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Aktive Benutzer in diesem Thema

  1. #56
    The Dark Enemy Avatar von morgoth
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    Wenn ich den obigen Post richtig verstehe: Der Arzt hätte im Idealfall entkleidet, die hellroten Totenflecken gesehen, den V.a. CO-Vergiftung geäussert und er bzw. „sonst jemand“ hätten dann die Gefahr im Haus identifiziert und die Tochter noch finden und retten können (die laut Post wenig später=zu spät entdeckt wurde).
    Da wird aber schon einiges vom Arzt verlangt.
    Wenn er nur entkleidet, aber daraus nicht die richtigen Schlüsse abgeleitet hätte, wäre es vermutlich „nur“ ein Fehler gewesen, ohne die harten juristischen Konsequenzen.



  2. #57
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    Zitat Zitat von Heerestorte Beitrag anzeigen
    An die, die mehr Ahnung davon haben.
    Was wäre in dem Fall von 1989 denn passiert, wenn er nachweislich die Patientin vollständig entkleidet,
    aber die CO-Vergiftung als Todesursache anhand der hellroten Totenflecke nicht als solche erkannt hätte?
    Es ist etwas ungünstig, an einem konkreten Fall gleichzeitig hypothetische Erwägungen zu erörtern. In dem schon genannten Fall von 1989 wurde meines Wissens dem betroffenen Arzt übrigens nicht die Approbation entzogen. Bin mir über die Details des Falles aber nicht sicher. Damals stand meines Wissens auch noch nicht auf jedem Totenschein der Satz mit der vollständigen Entkleidung der Leiche.

    Ich würde darum lieber allgemein bleiben.

    Jedenfalls wäre bei einem Übersehen von hellroten Leichenflecken kein Vorwurf des Vorsatzes im Raum (außer vielleicht wenn der Arzt selbst schuld an der Kohlenmonoxidvergiftung der Leiche ist), sondern allenfalls eine Fahrlässigkeit. Wenn überhaupt. Sowohl zivil- als auch strafrechtlich hat der (An-)Kläger dann ggf. ja auch erst mal ein Beweisproblem. Waren wirklich hellrote Totenflecke sichtbar? Der Arzt hat ja nachgeschaut und sie nicht gesehen. Und grundsätzlich ist ein bloßer Irrtum, selbst wenn es ein schwerwiegender Irrtum war, gerade in der straf- und berufsrechtlichen Betrachtung immer eine ganz andere Sache als der Vorsatz. Das ist ja nicht nur im medizinischen Bereich so, sondern insgesamt im Strafrecht. Es ist, wie ich oben schon geschrieben habe, kaum vorstellbar, dass man aufgrund eines bloßen fachlichen Irrtums die Approbation verliert. Zumindest kenne ich keinen Fall. Auch die in Fällen eines schwerwiegenden fachlichen Irrtums mit schwerwiegenden Folgen verhängten Strafen sind eher niedrig. In all den Fällen, in denen es um fahrlässige Fehler geht, ist (bei einem großen Schaden) eher die zivilrechtliche Seite das Problem als die straf- oder berufsrechtliche. Und insgesamt sind die Strafen für Delikte, die man während der ärztlichen Berufsausübung begeht, eher niedrig. Man sieht das ja beispielsweise auch an den niedrigen Strafen für bewussten Verstoß gegen die Schweigepflicht.

    Zivilrechtlich (anderes Thema!) kann man erfahrungsgemäß grundsätzlich sagen, dass es halt grundsätzlich ungünstig ist, etwas überhaupt nicht gemacht zu haben oder etwas bewusst falsch dokumentiert zu haben (sofern diese falsche Dokumentation hinterher bewiesen werden kann, aber das erlebt man nur in Einzelfällen). Als ganz banales und auch nicht besonders gutes Beispiel, mir fällt gerade kein besseres ein: Jemandem mit Bauchschmerzen nicht auf den Bauch gedrückt und nicht wenigstens kurz den Schallkopf auf den Bauch gedrückt zu haben ist eine andere Sache als ihm auf dem Bauch rumgedrückt zu haben, die Abwehrspannung nicht erkannt zu haben und sonografisch die vorhandene freie Flüssigkeit übersehen zu haben. Schon deshalb, weil die Gegenseite im Fall des Falles erst mal beweisen müßte, dass diese ggf. reaktionspflichtigen Befunde zum Zeitpunkt der Untersuchung 1) wirklich da waren und 2) ein fachgerechter, sorgfältiger Untersucher diese Befunde auch gesehen hätte. Während zumindest zivilrechtlich ein klarer Befunderhebungs-Mangel (also eine gar nicht durchgeführte Untersuchung, wo sie klar indiziert gewesen wäre) recht rasch zur Beweislastumkehr führt, also dazu, dass der Arzt (im Zivilprozess) beweisen muß, dass auch eine Erhebung der entsprechenden Befunde nicht zu einem für den Patienten geringeren Schaden geführt hätte. Selbst wenn man in der Sonografie oder irgendwelchen anderen Untersuchungen nicht besonders geübt ist: Solange man die Untersuchung zumindest gemacht hat, macht es das der zivilrechtlichen Gegenseite schon mal sehr viel schwerer, weil erst mal angenommen wird, dass man das schon korrekt gemacht hat.

    Bezogen auf die Totenflecke: Die Ansicht meines Chefs in der Rechtsmedizin war, dass wirklich hellrote Totenflecke so auffällig seien, dass er sich kaum vorstellen kann, dass jemand sie übersieht und es überhaupt somit zu einem entsprechenden Prozess kommt, weil man sie übersehen habe. Abgesehen davon wäre ein solcher Fehler aber zwar blöd, aber vielleicht dann auch doch schwer zu beweisen. Er schärfte mir für die Leichenschau immer ein, die Leichenschau an der vollständig entkleideten Leiche und bei ausreichender Beleuchtung durchzuführen, denn alles, was ich dann trotz dieser Bedingungen noch falsch mache, habe seiner Einschätzung nach zumindest keine existenzgefährdenden Folgen bzw. wahrscheinlich sogar überhaupt keine.
    Geändert von Pflaume (02.05.2019 um 18:46 Uhr)



  3. #58
    Diamanten Mitglied
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    Zitat Zitat von Heerestorte Beitrag anzeigen
    An die, die mehr Ahnung davon haben.
    Was wäre in dem Fall von 1989 denn passiert, wenn er nachweislich die Patientin vollständig entkleidet,
    aber die CO-Vergiftung als Todesursache anhand der hellroten Totenflecke nicht als solche erkannt hätte?
    Pflaume schreibt immer bissl lang, wenn auch aus meiner Sicht korrekt...
    Meine Zusammenfassung wäre, dass das ein klassisches Problem ist das üblicherweise wie folgt behandelt wird:
    - Untersuchung gar nicht durchgeführt (Leiche nicht entkleidet, daher zum Beispiel Rücken nicht eingesehen) -> Befunderhebungsfehler -> grobe Fahrlässigkeit -> Beweislastumkehr -> immer ein Riesenproblem
    - in der Untersuchung einen falschen Befund erhoben (Leichenflecken falsch interpretiert) -> Befundungsfehler -> "einfache" Fahrlässigkeit -> kann passieren, Beweislast bleibt beim Kläger -> fast nie ein Problem

    Das ist klassischerweise das Problem das schon öfter bei Z.n. Sturz, Schmerzen Hüfte/Becken, keine Röntgenuntersuchung passiert ist. Bei adäquatem Trauma und entsprechenden Schmerzen ist ein Röntgen zum Ausschluss Fraktur indiziert, wenn man es nicht macht dann ist das ein Befunderhebungsfehler. Wenn man die Fraktur im Röntgen übersieht ein Befundungsfehler. Daher geht es mir in der Notaufnahme immer drum zu begründen wenn ich kein Röntgen mache. Weil ich zum Beispiel schreiben kann: vollständig belastbar, kein Stauchungsschmerz, Beweglichkeitsumfang unauffällig oder was auch immer...



  4. #59
    Registrierter Benutzer Avatar von Trendafil
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    Zitat Zitat von wurstbrot1337 Beitrag anzeigen
    Das Urteil vom AG Wennigsen ist natürlich ein Extremfall, in wahrscheinlich 99,99% der Fälle geht die Sache glimpflich aus und es verstirbt keiner, weil man eine falsche Todesart angibt. Aber das Urteil für mich ist klar verständlich in Falle der CO-Vergiftung: Der Arzt hat damals fahrlässig gehandelt, indem er entgegen der Vorschriften die Tote nicht vollständig entkleidet hat, als Konsequenz seiner fahrlässigen Handlung ist ein Mensch zu Tode gekommen. Für mich also nachvollziehbar, dass das Gericht ihn wegen fahrlässiger Tötung schuldig spricht, welches Urteil hätten sie sonst sprechen sollen? Frei sprechen geht wohl kaum, für eine andere Straftat hätten sie ihn wohl auch nicht belangen können (Körperverletzung oder so).

    Hab mal in einem Rechtsmedizin-Lehrbuch nachgeschaut und dort steht:
    "Die falsche Qualifikation der Todesart kann vor allem in jenen Fällen zu gravierenden rechtlichen Konsequenzen führen, in denen statt eines nichtnatürlichen Todes ein natürlicher Tod bescheinigt wird. [...]
    Es wird ein natürlicher Tod bescheinigt, weil sich infolge mangelhafter Untersuchung des Leichnams keine Anhaltspunkte für einen nichtnatürlichen Tod ergeben haben. Sollten sich dann - etwa im Rahmen einer zweiten Leichenschau vor Kremation - doch Anhaltspunkte für einen nichtnatürlichen Tod finden, so muss der verantwortliche Leichenschauarzt zumindest mit der Einleitung eines Bußgeldverfahrens rechnen. In Extremfällen ist auch ein Strafverfahren wegen fahrlässiger Tötung, § 222, denkbar, wenn infolge nicht erkannter Anhaltspunkte für einen nichtnatürlichen Tod ein weiterer Mensch unter den gleichen Umständen sein Leben verliert." (Quelle:Rechtsmedizin: Befunderhebung, Rekonstruktion, Begutachtung, Burkhard Madea Springer-Verlag, 24.11.2014 - 942 Seiten)

    Also zusammengefasst: wenn man bei der Leichenschau Hinweise auf einen nichtnatürliche Todesart übersieht, weil man mangelhaft gearbeitet hat, und dadurch ein Mensch unter den gleichen Umständen stirbt wie der Verstorbene, an dem man die Leichenschau durchgeführt hat, kann man im schlimmsten Fall für eine fahrlässige Tötung belangt werden.
    Darunter fällt der Fall vom AG Wennigsen, aber auch andere Fälle wären sicher denkbar. Nehmen wir mal die Horrorgeschichte mit dem übersehenem Messer im Rücken, was wenn ich das übersehe und dadurch der Täter unbehelligt weitermachen kann und sagen wir mal nun den Sohn der Verstorbenen nun mit dem Messer umbringt?
    diesen Kommentar (über die Monoxidvergiftung) habe ich überlesen. Ich las nur jenes kurzes über Approentzug nach falscher Angabe der Todesursache.
    Beziehen sich die zwei Kommentare aufeinander?

    Wenn ja, ist es für mich schon verständlich. Ich ging davon aus, dass der Arzt nach korrekt durchgeführter Leichenschau zur falschen Schlussfolgerung kam. Dafür belangt zu werden finde ich schon grenzwertig. Keiner ist frei von Fehlern.



  5. #60
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    Ich habe wegen der Diskussion hier nochmal meinen ehemaligen Chef in der Rechtsmedizin angerufen und den dazu gefragt. Er hat erneut betont, wie wichtig die vollständige Entkleidung einer Leiche für die Leichenschau sei. Allerdings sagte er, dass ihm aus Jahrzehnten in der Rechtsmedizin kein Fall bekannt sei, in dem jemandem *nur* wegen eines einmaligen (bzw. einmalig nachgewiesenen) Verstoßes gegen das Transfusionsgesetz oder gegen das Bestattungsgesetz mit z.B. nachgewiesener Nicht-Entkleidung der Leiche die Approbation entzogen worden sei, selbst wenn dieser Verstoß schwerwiegende Folgen nach sich gezogen hat. Er kenne nur Fälle, in denen jemand schon vorher, und zwar auch nicht nur einmal, sondern mehrfach, bei der Ärztekammer auffällig geworden sei, zum Beispiel wegen Patientenbehandlung unter Einfluß von Rauschmitteln, und in denen dann ein Ereignis wie eine entsprechend schlampige Leichenschau mit Folgen oder ein anderer Zwischenfall dazu geführt habe, dass ein Verfahren zum Entzug der Approbation eingeleitet worden sei. Da könne man aber nicht sagen, dass das einzelne Ereignis die Ursache sei, sondern in diesen Fällen habe ein langfristiges Problem bei dem Arzt zugrunde gelegen.

    Insofern muß ich meine obigen Aussagen dazu, dass aufgrund einer einmaligen vorsätzlichen Falschbeurkundung in der Todesbescheinigung und entsprechend schweren Folgen die Approbation entzogen werden kann, korrigieren. Ich habe mich da wohl falsch erinnert und nur im Gedächtnis behalten, dass diese vorsätzlichen Verstöße bei dem Ausfüllen der Todesbescheinigung ernsthafte Folgen haben können. Jedoch beschränken diese Folgen anscheinend auf den zivil- und strafrechtlichen Bereich, und auch dort sind die Strafen eher gering, sondern es gibt höchstens eine große zivilrechtliche Schadenssumme, bei der im Fall einer vorsätzlichen Falschbeurkundung ggf. die Haftpflichtversicherung Probleme machen könnte. Selbst wenn sie in dem einen Fall zahlt, kann es sein, dass der Vertrag gekündigt wird und man große Probleme hat, eine neue Versicherung zu bekommen. Im berufsrechtlichen Bereich werden einmalige Verfehlungen seiner Aussage nach äußerst gering geahndet.



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