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Aktive Benutzer in diesem Thema

  1. #51
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    Zitat Zitat von Trendafil Beitrag anzeigen
    Das mit der Leichenschau allerdings - kann ich mir beim besten willen nicht vorstellen. Dazu würde ich auch gerne das Protokoll lesen. Stelle die Vermutung in den Raum, dass da definitiv mehr im Argen lag.
    Das Urteil vom AG Wennigsen ist natürlich ein Extremfall, in wahrscheinlich 99,99% der Fälle geht die Sache glimpflich aus und es verstirbt keiner, weil man eine falsche Todesart angibt. Aber das Urteil für mich ist klar verständlich in Falle der CO-Vergiftung: Der Arzt hat damals fahrlässig gehandelt, indem er entgegen der Vorschriften die Tote nicht vollständig entkleidet hat, als Konsequenz seiner fahrlässigen Handlung ist ein Mensch zu Tode gekommen. Für mich also nachvollziehbar, dass das Gericht ihn wegen fahrlässiger Tötung schuldig spricht, welches Urteil hätten sie sonst sprechen sollen? Frei sprechen geht wohl kaum, für eine andere Straftat hätten sie ihn wohl auch nicht belangen können (Körperverletzung oder so).

    Hab mal in einem Rechtsmedizin-Lehrbuch nachgeschaut und dort steht:
    "Die falsche Qualifikation der Todesart kann vor allem in jenen Fällen zu gravierenden rechtlichen Konsequenzen führen, in denen statt eines nichtnatürlichen Todes ein natürlicher Tod bescheinigt wird. [...]
    Es wird ein natürlicher Tod bescheinigt, weil sich infolge mangelhafter Untersuchung des Leichnams keine Anhaltspunkte für einen nichtnatürlichen Tod ergeben haben. Sollten sich dann - etwa im Rahmen einer zweiten Leichenschau vor Kremation - doch Anhaltspunkte für einen nichtnatürlichen Tod finden, so muss der verantwortliche Leichenschauarzt zumindest mit der Einleitung eines Bußgeldverfahrens rechnen. In Extremfällen ist auch ein Strafverfahren wegen fahrlässiger Tötung, § 222, denkbar, wenn infolge nicht erkannter Anhaltspunkte für einen nichtnatürlichen Tod ein weiterer Mensch unter den gleichen Umständen sein Leben verliert." (Quelle:Rechtsmedizin: Befunderhebung, Rekonstruktion, Begutachtung, Burkhard Madea Springer-Verlag, 24.11.2014 - 942 Seiten)

    Also zusammengefasst: wenn man bei der Leichenschau Hinweise auf einen nichtnatürliche Todesart übersieht, weil man mangelhaft gearbeitet hat, und dadurch ein Mensch unter den gleichen Umständen stirbt wie der Verstorbene, an dem man die Leichenschau durchgeführt hat, kann man im schlimmsten Fall für eine fahrlässige Tötung belangt werden.
    Darunter fällt der Fall vom AG Wennigsen, aber auch andere Fälle wären sicher denkbar. Nehmen wir mal die Horrorgeschichte mit dem übersehenem Messer im Rücken, was wenn ich das übersehe und dadurch der Täter unbehelligt weitermachen kann und sagen wir mal nun den Sohn der Verstorbenen nun mit dem Messer umbringt?



  2. #52
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    Hach, deshalb mag ich dieses Forum: man kann für den Alltag so viel mitnehmen..



  3. #53
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    Hatte gestern 24h-Dienst und stoße jetzt erst dazu, so dass wurstbrot das entscheidende Beispiel von 1989 schon gebracht hat: Die Frau, die an Kohlenmonoxid-Vergiftung gestorben ist und wo der Leichenschau durchführende Arzt das nicht gemerkt hat, *weil* - und das ist das Entscheidende - er nachgewiesenermaßen die Leiche bei der Leichenschau nicht vollständig entkleidet hat.

    Hier liegt die Krux begraben: Man darf als Arzt einen Fehler machen, man darf mal was übersehen, man darf was falsch beurteilen, man darf auch einfach mal was vergessen. Strafrechtlich bewegt man sich damit üblicherweise im Bereich der Fahrlässigkeit, berufsrechtlich bewegt man sich üblicherweise im Bereich des fahrlässigen Verstoßes gegen die im §2 der Muster-Berufsordnung niedergeschriebenen Berufspflichten (allgemeine Sorgfalt, Einhaltung von Behandlungsstandards etc.). All das führt nicht zum Entzug zur Approbation, zumindest kenne ich keinen entsprechenden Fall.

    Die Approbation ist weg bei nachweislich *vorsätzlichem* Verstoß gegen die Berufsordnung, bei *vorsätzlichem* Verstoß gegen basale Behandlungsstandards, bei *vorsätzlichem* Verstoß gegen sonstige wichtige Vorschriften.

    Aus meiner Zeit in der Rechtsmedizin weiß ich noch, dass der Entzug der Approbation als Arzt aufgrund eines Ereignisses aus der ärztlichen Tätigkeit heraus äußerst selten ist, eine absolute Rarität. Das geschieht deutschlandweit meines Wissens weniger als einmal pro Jahr. Insgesamt ist der Entzug der ärztlichen Approbation selten. *Wenn* es geschieht, dann ist die Ursache aber üblicherweise Krankheit (Sucht o.ä.) oder ein Verstoß, der nichts mit der rein fachlich-medizinischen Behandlung eines Patienten zu tun hat, sondern insgesamt Zweifel an der ethischen Eignung zur ärztlichen Tätigkeit weckt. Steuerhinterziehung wurde schon genannt, Verstöße gegen die sexuelle Selbstbestimmung oder andere Delikte aus dem Bereich Körperverletzung sind denke ich nachvollziehbare Gründe, bei anderen schweren Straftaten wäre es auch denkbar, wobei es grundsätzlich natürlich immer auf die jeweilige Fallkonstellation ankommt. Auch da verliert man die Approbation nicht "einfach so". Ich kenne mehrere Fälle, in denen Ärzte in teils erheblichem Ausmaß gegen das Betäubungsmittelrecht verstoßen haben, bei denen ich regelmäßig eher überrascht war, wie wenig den jeweiligen Ärzten passiert ist (die Approbation hat von denen keiner verloren). Allen diesen Fällen gemeinsam war, dass die jeweiligen Ärzte die Verstöße eher aus "Mitleid" mit irgendwelchen suchtkranken Patienten begangen hatten, jedoch selbst keinen wesentlichen finanziellen Vorteil aus der unkorrekten Arbeitsweise gezogen hatten. Da haben sich Ärzte teilweise in haarsträubende Sachen hineinziehen lassen und vorsätzlich so klare Gesetzesverstöße (ihrer Meinung nach zum Wohle des Patienten) begangen, dass ich teilweise schon überrascht war, dass da straf- und berufsrechtlich nicht mehr passiert ist.

    In medizinischen Fallkonstellationen ist die Approbation am ehesten weg, wenn man *vorsätzlich* gegen absolut klare Regeln verstößt, gegebenenfalls vielleicht sogar bewusst falsch dokumentiert, um dies zu verschleiern, was dann aber ein klarer Beleg für die Vorsätzlichkeit der Tat ist. Ein weiterer schwerwiegender Faktor ist der Schaden, der entstanden ist: Ein toter Mensch sorgt unter Umständen dafür, dass schon genauer nachgeschaut wird. Und zum Schluß kommt es auch noch ein wenig darauf an, ob man so gehandelt hat, um sich selbst einen Vorteil zu verschaffen, wobei der eigene Vorteil auch bereits so etwas Banales wie eine Zeitersparnis sein kann.

    Im Fall der Leichenschau gilt: Die Leichenschau ist an der vollständig entkleideten Leiche durchzuführen. Das steht nicht nur in der entsprechenden Leitlinie, sondern sogar ausdrücklich in jedem einzelnen Bestattungsgesetz in Deutschland. Man muß sich das mal vorstellen: Da hat der Gesetzgeber ausdrücklich ins Gesetz reingeschrieben, wie ein Arzt eine bestimmte Untersuchung durchführen muß! Das ist schon ziemlich krass. Ich kenne nicht alle Totenscheine aller Bundesländer, aber in allen, die ich kenne, steht direkt oberhalb der ärztlichen Unterschrift auf dem Totenschein selbst ausdrücklich ein Satz wie "Auf Grund der von mir sorgfältig und an der vollständig entkleideten Leiche durchgeführten Untersuchung bescheinige ich hiermit den Tod".

    Bei der Todesbescheinigung handelt es sich um eine hoheitliche Aufgabe, die der Arzt wahrnimmt, somit sozusagen eine amtliche Handlung. Zur Wahrnehmung dieser hoheitlichen Aufgabe sind dem Arzt im Gesetz besondere Rechte (beispielsweise das Betreten einer Wohnung, in der sich eine Leiche befinden soll) und besondere Pflichten (die Untersuchung der vollständig entkleideten Leiche) auferlegt. Wenn nun ein Arzt in der Wahrnahme dieser hoheitlichen Aufgabe die Leiche nicht vollständig entkleidet und anschließend im Totenschein vorsätzlich wahrheitswidrig bescheinigt, dass er die Leiche vollständig entkleidet betrachtet hätte, und durch dieses Fehlverhalten des Arztes ein anderer Mensch ums Leben kommt - jawohl, dann kann die Approbation weg sein. Und da kann meiner Meinung nach auch niemand sagen, dass das übertrieben wäre. Die Approbation ist nicht weg, weil man etwas übersehen hat, sondern weil man nachgewiesenermaßen eine hoheitliche Aufgabe nicht wie im Gesetz vorgeschrieben durchgeführt hat, anschließend auf einer amtlichen Urkunde vorsätzlich falsch beurkundet hat und am Ende ein Mensch ums Leben gekommen ist, der noch leben würde, wenn man korrekt gehandelt hätte. Man stelle sich einen Polizei- oder anderen Beamten vor, der vorsätzlich falsch handelt, vorsätzlich falsch beurkundet und durch sein bewusst falsches Handeln den Tod eines Menschen verursacht. Dem wird auch nicht nur auf die Finger geklopft und gesagt "mach das nie wieder".

    Als Leichenschauer hat man nicht nur eine Verantwortung gegenüber der Leiche, sondern im Rahmen der hoheitlichen Aufgabe eine Garantenstellung gegenüber allen, die durch eine fehlerhaft durchgeführte Leichenschau geschädigt werden könnten. Entsprechend wird man, wenn nachgewiesen wird, dass dadurch ein anderer Mensch geschädigt oder getötet worden ist, als Leichenschauer wegen fahrlässiger Körperverletzung bzw. wegen fahrlässiger Tötung verurteilt werden.

    Ich kann jedem Arzt nur raten, das Bestattungsgesetz seines Bundeslands mal durchzulesen. Das sind relativ kurze Gesetze, in denen aber einige Dinge konkret drin stehen, derer man sich bewusst sein sollte. Zum Beispiel, wer überhaupt zur Leichenschau verpflichtet ist.

    Kurz zusammengefasst: Ärzte verlieren ihre Approbation meiner Erfahrung nach am ehesten durch Krankheit (Sucht) oder durch Vorsatz-Delikte außerhalb des medizinischen Bereichs oder durch anderes Verhalten, das erhebliche Zweifel an der Eignung zur ärztlichen Tätigkeit weckt. In sehr seltenen Fällen verlieren Ärzte die Approbation durch vorsätzlichen Verstoß gegen wichtigste Behandlungsstandards, zum Beispiel solche, die im Bestattungsgesetz oder im Transfusionsgesetz ausdrücklich niedergelegt sind. Die Approbation zu verlieren nur durch unzureichende Aufklärung, fahrlässige Fehler bei der medizinischen Behandlung oder andere "alltägliche" ärztliche Probleme erscheint schwer denkbar.

    Ich persönlich weigere mich, eine nicht an der vollständig entkleideten Leiche durchgeführte Leichenschau und einen nicht durchgeführten Bed side test vor Transfusion als harmlose weil "alltägliche" Verfehlung zu sehen, auch wenn ich weiß, dass beides täglich dutzend- oder hundertfach in Deutschland regelwidrig stattfindet. Dass da ab und zu dann doch einer den Finger rein bekommt und die Approbation verliert, erscheint mir richtig und nötig.

    Abgesehen vom angesprochen sehr geringen Risiko des Verlusts der Approbation sollte man allerdings meiner Meinung nach als frischer Assistenzarzt (siehe OP) im Hinterkopf behalten, dass man selbst als Vordergrund-Arzt für eine fachgerechte Behandlung einzustehen hat und der tatsächliche Vorwurf eines Behandlungsfehlers selbst dann eine starke Belastung darstellt, wenn man sich selbst keiner Schuld bewusst ist. Solche Vorwürfe ziehen sich, sofern erst einmal ernsthafte Ermittlungen von seiten der Ärztekammer oder der Staatsanwaltschaft aufgenommen worden sind, über Jahre hinweg, bringen im Lauf der Ermittlungen regelmäßig Vorhaltungen und Begegnungen mit sich, bei denen man am eigenen Verstand und an der eigenen Weltsicht zweifelt, und lassen kaum jemanden kalt. Sie sind mit finanziellen Einbußen schon deshalb versehen, weil man sich sinnvollerweise bereits beim ersten Aufkommen eines Vorwurfs selbst einen von der Klinik unabhängigen Rechtsanwalt nimmt und das natürlich (eigenes) Geld kostet, ganz abgesehen davon, dass die Kliniken als Arbeitgeber sich normalerweise sowieso nur für die zivilrechtliche Seite interessieren und bezüglich straf- oder berufsrechtlicher Ermittlungen den Assistenzarzt gerne im Regen stehen lassen.

    Wie immer am Ende noch der Hinweis darauf, dass ich kein Jurist bin, sondern Arzt, und man sich fachkompetenten juristischen Rat ggf. von entsprechend kompetenten Juristen holen sollte.
    Geändert von Pflaume (02.05.2019 um 14:32 Uhr)



  4. #54
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    Naja, aber jetzt sollte man da schon etwas die Kirche im Dorf lassen, hier wird meiner Meinung nach gerade etwas zu viel heiße Luft aufgeblasen.
    Ja, man kann und soll seine Approbation für grobe Vergehen gegen die ärztliche Berufsordnung verlieren, das steht außer Frage. Allerdings beschränkt sich das wirklich in 99.9% der Fälle auf außerfachliche Dinge, wie bereits oben beschrieben in erster Linie Suchtdelikte und grobe, strafrechtlich relevante Aussetzer. Aus fachlich-medizinischen Gründen wird so gut wie niemand die Approbation entzogen, insbesondere im klinischen Sektor als Assistenzarzt ist man da doch meist sehr gut durch die Klinik geschützte. Ich mach das jetzt seit fast 15 Jahren und ich kenne keinen Fall eines Assistenzarztes, dem seine Approbation aufgrund einer Leichenschau, eines Therapiefehlers oder sonstiger medizinischer Gründe entzogen wurde, die 2 Fälle, die ich kenne, waren zwingend notwendig (1* schwerer Betrug, 1* massivste BTM Verstöße, ohne weiter ins Detail zu gehen).
    Was eine Leichenschau in der Klinik angeht, wird wohl keiner, wenn er jetzt nicht hier herumtheoretisieren will, sondern ehrlich ist, sagen können, nicht schon mal eine p mal Daumen Leichenschau nachts an einer halbbekleideten Leiche durchgeführt zu haben, mich inklusive. Da besorgt man sich die Akte, liest das Ganze durch und wenn der Tod plausibel und erwartbar war, füllt man den Schein aus und das ist auch gut so. Zumal man ja oft schon in Übergaben gesagt kriegt, XYZ kann und darf sterben, wenn man in den Dienst geht.
    Anders sieht das natürlich in "freier Wildbahn" aus. Im KV/NA Dienst erwarte ich schon eine sorgfältige Leichenschau, da ich da ja keine detaillierten Befunde zum Patienten vorliegen habe und auch eine vorsätzliche Tötung nicht so einfach auszuschließen ist. Hier kann ich jedem Kollegen nur empfehlen, beim geringsten Zweifel eine nicht natürliche Todesursache anzukreuzen, eine guter Kumpel von mir hat so mal einen münchenweit bekannt gewordenen Mordfall losgetreten.
    Aber bitte alles mit Respekt, aber ohne Angst und stupide Leitliniengläubigkeit angehen. Leitlinien sind kein Dogma, selbst ständig im Fluß und als eine Art Leitplanken gedacht, je älter man wird, desto eher biegt man mal davon ab.
    "Ich habe mein halbes Vermögen für Frauen, Autos und Alkohol ausgegeben, die andere Hälfte habe ich verprasst." ( George Best )



  5. #55
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    An die, die mehr Ahnung davon haben.
    Was wäre in dem Fall von 1989 denn passiert, wenn er nachweislich die Patientin vollständig entkleidet,
    aber die CO-Vergiftung als Todesursache anhand der hellroten Totenflecke nicht als solche erkannt hätte?



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