Ich würde es nicht noch einmal studieren. Natürlich gibt es viele Menschen, die wesentlich mehr und härter arbeiten als ein Arzt - man möge da nur einmal an die vielen Inhaber kleiner Handwerksbetriebe denken - entsprechend ist es wohl Jammern auf hohem Niveau.
Der Weg ist in Relation zum Ertrag meiner Meinung nach viel zu langwierig und aufwendig. Mindestens 6,5 Jahre Studium (durch Forschung oder was auch immer regelmäßig auch länger), i. d. R. mind. 5 Jahre, je nach Fach auch 6, 7 oder 10 Jahre Facharztausbildung. Gerade in den (teil-)operativen Fächern beginnt die richtige Ausbildung erst danach. Man kann sich also darauf einstellen, für mind. 15 Jahre das letzte Stück sch... zu sein. In den meisten Häusern wird man den Berichten nach auch im Jahr 2019 noch genau so behandelt. Wenn du vorher wie ich auch noch etwas anderes studiert hast, bist du mit Glück dann vielleicht mit 40 in der Situation, nicht mehr ganz unten in der Nahrungskette stehen zu müssen.
Auch inhaltlich hat mich persönlich das Fach nicht gepackt. Letztlich lernst du oft willkürlich Symptome, die sich pathophysiologisch nicht oder nur mit großem Aufwand wirklich erschließen lassen, auswendig. Die Fächer, in denen du dann im praktischen Alltag regelmäßig mit den kniffligen Dr. House Fällen konfrontiert bist und querdenken musst, sind rar. Meist heißt es, streng nach Schema F (also nach Leitlinie) zu handeln.
Man sollte zudem die anhaltende Entwicklung in Richtung Subsub-Spezialisierung nicht außer Acht lassen. Nahezu alle Fächer (außer natürlich die Allgemeinmedizin) splitten sich immer weiter auf. Ich komme gerade von einer Hospitation in einer mittelgroßen urologischen Klinik, wo einer nur noch Blasen operiert, einer nur noch Ureterstrikturen schlitzt oder anderweitig plastisch zu beheben versucht, wieder ein anderer macht nur Endo, ein weiterer nur Andrologie - steht also gar nicht mehr im OP. In den konservativen Fächern sieht es nicht viel anders aus. Ich habe erst neulich mit einem älteren niedergelassenen Neurologen in klassischer Zweier-Gemeinschaftspraxis gesprochen, der froh war, in 10 Jahren aufhören zu können. Er sieht sich bereits jetzt als so eine Art "neurologische Subspezies des Hausarztes", der aufgrund der zunehmenden Komplexität zur Betreuung seiner MS- oder Parkinson-PatientInnen regelmäßig die Spezialambulanzen der umliegenden Kliniken hinzu ziehen muss. Es ist hochgradig fraglich, ob eine solche Praxis in 10-15 Jahren noch existieren kann oder ob wir immer mehr Schwerpunkt-Praxen sehen werden. Weiteres Beispiel: Die Psychiater diskutieren gerade öffentlich über einen Psychiater für Depressionen, einen Psychiater für Angststörungen usw.
Das alles ist natürlich nützlich und dient dem Patientenwohl. Für einen Großteil der Ärzte macht es den Job meiner Meinung nach aber eher unattraktiver...ist letztlich aber natürlich Geschmackssache.
Nach diesem Medizin-Bashing aber auch das Gute: Es stehen einem nach solch einem Studium viele andere Wege offen. Eine meiner ehemaligen Kommilitoninnen sitzt zwei Jahre nach Abschluss ihres Studiums im Personalbereich eines mittelgroßen Unternehmens und erhält Oberarzt-Gehalt - mit dem kleinen Unterschied, dass das in ihrer Branche im Gegensatz zur Medizin (Ausnahme Chefarzt) nicht das obere Ende der Fahnenstange ist. Abends und am Wochenende gibt sie ihre Kohle aus, statt im Krankenhaus zu hocken, nachts schläft sie. Meine Freundin ist nach dem Psychologie-Studium in die Wirtschaft und verdient nach vier Jahren ebenfalls sechsstellig (brutto / Jahr). Diese Wege stehen dir also auch mit einem sehr guten BWL- oder vielen anderen Abschlüssen offen - und das wesentlich schneller. Vielleicht auch schon mit deinem Erststudium?