Das Thema spricht mir sehr aus der Seele. Ich bin ebenfalls parallel zu Corona in den Beruf eingestiegen. Auch meine Erfahrungen waren katastrophal, wenn auch im Vergleich zu manchen der hier beschriebenen Horrorstories wohl noch eher milde.
Bei meiner ersten Stelle erinnere ich mich an einen Monat, wo ich 2 oder 3 normale Arbeitstage hatte. Der gesamte Rest waren Dienste. Fachfremde Mitübernahme der Covid-Station; oder Stationen, das konnte auch mal spontan auf mehrere ausgeweitet werden. Arbeiten mit mehreren Stellen im Minus. 20 Überstunden in der Woche regelmäßig geknackt, bis Chef nach Einlauf durch die Verwaltung spontan entschied, dass es keine Überstunden mehr gibt. Dann kam er noch auf die Idee, man müsse ausgerechnet in dieser Situation jetzt noch eiligst eine neue Datenbank etablieren mit Ethikantrag und allem drum und dran für seinen PD in spe. Natürlich in der Freizeit. Dazu täglich erwartete unbezahlte Rufbereitschaft, falls jemand in Quarantäne muss. Außerdem wurden alle MFAs aus den Ambulanzen ins Covid-Testzentrum abgezogen, sodass wir die komplette Administration zusätzlich selbst erledigen mussten. Letztlich sollte mein Urlaub einen Tag vor Antritt gestrichen werden, als ich eh schon auf dem Zahnfleisch gekrochen bin. Stattdessen sollte ich 14 Tage Durcharbeiten. Ich habe mich geweigert. Der Chef schrieb meine Stelle im Ärzteblatt aus.
Bei meiner zweiten Stelle hatte ein Kollege seit meiner Hospitation gekündigt. Einer stellte sich als schwerbehindert heraus, einer war seit einem Jahr krankgeschrieben. Eine Mutti machte einfach keine Dienste, weil isso, und zwei weitere Kollegen waren Teilzeitler. Somit gab es rechnerisch 3 dienstfähige Ärzte. Zur Begrüßung wurde mir gleich wieder eine zweistellige Zahl an 24-Stunden-Diensten eingetragen.
Das alles hat mir erstmal gereicht. Ich bin derzeit nicht mehr klinisch tätig, sondern medizinfern in einer Nische, in der ich früher schon gejobbt hatte. Einerseits blutet mir das Herz, weil ich immer sehr gerne im Krankenhaus war und mich nach dem Examen sehr darauf gefreut hatte, endlich loszulegen. Es fühlt sich ein wenig so an, als hätte einem u.a. durch Corona bislang einfach niemand eine realistische Chance eingeräumt, mit Selbsterhalt vernünftig im System Fuß zu fassen. Ich hätte nie gedacht, so lange nach dem Examen zumindest "gefühlt" so wenig vorwärts gekommen zu sein. Das nagt doch ganz schön.
Andererseits wäge ich ab, ob ich mir das angesichts der vierten Welle wirklich nochmal antun soll oder den Spaß zumindest vorerst weiter aussitze. Und rückblickend würde ich mich angesichts der wirklich grässlichen Arbeitsbedingungen immer wieder genauso entscheiden.