Ich komme gerade aus meiner unterbezahlten 24-Stunden Schicht und liege endlich in meinem eigenen Bett. Die Frage des Threads hat mich die letzten 24 Stunden beschäftigt und mich während meines Dienstes stets begleitet.
Und ja, ich würde es immer wieder tun, ich habe das Studium letzten Endes sehr genossen, auch wenn es hart war. Die Kenntnis der Medizin, der Anatomie zu haben, eine Idee entwickeln zu können von dem was in einem Menschen so vor sich geht, das ist mit Sicherheit ein Privileg.
Doch würde ich meinen Beruf als Arzt in der Art so wie er hierzulande ausgeübt werden muss, definitiv nicht empfehlen können. Die Erkenntnis ist schon schmerzhaft!
Viel mehr sind es die Arbeitsbedingungen, die einem die Lust und Leidenschaft an dem Fach nehmen. Denn ich denke das ideale Teilungsverhältnis des goldene Schnittes liegt genau dort, wo sich alles in einer gesunden und schönen Balance befindet. Ärzte die überarbeitet sind, Überstunden machen und dementsprechend nicht belohnt werden, verspüren früher oder später ein Empfinden der Unzufriedenheit. Wen wundert es? Stellt sich nicht jeder mal die Frage, warum man seine eigene Gesundheit aufgeben sollte, um die der auf Station liegender Patienten retten zu können, bei einem Lohn der hinunter gerechnet und verteilt auf alle Stunden, letzten Endes in etwa dem Stundenlohn des Mc-Donalds Arbeiters ähnelt? Jeder Mensch, der diese Tatsache innerlich nicht aufrüttelt, nicht wenigstens den Hauch einer Skepsis oder Nachfrage erregt, stellt sich meines Erachtens nach gegen den normalen menschlichen Trieb, das eigene Überleben sichern zu wollen. Gutmenschen, Menschen mit Helfersyndrom, Idealisten - ihr habt meinen großen Respekt. Doch das Problem wird größer, sobald solche Menschen an Führungspositionen gelangen und das Gedankengut a la „ich verlange nur so viel von meinen Arbeitern, wie ich selbst von mir“ in sich tragen.
Doch sollte man sich nicht mal bewusst machen, dass hinter der Mehrheit der Mediziner ganz normale Menschen stecken, die ein einfaches und erfülltes Leben leben wollen? Meines Erachtens nach kann nur ein glücklicher Arzt doch ein guter sein. Das selbe gilt übrigens auch für die Pflegekräfte. Ist diese Berufsgruppe nicht etwa die Stütze der Gesellschaft? Ohne gesunde Menschen gibt es keine Arbeiter - und ohne diese gibt es keine Ökonomie.
So sollte man doch zumindest der Frage nachgehen, warum von Ärzten so viel abverlangt wird, wenn nicht einmal die ökonomische Wertschätzung gegeben ist?
Die Bedingungen müssen sich ändern. Deutschland ist eine Industrienation 1. Klasse, doch anscheinend läuft in der Politik und in den Köpfen vieler Manager irgendetwas schief.
Doch sollte man nicht gleich mit den Fingern auf andere zeigen, viel mehr sollten wir uns darüber bewusst machen, dass wir die Mitschuldigen sind. Es fängt schon dort an, wo Überstunden nicht aufgeschrieben werden und endet dort, wo das Leben zur Arbeit wird. Streikende Ärzte sind unethisch und unärztlich - das perfekte Resultat einer Manipulation oder zumindest des Missverständnisses unserer heutigen Zeit.