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  1. #11
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    Ein erfolgreiches Behandlungsfehlerverfahren nützt normalerweise am meisten: Der Krankenkasse. Die kann nämlich nach festgestelltem Behandlungsfehler alle Folgekosten in Form von Regress beim Arzt bzw. dessen Haftpflichtversicherer wiederholen. Verglichen mit diesen Summen sind die Kosten, die man als Betroffener in Form von Schmerzensgeld bekommt, ziemlich lachhaft. Ich habe Leute erlebt, denen ein unsäglicher Behandlungsfehler ihr berufliches und privates Leben (über ihre Gesundheit) vollkommen zerstört hat, die nie wieder gesund werden und nie wieder arbeiten werden und die mit ein paar zehntausend Euro Schmerzensgeld nach hause gegangen sind. Die Schmerzensgelder für Gesundheitsschäden sind in Deutschland sehr niedrig. Beispielsweise werden auch für fahrlässige Körperverletzungen aus anderem Bereich (abseits von Behandlungsfehlern, z.B. Verkehrsunfall) mit Krankschreibung, mehreren ambulanten Arztterminen, Wundkomplikationen und bleibenden Narben an Extremitäten immer wieder Schmerzensgelder im Bereich von ein paar hundert Euro oder niedrigem 4stelligem Bereich fällig.

    Im allgemeinen lohnt sich ein Behandlungsfehlerverfahren für einen Patienten meiner Meinung nach nur dann, wenn einen so etwas zum einen nicht besonders stark belastet und zum anderen neben Schmerzensgeld voraussichtlich noch weitere, erhebliche Kosten wie beispielsweise ein behindertengerechter Umbau zuhause und andere Nebenkosten geltend gemacht werden können. Außerdem sollten gute Aussichten darauf bestehen, den Behandlungsfehler nachweisen zu können. Ein MDK-Gutachten alleine ist da noch nicht sehr viel wert, da der gerichtlich bestellte Gutachter die Sache ganz anders sehen kann. Vor Gericht gibt es immer wieder Überraschungen in beide Richtungen. Die Beweislage ist oft schwieriger als der Betroffene es glaubt. Gerichte und die von ihnen beauftragten Gutachter sind relativ zögerlich darin, (als Gericht) einen "groben Behandlungsfehler" festzustellen bzw. (als Gutachter) entsprechend starke Formulierungen zu verwenden, die das Gericht dann zum Entscheid für einen groben Behandlungsfehler führen. Ohne die mit dem groben Behandlungsfehler zusammenhängende Beweislastumkehr wird der dann für die klagende Patienten-Partei fällige Kausalbeweis zwischen Behandlungsfehler und Schaden sehr schwierig. Sehr viele Komplikationen *können* ganz einfach auch bei fachgerechter Behandlung auftreten und werden durch nicht fachgerechte Behandlung höchstens etwas wahrscheinlicher. Dann ist die Klage normalerweise zum Scheitern verurteilt, sofern kein Grund für eine Beweislastumkehr festgestellt wird. Auf der anderen Seite gibt es gelegentlich allerdings auch Gutachter und vor allem Urteile, die sich erstaunlich stark auf die Seite des potentiell geschädigten Patienten stellen und von denen man als Arzt das Gefühl hat, dass sie sich nur mit "Mitleid" mit dem Kranken begründen lassen.

    *Wenn* man überlegt, einen Behandlungsfehler geltend zu machen, sollte man auf jeden Fall zu einem Fachanwalt für Medizinrecht, und auch unter denen gibt es große Unterschiede. Den Gang zum Rechtsanwalt als erste Beratung würde ich persönlich noch *vor* die Einleitung des MDK-Verfahrens stellen, denn mit dem MDK-Verfahren fängt man natürlich an, Porzellan zu zerschlagen, wenn die Behandlungsunterlagen angefordert werden. Es ist allerdings nicht einfach, als Patient einen guten Medizinrechts-Anwalt zu finden, da es für wirklich auf den Bereich spezialisierte Anwälte lukrativer ist, sich auf die Seite von Ärzten oder Versicherungen (sei es nun die Krankenversicherung oder die Haftpflichtversicherung) zu schlagen (gleicher Lohn für sehr viel weniger Aufwand). Nur wenn die Lage wirklich ganz eindeutig ist und die gegnerische Haftpflichtversicherung quasi sofort anerkennt, kann man sich auf eine Laufzeit des Verfahrens von vielleicht 1-2 Jahren einstellen. Das ist sehr selten. Selbst in eigentlich klaren Fällen wird der Haftpflichversicherer normalerweise auf Zeit spielen und monatelang schriftliche Gegenfragen stellen, "interne Prüfung" vorschieben und "um Geduld bitten", sowie irgendwann Gegenargumente bringen, die hauptsächlich den Sinn haben, das Verfahren zu verzögern und zu schauen, ob es sich selbst erledigt, bzw. auszuloten, wann (und ob) der Gegner die Geduld verliert und wirklich vor Gericht geht. Häufig ist ein hin und her von um die 5 Jahre, nach denen man sich irgendwann auf eine Art Vergleich einigt. Die Fälle, die vor Gericht gehen, dauern regelmäßig mehr als 5 Jahre, gehen unter Umständen durch mehrere Instanzen und können dann auch mal 15 Jahre dauern, bis sie endgültig abgeschlossen sind. Normalerweise sind die betroffenen Patienten oder deren Angehörige nach ein paar Jahren ausgelaugt und wollen das ganze oft gar nicht mehr weiterführen, sondern nur noch ihre Ruhe.

    Wie es mit dem Budget läuft, wenn ein Behandlungsfehler festgestellt worden ist, weiß ich nicht. Allgemein habe ich vom ambulanten Bereich und Budget und Regressen keine Ahnung. Kann man die Überschreitung des Budgets nicht sowieso im Einzelfall begründen? Darauf, dass "wegen eines Behandlungsfehlers" das Budget keine Rolle mehr spielt, darf man jedenfalls nicht bauen, denn die Feststellung eines Behandlungsfehlers dauert - wie geschildert - ja ggf. eine ganze Zeit. Selbst ein positives MDK-Gutachten ist als solches ja noch keine endgültige Feststellung eines Behandlungsfehlers bzw. einer sicheren Schadenskausalität.

    Man sollte sich im übrigen darüber bewusst sein, dass sich unter Umständen auch andere (nachfolgende Behandler) einem als Patient gegenüber anders verhalten werden, wenn sie wissen, dass man einem Vorbehandler einen Behandlungsfehler vorwirft und diesen Vorbehandler deshalb in Haftung nimmt / genommen hat.

    Ich möchte abschließend darauf hinweisen, dass alles Geschilderte selbstverständlich nur meine persönliche Erfahrung ist und keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit erhebt. Mir hat neulich jemand hier in einem anderen Thread zum Thema Arzthaftung widersprochen, da er ganz andere Erfahrungen gemacht hat als ich. (da ging es um das Thema Aufklärung)
    Geändert von Pflaume (16.03.2019 um 11:45 Uhr)



  2. #12
    Ein Huhn auf Reisen... Avatar von Moorhühnchen
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    Pflaume hat es sehr schön zusammengefasst. Bei mir (und ich nehme an auch beim TE) lagen und liegen keine sooo schwerwiegenden Behinderungen vor, dass man sich hier Hoffnungen auf eine höhere Summe Schmerzensgeld machen könnte. Die Genugtuung, dass man dem Kollegen jetzt gezeigt hat, dass er einen Fehler gemacht hat, ist es nicht wert, sich durch ein langwieriges Verfahren zu quälen, in dem man vermutlich erstmal von Gutachtern unterstellt bekommt, man sei auf Entschädigung oder sowas aus.

    LG vom Huhn, die in den letzten Jahren nicht besonders viel Glück bei der Auswahl ihrer Ärzte hatte.
    Geändert von Moorhühnchen (17.03.2019 um 18:15 Uhr)
    Don't be afraid of work - fight it!!





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