließ den üblen Geschmack schwächer werden, aber er verschwand sowieso nie. Seit langem schon durchlebte ich diese wahrscheinlich einzigartige Prozedur ohne auch nur mich zumindest stückweise daran zu gewöhnen.
Da saß ich nun schweißdurchnäßt auf meinem kleinen Balkon, dessen Geländer aus Ziegelsteinen hochgezogen und dann in einer auch nur als ähnlich zu bezeichnenden Hauswandfarbe angepinselt wurde. Das Platzangebot, welches von dem Balkon offeriert wurde, war mehr als dürftig. Denn ein normal gewachsener Mann konnte sich gerade so hinsetzen und ein wenig die Beine ausstrecken, nur um dann festzustellen, daß der Boden, auf dem er saß viel zu rauh und unbequem war, um lange an dieser luftigen Stelle zu verweilen. Doch kurz bevor sich die Unebenheiten der Betondecke ins Fleisch bohrten, erhaschte ich etwas in äußersten Augenwinkel, was durchaus mein Interesse wecken könnte. Bevor ich in der Lage war meinen Kopf herumzureißen, denn die Bewegung schien Millimeter für Millimeter abzulaufen, schossen mir unzählige Gedanken durch den Kopf. Was war das für ein helles, immer wieder auf und ab hüpfendes Licht, das sich in dieser gefährlichen Gegend anschickte Farbkleckse der Attraktivität zu verteilen. War es eine Heimsuchung, die so oft in den Gottesdiensten, die ich als Kind und Teil meiner Familie erleben mußte, mit stählender Stimme vorgetragen wurden? Oder doch nur ein unidentifiziertes Flugobjekt? Das wohl am allerwenigsten, doch trotzallem mußte diese Erscheinung irgendeine rationale Erklärung haben. Zuerst erreichte das rechte Auge den grellen, springenden Lichtball, doch erst die Binokularität des menschlichen Sehens ermöglichte mir die Identifikation. Es war eine Nightjoggerin, wie sie momentan überall auf der Welt modisch und beleuchtet durch den dunklen Dschungel der Stadt ziehen. Sie machte immer synchrone Schrittfolgen, die scheinbar durch nichts auf der Welt zu bestürzen waren; ob über Pfützen, Balken oder Fahrradwracks, ewig die gleichbleibende Folge von Laufbewegungen. Sie schien sich ihrer Sache und Schönheit sicher, denn die dunklen Gassen um meine Residenz herum wollte sie scheinbar nicht meiden; oder sollte ihr Auftreten bloß eine Provokation sein, mit der sie die gleichgültigen Menschen in ihrer Umgebung zur Aufmerksamkeit und zum Handeln zwingen wollte? Nach wenigen Minuten verschwand ihr Schein am Ende der großen Straße ohne einer Störung erlegen zu sein.
Obwohl sie schon mehrere Sekunden um die Kurve verschwunden war, blieb ich noch lange einfach nur so sitzen und überlegte welche Farbe wohl ihr Haar hatte. Ich konnte mich einfach nicht erinnern, auch nicht an die genaue Farbe ihrer nicht leuchtenden Kleidung. Erst ein grölender Obdachloser brachte mich nach mehreren Minuten zur Besinnung, doch statt gelangweilt wie sonst auch zurück in mein feuchtes Bett zu kriechen, ging ich vertieft, auf der Suche nach der Farbe ihrer Haare, auf die Straße, über welche sie vor kurzem noch stolz herlief. Wiederum war ein äußerer Reiz von Nöten, um mich aus der selten amüsanten Gedankenspielerei herauszureißen. Doch gab es momentan wahrscheinlich keinen stärkeren Stimulus, der sich aus dieser Gasse hätte herausbewegen können. Es war wieder die wie eine elektrische Reklametafel leuchtende Joggerin, welche scheinbar kehrt gemacht hatte. Doch aus welchen Grund änderte sie ihre Richtung, obwohl sie sie auf direktem Wege in Sicherheit bringen würde? Sie schien mich ins Auge zu fassen, mehr noch sie starrte mich an; einfach so ohne jeden besonderen Grund, oder? Fiel ich ihr etwa in dieser tristen Umgebung auf wie eine kranke Eiche auf dem Marktplatz? Je näher sie kam, desto deutlicher und durchdringender wurden ihre Blicke, jedoch sollte die Spitze dieser Begegnung noch kommen. Denn sie blieb wenige Meter von mir entfernt stehen und ihre Beleuchtung wurde schwächer bis sie schließlich erlosch. Ich wußte immer noch nicht recht was mir geschah, sie schaute mich immer noch an, interessiert, eher suchend oder fragend. Erst ihr herablassendes Kopfnicken ließ mich, nachdem sie wider loslief und ihre Beleuchtung wieder auf Höchstleistung trieb, an mir heruntersehen. Was ich sah ließ mich erschauern, denn alles was ich anhatte war meine alte total durchgeschwitzte Boxershort aus der Schulzeit. So also trat ich einer wahrhaft leuchtenden Persönlichkeit unter die Augen! Wie ein drittklassiger Obdachloser, der seinen Lebensunterhalt durch die Hilfe des Staates fristet. Allerdings erschien mir und wahrscheinlich auch ihr der Eindruck, den ich momentan machte, mehr als nur treffend.
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Fortsetzung im zweiten Beitrag